Autor Thema: Querdenken  (Gelesen 1042955 mal)

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Offline Tiefschlafende

Re: Querdenken
« Antwort #735 am: 28. Oktober 2020, 14:24:45 »
Zitat von: Gutemine
Heute treffen sich 13:00 die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Merkel, um den "Lockdown light" zu beschließen. Aber was bedeutet das? Uns liegt ein internes Strategiepapier vor, in welchem die konkreten Maßnahmen aufgeführt sind. RA Frank Hannig erläutert Punkt für Punkt, was alles dahinter steckt!

Ob er wohl das "interne" Strategiepapier meint, welches Ralph Ludwig heute um 09:33 auf seinem niegelnagelneuen Telegram-Kanal gepostet hat? (wurde ihm übrigens von Rolf Karpenstein geschickt)
 
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Re: Querdenken
« Antwort #736 am: 28. Oktober 2020, 15:10:22 »
...
Die Idee mit der Versammlung ... die ist echt schräg.

Zitat
Vorratsanzeigen von Versammlungen - Fehlende Ernsthaftigkeit
Normenketten:
BayVersG Art. 13 Abs. 1 S. 4, Abs. 2, Art. 25
GG Art. 8
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 S. 1

Leitsätze:
1. Vorratsanzeigen von Versammlungen sind grundsätzlich zulässig (Art. 13 Abs. 1 S. 4 BayVersG). Die Anzeige muss sich auf konkret geplante und zu bezeichnende Versammlungen beziehen. Dem Sinn der gesetzlichen Regelung widersprechend sind rein vorsorgliche Anzeigen von Veranstaltungen, deren tatsächliche Durchführung offen und fraglich bleibt. (redaktioneller Leitsatz)

2. Im Versammlungsrecht gibt es keine strikte Ausrichtung am Prioritätsgrundsatz und damit auch kein Erstanmelderprivileg. Bei Mehrfachbelegung eines Ortes ist im Wege der praktischen Konkordanz ein Ausgleich der Interessen der jeweils ihr Grundrecht nach Art. 8 GG wahrnehmenden Demonstrationsteilnehmer herbeizuführen. (redaktioneller Leitsatz)

3. Flächendeckende Anmeldungen von Versammlungen mit dem alleinigen Ziel, eine andere Demonstration zu verhindern, unterstehen nicht dem Schutz der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG. (redaktioneller Leitsatz)
...
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.12.2015 – 10 CS 15.2603

Spoiler
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit welchem seine Versammlungsanzeige zurückgewiesen wird.
Am ... September 2015 zeigte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin eine Versammlung unter freiem Himmel an. Die Anzeige lautete: „ Hiermit zeige ich, ... (Meldeanschrift …), für jeden Samstag von 13 bis 15 Uhr (beginnend ab ... September 2015 bis einschließlich ... Dezember 2016) Kundgebungen mit jeweils ca. acht Teilnehmern an.“
Als jeweiliges Versammlungsthema wurde angeführt: „DIE RECHTE - Gegen Behördenwillkür und für die deutsche Volksgemeinschaft!“. Als jeweiliger Versammlungsleiter wurde F. T. benannt, als jeweilige zweite Versammlungsleiterin V. G. und als jeweiliger dritter Versammlungsleiter P. M. Unter dem Punkt „Jeweilige Versammlungshilfsmittel“ war u. a. angeführt „Lautsprecherwagen“. Als Kundgebungsort wurde der Max-Josefs-Platz genannt. Die Anzeige enthielt weiter folgende Aussage „Die Anzeige wird unter bestimmten Umständen wieder zurückgezogen, sobald die Stadt Rosenheim aufhört, gegen DIE RECHTE willkürlich vorzugehen.“

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2015 wies die Behörde die Versammlungsanzeige zurück mit dem Hinweis, dass künftige, darin genannte Versammlungstermine damit nicht mehr als angezeigt gelten. In der Begründung wurde angeführt, dass die Versammlungsanzeige zurückzuweisen sei, da sie offensichtlich missbräuchlich erfolgt sei und nur dazu diene, die Behörde zu schikanieren. Eine ernsthafte Absicht, Versammlungen wöchentlich bis Ende 2016 abzuhalten, läge nicht vor. Hierfür spreche das Vorgehen bei den beiden kurzfristig abgesagten Versammlungen am 10. und 17. Oktober 2015 unter fadenscheinigen Gründen (Autopanne, Erkrankung der Versammlungsleiterin) und die Kurzfristigkeit der Absage. Diese sei vor allem im Fall der Erkrankung nicht nachvollziehbar, da eine solche sich normalerweise eher abzeichne. Es hätte möglicherweise auch ein Vertreter für die Versammlungsleitung benannt werden können, um die Versammlung trotzdem durchzuführen. Die Aussage des Herrn M., eines ehemaligen Mitgliedes der Partei DIE RECHTE, bei der Polizei, wonach der Antragsteller die Dauerversammlung angemeldet habe, um die Stadt Rosenheim zu ärgern, bestätige die mangelnde Ernsthaftigkeit. Im Übrigen spreche auch der Zusatz in der Anzeige selbst, wonach diese zurückgenommen werde, wenn die Behörde aufhöre, willkürlich gegen DIE RECHTE vorzugehen, gegen einen entsprechenden Willen, Versammlungen über einen Zeitraum von gut 15 Monaten abzuhalten. Der Antragsteller ignoriere die im Vorfeld vorgebrachte Bitte, Versammlungen ggf. rechtzeitig abzusagen, um großen Vorbereitungsaufwand zu vermeiden. Der Antragsteller habe damit der Pflicht aus Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayVersG, Änderungen unverzüglich mitzuteilen, nicht genügt. Die Verweigerung von Kooperationsgesprächen durch den Antragsteller erschwere eine angemessene und vernünftige Durchführung. Der Behörde gehe es nicht darum, Versammlungen zu verhindern, sondern lediglich darum, offensichtlichen Missbrauch künftig zu vermeiden.

Am 20. November 2015 erhob der Antragsteller Klage (M 7 K 15.5252) und ersuchte um Eilrechtsschutz mit dem Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom 21.10.2015 ausgesprochene Zurückweisung der Versammlungsanzeige des Klägers vom ...9.2015 anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller wende sich gegen die Zurückweisung der Versammlungsanzeige und wolle zumindest ab ... Dezember 2015 die Versammlungen wie angezeigt durchführen. Die Zurückweisung sei nicht gerechtfertigt, der Antragsteller habe, sobald er Kenntnis von der Undurchführbarkeit gehabt habe, jeweils zum frühestmöglichen Zeitpunkt die zuständige Polizeidienststelle informiert. Am 10. Oktober 2015 habe der Antragsteller vormittags per E-Mail mitgeteilt, dass die Versammlung nicht durchgeführt werden könne und daher abgemeldet werde. Grund sei eine Fahrzeugpanne des Pkws der Versammlungsleitung/Lautsprecherwagens, so dass dieser nicht mehr habe eingesetzt werden können. Der Pkw sei zur Nutzung der Lautsprecheranlage im Rahmen der Versammlung erforderlich gewesen, der Lautsprecherwagen sei als Kundgabemittel angezeigt gewesen, der Antragsteller habe nicht kurzfristig über einen Ersatz-Pkw verfügt. Der Einsatz des Lautsprecherwagens sei erforderlich, da störende Gegendemonstranten versuchten durch Lärmerzeugung die Versammlung des Antragstellers zu verhindern. Es müsse dem Anmelder überlassen bleiben, ob es ihm noch sinnvoll erscheine, eine Versammlung abzuhalten, die verkürzt und ohne technische Hilfsmittel ablaufen müsse. Am 17. Oktober 2015 sei vormittags dem Polizeipräsidium mitgeteilt worden, dass die Versammlung nicht durchgeführt werden könne und daher abgemeldet werde, da die Versammlungsleiterin G. sich unmittelbar zuvor am Bein verletzt habe. Der in der Versammlungsanzeige genannte Versammlungsleiter F. T. sei vom Antragsgegner als Versammlungsleiter abgelehnt worden, mit dem in der Anzeige benannten dritten Versammlungsleiter habe man sich zuvor schon zerstritten und ihn aus der Partei ausgeschlossen. Insofern habe kein Versammlungsleiter mehr zur Verfügung gestanden. Da die Versammlung lediglich aus ca. acht Personen bestehe, was sich auch aus der Anzeige ergebe, bestünden kaum Möglichkeiten, diese Ausfälle kurzfristig zu ersetzen. Die Versammlungsanzeige vom ... September 2015 sei nicht missbräuchlich erfolgt. Die Aussage des Herrn M. werde bestritten. Dieser sei am 26. September 2015 auf einer Sitzung des Landesvorstands Bayern der Partei DIE RECHTE ausgeschlossen worden, da ihm schädliches Auftreten in der Öffentlichkeit und unwahres Verhalten im politischen und privaten Leben vorgeworfen werde. Über diesen Streit mit Herrn M. werde in verschiedenen Artikeln berichtet. Die Glaubwürdigkeit des Herrn M. sei aufgrund der im Artikel geschilderten Vorkommnisse fraglich, daher auch, ob er sich in einem angeblichen Gespräch mit dem Polizeibeamten wahrheitsgemäß geäußert habe. Jedenfalls habe der Antragsteller die Versammlungsanzeige nicht zur Schikane getätigt, sondern um politische Ziele in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Ziele könnten nicht erreicht werden, wenn der Antragsteller die Versammlung nicht durchführe. Die Unterstützer des Antragstellers seien verärgert über die kurzfristige Absage und überlegten sich eine weitere Teilnahme an den Versammlungen, wenn diese des Öfteren kurzfristig abgesagt würden. Zudem werteten die Gegner des Antragstellers eine Absage zu seinen Ungunsten, mithin schade der Antragsteller sich selbst durch kurzfristige Absagen. Die Antragsgegnerin sei von einer kurzfristigen Absage wohl kaum betroffen, da die Versammlung am Tag der Versammlung ohnehin nur von der Polizei betreut werde und diese hauptsächlich logistische Vorkehrungen zu treffen habe. Der Einsatz der Polizei werde nicht durch den Kläger und die ca. acht Versammlungsteilnehmer, sondern durch die Gegendemonstranten verursacht. In der Vergangenheit habe der Antragsteller die Durchführung der Versammlung eingeklagt und die Versammlungen tatsächlich abgehalten. Dies zeige, dass er durchaus Interesse an der Durchführung habe. Der Bevollmächtigte habe der Antragsgegnerin zur Kontaktaufnahme die E-Mailadresse des Antragstellers mitgeteilt. Das Versammlungsthema laute u. a. „Gegen Behördenwillkür…“ und richte sich gegen die unbegründeten Beschränkungen des Versammlungsrechts, die in den Verfahren M 7 S 15.3737 und M 7 S 15.4229 gerichtlich festgestellt worden seien. In diesem Zusammenhang sei der Zusatz in der Versammlungsanzeige zu sehen. Der Antragsteller werde seine Versammlungen fortsetzen, solange die Antragsgegnerin das Versammlungsrecht unbegründet einschränke. Eine zeitlich weitreichende Anzeige sei erforderlich, da andernfalls politische Gruppierungen, die den Antragsteller bekämpften, ihrerseits zentral gelegene Orte über weite Zeiträume blockierten, um die Versammlungen des Antragstellers zu verhindern. Für Kooperationsgespräche stehe er weiter zur Verfügung, diese könnten aus beruflichen Gründen nur telefonisch oder per E-Mail durchgeführt werden. Die Antragsgegnerin habe mit Schreiben vom 27. November 2015 mitgeteilt, dass der Antragsteller zukünftig einzelne Versammlungen weiter anzeigen dürfe, was so zu deuten sei, dass diese dann nicht als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen würden. Dies erscheine widersprüchlich vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin die letzte Versammlungsanzeige als missbräuchlich und den Antragsteller weiterhin als unzuverlässig ansehe. Es sei auch unklar, ob nun Anzeigen für längere Zeiträume zugelassen würden, das BayVersG lasse diese mit einem Vorlauf von zwei Jahren zu. Die Antragsgegnerin verlange nun ohne ausreichenden Grund, dass der Antragsteller seine Anzeige vom September 2015 nunmehr in eine Vielzahl von Einzelanmeldungen aufteile. Soweit dem Antragsteller eine missbräuchliche Anzeige nachgewiesen werden könne, sähen das Versammlungsrecht und das Kostenrecht andere Sanktionen als die Zurückweisung einer Anzeige vor. Für das unnötige Veranlassen von Polizeieinsätzen bestünden ebenfalls verwaltungsrechtliche Vorschriften zur Aufbürdung der Kostenlast. Die Eilbedürftigkeit bestehe, da es dem Antragsteller nicht zuzumuten sei, aufgrund bloßer Verdächtigungen seine Rechte aus der ursprünglichen Anzeige nicht ausüben zu können und nunmehr wöchentliche Anzeigen tätigen zu müssen. Hinzu komme die Problematik mit konkurrierenden Gegendemonstrationen am selben Versammlungsort.

Mit Schreiben vom 27. November 2015 beantragte die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Ausführungen zu den Verhinderungsgründen stellten Schutzbehauptungen dar. Es werde nicht näher ausgeführt oder ein Beweis vorgetragen, inwiefern eine Fahrzeugpanne bzw. eine Beinverletzung vorgelegen habe. Der Antragsteller werde als Zeuge benannt, was als sehr „dünn“ bezeichnet werden könne. Bei der Fahrzeugpanne sei nicht nachvollziehbar, weshalb nicht auf andere Verkehrsmittel habe ausgewichen werden können. Die angebliche Notwendigkeit des Fahrzeugs für den Einsatz des Lautsprecherwagens sei ebenfalls nicht stichhaltig, da fragwürdig sei, warum eine Gruppe von ca. acht Versammlungsteilnehmern eine solche Anlage überhaupt benötige. Selbst wenn man die verletzungsbedingte Verhinderung von Frau G. unterstelle, hätte es die Möglichkeit gegeben, mit der Polizei als Versammlungsbehörde Kontakt aufzunehmen und unter den sieben verbleibenden Versammlungsteilnehmern eine Person als Versammlungsleiter vorzuschlagen. Dies sei in vergleichbaren Fällen üblich, der Antragsteller habe diesen Weg nicht einmal versucht. Weiteres Indiz für die Annahme der mangelnden Ernsthaftigkeit der Versammlungsanzeige sei die Art und Weise der Absage und die damit verbundene Kurzfristigkeit zum Zwecke der Schikane. Die von der Antragsgegnerin gezogenen Schlüsse aus dem Verhalten des Antragstellers deckten sich auch mit der Aussage von Herrn M. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass der Antragsteller selbst mehrfach einschlägig vorbestraft sei und es zumindest fraglich sei, inwiefern seine Aussagen seriöser seien als die des Herrn M. Im Übrigen hätte der Antragsteller, wenn nach seiner Ansicht Herr M. nicht mehr als Versammlungsleiter tragbar sei, dies der Behörde unverzüglich anzeigen müssen und hätte ggf. einen anderen stellvertretenden Versammlungsleiter benennen können. Dieses Unterlassen stelle einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayVersG dar und könne der Antragsgegnerin nicht dahingehend entgegengehalten werden, dass der Antragsteller aufgrund der Verhinderung der einzig verbliebenen Versammlungsleiterin gehindert gewesen wäre, die Versammlung durchzuführen. Die Tatsache, dass er diese Mitteilung unterlassen habe, trage mit zur Annahme bei, dass er der Anzeige keine große und ernsthafte Bedeutung zumesse. Entgegen der Ansicht des Antragstellers habe in den von ihm zitierten gerichtlichen Verfahren keine inhaltliche Prüfung stattgefunden, die Verfahren seien vielmehr förmlich eingestellt worden. Die Argumentation des Antragstellers, wonach die Absage von seinen Gegnern dahingehend ausgelegt würde, dass er die Versammlung aufgrund mangelnden Interesses absage, sei „an den Haaren herbeigezogen“. Die angekündigte Kooperationsbereitschaft werde nach wie vor angezweifelt. Sollte der Antragsteller ernsthaftes Interesse daran haben, über 16 Monate wöchentlich Demonstrationen in Rosenheim durchzuführen, dann könne er sich - trotz Berufstätigkeit - auch einmal die Zeit nehmen, zu einem persönlichen Kooperationsgespräch nach Rosenheim zu kommen. Die Tatsache, dass er dies nach wie vor ablehne, stütze die Einschätzung, dass mangelnder Kooperationswille vorliege und es an der nötigen Ernsthaftigkeit fehle. Ein besonderes Vollzugsinteresse sei auch gegeben. Es bedürfe der dringenden Klarstellung, dass eine einmal getätigte Versammlungsanzeige, zu der Fakten vorlägen, wonach die Ernsthaftigkeit in Frage gestellt werden könne, von der Behörde langfristig nicht hingenommen und kritiklos akzeptiert werden müsse. Komme es nicht zu einer Klärung, bestehe die Gefahr, dass wöchentliche größere Polizeikräfte völlig umsonst in Bereitschaft gehalten werden müssten und für weitere wichtige Aufgaben nicht zur Verfügung stünden. Das Versammlungsrecht sehe vom Sinn und Zweck her zwar weitgehende Rechte für den Veranstalter vor und erlaube kaum Beschränkungsmöglichkeiten für die Behörde. Diese könne aber nicht dazu führen, dass es zu einer missbräuchlichen Verwendung komme. Die Versammlungsanzeige sei eine der wenigen Verpflichtungen im Versammlungsrecht, die der Veranstalter durchführen müsse. Der Stadt gehe es nicht um die Beschneidung der Versammlungsrechte des Antragstellers. Es bleibe ihm unbenommen, einzelne Versammlungen künftig anzumelden, wenn er tatsächlich in Rosenheim demonstrieren wolle.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 25 BayVersG - keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz sind. Zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, ist schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (BVerfG, B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 18 m. w. N.). Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme daher in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (BVerfG, a. a. O., u. B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 18).
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage zu treffende Abwägungsentscheidung führt zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids überwiegt. Denn wenn auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch keine abschließende Aussage über die Erfolgsaussichten der Klage getroffen werden kann, ist es zumindest wahrscheinlicher, dass der Bescheid der Antragsgegnerin Bestand haben wird. Demzufolge kommt dem Vollzugsinteresse ein größeres Gewicht zu.
Der Antragsteller wendet sich vorliegend gegen die Zurückweisung seiner Versammlungsanzeige vom ... September 2015, in der er für jeden Samstag, beginnend ab ... September 2015 bis einschließlich ... Dezember 2016 eine Versammlung am Max-Josefs-Platz in Rosenheim angezeigt hat. Das Gericht geht davon aus, dass Vorratsanzeigen grundsätzlich zulässig sind, wie sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 4 BayVersG ergibt, wonach eine Anzeige frühestens zwei Jahre vor dem geplanten Versammlungsbeginn möglich ist. Die Anzeige muss sich auf konkret geplante und zu bezeichnende Versammlungen beziehen, dem Sinn der gesetzlichen Regelung widersprechend sind hingegen rein vorsorgliche Anzeigen von Veranstaltungen, deren tatsächliche Durchführung offen und fraglich bleibt (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Auflage, § 14 Rn. 8). Die Beurteilung einer Versammlungsanzeige richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen und kann dementsprechend bei rechtsmissbräuchlicher Nutzung zurückgewiesen werden.
Vorliegend bestehen beachtliche Anhaltspunkte dafür, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung die Einschätzung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller fehle es an der ernsthaften Absicht, die angezeigten wöchentlichen Versammlungen abzuhalten, gerechtfertigt war. Dafür spricht die zweimalige kurzfristige Absage von Versammlungsterminen unter der Angabe von wenig untermauerten und kaum eine Versammlungsabsage tragenden Gründen. So wurde für die behauptete Beinverletzung der Versammlungsleiterin G. weder ein Attest vorgelegt noch ausgeführt, inwieweit es sich hier um eine schwerwiegende Verletzung gehandelt hat. Eine Abhaltung der Versammlung am 10. Oktober 2015 wäre auch ohne Lautsprechereinsatz möglich gewesen, vor allem wenn man berücksichtigt, wie wichtig dem Antragsteller die Versammlung entsprechend seinem Vortrag im diesbezüglichen Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht war. Die Aussage des Herrn M. gegenüber der Polizei stützt die Annahme eines fehlenden ernstlichen Willens des Antragstellers hinsichtlich der angezeigten Versammlungen. Zudem zeigte sich der Antragsteller im Vorfeld nicht kooperationsbereit, hatte zeitweise angekündigt, nur noch über das Verwaltungsgericht mit den Behörden zu kommunizieren und war weder persönlich noch über den Prozessbevollmächtigten erreichbar, als die Polizei kurz vor den jeweiligen Versammlungen Einzelheiten zur Durchführung abklären wollte.
Weiter hat das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass dem Antragsteller bei einer Ablehnung seines Antrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine gewichtigen Nachteile entstehen. Es bleibt ihm unbenommen, einzelne ernsthaft von ihm geplante Versammlungen an konkreten Terminen unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 und 2 BayVersG bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. Darauf hat auch die Behörde in ihrem Bescheid hingewiesen. Für eine Zurückweisung einer solchen Anzeige durch die Behörde ist nichts ersichtlich.
Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, eine zeitlich weitreichende Anzeige sei erforderlich, da ansonsten zentral gelegene Orte durch Dritte belegt würden, um Versammlungen des Antragstellers zu verhindern, hat dieses Argument nur bedingt Gültigkeit. Im Versammlungsrecht gibt es keine strikte Ausrichtung am Prioritätsgrundsatz und damit auch kein Erstanmelderprivileg. Bei Mehrfachbelegung eines Ortes ist vielmehr im Wege der praktischen Konkordanz ein Ausgleich der Interessen der jeweils ihr Grundrecht nach Art. 8 GG wahrnehmenden Demonstrationsteilnehmer herbeizuführen (vgl. VGH BW, B.v. 30.4.2002 - 1 S 1050/02 - juris Rn. 16 m. w. N.). Im Übrigen unterstehen flächendeckende Anmeldungen mit dem alleinigen Ziel, eine andere Demonstration zu verhindern, nicht dem Schutz des Art. 8 GG (vgl. VGH BW, B.v. 30.4.2002 - 1 S 1050/02 - juris Rn. 15 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 (BayVGH, B. v. 10.4.2014 - 10 C 14.587 - juris Rn. 8).
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Re: Querdenken
« Antwort #737 am: 28. Oktober 2020, 15:16:03 »
Bedeutet das, dass ein gewisser Morlock in Hamburg keine Veranstaltung mehr genehmigt bekommen muss, weil ja nicht feststeht, ob die tatsächlich stattfinden werden. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben die Verrückten da ja auch auf Vorrat angemeldet. Oder täusche ich mich?
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dtx

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Re: Querdenken
« Antwort #738 am: 28. Oktober 2020, 15:26:00 »
Bedeutet das, dass ein gewisser Morlock in Hamburg keine Veranstaltung mehr genehmigt bekommen muss, ...

Solange Hamburg nicht mit Bayern vereingt wird: Nein.

 
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Re: Querdenken
« Antwort #739 am: 28. Oktober 2020, 16:01:54 »
Eine Versammlung im ganzen Land anzumelden bedeutet noch nicht, dass auch alle Einwohner Versammlungsteilnehmer sind. Zur Versammlungsfreiheit gehört es auch, sich gegen die Teilnahme an einer Versammlung zu entscheiden.

Andererseits, wenn es eine Versammlung mit 83 Mio Teilnehmern ist, dann würde in ganz Berlin Maskenpflicht gelten, weil über 100 Teilnehmer. Das könnte also ein Eigentor für die Bushonks werden. Ob er die 3,3 Mio. Ordnerbinden schon hat, die er brauchen könnte.

Wenn für die Versammlung ein Alkoholverbot beauflagt wird, dann müssen die Typen ziemlich schnell rennen, fürchte ich. 

Streng genommen will er 16 Versammlungen anmelden. Da bin ich mal gespannt, wie er bei allen 16 gleichzeitig als Versammlungsleiter anwesend sein will. Zum Thema der Versammlung hat er sich nicht geäußert.

Der Stefan Brackmann scheint dieser Typ zu sein:
http://www.vermögenserhalter.de/Impressum

Letzter Jahresabschluss im Unternehmensregister ist von 2011. Und da war schon das Eigenkapital bei 0 EUR.  :facepalm: So jemandem soll man also sein Vermögen anvertrauen.
Frei nach Loriot: Ein Leben ohne Hut-Mops ist möglich - aber sinnlos.
 

Offline Gutemine

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Re: Querdenken
« Antwort #740 am: 28. Oktober 2020, 18:50:06 »
Der SWR versucht 45 Minuten lang die "Gründe" für das Nichtdenken der Covidi.oten zu ergründen.

In einem zweiten, im Artikel verlinkten, Video geht es um das "differenzieren" beim Bild der Covidi.oten. Man merkt, beim SWR hat man eben auch mit dem Eso-Mist ziemlich viel am Hut.  ::)

Spoiler
Politologe Erik Flügge im Interview Wieso der Ursprung des Frusts über Corona-Maßnahmen aus BW kommt

Zuerst waren es nur wenige Teilnehmer, die in Stuttgart gegen die Maßnahmen der Politik gegen die Ausbreitung des Coronavirus demonstrierten. Schnell wurden es immer mehr. Warum hat die Bewegung ihre Wurzeln in Baden-Württemberg? Ein Versuch einer Erklärung.

Begibt man sich auf die Spurensuche der wohl bekanntesten, mittlerweile bundesweit verankerten Anti-Corona-Bewegung, landet man schnell in Stuttgart. Dort haben am 18. April erstmals etwa 50 Menschen gegen Kontaktbeschränkungen aufgrund der Coronavirus-Maßnahmen von Bund und Ländern demonstriert. Schnell wurden es mehr - bereits Anfang Mai fanden sich tausende Demo-Teilnehmer auf dem Cannstatter Wasen ein. Im August fanden sich Zehntausende zu mehreren Demonstrationen in Berlin ein, organisiert von der Stuttgarter Initiative "Querdenken 711" und deren Initiator Michael Ballweg. Am ersten Oktober-Wochenende sorgten eine geplante Menschenkette rund um den Bodensee sowie zahlreiche Demonstrationen und Gegen-Demonstrationen ebenfalls für Schlagzeilen.

Aber warum ausgerechnet Stuttgart und warum ausgerechnet Baden-Württemberg? Ist eine Verbindung zu den Großprotesten gegen das Bahnprojekt "Stuttgart 21" und eine vor rund zehn Jahren neu aufkeimende Protest-Bewegung herstellbar? Der gebürtige Backnanger (Rems-Murr-Kreis) Politologe, Politikberater und Autor Erik Flügge gibt im SWR-Interview Antworten.

SWR: Herr Flügge, "Stuttgart 21" hat damals viele Menschen in Stuttgart auf die Straße gebracht. Würden Sie eine Verbindung sehen zwischen den S21-Demonstranten und den Corona-Querdenkern heute?

Erik Flügge: Das Spannende ist, dass wir gerade in Baden-Württemberg so starke Corona-Proteste haben. Ich glaube, dass es eine Verbindung gibt, die nicht durch die gleichen Personen besteht, sondern zwischen den Corona-Protesten und dem Staatsmisstrauen von heute und der Misstrauenserfahrung, die bei Stuttgart 21 gemacht wurde. Es sind unterschiedliche Menschen, aber es gibt einen gemeinsamen Erfahrungshintergrund.

Kann man sagen, dass damals der Wutbürger geboren wurde und den gibt es heute noch?

Ich glaube, das Wort "Wutbürger" war damals schon nicht klug, weil das Wort Wutbürger quasi diffamierend wirken soll. Es sagt sowas aus wie 'ihr seid unbegründet wütend'. Bei der Corona-Demo kann man darüber streiten, ob es eigentlich eine begründete Wut ist oder nicht. Bei Teilen mit Sicherheit nicht, bei anderen Teilen von Leuten, die wirtschaftlich bedroht sind, ja. Aber hier ist es tatsächlich so, dass im Fall von Stuttgart 21 unstrittig klar ist, dass es sich um ein verkalkuliertes und problematisches Projekt handelt, dass das Land sehr stark gespalten hat. Ja, da haben Leute demonstriert - das ist auch ihr demokratisches Recht. Und das ist es bis heute, auch wenn man den Bahnhof nicht mehr wird aufhalten können. Aber deswegen war ich nie ein Freund des Wortes "Wutbürger".

Auch bei Corona geht viel von Baden-Württemberg aus. Der Hauptorganisator - auch der Berlin-Demos - kommt von hier. Was sind die Punkte, die die Baden-Württemberger vielleicht auch aus Stuttgart 21 gelernt haben, so dass sie jetzt so viel auf die Straße gehen?

Wir haben den Fall, das zum Zeitpunkt der Stuttgart-21-Proteste landesweit was miterlebt wurde. Sie haben miterlebt, dass Protest etwas bringt. Darüber ist nach 54 Jahren die CDU-Landesregierung gefallen. Das war davor absolut unvorstellbar. Danach regierte plötzlich Grün-Rot und es gab den ersten grünen Ministerpräsidenten. Demonstrationen machen also einen Unterschied. Und auch wenn heute andere Leute woanders für andere Sachen demonstrieren, haben sie besonders stark in Baden-Württemberg erlebt, dass das was bringen kann.

Das Zweite, was durch Stuttgart 21 tatsächlich die gesamte Bevölkerung gelernt hat, ist, dass Fakten und Aussagen von Regierungsinstitutionen, die verbreitet werden, durchaus kritisierbar sind. Beim Bahnhof wurden regelmäßig Kalkulationen vorgelegt, die sich später als unwahr erwiesen haben, die massive Kostensteigerungen mit sich gebracht haben. Es wurden auch Planungen vorgelegt, die so nicht aufgingen. Es wurde also landesweit gelernt, dass nicht immer alles stimmen muss. Und den gleichen Mustern folgen auch die Proteste, die heute an anderer Stelle gegen Corona stattfinden.

Stuttgart ist eine sehr reiche Stadt, den Leuten geht es hier relativ gut. Woran liegt es, dass sie dennoch hier auf die Straße gehen?

Entscheidend ist: Erst seit Stuttgart 21 gehen die Menschen wirklich auf die Straße. Das hat ja damals alle überrascht: 'Wieso gehen denn jetzt auf einmal die Baden-Württemberger auf die Straße?' Ich glaube, dem liegt zugrunde, dass hier eine Erfahrung vom Nicht-Gehört-Werden gemacht wird. Es gab Proteste gegen Stuttgart 21, die sowohl vom damaligen Oberbürgermeister als auch von der Landesregierung ignoriert wurden. Es kamen von Woche zu Woche Leute dazu und es ist ignoriert und weggedrückt worden. Dann hat man versucht, mit Kampagnen dagegen vorzugehen. Gleichzeitig haben sich Leute auch stärker empört, sind wütender geworden und haben sich immer stärker engagiert, weil es sie zurecht sauer gemacht hat, nicht gehört zu werden. Im Grunde hätte dieser Protest hier nie so eskalieren müssen, wie er später eskaliert ist, wenn man früher bereit gewesen wäre, demokratisch mit dem Protest umzugehen.

Würden Sie also sagen, dass dies mit Stuttgart 21 geboren wurde - oder gibt es auch historische Gründe, warum man hier in Baden-Württemberg gerne demonstriert?

Demonstrieren ist etwas Neues in Baden-Württemberg. Aber grundsätzlich die Erfahrung von einer Skepsis gegenüber etablierten Strukturen, die ist sehr typisch für Baden-Württemberg, die ist schon angelegt in der Reformation. Wir kennen das hier, dass wir zum Beispiel in Kirchen sehr viel kleingliedriger sind, viel mehr Freikirchen haben, die sich nicht in so große Systeme wie die Evangelische Landeskirche haben einbinden lassen. Wir kennen die Bauernproteste, die hier im Südwesten losgegangen sind. Das alles hat damit zu tun, dass eine sehr viel stärkere Eigenständigkeit in den kleinen Dörfern vorhanden ist. Baden-Württemberg hat viel mehr Kommunen als andere Bundesländer. Wir haben den atypischen Fall, dass wir hier überall im Land die Freien Wähler als stärkste kommunale Kraft haben und nicht die Parteien, die wir sonst auf Landes- oder Bundesebene kennen.

Sie sagen, dass eine Skepsis schon immer hier vorhanden war. Auch gegen die Wissenschaft?

Die hat hier auch Wurzeln, nicht umsonst kommen bestimmte Bereiche des Esoterischen aus Baden-Württemberg, auch esoterische Begriffe, die bestimmte Grundlagen von Pädagogik oder von Wissenschaftsforschung verweigern. Dennoch: Die Leute, die gegen Stuttgart 21 demonstrieren, sind eigentlich Leute, die immer drauf gepocht haben, dass Studien beachtet werden und dass man den Bahnhof genau kalkuliert und analysiert. Wir haben es hier also nicht mit Wissenschaftsfeinden zu tun, an anderer Stelle dann aber eben doch.

Es gibt aber eine interessante, sprachliche Verbindung zwischen den S21-Protesten und den heutigen Corona-Protesten: Bei Stuttgart 21 wurde ein Wort geprägt, das hieß 'Lügenpack'. Das ist damals sehr laut und immer wieder geschrien worden. Das ist sehr nahe an dem, was wir, sowohl bei den rechtsradikalen Protesten als 'Lügenpresse' kannten, als auch jetzt bei Corona als 'Lügenpresse'. Die Idee, dass dort eine Elite ist, die sich verbunden hat und mit Lügen arbeitet, gab es sowohl bei Stuttgart 21, als auch bei Corona, obwohl diese Gruppen nicht gleich sind. Sie haben auch nichts miteinander zu tun und teilen politisch nichts. Aber sie haben gemeinsam, dass sie diese Idee vertreten, dass da irgendeine Elite zum Nachteil aller anderen sich etwas zuschustert und Lügen betreiben.

Was sind das für Leute, die auf Corona-Demos mitgehen?

Das ist nicht eine homogene Gruppe. Wir haben Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen kritisch gegenüber den Corona-Maßnahmen sind. Es gibt diejenigen, die einfach nicht glauben, dass gerade eine Pandemie herrscht und die nicht glauben, dass das Virus gefährlich ist. Wir haben Unternehmer oder Selbstständige, die merken, dass ihre Existenz in sich zusammenbricht. Wir haben Leute, die das Virus anerkennen, die aber die spezifischen Maßnahmen, die getroffen werden, für falsch halten. Alles das sucht sich ein Forum.

Eigentlich müsste es eine Demo an einem Ort geben, wo nur die sind, die zweifeln. Und es müsste andere Formen geben, mit denen Leute gegen konkrete Maßnahmen protestieren können. Weil aber diese Chance so nicht gelungen ist, hat sich das so zusammengefunden in den Corona-Protesten und das macht es so schwer, diese zu bewerten.

Kamen dann noch Gruppen wie etwa Reichsbürger oder Rechtsextreme dazu, die versuchen, Profit daraus zu schlagen und die Proteste zu vereinnahmen?

Es gibt mehrere unterschiedliche Arten, wie damit umgegangen wird. Es gibt die Teile dieser Corona-Demos, die sich davon distanzieren und offen sagen, mit diesen Leuten nichts zu tun haben zu wollen. Es gibt aber auch diejenigen, die das Daruntermischen akzeptieren. Und es gibt auch Verbindungen zwischen denjenigen, die den Protest anführen und der rechtsextremen Szene. Auch da muss man sehr genau aufpassen, dass man es differenziert beschreibt. Der Person, die auf der Corona-Demo ist, aber nicht bezweifelt, dass es das Virus gibt, sondern gegen die getroffenen Maßnahmen protestiert und nichts mit Nazis zu tun hat, können wir nicht hinschieben, dass sie automatisch zum rechten Spektrum dazugehört, weil sonst isolieren wir solche Leute vom Rest des demokratischen Diskurses. Deswegen ist es ganz wichtig, die Ausdifferenzierung zu betreiben und das Spektrum der Zusammensetzung dieser Gruppen aufzuzeigen - aber ja, es reicht auch ins Rechtsradikale hinein.

Jetzt sagen die Leute genau das: 'Wir sind keine Nazis und wir sind keine Reichsbürger. Aber jeder müsse doch seine Meinung äußern dürfen und das Recht haben, auf die Demo zu gehen. Und wenn da dann Reichsbürger ihre Meinung sagen, sagen sie eben auch ihre Meinung.'

Das ist genau das Problem, dass wir hier gerade einen Fall haben, bei dem sich die unterschiedlichen Interessen zu einer Großdemo zusammenfügen und sich nicht nach den spezifischen Interessen, die sie haben, aufteilen. Tatsächlich wäre es leichter - und auch besser für die Lösung des Problems - wenn nur diejenigen, von Corona wirtschaftlich bedroht sind und Angst um ihr Unternehmen haben, an der einen Stelle demonstrieren würden und zeitgleich diejenigen, die generell bestreiten, dass es das Coronavirus gibt, an einer anderen Stelle stünden. Mit denen muss man anders diskutieren, da muss man erst einmal eine Faktenbasis herstellen und im Zweifelsfall feststellen, diese vorerst nicht überzeugen zu können.

Dadurch, dass es sich am gleichen Ort zusammenfindet, hab ich genau diese Momente. Die Momente von Leuten, die sagen, dass die Vorwürfe, die der Demonstration gemacht werden, treffen auf mich als Person nicht zu. Aber gleichzeitig muss man den Leuten, die da hingehen, mindestens den Vorwurf machen, dass sie nicht eine eigene Demo veranstalten, an der sie sicherstellen, dass beispielsweise rechtsradikales Gedankengut nicht verbreitet wird und dass Reichsbürger nicht sprechen. Ein Recht hat jeder in unserer Gesellschaft: Das ist das Recht zu demonstrieren. Aber ich kann mir sehr wohl überlegen, auf welche Demo ich gehe und auf welche ich nicht gehe. Oder: Wenn dort Leute sind, mit denen ich nicht zusammengebracht werden will, muss ich eine eigene Demo an anderer Stelle anmelden.
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https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/interview-corona-demos-bw-100.html
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Offline DerDude

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Re: Querdenken
« Antwort #741 am: 29. Oktober 2020, 13:25:18 »
Querdenker sind doch zu was gut!

That rug really tied the room together.
Achtung, dass ist ein Spaß muss sein ich schmeiß mich weg Holla die Bolla jetzt habe ich mich eingenässt© Satire-Account!
 
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Offline SchlafSchaf

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Re: Querdenken
« Antwort #742 am: 29. Oktober 2020, 15:28:21 »
Lejeune der Darmkrabbler im Gespräch mit RA Ralf Ludwig
Finde nur ich das es bei Lejeune wie eine schlecht sitzende Perücke aussieht?

An Rüdiger Hoffmann: Der Faschist sagt immer, da ist der Faschist  (in Anlehnung an die Signatur des geschätzten MitAgenten Schnabelgroß)

Wir kamen
Wir sahen
Wir traten ihm in den Arsch
 
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Offline Greybeard

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Re: Querdenken
« Antwort #743 am: 29. Oktober 2020, 16:04:32 »
Lejeune der Darmkrabbler im Gespräch mit RA Ralf Ludwig
Finde nur ich das es bei Lejeune wie eine schlecht

Ich frage mich ja immer, ob Lejeune selber den Kalender und die Uhr nicht lesen kann. Oder warum muss das immer das Kamerakind machen?

Außerdem finde ich die Fotos der Deppen, die die Treppe hochgelaufen sind immer noch schlimmer als die Fotos von Polizisten, die auf einer Bühne stehen...
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Re: Querdenken
« Antwort #744 am: 29. Oktober 2020, 16:28:02 »
Lejeune der Darmkrabbler im Gespräch mit RA Ralf Ludwig
Finde nur ich das es bei Lejeune wie eine schlecht sitzende Perücke aussieht?

ich halte das eher für eine Haarattrappe, die einen Klodeckel verdeckt. Da darf dann jeder mal reinmachen. Kurze Zeit darauf kommt es dann aus dem Abfluss über dem Kinn gequirlt heraus.
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Re: Querdenken
« Antwort #745 am: 29. Oktober 2020, 17:05:30 »
Ich kann diese miesepetrige Mundhaltung nicht mehr sehen.
Fällt Dir nur Unsinn ein und immer,
erzähle nichts, sonst wird es schlimmer.
 

Offline Reichskasper Adulf Titler

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Re: Querdenken
« Antwort #746 am: 29. Oktober 2020, 17:20:47 »
Ich kann den ganzen Kerl nicht ertragen, diesen gescheiterten Schurnalistenmöchtegerndarsteller. Was ist eigentlich aus seiner Anwanzerei an den Sultan geworden? Liebt er den nicht mehr? Oder liebt der Sultan ihn nicht mehr? Man hört gar nix.
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Re: Querdenken
« Antwort #747 am: 29. Oktober 2020, 18:14:16 »
Behauptet Ludwig tatsächlich bei 02:42, dass die Polizei darlegen und beweisen muss, dass a) die Auflagen [für die Demo] rechtmäßig waren, und b) die Auflagen nicht eingehalten wurden?
Als unbedarfter Laie halte ich den Punkt a) für eher komplett falsch. Wenn ich halbwegs richtig liege, dann wundere ich mich, dass Ludwig Anwalt ist sein möchte.
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Offline Sandmännchen

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Re: Querdenken
« Antwort #748 am: 29. Oktober 2020, 18:19:45 »
Die Auflagen sind rechtmäßig, wenn rechtskräftig.  :D

Und die Unschuldsvermutung gilt auch nur, wenn die Polizei als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft tätig ist. Ansonsten ist man im Verwaltungsrecht des jeweiligen Bundeslands, und da kennt sich sowieso kaum jemand wirklich aus.
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

P.S.: Cantor became famous by proving it can't be done.
 
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Re: Querdenken
« Antwort #749 am: 29. Oktober 2020, 19:25:47 »
Ich versuche mal zu sortieren, weil in den beiden letzten Posts sehr viel steckt, dass man in mehrerlei Hinsicht (falsch) verstehen kann.

Der Verwaltungsprozess unterliegt der Prozessmaxime des Amtsermittlungsgrundsatzes (anders als im Zivilrecht, wo der Beibringungsgrundsatz gilt). Es muss also nicht jede Seite das für sie günstige beweisen, sondern der Richter muss den Sachverhalt selbst ermitteln. An diese Ermittlungen werden allerdings nicht so hohe Ansprüche gestellt, wie etwa im Strafrecht. Wenn der Richter allerdings den Eindruck gewinnen könnte, dass die Auflagen nicht sauber war, dann läge es tatsächlich an der Polizei, den Beweis des Gegenteils anzutreten.

Was die Auflagen selbst angeht: Diese sind sogenannte Verwaltungsakte. Verwaltungsakte (Definition in § 35 VwVfG haben die Eigenart, dass sie mit Bekanntgabe wirksam sind. Das bedeutet, dass zuweilen sogar ein Verwaltungsakt vollzogen werden darf, gegen den ein Widerspruch oder eine Anfechtungsklage läuft. Und selbst wenn sich diese Klage als begründet erweist, der Verwaltungsakt also rechtswidrig war, durfte er dennoch vollzogen werden. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt muss daher auch formell aufgehoben bzw. zurückgenommen werden. Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes bedeutet nicht, dass er keine Wirkung entfaltet. Im Gegenteil. Er entfaltet Wirkung, selbst wenn diese Wirkung rechtswidrig ist.

Anders ist es nur, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist. Nichtig ist ein Verwaltungsakt, wenn er offensichtlich so krass rechtswidrig ist, dass es unerträglich wäre, bliebe er bestehen (vgl. § 44 VwVfG. Nichtige Verwaltungsakte sind unwirksam, § 43 Abs. 3 VwVfG.

Was @Sandmännchen mit "rechtskräftig" meint, soll vielleicht "bestandskräftig" heißen. Bestandskraft hat ein Verwaltungsakt, wenn gegen ihn nicht mehr vorgegangen werden kann (Unanfechtbarkeit) bzw. die Behörde inhaltlich (trotz Rechtswidrigkeit!) an ihn gebunden ist bzw. bleiben soll. Die materielle Bestandskraft rechtswidriger Verwaltungsakte ist allerdings am Häufigsten bei begünstigenden Verwaltungsakten (also solchen, durch die der Bürger etwas bekommt) und weniger bei belastenden Verwaltungsakten (also solchen, durch die der Bürger eingeschränkt wird). Jedenfalls formell dürften die Verwaltungsakte noch nicht bestandskräftig sein; Ludwig wehrt sich ja noch dagegen.

Vielleicht meint er aber auch Erledigung. Erledigt ist ein Verwaltungsakt, wenn die Wirkung des Verwaltungsakts in der Vergangenheit liegt bzw. der Vorgang abgeschlossen ist. Beispiel: Per Verwaltungsakt ergeht eine Abrissverfügung und das entsprechende Haus wird abgerissen. Dann ist der Verwaltungsakt erledigt. Anderes Beispiel: Per Verwaltungsakt wird eine Demonstration untersagt und der Demonstrationszeitpunkt liegt in der Vergangenheit; die Demonstration hat nicht stattgefunden. In diesem Fall ist aber, ein entsprechendes Feststellungsinteresse vorausgesetzt, eine sogenannte "Fortsetzungsfeststellungsklage" zulässig. Durch diese kann man in Fortsetzung der eigentlich erledigten Sache feststellen lassen, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt rechtswidrig war.

Sowohl der Auflagenbescheid als auch die Auflösung der Versammlung sind erledigt. Trotzdem kann mindestens die Auflösung der Versammlung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffen werden. Ich würde meinen, dass sich das auch auf die Auflagen erstreckt.

Schlussendlich zum Verwaltungsrecht des jeweiligen Bundeslandes: Es ist richtig, dass prinzipiell jedes Bundesland sein eigenes Verwaltungsrecht hat. Allerdings enthalten die meisten Landesgesetze zum Verwaltungsverfahren dynamische Verweisungen auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes. Die Abweichungen erstrecken sich häufig darauf, ob ein Widerspruchsverfahren vorgesehen ist bzw. ob in der Passivlegitimation das Behörden- oder das Rechtsträgerprinzip gilt (dabei geht es darum, gegen wen genau eine verwaltungsrechtliche Klage zu richten ist). Die Unterschiede sind also im allgemeinen Verwaltungsrecht eher gering bis vernachlässigbar. Interessant wird es schon eher im besonderen Verwaltungsrecht.



Wenn also Ludwig bei 02:42 behauptet, die Polizei müsse darlegen und beweisen, dass die Auflagen für die Demo rechtmäßig waren, dann wird man das verallgemeinert so sagen dürfen. Wenn er seinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit richtet, wovon auszugehen ist, dann wird der Richter in diese Richtung ermitteln. Wenn die Polizei das nicht will, dann wird sie hiergegen vorgehen müssen. Kollege Sandmännchen hat Recht, dass es eine Unschuldsvermutung hier nicht gibt, sondern dass es schlicht eine Frage des Vortrags und der Beweiswürdigung ist.

Wenn Ludwig behauptet, dass die Polizei beweisen muss, dass die Auflagen nicht eingehalten wurden, dann liegt das noch weit richtiger, denke ich. Es handelt sich hier um eine belastende Maßnahme, diese muss grundsätzlich von der Verwaltung begründet werden. Das Versammlungsrecht ist ein so hohes Gut, dass die bloße Behauptung eines Auflösungsgrundes nicht ausreicht. Hier muss die Polizei tatsächlich den Beweis antreten.

Leider muss ich hier:
Die Auflagen sind rechtmäßig, wenn rechtskräftig. 
widersprechen. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit ist von der Bestandskraft oder auch der Erledigung von Verwaltungsakten zu unterscheiden. Es kann passieren, dass ein Bürger von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt auf Dauer profitiert (nicht rückforderbare, rechtswidrige Subvention z.B.) oder auch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt auf Dauer gegen sich gelten lassen muss (unanfechtbare, rechtswidrige Verfügung). Dass man nicht mehr gegen einen Verwaltungsakt vorgehen kann bzw. diesen allgemein nicht mehr aus der Welt bekommt, bedeutet aber nicht, dass sich dadurch auf magische Weise ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt durch Zeitablauf in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt verwandelt. Die Rechtsordnung sieht nur in der Änderung der rechtswidrigen Verhältnisse einen größeren Schaden als die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes Nutzen brächte – und verbietet es deswegen.

Wer bis hier her durchgelesen hat: Kudos. Und wer es glaubt, verstanden zu haben: Vielleicht wäre ein Jura-Studium eine Idee. Dieser Post umfasst die wesentlichen Inhalte des Verwaltungsrechtskurses im dritten Semester.
Eine von VRiBGH Prof. Dr. Thomas Fischer erfundene Statistik besagt, dass 90% der Prozessgewinner die fragliche Entscheidung für beispielhaft rechtstreu halten, 20% der Unterlegenen ihnen zustimmen, hingegen von den Verlierern 30% sie für grob fehlerhaft und 40% für glatt strafbar halten.