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Eine Krankenschwester, für die seit März 2022 die Immunitätsnachweispflicht nach dem Infektionsschutzgesetz gilt, legt dem Arbeitgeber eine aus dem Internet heruntergeladene Impfunfähigkeitsbescheinigung vor. Das Krankenhaus kündigt fristlos - zu Recht?
Das Arbeitsgericht Lübeck entschied (Aktenzeichen 5 Ca 189/22), dass die Vorlage einer aus dem Internet heruntergeladene Impfunfähigkeitsbescheinigung, die ohne ärztliche Untersuchung erstellt wurde, einen schwerwiegenden Verstoß gegen die auf Paragraf 20 a Absatz 2 Infektionsschutzgesetz beruhende arbeitsvertragliche Nebenpflicht darstellt. Der Arbeitgeber darf wegen des Täuschungsversuchs fristlos kündigen, etwaige Maßnahmen des Gesundheitsamts sind nicht vorrangig.
Wie war der Fall?
Ein Krankenhaus informierte seine Beschäftigten über die zum 16. März 2022 geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht und forderte die Mitarbeitenden auf, bis zum 15. März 2022 einen der vier im Infektionsschutzgesetz geforderten Immunitätsnachweise vorzulegen; sonst könne und werde keine Beschäftigung mehr erfolgen. Als Nachweise im Sinne des Infektionsschutzgesetzes gelten 1) ein Impfnachweis, 2) ein Genesenennachweis, 3) eine ärztliche Bescheinigung über Schwangerschaft oder 4) ein ärztliches Zeugnis über eine Impfunfähigkeit aus medizinischen Gründen.
Eine seit 18 Jahren dort beschäftigte Krankenschwester legte dem Krankenhaus eine Impfunfähigkeitsbescheinigung vor, das Dokument wies auch eine unterzeichnende Ärztin aus. Es stellte sich aber heraus, dass die Mitarbeiterin diese Bescheinigung ohne jeglichen ärztlichen Kontakt aus dem Internet heruntergeladen hatte. Das Krankenhaus sah sich getäuscht, informierte das Gesundheitsamt, welches die Unechtheit bestätigte, und kündigte schließlich fristlos wegen des zerstörten Vertrauensverhältnisses. Die Krankenschwester erhob Kündigungsschutzklage.
Das Urteil
Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitgeber recht, erklärte die fristlose Kündigung für wirksam und wies die Klage ab. Die Krankenschwester habe durch Vorlage der Internet-Bescheinigung, die nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhte, versucht, den Arbeitgeber über eine angeblich vorliegende Impfunfähigkeit zu täuschen. Dies sei eine schwerwiegende Verletzung der aus dem Infektionsschutzgesetz folgenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Vorlage eines echten Immunitätsnachweises und stelle grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung nach Paragraf 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches dar.
Vor dem Herunterladen der Bescheinigung gab es weder eine persönliche noch eine virtuelle ärztliche Begutachtung. Damit sei auch für die Krankenschwester deutlich erkennbar gewesen, dass es sich noch nicht einmal im Ansatz um eine ordnungsgemäße ärztliche Bescheinigung einer Impfunfähigkeit aus medizinischen Gründen handeln konnte.
Zwar sei es Aufgabe der Gesundheitsämter, bei Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz öffentlich-rechtlich zu bescheiden, zum Beispiel Bußgelder aufzuerlegen oder auch bei Echtheitszweifeln ärztliche Untersuchungen anzuordnen. Daraus folge aber nicht etwa ein Maßnahmeverbot beziehungsweise Kündigungsverbot für Arbeitgeber, sondern die Maßnahmebefugnis der Gesundheitsämter und die der Arbeitgeber stehen nebeneinander. Denn die Immunitätsnachweispflichten nach dem Infektionsschutzgesetz stellten auch arbeitsvertragliche Nebenpflichten dar, die der Arbeitgeber selbst sanktionieren dürfe.
Dies folge auch daraus, dass ein Gesundheitsamt etwaige arbeitsrechtliche Maßnahmen gar nicht ergreifen dürfe. Aus Sicht der Richter war es unerheblich, dass der Arbeitgeber die Bescheinigung, an der er schon selbst Zweifel hatte, auch noch zur Überprüfung an das Gesundheitsamt weitergeleitet hatte. Dadurch entstehe keine Sperrwirkung des Infektionsschutzgesetzes.
Keine widerrechtliche Drohung
In der Ankündigung des Krankenhauses, Mitarbeitende, die bis zum 15. März 2022 keinen gültigen Nachweis im Sinne des Infektionsschutzgesetzes vorlegen, nicht mehr zu beschäftigen, liege auch keine widerrechtliche Drohung, sondern die Nichtbeschäftigung ohne Nachweis sei von dem Arbeitgeberweisungsrecht umfasst. Die fehlende Einsichtsfähigkeit der Mitarbeiterin auch noch im Prozess - die behauptet hatte, es sei nur eine "vorläufige" Bescheinigung gewesen - führe dazu, dass auch unter Berücksichtigung alle Interessen des Einzelfalls auch kein milderes Mittel wie etwa einer Abmahnung in Betracht käme. Auch das fast zwei Jahrzehnte andauernde Arbeitsverhältnis half hier nicht.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Quelle: ntv.de