Hier ein Durchsuchungsbeschluss zur Sicherstellung von Waffenbesitzkarte, Waffen und Munition. Die Waffenbehörde war aber ziemlich lange untätig.
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Leitsätze
Anders als bei der sofortigen Sicherstellung gemäß § 46 Abs. 4 WaffG schließt die Ungültigkeitserklärung und Einziehung gemäß § 18 BJagdG noch nicht die Anordnung der Herausgabe ein; § 18 BJagdG ermächtigt aber dazu, ergänzend eine Pflicht zur Herausgabe anzuordnen.
Tenor
1. Die Antragstellerin wird nach Maßgabe der unter 2. und 3. aufgeführten Bedingungen ermächtigt, zur Sicherstellung
- der Waffenbesitzkarte Nr. 59/2017 des Antragsgegners
- und der hierauf bereits erworbenen Waffen, im Einzelnen:
- X
- des Europäischen Feuerwaffenpasses Nr. X und
- des Kleinen Waffenscheines Nr. X
die Person, die Fahrzeuge, die Wohnräume und alle Nebengebäude einschließlich der Garagen des Antragsgegners im Anwesen X., zu durchsuchen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat zuvor dem Antragsgegner den Bescheid vom 12.08.2020 über den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse mit Anordnung der sofortigen Sicherstellung von Urkunden und Waffen bekanntzugeben sowie die Durchsuchungsanordnung des Gerichts auszuhändigen.
3. Die Antragstellerin hat ferner zuvor den Antragsgegner zur freiwilligen Duldung bzw. Mitwirkung bei der behördlichen Inbesitznahme der unter Nr. 1 aufgeführten Gegenstände aufzufordern und ihm im Falle der Weigerung unmittelbaren Zwang anzudrohen.
4. Die Durchsuchungsanordnung tritt spätestens am 30.11.2020 außer Kraft.
6. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
1
Der Antragsgegner ist seit dem 24.03.2016 im Besitz eines sogenannten Kleinen Waffenscheins (zum Führen u. a. von Schreckschusswaffen), seit dem 13.11.2017 im Besitz eines Jagdscheins und seit dem 18.12.2017 im Besitz eines Europäischen Feuerwaffenpasses. Nach dem Erhalt des Jagdscheins hat der Antragsgegner in den Jahren 2017 und 2018 mehrere Jagdwaffen sowie einen Schalldämpfer erworben, die in seiner Waffenbesitzkarte eingetragen sind. Den Jagdschein des Antragsgegners hat die Antragstellerin am 24.03.2020 unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall verlängert, dass die getätigte Abfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz keine Erkenntnisse ergebe, die gegen eine jagdrechtliche Zuverlässigkeit sprächen.
2
Mit Schreiben vom 30.01.2017 hatte das Regierungspräsidium X beim Amt für öffentliche Ordnung der Antragstellerin angeregt, den Antragsgegner psychologisch begutachten zu lassen, ob dieser noch geeignet sei, am Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer teilzunehmen. Beigefügt war ein Schreiben des Antragsgegners vom 10.01.2017 an den darin namentlich genannten Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks X, in welchem der Antragsgegner in einer für „Reichsbürger“ typischen Ausdrucksweise eine gebührenpflichtige Verwarnung über 35 EUR wegen fehlerhaften Parkens zum Anlass genommen hatte, die Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland in Zweifel zu ziehen, und in dem er sich eingelassen hatte, „Angebote“ des Antragstellers nicht bzw. allenfalls nach Maßgabe eigener Bedingungen „annehmen“ zu wollen.
3
Nachdem das Schreiben des Regierungspräsidiums X zu den waffenrechtlichen Akten gelangt war, forderte die Antragstellerinnen den Antragsgegner unter dem 26.04.2017 auf, gemäß § 6 Abs. 2 WaffG ein Gutachten über seine Eignung zum weiteren Umgang mit waffenrechtlichen Gegenständen vorzulegen. Der Antragsgegner übersandte daraufhin ein Schreiben vom 02.04.2017 an den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks X, in dem er „um „Verzeihung“ gebeten und seine Schreiben zurückgenommen sowie u. a. ausgeführt hatte, er sei in diesem Fall offensichtlich Opfer eines „Fachkundigen für deutsches Recht“ geworden, dessen Schriftsätze er in großen Teilen leider unverstanden übernommen habe.
4
Diese Erklärung wiederholte er in einem Schreiben an die Antragstellerin vom 02.05.2017 und führte ergänzend wörtlich aus: „Die Textauszüge, die Sie zitieren entstammen einem Schreiben, das - streng vertraulich und persönlich - an den Adressaten … gerichtet war. Darauf zu Bestehen diesem Missachtung dieser Aufforderung/Bitte und damit Ehrverletzung zu unterstellen, kann niemandes Interesse sein, womit diese Textstellen nicht Grundlage eines Dritten Annahmen sein können.“
5
Bei einer Vorsprache bei der Antragstellerin am 03.05.2017 äußerte der Antragsgegner: Das Schreiben an den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks X mache für ihn inhaltlich Sinn. Es sei davon überzeugt und habe sich bereits umfassend mit diesem Thema beschäftigt. Aus mehreren Sachverhalten sei ihm bekannt, dass Beamte an sich über keinerlei hoheitliche Befugnisse verfügten, um beispielsweise Ordnungswidrigkeiten „zu erlassen“. Jeder Mensch gehöre bei seiner Geburt automatisch einer eigenen GmbH an.
6
Eine fachärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamts beim Landratsamt X ergab nach Begutachtung des Antragsgegners am 29.05.2017, dass Anhaltspunkte für Wahn, Halluzinationen oder Eigen- bzw. Fremdgefährdung nicht gegeben seien. Es gebe auch keinen Anhalt für eine kognitive Störung.
7
Die Antragstellerin schloss daraufhin am 12.06.2017 das waffenrechtliche Verfahren ab.
8
Unter dem 10.07.2018 teilte das Landesamt für Verfassungsschutz der Antragstellerin mit, dass sie den Antragsgegner als „Reichsbürger“ einstufe, und zwar aufgrund einer Mitteilung der Antragstellerin vom 06.04.2017 über Äußerungen des Antragsgegners in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren.
9
Die Antragstellerin vermerkte jedoch unter dem 17.09.2018, es seien keine Handlungen des Antragsgegners bekannt, die gegen den Staat gerichtet seien. Außerdem habe er sein Schreiben an das Regierungspräsidium X zurückgenommen.
10
Anlässlich des Antrags des Antragsgegners auf Verlängerung seines Jagdscheins teilte das Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage dem Kreisjagdamt der Antragstellerin mit, es lägen ihm zwei Erkenntnisse vor, nach denen der Antragsgegner als „Reichsbürger“ einzustufen sei: Am 05.09.2016 habe er dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten - Standesamt X - eine sogenannte „Lebenderklärung von X aus dem Haus X“ und ein „Sicherungsabkommen“ mit seiner Person vorgelegt. In einem Ordnungwidrigkeitenverfahren habe er laut Mitteilung des Regierungspräsidiums X vom 24.02.2017 Forderungen an die zuständige Behörde nach „UCC 1-308 without prejudice“ gestellt, wobei er das Handeln der Behörde als Nötigung seiner Person bezeichnet habe.
11
Mit einer dem Antragsgegner noch nicht bekanntgegebenen Verfügung vom 22.07.2020 erklärt die Antragstellerin den Jagdschein des Antragsgegners unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für ungültig und zieht ihn ein. Mit der dem Antragsgegner gleichfalls noch nicht bekanntgegebenen Verfügung vom 12.08.2020 widerruft die Antragstellerin sämtliche waffenrechtliche Erlaubnisse (Nr. 1 der Verfügung), ordnet unter Anordnung der sofortigen Vollziehung an, dass der Antragsgegner die in seinem Besitz befindlichen Erlaubnisurkunden unverzüglich herauszugeben hat (Nr. 2 der Verfügung) und stellt die ihm erteilten Erlaubnisse mit den dort eingetragenen Waffen sowie erlaubnispflichtige Munition sofort sicher (Nr. 3 der Verfügung).
12
Mit Schreiben vom 12.08.2020 hat die Antragstellerin beantragt, die Durchsuchung des Anwesens des Antragsgegners anzuordnen. Auf Aufforderung des Gerichts hat sie am 20.08.2020 ihre waffenrechtlichen und am 26.08.2020 ihre jagdrechtlichen Akten für den Antragsgegner vorgelegt.
II.
13
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der Durchsuchung der oben näher bezeichneten Räume und Fahrzeuge und der Person des Antragsgegners ist zulässig und begründet.
14
Hierfür ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG und dazu VG Freiburg, Beschl. v. 28.07.2014 - 4 K 1554/14 -, juris, Rn. 2 m.w.N.).
15
Das Verwaltungsgericht kann über den Antrag auf Anordnung der Durchsuchung entscheiden, ohne zuvor den Antragsgegner anzuhören, da andernfalls der Zweck der Durchsuchung gefährdet würde. Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet zwar grundsätzlich die vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners. Da das rechtliche Gehör dem Betroffenen Gelegenheit geben soll, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen, ist in den Regelfällen des normalen gerichtlichen Verfahrens nur eine vorherige Anhörung sinnvoll. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt. In diesen Fällen ist eine Verweisung der Betroffenen auf eine nachträgliche Anhörung mit dem Grundgesetz vereinbar. Ist der Vollstreckungserfolg gefährdet, wird das Absehen von der Anhörung des Vollstreckungsschuldners vor Erlass der Durchsuchungsanordnung den Besonderheiten dieser Durchsuchungsart auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG gerecht (BVerfG, Beschl. v. 16.06.1981 - 1 BvR 1095/80 - BVerfGE 57, 346; vgl. zu einer waffenrechtlichen Durchsuchung VG Freiburg, Beschl. v. 28.07.2014 - 4 K 1554/14 -, juris, Rn. 9). So liegt der Fall auch hier. Der Vollstreckungserfolg wäre bei einer vorherigen Anhörung des Antragsgegners gefährdet, da er in den Jahren 2016 und 2017 wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, geltende Gesetze nur unter Vorbehalt anerkennen zu wollen, und nicht ersichtlich ist, dass er seine Auffassung insoweit tatsächlich geändert hat.
16
Für die Anordnung der Durchsuchung ist von Folgendem auszugehen:
17
Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG kann die zuständige Behörde Erlaubnisurkunden sowie die in den § 46 Abs. 2 und 3 WaffG bezeichneten Waffen oder Munition sofort sicherstellen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder die Munition missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten verwendet werden sollen.
18
Dabei schließt eine solche sofortige Sicherstellung die Verpflichtung des Betroffenen ein, die sichergestellten Gegenstände herauszugeben; der in der Verfügung der Antragstellerin vom 12.08.2020 in Nr. 2 allein für die aufgeführten Erlaubnisurkunden gesondert angeordneten und für sofort vollziehbar erklärten Herausgabepflicht bedarf es daher (anders als bei Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 WaffG) insoweit nicht.
19
Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG sind zum Zweck der sofortigen Sicherstellung die Beauftragten der zuständigen Behörde berechtigt, die Wohnung der betroffenen Person zu betreten und diese Wohnung nach Urkunden, Waffen oder Munition zu durchsuchen, wobei die Durchsuchung grundsätzlich nur durch den Richter, nur bei Gefahr im Verzug auch durch die zuständige Behörde angeordnet werden darf. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die sofortige Sicherstellung haben gemäß § 46 Abs. 4 Satz 3 WaffG keine aufschiebende Wirkung (vgl. dazu VG Freiburg, Beschl. v. 14.06.2012 - 4 K 914/12 -, juris). Die spezialgesetzliche Vorschrift des § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG verdrängt insoweit die allgemeine Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung von Durchsuchungen in § 6 LVwVG, die (nur) bei der Vollstreckung von Anordnungen nach § 46 Abs. 1 WaffG anzuwenden ist (VG Freiburg, Beschl. v. 28.07.2014 - 4 K 1554/14 -, juris, Rn.3).
20
Die in § 46 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 1 WaffG geregelten Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung liegen vor.
21
Die Antragstellerin hat die sofortige Sicherstellung der bezeichneten Erlaubnisurkunden, Waffen und Munition angeordnet. Diese Anordnung wird mit der Bekanntgabe an den Antragsgegner, die der Durchsuchung vorausgehen muss, wirksam (§ 43 Abs. 1 LVwVfG). Diese Anordnung ist von Gesetzes wegen sofort vollziehbar (§ 46 Abs. 4 Satz 3 WaffG).
22
Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Sicherstellung.
23
Nr. 3 der Verfügung der Antragstellerin vom 12.08.2020 über die sofortige Sicherstellung der Waffen nebst Munition mit den waffenrechtlichen Erlaubnisurkunden des Antragsgegners ist jedenfalls nicht offenkundig rechtswidrig (vgl., zu diesem Maßstab, VGH-Bad.-Württ., Beschl. v. 27.05.2014 - 1 S 399/14 - m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.06.1999 - 4 S 861/99 - NJW 1999, 3506); nach Aktenlage spricht im Gegenteil mehr für ihre Rechtmäßigkeit.
24
§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG für eine sofortige Sicherstellung setzt allein voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet werden „sollen“. Dabei ist unter einer „missbräuchlichen Verwendung“ im Rahmen des § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG ebenso wie bei § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG jedenfalls jedes Gebrauchmachen zu verstehen, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (VGH-Bad.-Württ., Beschl. v. 20.09.2010 - 1 S 1650/10 -). An den zugrunde zu legenden Grad der Wahrscheinlichkeit, ob ein befürchteter Schaden eintreten wird, sind - ungeachtet der unterschiedlichen Formulierung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. 1 WaffG („verwendet werden“) und in § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG („verwendet werden sollen“) - auch bei dieser Vorschrift keine hohen Anforderungen zu stellen, weil der von einer missbräuchlichen Schusswaffenverwendung drohende Schaden erfahrungsgemäß sehr groß und folgenschwer sein kann (vgl. VGH-Bad.-Württ., Beschl. v. 10.10.2017 - 1 S 1470/17 -, juris, Rn. 37 m.w.N.).
25
In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wird deshalb davon ausgegangen, dass eine missbräuchliche Verwendung von Waffen in der Regel zu befürchten ist, wenn ein zugleich ausgesprochener Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse keinen ernstlichen rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. VGH-Bad.-Württ., Beschl. v. 10.10.2017 - 1 S 1470/17 -, juris, Rn. 22, 37).
26
Dies ist auch hier der Fall. Die Gründe, welche die Beklagte zur Aufhebung der waffenrechtlichen Erlaubnis berechtigten (Nr. 1 der angefochtenen Verfügung), führen auch hier zur Annahme, dass eine missbräuchliche Verwendung der Waffen durch den Antragsgegner zu besorgen ist. Das ergibt sich aus Folgendem:
27
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz, darunter eine Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG), zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zur Versagung einer waffenrechtlichen Erlaubnis führt es, wenn ein Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen unter anderem solche Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG). Missbräuchlich handelt grundsätzlich, wer von einer Waffe oder Munition einen Gebrauch macht, der vom Recht nicht gedeckt ist (vgl. Bayer. VGH, Beschl. v. 14.11.2016 - 21 ZB 15.648 - juris; OVG NRW, Beschl. v. 02.05.2013 - 16 A 2255/12 - juris; Papsthart, in: Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, 9. Aufl., § 5 Rn. 9 m.w.N.; s. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.10.1993 - 1 S 995/93 - NJW 1994, 956). Eine missbräuchliche Verwendung ist insbesondere dann zu befürchten, wenn die Gefahr besteht, dass der Erlaubnisinhaber „sein Recht“ außerhalb oder neben der bestehenden Rechtsordnung durchsetzen wird (vgl. Bayer. VGH, Urt. v. 10.10.2013 - 21 B 12.964 - juris; Papsthart, a.a.O., § 5 Rn. 9 m.w.N.).
28
Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist zu berücksichtigen, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG Formen des Umgangs mit Waffen und Munition umschreibt, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich in hohem Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, dass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung der Unzuverlässigkeit im Einzelfall nicht zugelassen wird (sog. absolute Unzuverlässigkeit, vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54). Die erforderliche Prognose hat sich daher stets am Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, Urt. v. 22.10.2014 - 6 C 30.13 - BVerwGE 150, 196 m.w.N.). In Anbetracht des Gefahren vorbeugenden Charakters der Regelung und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG in keinem Fall eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern eine auf der Lebenserfahrung beruhende Einschätzung ausreichend, bei der kein Restrisiko hingenommen werden muss (st. Rspr., vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.01.2017 - 1 S 1376/16 -, v. 24.10.2016 - 1 S 1288/16 - und v. 28.06.2016 - 1 S 517/16 -).
29
Die im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 anzustellende Prognose muss allerdings gemäß dem ersten Halbsatz stets auf „Tatsachen“ gestützt sein. Bloße Vermutungen reichen daher nicht aus (vgl. OVG Saarl., Urt. v. 15.09.1993 - 3 R 3/93 - juris). Zu berücksichtigen ist ferner, dass die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ein individuell zu prüfender Umstand ist (vgl. Papsthart, a.a.O., § 5 Rn. 2 m.w.N.). Auch die speziell von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verlangte Prognose ist deshalb konkret auf diejenige Person zu beziehen, deren Zuverlässigkeit in Frage steht.
30
Insoweit ist in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte anerkannt, dass eine Person, welche die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland verneint und damit die geltende Rechtsordnung offensiv ablehnt oder auch nur ignoriert, Anlass zu der Befürchtung gibt, dass sie auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird (vgl. OVG Rhld.-Pf., Urt. v. 23.10.2019 - 7 A 10555/19 -, juris, Rn. 29 ff. m.w.N.; Bayer. VGH, Beschl. v. 15.01.2018 - 21 Cs 17.1519 -, juris, Rn. 12 ff.). Das gilt umso mehr dann, wenn die Person eine ausdrückliche oder sinngemäße Erklärung, sich außerhalb des geltenden Rechts bewegen zu können, auch in die Tat umsetzt, wenn sie also aus Bekundungen zur vermeintlich fehlenden Verbindlichkeit der in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften praktische Konsequenzen zieht, etwa indem sie die Zahlung eines Bußgeldes mit der Begründung verweigert, an die einschlägigen Gesetze nicht gebunden zu sein (vgl. VGH-Bad.-Württ., Beschl. v. 10.10.2017 - 1 S 1470/17 -, juris, Rn. 28 m.w.N.; vgl. schon Nds. OVG, Beschl. v. 18.07.2017 - 11 ME 181/17 - NdsRpfl 2017, 291; ähnlich im Ausgangspunkt VG Greifswald, Urt. v. 07.11.2019 - 6 A 1597/18 -, juris, Rn. 20).
31
Dass der Antragsgegner sich in den Jahren 2016 und 2017 gegenüber Behörden als „Reichsbürger“ aufgeführt hat, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut seiner Einlassung vom 10.01.2017 gegenüber dem Regierungspräsidium X zu einer gebührenpflichtigen Verwarnung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit, sondern insbesondere auch seine vermeintliche Distanzierung hiervon gegenüber dem Regierungspräsidium X vom 02.04.2017, die weiterhin eine für „Reichsbürger“ typische Ausdrucksweise erkennen lässt. Angesichts dieses Umstands erscheint auch die Behauptung des Antragsgegners, er sei Opfer einer Person geworden, die sich berühme, für Deutsches Recht fachkundig zu sein, als unglaubhaft. Dies gilt umso mehr, als sich aus der Mitteilung des Landesamts für Verfassungsschutz vom 30.06.2020 ergibt, dass der Antragsgegner im September 2016 gegenüber einer X Behörde und vor dem 24.02.2017 in einem weiteren, wohl bei der Antragstellerin geführten Bußgeldverfahren (vergleiche schon die allerdings ungenaue Mitteilung des Landesamts für Verfassungsschutz vom 10.07.2018 an die Antragstellerin) in ähnlicher Weise aufgetreten war. Dass die von der Antragstellerin eingeholte fachärztliche Begutachtung des Antragsgegners durch das Gesundheitsamt keine Anhaltspunkte hinsichtlich einer psychischen Erkrankung des Antragstellers ergab, ist insoweit ohne Bedeutung (zumal nicht ersichtlich ist, dass dem Gesundheitsamt die oben angeführten Äußerungen des Antragsgegners im Verwaltungsverfahren überhaupt vorlagen).
32
Dass die Antragstellerin selbst in der Folge davon ausgegangen war, der Antragsteller halte an seinen gegenüber dem Regierungspräsidium X geäußerten Auffassungen nicht fest, ist jedenfalls nach Lage der Akten kaum nachvollziehbar. Denn insbesondere der Zusatz in seinem Schreiben an die Antragstellerin vom 02.05.2017 wie auch seine Äußerungen bei der Vorsprache am 03.05.2017 lassen klar erkennen, dass er weiterhin der Auffassung war, hoheitliche Befugnisse von Behörden bestreiten zu können. Zudem gab es noch im Jahr 2018 weitere Hinweise auf eine fortdauernde Aktivität des Antragsgegners als „Reichsbürger“, denen die Antragstellerin nach Lage der Akten nicht nachgegangen ist.
33
Dass der Antragsgegner in der Folgezeit mit seinen Äußerungen gegenüber der Waffen- und wohl auch der Jagdbehörde der Antragstellerin weiter nicht auffällig geworden ist, ändert an der Bewertung seines Verhaltens nichts (vgl. VGH-Bad.-Württ., Beschl. v. 10.10.2017 - 1 S 1470/17 -, juris, Rn. 31). Vielmehr liegt nahe, dass sich der Antragsgegner insoweit gegenüber der Antragstellerin und möglicherweise auch gegenüber anderen Behörden zurückgehalten hat, um den Erwerb und Besitz von Waffen nicht zu gefährden. Jedenfalls ist für eine nachvollziehbare Abkehr des Antragsgegners von Auffassungen, welche die Verbindlichkeit von staatlichem Recht der Bundesrepublik Deutschland mit abstrusen Auffassungen bestreiten, nichts ersichtlich.
34
Allein der Zeitablauf kann die gegebenen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragsgegners nicht ausräumen. Angesichts der erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit, die von unzuverlässigen Waffenbesitzern ausgehen, müssen seit dem Auftreten von Anhaltspunkten der Unzuverlässigkeit im Allgemeinen wenigstens fünf Jahre vergangen sein (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG).
35
Ermessensfehler (vgl. § 40 LVwVfG, § 114 VwGO) lässt die Begründung der sofortigen Sicherstellung in der Verfügung vom 12.08.2020 nicht erkennen. Diese ist insbesondere verhältnismäßig. Angesichts der zu besorgenden missbräuchlichen Verwendung von Erlaubnisurkunden und Waffen ist die Antragstellerin nicht etwa darauf verwiesen, zunächst nur gemäß § 46 Abs. 1 WaffG vorzugehen und dem Antragsteller die Herausgabe von Erlaubnisurkunden und Waffen unter Androhung eines Zwangsgelds aufzugeben.
36
Ob der Widerruf der dem Antragsgegner erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Nr. 1 der angefochtenen Verfügung im Übrigen rechtmäßig ist, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Denn für die Anordnung der Durchsuchung ist die Anordnung der sofortigen Sicherstellung ausreichend, die, wie oben ausgeführt, unabhängig vom Bestand der waffenrechtlichen Erlaubnisse erfolgen kann. An der Rechtmäßigkeit des Widerrufs bestehen aber auch keine offensichtlichen Zweifel. Zwar dürfte nur hinsichtlich des am 24.03.2016 erteilten Kleinen Waffenscheins ein Widerruf gemäß § 45 Abs. 2 WaffG statthaft sein; denn die Umstände, welche die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragsgegners begründen, betreffen den Zeitraum ab Dezember 2016. Hinsichtlich der weiteren waffenrechtlichen Erlaubnisse wäre dagegen wohl eine Rücknahme gemäß § 45 Abs. 1 WaffG geboten. Die insoweit fehlerhafte Bezeichnung der Rechtsgrundlage ändert aber nichts an den maßgeblichen, von der Antragstellerin angestellten und zutreffenden Ermessenserwägungen (§ 40 LVwVfG).
37
Auch die Durchsuchungsanordnung selbst ist verhältnismäßig. Denn die zu besorgenden Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter wiegen schwerer als die Unverletzlichkeit der Wohnung des Antragsgegners. Im Übrigen steht die Anordnung der Durchsuchung unter dem Vorbehalt, dass dem Antragsgegner zuvor Gelegenheit gegeben werden muss, die Gegenstände freiwillig herauszugeben.
38
Nicht begründet ist der Antrag nur, soweit die Durchsuchung auch zur Vollstreckung der Entscheidung des Kreisjagdamts der Antragstellerin vom 22.07.2020 über die Einziehung und Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins des Antragsgegners angeordnet werden soll. Denn diese Entscheidung ist rein rechtsgestaltender Art; sie hat keinen vollstreckbaren Inhalt. Insoweit wäre erforderlich, dass dem Antragsgegner ergänzend sofort vollziehbar die Herausgabe des Jagdscheins aufgegeben und ihm insoweit unmittelbarer Zwang angedroht würde (vgl., allgemein zur Herausgabe von ungültig gewordenen Nachweisurkunden, Weidemann/Barthel, GewA 2012, 112; vgl. auch, zu § 12 PassG, Beimowski/Gawron, Passgesetz/Personalausweisgesetz, 2018, § 12, Rn. 5; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17 -, juris, Rn. 6). Anders als bei der sofortigen Sicherstellung gemäß § 46 Abs. 4 WaffG schließt die Ungültigkeitserklärung und Einziehung gemäß § 18 BJagdG noch nicht die Anordnung der Herausgabe ein; § 18 BJagdG ermächtigt aber dazu, ergänzend eine Pflicht zur Herausgabe anzuordnen (Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht/Fischereirecht, 4. Aufl., § 18, Rn. 2; zu einer möglichen Fassung der Entscheidung insoweit vgl. VG Münster, Beschl. v. 05.03.2010 - 1 L 106/10 -, juris, Rn. 20), welche gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt werden und dann auch Grundlage der Anordnung einer Durchsuchung (gemäß § 6 LVwVG) sein kann. Sofern die Antragstellerin es für erforderlich hielte, auch hinsichtlich des Jagdscheins zur Durchsuchung ermächtigt zu werden, müsste sie einen ergänzenden Antrag stellen und eine entsprechende Entscheidung ihres Kreisjagdamts vorlegen.
39
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.