Wer den Leerdenkern nahesteht, arbeitet sich Tag und Nach für sein Land auf und würde niemals nicht seinen Dienstherrn (also das Volk) betrügen, um Arbeitszeit schon gar nicht.
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In der LMU gibt es seit Jahren Unmut über die außeruniversitären Aktivitäten Meyens. Offenbar haben Hinweise aus der Uni zum Disziplinarverfahren beigetragen. Auf eine Frage nach dem Auslöser teilt die Landesanwaltschaft mit, man sei wegen des Sachverhalts „fortlaufend“ mit der LMU in Kontakt gewesen. Sobald es genug Anhaltspunkte für den Verdacht eines Dienstvergehens gebe, sei „die Disziplinarbehörde gesetzlich verpflichtet, ein Disziplinarverfahren einzuleiten“, das sei Anfang August 2025 der Fall gewesen.
Es ist das zweite Verfahren gegen Meyen. Im ersten ging es um seine Tätigkeit für die „Querdenker“-Zeitung Demokratischer Widerstand. Meyen war bei der Publikation, in der etwa Corona-Impfungen als „Injektionsgenozid“ bezeichnet wurden, kurzzeitig Herausgeber und über eine längere Zeit Kolumnist. Im Mai 2024 kürzte die Landesanwaltschaft Meyen das Gehalt für die Dauer von 15 Monaten um zehn Prozent. Sie warf ihm unter anderem vor, ein Medium unterstützt zu haben, das auf „Diffamierung und Delegitimierung des Staats“ ziele. Der Professor hat Klage gegen die Entscheidung eingereicht, diese ist noch anhängig.
Beide Verfahren sind nicht abgeschlossen, weswegen für Meyen die Unschuldsvermutung gilt. Auf eine Anfrage zu dem neuen Disziplinarverfahren lässt der Professor über einen Anwalt ausrichten, dass man sich dazu inhaltlich nicht äußere.
Der Anwalt weist allerdings „grundsätzlich“ darauf hin, dass eine Krankschreibung „nicht zur Folge hat, dass der jeweilige Beamte (…) keine anderweitigen (ggfs. auch beruflichen) Tätigkeiten ausüben darf“. Ein Konflikt bestehe nur dann, wenn die Tätigkeit „der Wiedergenesung bzw. Wiederherstellung der Dienstfähigkeit entgegensteht oder diese zumindest verzögert“.
Zur Dauer der Krankschreibung äußern sich weder die Landesanwaltschaft noch der Professor selbst. Auch welche Aktivitäten genau Gegenstand des Verfahrens sind, ist offen.
Es finden sich im Internet zahlreiche Hinweise auf außeruniversitäre Aktivitäten Meyens
Allerdings sind im Vorlesungsverzeichnis des Instituts für Kommunikationswissenschaft (IfKW) der LMU weder für das vergangene Wintersemester noch für das Sommersemester 2025 Vorlesungen und Seminare von Meyen aufgeführt. Es findet sich jeweils lediglich ein Forschungskolloquium. Eine Sprecherin der LMU teilt dazu mit: Nach Auskunft der Sozialwissenschaftlichen Fakultät, zu der das IfKW gehört, habe Meyen „offenbar lediglich im Wintersemester 2024/25 ein Forschungskolloquium für zwei seiner Examenskandidaten gehalten“. Formal hat ein hauptberuflicher Professor wie Meyen eine Lehrverpflichtung von neun Semesterwochenstunden. Seim Anwalt reagiert auf eine Anfrage zum Umfang seiner Lehrtätigkeit in den vergangenen zwei Semestern nicht.
Zugleich finden sich im Internet zahlreiche Hinweise auf außeruniversitäre Aktivitäten Meyens in diesem Zeitraum: Dazu zählen öffentlich geführte Interviews sowie Diskussionen, bei denen Meyen auf dem Podium saß. Zudem hat er regelmäßig Videos und Textkolumnen veröffentlicht.
So ließ der Professor sich am 1. November 2024 in Bamberg von dem Historiker Daniele Ganser, einem Verbreiter verschwörungsideologischer Erzählungen, interviewen. Der Schweizer sieht die Hauptschuld für den Ausbruch des Ukraine-Kriegs bei der Nato und den USA, nicht bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der seine Armee völkerrechtswidrig das Nachbarland überfallen ließ. Meyen spreche mit Ganser, so heißt es im Beitext auf dem Youtube-Kanal des Professors, „über die Mechanismen der öffentlichen Meinungsbildung, die Medienrealität in Krisenzeiten (Corona, Ukraine-Krieg) und darüber, wie Zensur und Propaganda zusammenwirken“.
Es ist eines der Hauptthemen von Meyens publizistischer Tätigkeit: dass öffentlich-rechtliche wie auch private Medienhäuser systematisch aus ihrer Sicht unbequeme Sichtweisen unterdrückten und stattdessen Regierungsbotschaften verbreiteten. Am 1. Dezember 2024 trat Meyen in Plattling (Niederbayern) bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Wie uns Medien und Lohnschreiber in Kriege treiben“ auf.
Auf Youtube hat Meyen in den vergangenen zehn Monaten ungefähr alle zwei Wochen Videos veröffentlicht. Auf der Website einer „Freien Medienakademie“, die Meyen gemeinsam mit seiner Frau betreibt, erscheinen seit Oktober 2024 im Wochenrhythmus Texte von ihm.
Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu betonen, dass es ganz normal ist, wenn Professoren neben ihren Pflichten an der Hochschule andernorts öffentlich aktiv sind. Heikel allerdings kann es werden, wenn sie in dieser Zeit krankgeschrieben sind.
Was Meyen angeht, ist offen, ob er auch zum Zeitpunkt der zwei genannten Auftritte krankgeschrieben war. Allerdings legt das Vorgehen der Landesanwaltschaft nahe, dass man dort genügend Material über Aktivitäten gesammelt hat, die in die Zeit einer Krankschreibung fielen, um die Sache zumindest dienstrechtlich zu untersuchen.
Meyens Anwalt weist darauf hin, dass „der pauschale Vorwurf“ von beruflichen Tätigkeiten während einer Krankschreibung allein keine Verletzung der Dienstpflicht eines Beamten begründe. Vielmehr seien Tätigkeiten „nicht untersagt“, wenn sie für eine Genesung „förderlich (oder zumindest neutral zu bewerten) sind“. Man könne sogar von einer „Pflicht“ ausgehen, solchen „Tätigkeiten oder zumindest zu allem, was der Wiedergenesung förderlich ist“ nachzugehen.
Und was, wenn man diese „grundsätzlichen“ Anmerkungen des Anwalts auf Meyen anwendet? Dann lässt sich das zumindest so verstehen, dass dessen umfangreichen Aktivitäten offenbar dazu beitragen könnten, dass Meyen sich schneller zurück gesund melden könne.
Wann das der Fall ist, bleibt offen. Meyens Anwalt lässt die Frage, ob sein Mandant im anstehenden Wintersemester in den Dienst zurückkehrt, unbeantwortet. Eine Sprecherin der LMU teilt mit: Nach Auskunft seiner Fakultät sei im Wintersemester „keine Lehre für Herrn Professor Meyen geplant“.
Hat Meyen weiterhin sein volles Professorengehalt bezogen?
Das sei von der LMU ohnehin nicht mehr gewünscht, sagt Meyen auch öffentlich. Er sieht sich als Opfer einer Kampagne, zu der er auch vergangene Berichterstattung der SZ zählt. Kollegen hätten sich von ihm distanziert, erzählte Meyen laut Nordkurier während eines Auftritts Ende Februar 2025 in einer Kirche in Malchow (Mecklenburg-Vorpommern). „In der Folge hat die Hochschulleitung verfügt, dass ich keine Pflichtveranstaltungen mehr machen darf. Man hat mir die Vorlesungen weggenommen“, zitiert die Zeitung den Professor.
Die Frage, ob er da korrekt wiedergegeben sei, lässt Meyens Anwalt unbeantwortet. Aber der Vorwurf wäre schwerwiegend. Grundsätzlich haben Professoren eine große Autonomie. Schließlich ist die Freiheit von Forschung und Lehre in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben.
Auf Nachfrage dementiert die LMU Meyens Darstellung: „Eine wie auch immer geartete von Herrn Professor Meyen angesprochene Verfügung der Hochschulleitung zur Abhaltung von Lehrveranstaltungen ist hier nicht bekannt.“ Auf eine Nachfrage dazu, wie er diese Aussage der LMU bewerte, geht Meyens Anwalt nicht ein.
Angesichts des neuen Verfahrens gegen Michael Meyen steht auch die Frage im Raum, ob er in der Zeit seiner Krankschreibung und der zahlreichen Auftritte eigentlich weiter sein volles Professorengehalt bezogen hat. Eine offizielle Auskunft dazu gibt es nicht. Allerdings liegt nahe, dass es so gewesen sein dürfte. Denn das bayerische Wissenschaftsministerium erklärt, dass sich bei Beamten „die Fortgewährung der Bezüge im Krankheitsfall grundsätzlich aus dem Fürsorge- und Alimentationsprinzip“ ergebe. Auf eine Frage zu diesem Thema reagiert Meyens Anwalt nicht.