Da wir gerade so einen schönen Grundkurs im Allgemeinen Verwaltungsrecht machen, seien die Ausführungen des geschätzten Kollegen
@Rechtsfinder noch um einen verwaltungsprozessualen Aspekt ergänzt:
Wie
@Rechtsfinder schon angemerkt hat, wird ein Verwaltungsakt - unabhängig von der Diskussion um den exakten Rechtscharakter von Nebenbestimmungen packe ich da jetzt mal die „Auflage“ zur Vereinfachung mit dazu - mit seiner Bekanntgabe wirksam (§ 43 Abs. 1 VwVfG). Das bedeutet, dass er ab diesem Moment zu beachten ist. Der / die einzelne Bedienstete der Polizei kann daher davon ausgehen, dass die Auflagen(n) von den Demonstrierenden einzuhalten sind, wobei egal ist, ob diese später womöglich als rechtswidrig beurteilt werden. Vor Ort „beweisen“ muss die Polizei gar nichts (selbst wenn sie - wie zB in Niedersachsen - zugleich Versammlungsbehörde ist).
Allerdings kann man die Pflicht zur Beachtung einer Regelung durch einen Rechtsbehelf (in Abhängigkeit von Materie und Landesrecht Widerspruch oder Klage) „aushebeln“, denn ein Rechtsbehelf entfaltet grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der Verwaltungsakt zunächst unbeachtet gelassen werden darf. Um das zu vermeiden, gibt es Fälle, in denen der Verwaltungsakt ausnahmsweise „sofort vollziehbar“ ist, dann entfällt dieser Suspensiveffekt. Neben dem von
@Rechtsfinder genannten Beispiel (Staat kriegt Geld, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) sind dies insbesondere Fälle, in denen die Verwaltung dies aufgrund der Dringlichkeit der Sachlage ausdrücklich anordnet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Das ist bei Auflagenbescheiden im Versammlungsrecht typischerweise der Fall. Selbst wenn kurz vor der Demo schnell noch eine Klage „abgeworfen“ wird, hilft das den Veranstaltern daher nicht. Sie müssten dann zusätzlich die „Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage“ beantragen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Diese Folge tritt dann aber erst ein, wenn das Verwaltungsgericht sie ausdrücklich ausspricht.
Fazit Teil 1: Der Polizei vor Ort muss die Rechtmäßigkeit von Auflagen nicht prüfen, sie darf sie durchsetzen.
Ein weiterer Fall des Fehlens einer aufschiebenden Wirkung sind „unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten“ (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Auflösung einer Demo sowie deren Vollzug dienende Maßnahmen (zB ein „Platzverweis“) sind daher ebenfalls zunächst zu befolgen - völlig unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit. Darüber kann später im Wege der von
@Rechtsfinder beschriebenen „Fortsetzungsfeststellungsklage“ gestritten werden. Hier gibt es allerdings noch eine kleine Besonderheit: Die Nichtbefolgung einer Auflösungsverfügung ist grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit. Sofern die Auflösungsverfügung rechtswidrig war, steht dies aber der Ahndung der Nichtbefolgung trotz der grundsätzlichen Befolgungspflicht nach einer älteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entgegen.
Fazit Teil 2: Die Polizei muss zwar eine Auflösungsverfügung ggf. vor Gericht rechtfertigen. Sofern diese ergeht, muss diese aber ebenfalls erst einmal befolgt werden.