Hat sich mit dem Beitrag von
@Gelehrsamer überschnitten, ist aber vielleicht insofern interessant, dass das unterschiedliche Leute ähnlich sehen.
Der Relativsatz ", der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist" in
"Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
bezieht sich für mich lediglich auf Soldaten, die normalerweise nicht als Amtsträger fungieren und die Vollstreckung durchführen dürfen. Für andere (die des Deutschen mächtiger sind als mich), bezieht sich der einschränkende Relativsatz auch nur auf die Soldaten.
Die Grammatik gibt hier beide Deutungen her. Relativsätze können grundsätzlich eng oder weit angebunden sein. Man muss also nun die Bedeutung durch Auslegung ermitteln.
Da hilft zunächst die Überschrift: "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte". Das zeigt schon deutlich, dass wohl nicht alle Beamte gemeint sein können, sich also die Einschränkung durch den Relativsatz auch auf Amtsträger bezieht und nicht nur auf Soldaten.
Dann kann man sich den Willen des historischen Gesetzgebers ansehen. Hier ist es hilfreich, wenn man die Bundestagsdrucksache 18/11161 kennt - aus der geht hervor, dass sich dieser nur auf Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte (die allerdings in § 115 Abs. 3) bezog.
Auch die Stellung des § in der Systematik des StGB kann man zur Auslegung heranziehen. Der § steht im Abschnitt "Widerstand gegen Staatsgewalt". Staatsgewalt ist der Einsatz von Gewalt zur Vollstreckung, mitunter also nur das, was Vollstreckungsbeamte machen. Der Briefträger, als Kontrast dazu, war zwar früher als Amtsträger mit Aufgaben der öffentlichen Daseinsfürsorge befasst, aber er übt keine staatliche Gewalt aus und der ihn jagende Hund stört die Ausübung der Staatsgewalt nicht. Wollte der Gesetzgeber auch den Briefträger schützen, wäre der § im folgenden 7. Abschnitt.
Man kann schließlich noch über den Zweck nachdenken. Den Zweck schlägt man im Kommentar oder im Lehrbuch nach (das ist für mich eines der letzten Rätsels des Juristentums), hier der "das kollektive Interesse an der Dienstausübung der betroffenen Vollstreckungsbeamten als Repräsentanten der staatlichen Gewalt" (HK-GS/Manfred Heinrich StGB § 114 Rn. 1, 2)
Die Kommentare gehen auf diese sprachliche Unklarheit übrigens gar nicht weiter ein, sondern gehen einfach davon aus, dass sich der Relativsatz auch auf Amtsträger bezieht.
Der § 114 hat übrigens eine interessante Geschichte. Ursprünglich diente er der Privilegierung des Täters und sah eine geringere Strafe vor als die konkurrierenden Vorschriften, da man der Meinung war, dass im Umfeld von Vollstreckungshandlungen die Nerven blank liegen und daher ein größeres Verständnis dafür vorhanden war, dass jemand dann austickt. Die Novelle wird vielfach kritisiert.
P.S.
Dass sich Juristen besonders klar ausdrücken können, halte ich für ein Märchen (das die Juristenschaft wahrscheinlich selber in die Welt gesetzt hat). Vielleicht glauben sie es auch selber. Wenn man selber beruflich in formaleren Disziplinen unterwegs ist, kann man nur darüber staunen, was der Gesetzgeber immer wieder verzapft. Und selbst wenn sie es könnten, zwingt die Kompromisspflicht im Gesetzgebungsverfahren regelrecht zu unklaren Formulierungen, womit dann der Streit in der Koalition oder mit dem Bundesrat umschifft und den Gerichten aufgeladen wird.