Autor Thema: VGH München, Beschl. v. 12.10.2021 – 24 ZB 21.2041 Entzug WBK  (Gelesen 651 mal)

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Zitat
VGH München, Beschluss v. 12.10.2021 – 24 ZB 21.2041

Titel: Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Reichsbürgerbewegung.
Normenkette: WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2
Schlagworte: Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Reichsbürgerbewegung.
Vorinstanz: VG Regensburg, Urteil vom 22.06.2021 – RO 4 K 19.105
Fundstelle: BeckRS 2021, 33571

Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 19.000 Euro festgesetzt.
Spoiler
Gründe
I.
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse.
2
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 22. Juni 2021 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2018 erweise sich als rechtmäßig, weil der Kläger im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden sei. Insbesondere die Angaben, die er im Zusammenhang mit einem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gemacht und das Verhalten, das er bei der zuständigen Gemeinde im Zusammenhang mit seinem Personalausweis gezeigt habe, sprächen für seine Zugehörigkeit zur sogenannten Reichsbürgerbewegung und dafür, dass er sich deren Ziele und Ideologie zu eigen gemacht habe. Dieser Umstand rechtfertige eine negative Prognose im Hinblick auf seine künftige waffenrechtliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG.

3
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er insbesondere geltend, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Außerdem weise die Rechtssache besondere tatsächliche Schwierigkeiten auf. Schließlich werde auch der Zulassungsgrund der Divergenz geltend gemacht.
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Der Beklagte - Landesanwaltschaft Bayern - ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
7
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2018, mit dem unter anderem die waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse des Klägers widerrufen wurden, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
8
Der Kläger macht - wie schon im erstinstanzlichen Verfahren - im Wesentlichen und sinngemäß geltend, sein Verhalten sei fehlerhaft gewürdigt worden, denn dieses lasse tatsächlich nicht auf eine „reichsbürgertypische“ Gesinnung und eine mögliche künftige waffenrechtliche Unzuverlässigkeit schließen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, eine objektive und sachgerechte Gesamtabwägung vorzunehmen und setze sich insbesondere nicht mit seinen klaren Aussagen auseinander. Er habe spätestens im Jahr 2016 nach einer Möglichkeit gesucht, keinen „Rundfunkgebührenbeitrag“ mehr bezahlen zu müssen. Die Frage der „Rundfunkgebührenbeiträge“ und deren Bezahlung sei eine breitgesellschaftliche Frage. In seinem menschlich nachvollziehbaren Bestreben, Geld zu sparen, sei er Menschen im Internet „auf den Leim“ gegangen. Es entspreche überdies gerade der allgemeinen Lebenserfahrung, dass er seinem Vorhaben, bei der Gemeinde den Personalausweis zurückzugeben, keine Erfolgschancen beigemessen habe. Im Jahr 2016 sei die Reichsbürgerbewegung nicht bekannt gewesen und weder im Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz noch in einem seiner Landesbehörden erschienen. Der Beklagte sei nach der Anhörung im Jahr 2016 zwei Jahre lang untätig geblieben. Der Kläger trägt weiter vor, er ziehe die Existenz des Staates nicht in Zweifel, was sich an der Tatsache zeige, dass er zur Verhandlung beim Verwaltungsgericht angereist sei und auf Nachfrage eine umfangreiche Erklärung abgegeben habe. Er sei in keiner Art und Weise auffällig geworden, insbesondere nicht strafrechtlich.
9
Dieses Vorbringen verhilft seinem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg. Entgegen der Darstellung des Klägers hat das Verwaltungsgericht die Einlassungen des Klägers in allen Einzelheiten gewürdigt (UA S. 10 ff.). Dass es aus seinem Vortrag nicht die gewünschten rechtlichen Schlüsse gezogen hat und vor allem nicht zu dem vom Kläger erstrebten Ergebnis gelangt ist, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Zutreffend, mit ausführlicher Begründung und in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. UA S. 8 ff.) ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, namentlich die Angaben des Klägers im Antragsverfahren auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (u.a. die Benennung des Geburtsstaates mit „Königreich Bayern“ und Bezugnahme auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz nach dem Stand 1913) und die versuchte Rückgabe seines Personalausweises bei der zuständigen Gemeinde mit den Äußerungen zu den Angaben „Name“ und „Deutsch“ zeigten ein für sogenannte Reichsbürger typisches Verhalten und sprächen dafür, dass sich der Kläger deren Ideologie zu eigen gemacht habe. Das rechtfertige die Annahme bzw. Prognose, dass der Kläger nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit verfüge. Diese Einschätzung habe der Kläger durch seine Erklärungen nicht entkräften können. Dagegen ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Soweit der Kläger darauf hinweist, er sei ansonsten in keiner Weise, insbesondere strafrechtlich auffällig geworden, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, aus welchen Gründen es den Kläger als eine Person ansieht, die der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzuordnen ist. Ob der Kläger sich selbst als „Reichsbürger“ empfindet und ob er ansonsten „unauffällig“ ist, ist hierbei unerheblich. Dass die Reichsbürgerbewegung dem Verfassungsschutz im Jahr 2016 nicht bekannt war, wie der Kläger vorträgt, ist unrichtig. Im Verfassungsschutzbericht Bayern für 2016 wird zur Reichsbürgerszene als sicherheitsgefährdender Bestrebung näher ausgeführt, insbesondere auch, dass die waffenrechtliche Zuverlässigkeit bei deren Angehörigen überprüft wurde (S. 180 ff.). Auch im Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern aus dem Jahr 2016 wird die Szene der „Reichsbürger“ als in ihrer Gesamtheit staatsfeindliche Bewegung erwähnt, deren Gefährdungspotential sichtlich gestiegen sei (S. 42).
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Soweit der Kläger darüber hinaus einwendet, der Beklagte habe seine Erklärung, er teile die Ziele der Reichsbürgerbewegung nicht, akzeptiert und fast zwei Jahre lang bis zum Widerruf gewartet, verhilft dies seinem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Das aus Sicht des Klägers vorwerfbare Verhalten des Beklagten, zunächst nicht mit einem Widerrufsbescheid tätig zu werden, könnte die Frage einer Verwirkung in den Raum stellen. Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen einer solchen überhaupt tatsächlich vorliegen, kann das Rechtsinstitut der Verwirkung im Waffenrecht nicht zur Anwendung kommen. Gegen das Rechtsinstitut der Verwirkung spricht in diesem Zusammenhang schon, dass es sich hier um hoheitliches Handeln auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr handelt (OVG Lüneburg, B.v. 16.05.2011 - 11 LA 365/10 - juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 13.4.2021 - 24 B 20.2220)
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Kläger verfehlt mit seinem Zulassungsvorbringen bereits die Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als im Normalfall (Roth in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.1.2021, § 124a Rn. 75 m.w.N.). Der Kläger behauptet lediglich, es bestünden besondere tatsächliche Schwierigkeiten, ohne hierzu ausreichende Ausführungen zu machen. Soweit er ausführt, das Verwaltungsgericht hätte dem Amtsermittlungsgrundsatz folgend die zuständigen Mitarbeiter der Gemeinde anhören müssen, rügt er die Verletzung der Aufklärungspflicht, womit er sinngemäß einen Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend macht. Die Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 VwGO greift hier schon deswegen nicht durch, weil ein Tatsachengericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht verletzt, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Kläger in der mündlichen Verhandlung zu beantragen unterlassen hat (vgl. etwa BVerwG, B.v. 20.12.2012 - 4 B 20.12 juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 11.10.2017 - 1 ZB 15.1773 - juris Rn. 3). Im vorliegenden Fall wurde ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung kein Beweisantrag gestellt. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts musste sich die Einvernahme des Gemeindemitarbeiters auch nicht aufdrängen.
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3. Die Berufung ist auch nicht aufgrund der vom Kläger behaupteten Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 4 B 21.16 - juris Rn. 5). Dem genügt das Zulassungsvorbringen, das bereits keine divergierenden Rechtssätze gegenüberstellt, nicht. Zudem lässt sich dem erstinstanzlichen Urteil nicht entnehmen, das Verwaltungsgericht habe die Auffassung vertreten, es sei keine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles erforderlich. Beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg handelt es sich überdies nicht um ein divergenzfähiges Gericht. Das in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgeführte Oberverwaltungsgericht meint allein das dem Verwaltungsgericht im Instanzenzug übergeordnete Oberverwaltungsgericht (Roth in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.1.2021, § 124 Rn. 65).
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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