Ich bin glücklich.
Ich weiß, dass ich niemals Gefahr laufen werde, zu verhungern. Denn egal, wie sehr ich mich finanziell verrenne - ich werde aufgefangen werden. Ich weiß, dass mir immer geholfen werden wird, wenn ich krank oder verletzt bin. Ich weiß, dass mir Polizisten zur Hilfe eilen, wenn ich bedroht werde. Ich weiß, dass die Feuerwehr mich aus einer brennenden Wohnung retten wird. Ich weiß, dass es keine systematische Behördenwillkür geben kann. Und ich weiß, dass ich mit meiner Stimme das Schicksal des Staates beeinflussen kann.
Ich darf sagen, was ich möchte. Ich darf fahren, wohin ich möchte. Ich darf arbeiten, wo ich möchte. Ich genieße mehr individuelle Freiheiten, als in der Geschichte der Menschheit jemals ein Bürger besessen hat. Ich bin froh, hier und jetzt zu leben.
Natürlich bin ich nicht mit allem einverstanden, was in der Politik beschlossen wird. Aber im Großen und Ganzen läuft es in Deutschland sehr gut, und vor allem so gut wie nur selten zuvor.
Und nun kommt jemand daher und behauptet, die BRD sei nicht existent. Was für ein himmelschreiender Unfug. Es werden irgendwelche zweifelhaften Paragraphen angeführt, die niemanden interessieren. Deutschland sei immer noch unter Besatzung. Das Deutsche Reich würde immer noch fortbestehen. Nun - wo ist sie denn, die Besatzung? Wo ist es denn, das Deutsche Reich? Argumentation ist sinnlos, denn der Unterschied zwischen de jure und de facto kann von verwirrten Geistern offenbar nicht verstanden werden. Ebensowenig die "normative Kraft des Faktischen".
Aber an Argumenten sind die "Kommissarischen Reichsregierungen" etc. ohnehin nicht interessiert. Sie haben sich ihre eigene kleine Wirklichkeit aufgebaut, und werden einen Teufel tun und sie wieder verlassen. Sie sprechen vom "Wohle des deutschen Volkes" und meinen damit nur ihre eigene, kleine Existenz. Auf eine seltsame Art und Weise ist es fast verständlich. Jemand, der zeitlebens nichts erreicht hat, der immer nur gescheitert ist, der sich in unserer Gesellschaft nie bewährt hat, kann diese Tatsache schlichtweg nicht ertragen. Anstatt nun aber konstruktive Konsequenzen daraus zu ziehen, sich zusammenzureißen und es endlich zu schaffen, verkriecht er sich lieber in einer Realität, die kaum ein anderer verstehen kann. Dann wird er plötzlich Kommissarischer Reichskanzler, Minister, oder was auch immer. Genau wie Kinder im Rollenspiel plötzlich Superhelden werden. Und genau wie Kinder im Rollenspiel gibt es immer mehrere, die der Super-Superheld sein möchten. Oder eben der Reichskanzler. Und so zerstreiten sich die Reichsfreunde munter untereinander und gründen immer neue "Kommissarische Reichsregierungen".
Nun, grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Wer gern Briefmarken sammelt, soll das machen. Wer gern in den Swinger-Club geht, soll das machen. Wer gern Reichskanzler spielt, soll das machen. Wenn aber Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten auf dieser Grundlage begangen werden, ist das Spiel beendet. Für die Spieler ist es aber kein Spiel, und sie sehen sich in ihren wirren Ansichten bestätigt, wenn die Staatsmacht ihrem Treiben ein Ende setzt.
Mein Mitleid für diese gescheiterten Existenzen hält sich indes in Grenzen. Sie haben sich für diesen Weg immerhin frei entschieden. Anstatt sich mit ihrer Lage zu arrangieren und konstruktiv an einer Besserung zu arbeiten, entschlossen sie sich, ihren Hirngespinsten hinterherzulaufen und immer weiter zu scheitern. Denn was ist das Resultat? Was ist die Belohnung für ihr Treiben? Sie werden von der Gesellschaft (zurecht) als Spinner abgestempelt, sie bekommen mehr und mehr Schwierigkeiten mit der Staatsgewalt und ihre sozialen Kontakte werden sich mit der Zeit auf diejenigen reduzieren, die in derselben Wahnwelt leben. Ist das trügerische Gefühl, etwas wert zu sein, etwas erreicht zu haben, "wer" zu sein, das alles wert? Kann dieser Selbstbetrug lang genug aufrecht erhalten werden, um das eigene Leben nachhaltig zu verbessern?
Vielleicht ist es ihr Ziel, das die ständigen Misserfolge lindert. Ihr Ziel, irgendwann die BRD abzulösen, und dann "an der Macht" zu sein. Endlich etwas zu sagen haben. Endlich stärker zu sein, als alle anderen. Endlich der Super-Superheld werden, der sie schon im Kindergarten nie sein durften. Leider (für sie) oder zum Glück (für den Rest der Gesellschaft) wird das nie eintreten. Und so werden sie weiterhin die Augen vor der Realität verschließen, die Existenz der BRD leugnen und Gift und Galle spucken, wenn sie wieder einmal in ihre Schranken gewiesen wurden.
Ich möchte dieses Leben nicht führen müssen.