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Corona-Demos: Polizist im Fokus des Verfassungsschutzes
Nach BR-Informationen beobachtet der bayerische Verfassungsschutz einen Münchener Polizisten im Ruhestand. Dieser zählt seit Monaten zu den Gesichtern der Querdenker-Bewegung und ruft auf Veranstaltungen regelmäßig Polizeikräfte zum Widerstand auf.
Es sind bayernweit nur wenige Akteure aus dem Umfeld der Querdenken-Bewegung, die das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet - der Polizeihauptkommissar im Ruhestand Karl Hilz ist jedoch einer von ihnen. Dies bestätigte ein Behördensprecher dem Bayerischen Rundfunk.
Hilz rief am vergangenen Osterwochenende zu mehreren Kundgebungen in ganz München auf - mit mäßigem Erfolg. Am Sonntag kamen knapp 100 Menschen zusammen, am Montag rund 200 Personen.
Hilz selbst durfte an den Kundgebungen am Ostersonntag und Ostermontag nicht teilnehmen, er wurde am Montag auf dem Weg zum Veranstaltungsort sogar von der Polizei abgeführt. Die Polizei begründet dies mit Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Hilz selbst habe keine Maske getragen, beziehungsweise dazu aufgerufen, keine Masken zu tragen, so die Polizei.
Osterwochenende: Platzverweis und Umsturzpläne
Am Ostersonntag, kurz nach 18 Uhr, meldete sich der 63-jährige Hilz dann per Telefon auf der Theresienwiese zu Wort. Auf der Versammlung gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen hatten zu diesem Zeitpunkt Redner bereits in Frage gestellt, ob man noch in einer Demokratie lebe. Ein weiterer Redner hatte betont, dass man "weder rechts noch links" sei und skandierte danach mehrfach "Merkel muss weg".
Hilz sprach in seiner Telefonbotschaft davon, dass gewählte Politikerinnen und Politiker "Hochverräter" seien, die einen "Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen – einen Vernichtungskrieg" und damit für einen der "größten Genozide der Menschheitsgeschichte" verantwortlich seien.
Explizit rief Hilz Polizeikräfte und Staatsanwaltschaften dazu auf, gegen gewählte Politikerinnen und Politiker vorzugehen. Den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) erwähnte Hilz mehrfach, bezeichnete ihn als "Katastrophe" und forderte, dieser müsse "schnellstmöglich aus dem Amt gejagt, festgenommen, eingesperrt und vor das Kriegsverbrechertribunal geschickt werden".
Aussagen wie diese führen dazu, dass der bayerische Verfassungsschutz den Polizisten Karl Hilz einem sogenannten "Sammel-Beobachtungsobjekt" zurechnet. Seit Mitte März beobachtet der Verfassungsschutz Einzelpersonen aus dem Umfeld der Kritiker der Corona-Maßnahmen, bei denen der Nachrichtendienst "sicherheitsrelevante demokratiefeindliche Bestrebung" sieht, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der Sitzung des Innenausschusses am 17. März erklärte.
Ein Sprecher des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz begründet die Beobachtung auf BR-Nachfrage folgendermaßen: "Hilz versucht mit seinem Aktivismus eine systematische Störung der Funktionsfähigkeit des Staates herbeizuführen." Die Gefahr, die von der beobachteten Personengruppe ausgehe, bestehe in "politischer Agitation", die "individuelle Radikalisierungsprozesse anstoßen beziehungsweise beschleunigen" könne.
Polizist Hilz: Staat "totalitär"
Bereits in der Vergangenheit betonte Karl Hilz offensiv seinen beruflichen Hintergrund als Polizeihauptkommissar. Er sprach auf Veranstaltungen unter anderem davon, dass "dieser Staat totalitär geführt" werde, setzte das Infektionsschutzgesetz mit dem sogenannten "Ermächtigungsgesetz" im Nationalsozialismus gleich, bezeichnete demokratisch gewählte Regierungen in Bund und Ländern als "nicht legitim" und wähnte sich "mit dem Kriegsrecht belegt". Gewählte Regierungsvertreter nannte er "Verbrecher" und "Hochverräter" und setzte sie unter anderem mit der Staatsführung der DDR gleich.
Hilz betonte in seinen Reden immer wieder, friedlich zu sein. Auch gegenüber dem Bayerischen Rundfunk sagt er, er sei "gegen jede Form von Gewalt", wirke Radikalisierung entgegen und stehe für die freiheitlich demokratische Grundordnung ein: "Ich tue nichts anderes, als die legitimen, demokratischen Spielregeln in unserem Staat aufzuzeigen", so Hilz. Er bezeichnet die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation als totalitär und sieht seine Aufrufe zum Widerstand als legitim an.
Corona-Skeptiker in Reihen der Polizei
In den Sicherheitsbehörden sorgen einzelne Polizeibeamte, die sich für die Querdenken-Bewegung engagieren, seit Sommer 2020 für Unmut.
In einigen Fällen suspendierten Polizeibehörden Beamte nach Auftritten bei entsprechenden Kundgebungen. Polizeibeamte hätten ein Recht auf freie Meinungsäußerung, wie Innenministerium und Polizeibehörden betonen. Jedoch gelte für sie das Mäßigungsgebot. Als Beamte seien sie zur Zurückhaltung verpflichtet. Diese Regeln gelten auch für Karl Hilz. Zwar befindet er sich im Ruhestand, ist jedoch weiterhin Beamter.
Auf BR-Anfrage schreibt das Bayerische Innenministerium, man äußere sich nicht zu Einzelfällen. Eine Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz alleine hätte jedoch "keine Auswirkung auf den Beamtenstatus". Vielmehr gelte es zu prüfen, ob ein "Verstoß gegen Dienstpflichten" vorliege. Das gelte auch für Beamte im Ruhestand.
Für diese Prüfung ist das Polizeipräsidium München zuständig. Auch von dort heißt es auf BR-Anfrage, man gebe grundsätzlich keine Auskünfte zu Einzelfällen, erklärt jedoch: "Derzeit ist gegen den Ruhestandsbeamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das noch nicht abgeschlossen ist." Im Rahmen eines Disziplinarverfahrens könne einem Ruhestandsbeamten beispielsweise das Ruhestandsgehalt aberkannt werden. Zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz, schreibt das Polizeipräsidium diese Erkenntnis könne "dienstaufsichtlich zu würdigen sein".
Auf die Frage, ob die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nun Konsequenzen für seinen Status als Beamter im Ruhestand habe und er gegebenenfalls seine Beamtenrente verlieren könne, sagte Hilz: "Ich weiß, dass das passieren kann. Ich nehme an, dass es, wenn dieses aktuelle Regime nicht beendet werden kann, auch passieren wird." Er riskiere das alles "ganz bewusst", so Hilz.
Polizeigewerkschaft: Wunsch nach schnellen "disziplinarrechtlichen Konsequenzen"
Der Sprecher der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern, Jürgen Köhnlein, sagte dem BR, Polizisten wie Hilz erwiesen der gesamten Polizei "einen Bärendienst": "Wir haben einen repräsentativen Beruf", so Köhnlein, "wir müssen ganz fest auf der Grundlage der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen." Und weiter sagt er: "Wer diesen Weg verlässt, der hat bei der Polizei nichts zu suchen."
Köhnlein wünscht sich schnelle und juristisch tragfähige disziplinarrechtliche Konsequenzen, damit Hilz nicht mehr sagen könne, dass er pensionierter Polizeibeamter sei.