Autor Thema: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?  (Gelesen 18107 mal)

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dtx

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Alles nur Kommentare.

Warum kann unsere unfähige Presse nicht erst mal berichten, was eigentlich los ist, bevor sie sich in Meinungen darüber ergießt? Und die tatsächlich umstrittenen Fragen in der Rechtsprechung werden von den ganzen bunten Kommentaren gar nicht angerissen, und es werden die politischen und die juristischen Probleme kräftig umgerührt und vermischt. Wie kann man denn eine polnische gerichtliche Entscheidung kritisieren, die man noch nicht mal übersetzt hat? Mir scheint's, da werden nur Kommentare von Politikern und anderer Presse noch zweit- und drittverwertet.

...

Du hast aber schon mitbekommen, daß vorgestern erst - mündlich - verkündet wurde und sich die polnische Regierung mit der Veröffentlichung, deren Übersetzung Du seitdem einforderst, vielleicht noch ein paar Monate Zeit läßt?

(Man weiß ja nicht, ob das Gericht das Urteil schon ausgefertigt hat. Sofern die Regierung wirklich abwarten ließ, ob die Kommission vielleicht doch noch auszahlt, wäre es blöd gewesen, wenn da etwas rumliegt, was womöglich zur Unzeit geleakt werden kann ...)

...
Soweit es darum geht, ob polnisches oder EU-Recht Anwendungsvorrang hat, ist das eigentlich klar geregelt: EU-Recht hat Vorrang. Manchmal ist umstritten, wie weit die Kompetenzen der EU laut Vertrag gehen. Aber hier ist ebenfalls klar geregelt: Die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge ist laut den EU-Verträgen an den EuGH übertragen. Das BVerfG behält sich vor, bei offensichtlich kompetenzwidrigem Handeln des EuGH unter weiteren Voraussetzungen von diesem abzuweichen. Im Rahmen des Anleihenkaufverfahren hat es beklagt, dass das EuGH nicht alle Fakten eingeholt hat und ihm deswegen die Entscheidung des EuGH willkürlich und daher außerhalb seiner Kompetenz vorkam. Das BVerfG behält sich zudem vor, die letzte Instanz beim Schutz von Grundrechten zu sein, soweit das Schutzniveau der EU-Grundrechte geringer als das der GG-Grundrechte ausfällt.

...

Alles richtig, nur im Verfahren von den Polen offenbar ausgiebig verdreht worden. Da war die Argumentation, daß Karlsruhe dem EuGH permanent auf den Kopf spucke und es äußerst unfair wäre, daß die Polen das nicht auch dürfen sollen. Soweit zu Deinem Hinweis auf Parallelen zu einem früheren US-Präsidenten.

...
Um die polnische Entscheidung in dem Rahmen zu kritisieren, müsste man nun erst mal wissen, was sie eigentlich genau entschieden haben und was die Begründung ist. Was da so im Blätterwald alles verquast wird, macht keinen Sinn.

...

Nimmt man die Rechtslage zur Grundlage der Betrachtung, ist das Urteil sinnwidrig. Und da muß sich die Berichterstattung leider anschließen, weil es zu den Hintergründen noch keine Informationen gibt, die man als Tatsachen ansehen kann.

...
Soweit die polnische Verfassung den EU-Verträgen widersprechen, gelten innerhalb der an die EU übertragenen Kompetenzen die EU-Regelungen. Wer dem widerspricht, macht sich zum Trump. Genau das ist doch die Absicht der Verträge: Hoheitliche Kompetenzen werden an die überstaatliche EU übertragen.

...

Was den derzeit im Amt befindlichen Figuren offenbar stinkt. Die wollen sich von Brüssel finanzieren, aber ansonsten in nichts reinreden lassen. Dabei geben diejenigen, die sich nicht die Blöße geben wollen, den Widerspruch intellektuell nicht erfassen zu können, die Parole aus, daß Polen auch ohne die Kohle ganz gut zurecht käme.

Im Übrigen sei die polnische Verfassung 1997 das letzte Mal geändert worden, liest man. Soweit das"Verfassungsgericht" also Diskrepanzen zwischen der Verfassung und den 2004 unterzeichneten Verträgen "aufgezeigt bekam", hätten die zum Zeitpunkt des Beitritts auch schon bestanden haben müssen. Meint die Regierung, daß ihr "Verfassungsgericht" ernstgenommen werden soll, müßte sie sich also jetzt entscheiden, wie sie die Sache bereinigen will.

...
Ich schätze die Absicht der polnischen Regierung als langfristiger ein. Ähnlich wie beim Brexit wird eine Strategie der kontinuierlichen Abwertung der EU gefahren, bis dann irgendwann die Mehrheit für den Austritt ist. Und dann wird darüber abgestimmt.

Da der Streit mit der EU die Gefahr birgt, daß die Wahl 2023 verloren geht, werden die das noch in der laufenden Legislaturperiode erledigen.

Es heißt zwar, daß 80% der Bevölkerung in der EU bleiben wollen. Schaut man sich aber die Zusammensetzung des Sejm an, hat diese Feststellung, falls sie denn den Tatsachen entspricht, keine praktischen Auswirkungen. Die PiS allein hätte nur 193 von 460 Sitzen, würde also ohne die Unterstützung diverser Vasallen die Mehrheit klar verfehlt haben. Tatsächlich reagiert sie durch, als ob sie vom Wahlvolk mit einer Zweidrittelmehrheit gesegnet wäre ...


« Letzte Änderung: 9. Oktober 2021, 13:11:26 von dtx »
 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #16 am: 10. Oktober 2021, 01:42:43 »
Hier findet sich die autorisierte englische Übersetzung der Entscheidung:

https://trybunal.gov.pl/en/hearings/judgments/art/11662-ocena-zgodnosci-z-konstytucja-rp-wybranych-przepisow-traktatu-o-unii-europejskiej

Dies dürfte die Begründung sein:

https://trybunal.gov.pl/postepowanie-i-orzeczenia/komunikaty-prasowe/komunikaty-po/art/11664-ocena-zgodnosci-z-konstytucja-rp-wybranych-przepisow-traktatu-o-unii-europejskiej

Google Translate liefert einigermaßen brauchbares.

Zusammenfassung nach meinem Verständnis, für die Brüche in der Logik kann ich nichts:

Weil die Organisation der polnischen Gerichte nicht zu den übertragenen Hoheitsrechten gehört, habe sich die EU diesbezüglich nicht einzumischen. Da sie es trotzdem mache, sei der EU-Vertrag inkompatibel mit der polnischen Verfassung.

Allerdings geht auch die EU nicht davon aus, dass sie das Recht habe, die polnischen Gerichte umzuorganisieren. Sie kritisiert nur die Verletzung der in Art. 2 festgeschriebenen Werte der EU, insbesondere die Rechtsstaatlichkeit. Polen hat das Recht der EU akzeptiert, eine Verletzung dieser Rechte festzustellen und ggf. Rechte aus der EU-Mitgliedschaft deswegen zu suspendieren. Das ist allerdings kein Eingriff in die Souveränität von Polen.

Im übrigen kennt die polnische Verfassung in Art. 90 genau wie Deutschland eine Übertragung der Hoheitsrechte, woraus sich dann m.E. bei sinnvoller Auslegung ein genereller Anwendungsvorrang von EU-Recht ergibt. Das polnische Verfassungsgericht sieht das anders, bis zur Begründung dieses Details bin ich noch nicht vorgedrungen.
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #17 am: 10. Oktober 2021, 07:50:20 »
Tatsächlich reagiert sie durch, als ob sie vom Wahlvolk mit einer Zweidrittelmehrheit gesegnet wäre ...
reagiert?
Toller freudscher Verschreiber.
Tatsächlich reagieren Sie so, wie es ihrem Wunsch und dem nach Zweidrittelmehrheit entspricht.
Die Hoffnung die vielen stolzen Polen, und da gibt es sehr viele, die nicht die politische Extreme der PIS unterstützen, durch Polentümelei unter ihre Fittiche zu nehmen.
Fällt Dir nur Unsinn ein und immer,
erzähle nichts, sonst wird es schlimmer.
 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #18 am: 10. Oktober 2021, 10:12:32 »
Kann mir jemand erklären, wie eigentlich gerade der Status vom Rechtsstaatlichkeitverfahren nach Art. 7 EUV ist und wie das mit den Haushaltsberatungen Dezember 2020 und Polen und Ungarn zusammenhängt, auf das sich der Verfassungsblog hier bezieht?
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #19 am: 10. Oktober 2021, 15:21:59 »
Ganz einfach: Polen und Ungarn hatten Veto gegen den EU-Haushalt angedroht, wegen drohender Rechtsstaatlichkeitsverfahren. Darauf hin hat Angie den temporären Dispens erteilt, womit das Veto vom Tisch und der Haushalt sicher war. Jetzt gibts die Volte...

Das Problem mit der Polentümelei ist, dass sie (wie jeder übersteigerter Nationalismus) nicht wirklich demokratiefreundlich ist. Großpolen, auf das sich viele der National Geprägten berufen umfasst Teile Litauens, Belarus, Ukraine bis nach rumänien (wenn ich mich nicht irre). Damit sind sie automatisch im Konflikt mit quasi allen ihren östlichen Nachbarn...
 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #20 am: 10. Oktober 2021, 17:56:14 »
Hmm, wäre interessant geworden, wenn Ungarn und Polen den Haushalt blockieren. Das sind beides die größten Nettoempfänger.
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #21 am: 10. Oktober 2021, 18:47:27 »
...
Das Problem mit der Polentümelei ist, dass sie (wie jeder übersteigerter Nationalismus) nicht wirklich demokratiefreundlich ist. Großpolen, auf das sich viele der National Geprägten berufen, umfasst Teile Litauens, Belarus, Ukraine bis nach Rumänien (wenn ich mich nicht irre). Damit sind sie automatisch im Konflikt mit quasi allen ihren östlichen Nachbarn...


Der Begriff hat mit einem "großen", also räumlich weit ausgedehnten Polen aber gar nichts zu tun:

https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/regionen/grosspolen





Das Thema "Polexit" kam, von uns wegen der BTW unbemerkt, bereits vor einem Monat auf den Tisch. "Man wolle ja gar nicht austreten, aber ..." hieß es, nachdem Vizeparlamentspräsident Terlecki beim "polnischen Davos" die Briten als Beispiel hergenommen hatte:

Zitat
...
„Wenn es so weiter geht, wie es derzeit läuft, müssen wir drastische Lösungen finden“, sagte Terlecki. „Die Briten haben gezeigt, dass ihnen die Diktatur der Brüsseler Bürokratie nicht passt, haben sich abgewandt und sind gegangen. Wir wollen nicht austreten. Die Zustimmung zur Mitgliedschaft in der EU ist bei uns sehr hoch. Aber wir können uns auch nicht in etwas hineintreiben lassen, das unsere Freiheit und unsere Entwicklung beschneidet.“

...

https://www.tagesspiegel.de/politik/polens-streit-mit-der-eu-wegen-der-justizreform-pokern-um-einen-polexit/27602286.html

 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #22 am: 10. Oktober 2021, 19:11:54 »
Der Begriff hat mit einem "großen", also räumlich weit ausgedehnten Polen aber gar nichts zu tun:

https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/regionen/grosspolen

Das stimmt zwar, aber dennoch war Polen im späten Mittelalter und auch noch danach ein großes und mächtiges Reich. So erhielten die Kurfürsten von Brandenburg lange Zeit hindurch Ostpreußen als Lehen von den polnischen Königen. Und damals umfasste Polen eben auch eine Menge Gebiete, die heute zu anderen Staaten gehören.
 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #23 am: 10. Oktober 2021, 19:51:23 »
Das ist genau das was Europa bzw. die Menschen die hier leben brauchen: Um sich greifende nationalistische Bewegungen die von alter Größe träumen und versuchen diese wiederzuerlangen in Ungarn kann man das zum Beispiel auch bewundern.... Das kann doch einfach nicht wahr sein! Sind wir Menschen/Europäer dazu verdammt jeden (historischen) Fehler immer und immer wieder zu wiederholen bis es uns irgendwann komplett hinwegrafft?

Es ist echt kaum zum aushalten! Man möchte Schreien und Brüllen und in hilfloser Wut die Wände anfallen angesichts dieses konzentrierten Wahnsinns! 


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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #24 am: 10. Oktober 2021, 20:14:11 »
Die EU ist gerade der Versuch, sowas für die Zukunft zu verhindern.
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #25 am: 10. Oktober 2021, 20:36:21 »
Das ist genau das was Europa bzw. die Menschen die hier leben brauchen: Um sich greifende nationalistische Bewegungen die von alter Größe träumen und versuchen diese wiederzuerlangen in Ungarn kann man das zum Beispiel auch bewundern.... Das kann doch einfach nicht wahr sein! Sind wir Menschen/Europäer dazu verdammt jeden (historischen) Fehler immer und immer wieder zu wiederholen bis es uns irgendwann komplett hinwegrafft?

Es ist echt kaum zum aushalten! Man möchte Schreien und Brüllen und in hilfloser Wut die Wände anfallen angesichts dieses konzentrierten Wahnsinns!

Manchmal wünsche ich mir, dass die Gründungsstaaten der EU sowie Spanien, Portugal, Griechenland, die litauischen Staaten, Finnland, Irland, Dänemark und Schweden geschlossen aus der EU austreten und eine neue Wirtschafts- und Handelszone gründen würden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dann die politische „Elite“ der restlichen Staaten noch lange am Ruder wäre, wenn es von Seiten der Rest-EU keine finanziellen Mittel für deren Gefolgschaft zu verteilen gäbe.
Ich könnte mir natürlich durchaus vorstellen, dass eine derartige rabiate und undiplomatische Ankündigung zu einer heftigen Reaktion einiger Staatsführer führen wird, aber unter Umständen selbst einem Orban oder der polnischen Nationalistenpartei zu denken geben wird. Denn Staaten aus der EU rausschmeißen, geht eher nicht. Aber wenn Geldgeber aus der EU ausscheiden, ist das deren freie Entscheidung.
Aber so etwas wie die EU ist für jeden Bürger einer solchen Vereinigung von Vorteil: Reisefreiheit, Niederlassungsfreiheit, keine staatlichen Reglementierungen bezüglich der Arbeitsaufnahme usw. Ich wollte diese Vorzügen nicht mehr missen.
 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #26 am: 10. Oktober 2021, 20:38:59 »
Mit "Großpolen" meinte ich die Ausdehnung des Konstruktes Polen im Mittelalter und Früher Neuzeit. Dass es eine solche dezidierte Region gab/gibt, war mir grade entfallen.

@Grashalm

1. Das Gras am anderen Hügel ist immer grüner. Wenn die Menschen Nationalismus haben mit all seinen Nebenwirkungen ist Internationalismus irgendwie toll. Hat man einen Staatenbund will man wieder "autark" sein... Menschen tun Menschendinge *schulterzuck*
2. Nationalisten verkünden IMMER, dass man alle Probleme nur mit Souveränität lösen kann...und verschweigen/vergessen dabei, dass Souveränität und Nationalismus den eigenen Handlungsspielraum eben nur auf die nationalen Mittel reduziert. Die sind in vielen Fällen einfach ♥♥♥. Ohne die EU und den EU-Binnenmarkt sähe es für die Ungarn als Binnenland ganz schnell ziemlich mies aus, so mit Zöllen auf jede Gummiente aus China, die in Rotterdam/Hamburg entladen wird. Polen wird große Probleme bekommen, seine Agrarprodukte loszuwerden, wenn sie die nicht mehr über Oder/Neiße in Berliner Supermärkte werfen können.
 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #27 am: 10. Oktober 2021, 21:08:34 »
Manchmal wünsche ich mir, dass die Gründungsstaaten der EU sowie Spanien, Portugal, Griechenland, die litauischen Staaten, Finnland, Irland, Dänemark und Schweden geschlossen aus der EU austreten und eine neue Wirtschafts- und Handelszone gründen würden.

Das Problem ist tiefer und hat nur wenig mit dem wirtschaftlichen Nutzen aus der EU zu tun. Polen und Ungarn wollen ja gerade die EU auf eine reine Zweck-WG reduzieren, also eine Wirtschaftsunion,

 Die Politikergeneration, die die EU geschaffen hat, hat dies aus der Erfahrung des 2. Weltkriegs getan und eben auch gegen nationale Sonderinteressen vorangetrieben. Deswegen ist die EU angelegt als eine Werteunion, die eben auch Dinge wie Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt stellt und nicht nur den Austausch von Wirtschaftsgütern.

Langdauernder stabiler Frieden schlägt einfach auf Dauer jedes andere Interesse, und eine reine Wirtschaftsunion würde auch schnell zu einem Wettbewerb in unkontrolliertem Neoliberalismus, der Armut schafft und Stabilität gefährdet.

Die Kriegserfahrung wirkt nicht mehr, und die EU wird zum Spielball derer, die sie für Erpressungsspielchen zwecks relativ kurzfristiger eigener Vorteile nutzen.

So richtig viel Hochachtung bringen wir in Deutschland der EU auch nicht entgegen. Die EU wird gerne vorgeschoben als Grund für unpopuläre Gesetze, obwohl Deutschland ja zugestimmt hat. Das schafft Ressentiments gegen die EU. Außerdem scheinen EU-Gremien gerne als Ruheplatz für verdiente, aber abgehalfterte Politiker zu dienen.
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #28 am: 10. Oktober 2021, 22:20:01 »
Es kommt in D auf die Generation an. Die Millenials und unwesentlich älteren sehen die EU sehr wohl als Werteunion, dank Erasmus und Reisefreiheit auch als integraler Bestandteil jugendlichen Lifestyles. Das Berufen auf die EU als Bringer unwillkommener Regulierung ist eigentlich out, derzeit herrscht die Sicht der Presse vor, dass die EU endlich mal gemeinsame Linien in div. Dingen durchbringen soll.

Hinsichtlich der osteuropäischen Sicht auf die EU als Wirtschaftsunion: Die Sicht ist vor dem Hintergrund der Ostblockgeschichte nachvollziehbar. Moskau hat sich über Jahrzehnte in die "Werte" und die Wirtschaft der Ostblockländer eingemischt (Prager Frühling, Ungarn, 17. Juni). Und die "Revolutionen" im Rahmen der Wende hatte bei den anderen Ländern immer eine starke nationalistische Komponente (Zerfall der Tschecheslowakei zB). Insofern ist der Drang nach "Souveränität" nachvollziehbar. Gleichzeitig hat die EU diesen Ländern den Schub gebracht, den sie brauchten, um aus der postsozialistischen Depression rauszukommen. Hierbei sehe ich es wie folgt: Die Rechtskonservativen hauen auf die Nationalismustrommel, um Mehrheiten zu bekommen... nicht um die EU zurückzudrängen. Denn der wirtschaftliche Erfolg der Regierungen hängt an der EU... siehe GB. Sowohl die PIS als auch Orban wollen die EU auspressen, nicht zerstören. Nur geht das nicht so einfach, bzw. muss man den Druck immer weiter erhöhen... bis es nicht mehr geht. Es ist ein Wählerstimmengenerator, keine Doktrin... und es kollidiert halt mit anderen Dingen, die der Ottonormalrechtskonservative so geil findet... sie Rechtsstattlichkeit.
 
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Re: Ist nach dem Brexit vor dem Polexit?
« Antwort #29 am: 10. Oktober 2021, 23:56:48 »
... Polen wird große Probleme bekommen, seine Agrarprodukte loszuwerden, wenn sie die nicht mehr über Oder/Neiße in Berliner Supermärkte werfen können.


Was zum einen nicht unbedingt die Idee der Polen war und zum anderen bedingen würde, daß sich nicht nur die deutschen Supermärkte neue Lieferanten für manches Stückche suchen müßten. Daß ein eventueller Polexit zum Wiederauferstehen des deutschen Bäckerhandwerks führen würde, wäre wohl ebenso Wunschdenken, wie Bobbeles Ankündigung, der Rauswurf der Europäer werde das Lohndumping auf den Inseln beenden.

https://www.youtube.com/watch?v=81Ueu--ufTM
(SWR, "Die Spur der Teiglinge", Dez. 2011)
« Letzte Änderung: 11. Oktober 2021, 00:47:03 von dtx »
 
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