Weil ich gerade nichts Gescheiteres zu tun habe, will ich mal auf die Argumentation des Schwurbelrichteraufsatzes zum Rechtsbeugungsvorwurf wegen der unterbliebenen Selbstablehnung des Richters eingehen (für wen es zu juristisch wird: ich lese hier auch bisweilen selektiv mit, Ackerfurchenrüdi interessiert mich z. B. nur peripher).
Wir erinnern uns: Ein Vorwurf, der Dettmar gemacht wird, ist die unterbliebene Selbstanzeige seiner atypischen Vorbefassung (Mitglied in einem Antimaskenschwurblerverein, Zusammenwirken mit der Anwältin der das Verfahren anregenden Kindesmutter). In dem Aufsatz wird argumentiert, eine Befangenheit wegen Parteilichkeit könne es gar nicht geben, weil es ja - anders als im Zivilprozess - in dem von Amtswegen einzuleitenden Verfahren gar keine Parteien gebe.
Das ist immerhin ein zutreffender Ansatz, und Folg findet das auch voll überzeugend und die pöhse weisungsgebundene StA Erfurt gehöre ja angeklagt und überhaupt. Der zutreffende Ansatz ist aber - absichtlich? - nicht zu Ende gedacht.
Wir erinnern uns nochmals: Es gibt den typischen Zivilprozess mit Kläger und Beklagtem, die widerstreitende Interessen haben. Der Kläger möchte, dass der Beklagte zu irgendetwas verurteilt oder dass gegenüber dem Beklagten irgendetwas festgestellt wird, der Beklagte möchte, dass die Klage abgewiesen wird. Das erinnert an einen sportlichen Zweikampf, etwa an einen Ringkampf. Nur einer kann gewinnen, und der (Ring-)Richter hat gefälligst unparteiisch zu sein. Bestehen Zweifel (etwa, weil der Richter mit dem Beklagten eng befreundet ist), so ist der Richter gemäß Para. 42 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Einer Partei steht dann ein Ablehnungsrecht zu, und der Richter hat - da der Kläger in unserem Beispiel von der engen Freundschaft gar nichts wissen muss - im Hinblick auf Para. 48 ZPO die Befangenheitsgründe von sich aus anzuzeigen.
Das Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung ist aber - wie verschiedene andere Verfahren nach dem FamFG - kein solches Verfahren mit gegeneinander streitenden Parteien wie beim Zivilprozess, also kein - Achtung, Fachbegriff! - kontradiktorisches Verfahren.
Beispiel Betreuungsverfahren: Opa wird dement und braucht einen Betreuer. Sohn A steht zur Verfügung und wird vom Gericht für geeignet gehalten. Andere Angehörige sind entweder nicht vorhanden oder treten einer Bestellung des A zum Betreuer nicht entgegen. Niemand streitet sich, und das Gericht wird nur die gesetzlichen Voraussetzungen prüfen und bejahen, die notwendigen Verfahrenshandlungen durchführen und A zum Betreuer bestellen, und alle sind zufrieden. Eine zur Besorgnis der Befangenheit führende Parteilichkeit des Richters ist hier - wie in vielen anderen von Amtswegen einzuleitenden Verfahren nach dem FamFG - kaum vorstellbar.
Fallvariante: Opa wird wieder dement. Angehöriger A will zum Betreuer bestellt werden. Angehöriger B hält A für ungeeignet/kriminell und möchte, dass ein „neutraler“ Berufsbetreuer bestellt wird. A und B verfolgen hier als Verfahrensbeteiligte also widerstreitende Interessen. Ist der Richter mit A nun eng befreundet, so hat B vernünftige Zweifel an der „Unparteilichkeit“, und ihm steht selbstverständlich über die Verweisungsnorm des Para. 6 FamFG ein Ablehnungsrecht zu. Der Richter ist seinerseits verpflichtet, den Ablehnungsgrund von sich aus anzuzeigen.
Kommen wir nun zum vorliegenden Verfahren des AG Weimar wegen Kindeswohlgefährdung: Hier liegen widerstreitende Interessen der Beteiligten doch auf der Hand. Die anregende Kindesmutter will, dass ihr Kind keine Maske tragen muss. Der Schulträger als potenzieller Kindeswohlgefährder wird dem vermutlich entgegentreten, um seine gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen und gegenüber den anderen Schülern und dem Schulpersonal Infektionsschutz zu gewährleisten. Wir haben hier also ein „quasi-kontradiktorisches“ Verfahren.
Und jetzt versetzen wir uns in den Schulträger: Wenn man dort weiß, dass der Richter in politischem Sektierertum die Maskenpflicht bekämpft, Mitglied in einem entsprechenden Zusammenschluss/Verein ist UND entsprechende Anregungsschreiben mitverfasst hat und zur Verfügung stellt UND sich mit der Anwältin der anregenden Kindesmutter abgesprochen hat - hat man da vernünftige Zweifel an der „Unparteilichkeit“ des Richters? Müssten die Schwurbelaufsatzverfasser selbst merken, und nicht umsonst verweist Para. 6 FamFG für alle FamFG-Verfahren auf die Ausschließungsvorschriften der ZPO.
Bezeichnend ist, dass Dettmar nach den Ermittlungsergebnissen selbst im Vorfeld ein „Befangenheitsproblem“ erkannt hat.
Dies alles würde ich gerne den Schwurbelrichtern in den Kommentarbereich schreiben, aber das würde garantiert nicht freigeschaltet werden.
Und es erzähle mir niemand, die Schwurbelaufsatzverfasser würden dies alles nicht erkennen.