Alles nur Kommentare.
Warum kann unsere unfähige Presse nicht erst mal berichten, was eigentlich los ist, bevor sie sich in Meinungen darüber ergießt? Und die tatsächlich umstrittenen Fragen in der Rechtsprechung werden von den ganzen bunten Kommentaren gar nicht angerissen, und es werden die politischen und die juristischen Probleme kräftig umgerührt und vermischt. Wie kann man denn eine polnische gerichtliche Entscheidung kritisieren, die man noch nicht mal übersetzt hat? Mir scheint's, da werden nur Kommentare von Politikern und anderer Presse noch zweit- und drittverwertet.
Soweit es darum geht, ob polnisches oder EU-Recht Anwendungsvorrang hat, ist das eigentlich klar geregelt: EU-Recht hat Vorrang. Manchmal ist umstritten, wie weit die Kompetenzen der EU laut Vertrag gehen. Aber hier ist ebenfalls klar geregelt: Die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge ist laut den EU-Verträgen an den EuGH übertragen. Das BVerfG behält sich vor, bei offensichtlich kompetenzwidrigem Handeln des EuGH unter weiteren Voraussetzungen von diesem abzuweichen. Im Rahmen des Anleihenkaufverfahren hat es beklagt, dass das EuGH nicht alle Fakten eingeholt hat und ihm deswegen die Entscheidung des EuGH willkürlich und daher außerhalb seiner Kompetenz vorkam. Das BVerfG behält sich zudem vor, die letzte Instanz beim Schutz von Grundrechten zu sein, soweit das Schutzniveau der EU-Grundrechte geringer als das der GG-Grundrechte ausfällt.
Um die polnische Entscheidung in dem Rahmen zu kritisieren, müsste man nun erst mal wissen, was sie eigentlich genau entschieden haben und was die Begründung ist. Was da so im Blätterwald alles verquast wird, macht keinen Sinn. Soweit die polnische Verfassung den EU-Verträgen widersprechen, gelten innerhalb der an die EU übertragenen Kompetenzen die EU-Regelungen. Wer dem widerspricht, macht sich zum Trump. Genau das ist doch die Absicht der Veträge: Hoheitliche Kompetenzen werden an die überstaatliche EU übertragen.
Dazu kommt, dass fraglich ist, ob das polnische Verfassungsgericht ordentlich besetzt ist und überhaupt noch als Teil der rechtsprechenden Gewalt zu sehen ist. Die Regierung hat die Besetzung des Gerichts recht willfährig geändert. Genau das beklagt die EU, während Polen sagt, das gehe die EU nichts an.
Ich schätze die Absicht der polnischen Regierung als langfristiger ein. Ähnlich wie beim Brexit wird eine Strategie der kontinuierlichen Abwertung der EU gefahren, bis dann irgendwann die Mehrheit für den Austritt ist. Und dann wird darüber abgestimmt.