Autor Thema: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")  (Gelesen 587636 mal)

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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7035 am: 11. Oktober 2025, 14:31:00 »
Es liegt also eine abstrakte Gefahr vor. Für die Abwehr abstrakter Gefahren ist nicht das Strafprozessrecht heranzuzihen, sondern des Polizeirechts. Hier wäre dann beispielsweise die Gefährderansprache das Mittel der Wahl.

So isses: Die U-Haft dient der Verhinderung von Flucht oder "Verdunkelung", nicht aber der Gefahrenabwehr.

Möglicherweise wäre hier aber ein kleines bißchen Unterbindungsgewahrsam (in Berlin §§ 30, 33 ASOG) drin gewesen ...
 
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7036 am: 11. Oktober 2025, 16:38:06 »
Diese Überlegung ist auch vollkommen richtig. Es ist durchaus ein zentraler Bestandteil des rechtsystems, Schöffen und andere Beteilige zu schützen. Aber: Die Untersuchungshaft ist Bestadteil des Strafprozessrechtes.

Hier einmal mein Gedankengang, warum ich das Vorgehen als korrekt betrachte und gerne meinen Denkfehler verstehen würde:

1) In dem Zusammenhang von Arnes Verhalten wurde der Paragraph 114 StGB genannt: "Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte"
2) Im ersten Absatz steht: "1) Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."

Frage: Bezieht sich das "der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist" auch auf den Amtsträger?
Falls nicht, dann könnte man verkürzt schreiben: "Wer einen Amtsträger bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
Ein Richter ist ein Amtsträger, ein Schöffe ist ein "Laienrichter" und somit nach meinem Verständnis auch ein Amtsträger (man mag meine Argumentation über die Bezeichnung "Laienrichter" verzeihen). Arne hat in dem Video die Person in seiner Funktion als Schöffen genannt, dessen Identität er feststellen wollte und ihn dabei "angriff".
Wie würde man sinnvollerweise weitere Angriffe verhindern wollen? Hätte eine Gefährderansprache ausgereicht? Oder ist man zu dem Schluss gekommen, dass es nicht ausreicht?
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7037 am: 11. Oktober 2025, 18:45:01 »
Hier einmal mein Gedankengang, warum ich das Vorgehen als korrekt betrachte und gerne meinen Denkfehler verstehen würde:

Eigentlich ist das relativ logisch, es wundert mich, dass Du das nicht nachvollziehen kannst. Der Angegriffene muss, damit der § 114 anwendbar ist, sowohl 1. ein Amtsträger oder Soldat sein, als auch 2. zur Vollstreckung berufen sein und 3. gerade bei einer Diensthandlung tätig sein.

Unabhängig davon, ob der Schöffe nun ein Amtsträger ist, er ist nicht zur Vollstreckung berufen, und war nicht gerade bei einer Diensthandlung tätig. Er wollte lediglich nach Hause. Und damit kann man § 114 nicht anwenden.

Arne versuchte in dem Video, den Schöffen durch Gewalt dazu bringen, anzuhalten und seine Identität zu offenbaren. Das ist (versuchte) Nötigung. Sonst nix. Wenn überhaupt, so richtig bleibt ja unklar, was Arne gerne gemacht hätte, würden ihn die Justizangestellten nicht davon abhalten. Vielleicht hat sich weiteres im Gerichtsgebäude oder vor dem Video zugetragen - wissen wir nicht.

Für eine Gefahrenabwehr wäre dann durchaus die Polizei zuständig, aber eben in der Rolle für Sicherheit und Ordnung zu Sorgen, und nicht in der Rolle, Die StA bei der Strafverfolgung zu unterstützen. In Frage kommen dann also Platzverweise, Kontaktverbote, die Anwendung von Zwangsmitteln oder im Extremfall auch ein Unterbindungsgewahrsam (oder was auch immer Berlin dafür vorsieht).

Derlei beantragt dann aber nicht die Staatsanwaltschaft vor dem Gericht, bei dem er gerade angeklagt ist. Will man das wissen, müsste man sich jetzt durch die Berliner Zuständigkeiten wühlen.
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7038 am: 12. Oktober 2025, 09:50:23 »
Eigentlich ist das relativ logisch, es wundert mich, dass Du das nicht nachvollziehen kannst. Der Angegriffene muss, damit der § 114 anwendbar ist, sowohl 1. ein Amtsträger oder Soldat sein, als auch 2. zur Vollstreckung berufen sein und 3. gerade bei einer Diensthandlung tätig sein.
Ich habe ein wesentliches Verständnisproblem aufgrund des Satzbaus und betrachte es aus Sicht eines normalen Muttersprachlers und nicht aus Sicht eines Juristen, woraus sich möglicherweise eine andere Auslegung ergibt. Unsere Kundschaft zeigt auch ein derartiges Verhalten, daher versuche ich zu verstehen, wo mein Fehler liegt (und wenn es nur heisst, dass Juristen das mit einem Urteil von xx.xx.xxxx einfach anders sehen, weil sie es können; ist dann für mich verständlich).

Der Relativsatz ", der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist" in
"Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
bezieht sich für mich lediglich auf Soldaten, die normalerweise nicht als Amtsträger fungieren und die Vollstreckung durchführen dürfen. Für andere (die des Deutschen mächtiger sind als mich), bezieht sich der einschränkende Relativsatz auch nur auf die Soldaten.
Sollten hingegen Amtsträger und Soldaten adressiert werden, dann müsste (meiner und anderer Meinung nach) der semantisch eindeutige Relativsatz lauten: ", die zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen sind,"
Meine weitere Argumentation, wie plausibel sie auch sein mag, hängt an der Interpretation dieser Stelle. Es muss doch irgendwo einen Auslegungskommentar dazu geben, Oder wird die Auslegung noch geklärt werden müssen?

Spoiler
Den Punkt 3. (die 2. ist ja für mich aufgrund der Satzkonstruktion fraglich) finde ich auch eng gefasst, d. h. es wäre zu klären, ab wann ein Schöffe nicht mehr im Dienst ist. Ein Polizist ist ja auch irgendwie immer im Dienst und falls ich einen Polizisten in Uniform auf den Weg nach Hause eine verpasse und ich ansonsten keine Beziehung zu ihm habe, dann könnte das als Angriff auf den Amtsträger gewertet werden und nicht auf die Person.
In dem Fall von Arne hat er den Schöffen und nicht die Person "angegriffen" (auch wenn es jetzt auf Nötigung herabgestuft wurde).
[close]
« Letzte Änderung: 12. Oktober 2025, 09:52:06 von lobotomized.monkey »
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7039 am: 12. Oktober 2025, 10:09:48 »
bezieht sich der einschränkende Relativsatz auch nur auf die Soldaten
Ich bin auch über diese Formulierung gestolpert. Meine Auslegung ist die, dass Amtsträger aufgrund ihres Amtes ohnehin die im Relativsatz beschriebenen Aufgaben haben, so dass dies nicht extra angeführt werden muss.
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7040 am: 12. Oktober 2025, 10:16:44 »
bezieht sich der einschränkende Relativsatz auch nur auf die Soldaten
Ich bin auch über diese Formulierung gestolpert. Meine Auslegung ist die, dass Amtsträger aufgrund ihres Amtes ohnehin die im Relativsatz beschriebenen Aufgaben haben, so dass dies nicht extra angeführt werden muss.

Genau das ist meine inhaltliche Interpretation. Es bedarf keiner weiteren Qualifizierung der Amtsträger, sondern nur einer Qualifizierung der Soldaten und somit wird ", der" und "ist" verwendet. Mich würde es wundern, falls die Juristen sprachlich an dieser Stelle wirklich so geschlampt hätten, aber ich bin kein Jurist. Eine Juristin hat mir mal erzählt, dass Juristen gute Buchautoren wären, weil sie die Sprache so exakt verwenden würden (sie war noch im Studium, aber inzwischen mit Promotion abgeschlossen).

Mich stört jedoch die Bezeichnung des 114er, die wiederum in der Überschrift die Amtsträger einschränkt. Aber Überschriften haben (meinem Verständnis nach) eher Orientierungscharakter, keine Definition. Ich weiß, dass man manchmal bei den Gesetzen nicht so richtig weiß, wo man etwas unterbringen soll. Ich finde es ein wenig unglücklich, vielleicht gäbe es einen besseren Ort, aber ich bin Laie.
« Letzte Änderung: 12. Oktober 2025, 10:22:32 von lobotomized.monkey »
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7041 am: 12. Oktober 2025, 12:33:49 »
Es liegt also eine abstrakte Gefahr vor. Für die Abwehr abstrakter Gefahren ist nicht das Strafprozessrecht heranzuzihen, sondern des Polizeirechts. Hier wäre dann beispielsweise die Gefährderansprache das Mittel der Wahl.

So isses: Die U-Haft dient der Verhinderung von Flucht oder "Verdunkelung", nicht aber der Gefahrenabwehr.

Möglicherweise wäre hier aber ein kleines bisschen Unterbindungsgewahrsam (in Berlin §§ 30, 33 ASOG) drin gewesen ...

Die U-Haft dient auch zur Unterbindung von Wiederholungen, insofern also auch der Gefahrenabwehr.
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7042 am: 12. Oktober 2025, 13:24:20 »
Genau das ist meine inhaltliche Interpretation. Es bedarf keiner weiteren Qualifizierung der Amtsträger, sondern nur einer Qualifizierung der Soldaten und somit wird ", der" und "ist" verwendet. Mich würde es wundern, falls die Juristen sprachlich an dieser Stelle wirklich so geschlampt hätten, aber ich bin kein Jurist. Eine Juristin hat mir mal erzählt, dass Juristen gute Buchautoren wären, weil sie die Sprache so exakt verwenden würden (sie war noch im Studium, aber inzwischen mit Promotion abgeschlossen).

Aus systematischen, entstehungsgeschichtlichen und teleologischen Gründen ist der Relativsatz auch auf die Amtsträger zu beziehen. Die ungenaue sprachliche Fassung beruht darauf, dass sowohl der Amtsträger als auch der Soldat im Singular stehen.

1. Im Grunde hilft schon ein Blick in die Überschrift ("Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte"). Wer die angesprochenen Vollstreckungsbeamten sind, wird dann in § 114 Abs. 1 definiert.

2.  §§ 113, 114 StGB sind Delikte, die nicht primär dem Schutz des Amtsträgers dienen, sondern eine Beeinträchtigung staatlicher Funktionen sanktionieren (Kapitelüberschrift: "Widerstand gegen die Staatsgewalt"). Natürlich könnte man auf dieser Grundlage auch jeden Amtsträger schützen wollen. Beleidigung, Körperverletzung, Nötigung etc. sind aber ohnehin auch dann strafbar, wenn sie gegenüber Amtsträgern begangen werden. Ein erweiterter Funktionsschutz wurde nur als erforderlich angesehen, sofern es um Vollstreckungshandlungen geht, wie sich auch aus den Gesetzesmaterialien zum geltenden § 113 StGB (mit der mit § 114 StGB identischen Beschreibung des persönlichen Anwendungsbereichs) ergibt (vgl. BT-Drucks. 17/4143).

3. Systematisch ergibt sich dieses Ergebnis zudem daraus, dass in dem betreffenden Gesetzesabschnitt durchgängig an bestimmte "Amtspersonen" angeknüpft wurde (in den aufgehobenen Vorschriften) bzw. wird. So betraf der aufgehobene § 117 StGB  Forst-, Jagd- und Fischereibeamte (was auch immer ein Fischereibeamter ist ...) Wenn §§ 113, 114 beliebige Amtsträger meinten, wären derartige Sonderregeln aber überflüssig gewesen. Gleiches gilt für die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf bestimmte andere Funktionsträger durch den geltenden § 115 StGB (der nach grober Sichtung aber Schöffen ebenfalls nicht erfasst).

Conclusio: Erfasst werden nur Amtsträger während einer Vollstreckungshandlung.

Unter Hintanstellung des Urheberrechts füge ich mal einen Auszug aus einem Erläuterungswerk zum StGB an (Dallmeyer in BeckOK StGB, § 113 Rn. 1 ff.).

 
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7043 am: 12. Oktober 2025, 13:47:28 »
Aus systematischen, entstehungsgeschichtlichen und teleologischen Gründen ist der Relativsatz auch auf die Amtsträger zu beziehen.
Danke, darum wird anscheinend Jura studiert und reine Grammatikkenntnisse sind zur Beurteilung unzureichend.

Edit: Den Anhang habe ich mit Interesse, jedoch ohne Verständnis, gelesen.
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7044 am: 12. Oktober 2025, 14:17:02 »
Die U-Haft dient auch zur Unterbindung von Wiederholungen, insofern also auch der Gefahrenabwehr.

Bedingt: § 112a StPO sieht den Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei bestimmten Straftaten unter weiteren Voraussetzungen vor; die Vorschrift ist im Falle der versuchten Schöffennötigung nicht einschlägig.

Off-Topic:
Am Rande halte ich die Vorschrift aus kompetenziellen Gründen für verfassungswidrig, weil sie als präventiv-polizeiliche Regelung (und nicht als Regelung der Strafverfolgung) einzuordnen ist, die Gefahrenabwehr aber in die Zuständigkeit der Länder fällt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift zwar 1973 durchgewunken, das ist aber lange her und die Zuständigkeitsfrage wurde nicht thematisiert. Nach Maßgabe des Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 27.07.2005 (1 BvR 668/04) ist der Bund aber allenfalls für die "Verfolgungsvorsorge", nicht aber die Straftatenverhinderung zuständig. Man muss daher tief in die Trickkiste greifen und eine "Annexzuständigkeit" zu Art. 74 Abs 1 Nr. 1 GG annehmen, um die Norm zu retten. M.E. funktioniert das aber nicht wirklich, weil eine Annexzuständigkeit richtigerweise voraussetzt, dass die Regelung auch nicht wirksam durch die Länder getroffen werden kann.

 
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7045 am: 12. Oktober 2025, 14:25:49 »
Hat sich mit dem Beitrag von @Gelehrsamer überschnitten, ist aber vielleicht insofern interessant, dass das unterschiedliche Leute ähnlich sehen.

Der Relativsatz ", der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist" in
"Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft."
bezieht sich für mich lediglich auf Soldaten, die normalerweise nicht als Amtsträger fungieren und die Vollstreckung durchführen dürfen. Für andere (die des Deutschen mächtiger sind als mich), bezieht sich der einschränkende Relativsatz auch nur auf die Soldaten.

Die Grammatik gibt hier beide Deutungen her. Relativsätze können grundsätzlich eng oder weit angebunden sein. Man muss also nun die Bedeutung durch Auslegung ermitteln.

Da hilft zunächst die Überschrift: "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte". Das zeigt schon deutlich, dass wohl nicht alle Beamte gemeint sein können, sich also die Einschränkung durch den Relativsatz auch auf Amtsträger bezieht und nicht nur auf Soldaten.

Dann kann man sich den Willen des historischen Gesetzgebers ansehen. Hier ist es hilfreich, wenn man die Bundestagsdrucksache 18/11161 kennt - aus der geht hervor, dass sich dieser nur auf Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte (die allerdings in § 115 Abs. 3) bezog.

Auch die Stellung des § in der Systematik des StGB kann man zur Auslegung heranziehen. Der § steht im Abschnitt "Widerstand gegen Staatsgewalt". Staatsgewalt ist der Einsatz von Gewalt zur Vollstreckung, mitunter also nur das, was Vollstreckungsbeamte machen. Der Briefträger, als  Kontrast dazu, war zwar früher als Amtsträger mit Aufgaben der öffentlichen Daseinsfürsorge befasst, aber er übt keine staatliche Gewalt aus und der ihn jagende Hund stört die Ausübung der Staatsgewalt nicht. Wollte der Gesetzgeber auch den Briefträger schützen, wäre der § im folgenden 7. Abschnitt.

Man kann schließlich noch über den Zweck nachdenken. Den Zweck schlägt man im Kommentar oder im Lehrbuch nach (das ist für mich eines der letzten Rätsels des Juristentums), hier der "das kollektive Interesse an der Dienstausübung der betroffenen Vollstreckungsbeamten als Repräsentanten der staatlichen Gewalt" (HK-GS/Manfred Heinrich StGB § 114 Rn. 1, 2)

Die Kommentare gehen auf diese sprachliche Unklarheit übrigens gar nicht weiter ein, sondern gehen einfach davon aus, dass sich der Relativsatz auch auf Amtsträger bezieht.

Der § 114 hat übrigens eine interessante Geschichte. Ursprünglich diente er der Privilegierung des Täters und sah eine geringere Strafe vor als die konkurrierenden Vorschriften, da man der Meinung war, dass im Umfeld von Vollstreckungshandlungen die Nerven blank liegen und daher ein größeres Verständnis dafür vorhanden war, dass jemand dann austickt. Die Novelle wird vielfach kritisiert.

P.S.

Dass sich Juristen besonders klar ausdrücken können, halte ich für ein Märchen (das die Juristenschaft wahrscheinlich selber in die Welt gesetzt hat). Vielleicht glauben sie es auch selber. Wenn man selber beruflich in formaleren Disziplinen unterwegs ist, kann man nur darüber staunen, was der Gesetzgeber immer wieder verzapft. Und selbst wenn sie es könnten, zwingt die Kompromisspflicht im Gesetzgebungsverfahren regelrecht zu unklaren Formulierungen, womit dann der Streit in der  Koalition oder mit dem Bundesrat umschifft und den Gerichten aufgeladen wird.
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

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« Antwort #7046 am: 12. Oktober 2025, 14:29:39 »
Aus systematischen, entstehungsgeschichtlichen und teleologischen Gründen ist der Relativsatz auch auf die Amtsträger zu beziehen.
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Edit: Den Anhang habe ich mit Interesse, jedoch ohne Verständnis, gelesen.

Das kann ich nachvollziehen: Die Kommentare wenden sich eben an ein Fachpublikum.

Aber das ist wieder eines der grundsätzlichen Probleme unserer Gesetze: Die Formulierung lässt häufig mehrere Interpretationen zu, somit erschließt sich die eigentliche Bedeutung erst unter Zuhilfenahme von Literatur und Rechtsprechung. Beide richten sich aber an ein Fachpublikum. Ich finde das ausgesprochen bürgerfeindlich.

Und während ich die Fachpublikationen anderer Fächer auch oft nicht zu lesen vermag, richten sich deren Normen eben nicht an jedermann.
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7047 am: 12. Oktober 2025, 14:31:16 »
Interessehalber: Hat das Vorgehen in diesem Fall das Potenzial zum Hochlaufen bis in die höchste Instanz?
Das Vorgehen wurde beispielsweise von @Rabenaas aus formalen Gründen wie Rechtsstaat* zurecht kritisiert, jedoch hat das Gericht nach (irrelevantem) "gesundem Forenempfinden"** doch nicht so falsch gehandelt. Liegt hier eine Regulierungslücke vor?

* Ist nicht despektierlich gemeint
** schon eher despektierlich gemeint, weil nicht an gesetzlichen Kriterien orientiert und daher nicht rechtsstaatlich

Die Grammatik gibt hier beide Deutungen her. Relativsätze können grundsätzlich eng oder weit angebunden sein.
Sicher? Die Bindung eng und weit ist möglich, aber ich hätte die Pluralform zur Festlegung der weiten Bindung verwendet; ansonsten wäre die Verwendung des Singulars im Falle zweier Substantive nicht eindeutig. Aber falls man den Kontext betrachtet, dann trifft die Kontextbetrachtung in der Alltagskommunikation zu und hier im konkreten Fall setzt man den Kontext sowieso voraus.
Vielleicht sind meine Formulierungsansprüche auch nur zu hoch.
« Letzte Änderung: 12. Oktober 2025, 14:40:15 von lobotomized.monkey »
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« Antwort #7048 am: 12. Oktober 2025, 14:31:23 »
Conclusio: Erfasst werden nur Amtsträger während einer Vollstreckungshandlung.

Du meintest, wir sind ja im § 114, "während einer Diensthandlung", richtig?
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Re: Thomas Brauner (Ex-Busfahrer) und Björn Winter ("Banane")
« Antwort #7049 am: 12. Oktober 2025, 14:34:59 »
Interessehalber: Hat das Vorgehen in diesem Fall das Potenzial zum Hochlaufen bis in die höchste Instanz?

Mir ist unklar, was mit "Hochlaufen" meinst. Weswegen sollte was hochlaufen?
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

P.S.: Cantor became famous by proving it can't be done.
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Goliath