Von daher könnte es sein dass man unter Psychologen nicht immer die zu erwartende kritische Distanz zu Quaksalberei hat.
Naja. Es gibt in Deutschland exakt vier Therapieverfahren die von der Kasse übernommen werden: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Analytische Psychotherapie (die Wikipedia rechnet diese beiden Verfahren zu den psychoanalytisch begründeten Verfahren), die Verhaltenstherapie und die Systemische Therapie.
Selbst für Gesprächstherapie (ich würde da jetzt laienhaft auch so Konzepte wie bei Selbsthilfegruppen zurechnen; mögen mich die Fachleute hier bitte eines Besseren belehren!) steht eine sozialrechtliche Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen noch aus.
Daneben existieren eine ganze Reihe Ansätze und Verfahren, die in den verschiedensten Ländern der Welt zugelassen und praktiziert werden. Einige davon sind durchaus wissenschaftlich überprüft, mit anderen Worten: Studien haben einen Besserungseffekt nachgewiesen, der sehr wahrscheinlich von der Therapie herrührt. Das würde man, einfacher formuliert, als Wirksamkeitsnachweis verstehen können. Abrechnen können Psychotherapeuten die aber nicht. Weil die sozialrechtliche Anerkennung fehlt und das Konzept bis dahin eben effektiv als unwissenschaftlich gilt.
Das dürfte dazu führen, dass Psychotherapeuten (und erst Recht Psychologen, die ja nicht notwendigerweise von Therapie eine Ahnung haben müssen) eine gewisse kritische Distanz zur allgemeinen Anerkennung von Methoden aufbauen und in ihrem Fachbereich die Distanz zu nicht anerkannten Formen abbauen.
Dass die Grenzen dann fließend werden und einige abrutschen halte ich für wenig verwunderlich.
Wo wir gerade dabei sind: Das Heilpraktikerwesen hat durchaus seine Berechtigung. Klar, die Geschichte ist tiefbraun und es wird sehr viel Schindluder damit getrieben. Ich sage nicht, dass es als System inhärent gut ist oder so. Aber es gibt durchaus sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten dafür. Das Problem ist, dass wir in Deutschland eine Reihe von anerkannten und seriösen "Heilhilfsberufen" haben, die durchaus sinnvolle Dinge tun. Das sind Ausbildungsberufe wie Ergo- oder Physiotherapeuten, Logopäden oder Podologen, ich würde auch Handwerksberufe wie den Augenoptiker, den Hörakustiker oder den Orthopädieschuhmacher dazurechnen, die allesamt den Arzt in der Behandlung unterstützen. Ihr kennt das vielleicht: Blutgrätsche beim Fußball, Muskel kaputt, Rezept, Physiotherapie. Diese Berufe, ich bleibe einfach mal exemplarisch bei der Physiotherapie, sind hoch spezialisiert. Zum Teil (häufig) wissen die über das spezielle Fachgebiet deutlich mehr und besser Bescheid als der Feld-, Wald- und Wiesenarzt in allgemeinmedizinischer Praxis auf dem sprichwörtlich flachen Land (seien wir ehrlich: je gebirgiger, desto schlimmer!). Trotzdem muss die Diagnose nominell immer über den Arzt laufen. Denn Physiotherapeuten dürfen selbst nicht diagnostizieren, das dürfen nur Ärzte. Das lässt sich auf die anderen Berufe übrigens übertragen. Wer schonmal einen Sehtest beim Augenoptiker, einen Hörtest beim Hörakustiker oder Fußabdrücke/-scans beim Orthopädieschuhmacher hat machen lassen und daraufhin einen Zettel bekommen hat, den er seinem Arzt für das Rezept geben soll, weiß wovon ich rede.
In der Praxis wird dann häufig eine unspezifische Diagnose auf die Heilmittelverordnung ("Rezept") geschrieben, denn der Physiotherapeut weiß schon, was er tut. Aber ohne Umweg über den Arzt direkt in die physiotherapeutische Praxis geht ausschließlich präventiv (d.h. vorbeugend), nicht aber kurativ (d.h. heilend). Denn der Physiotherapeut darf selbst nicht diganostizieren, obwohl er besser sieht, als die meisten Ärzte, wo das Problem liegt.
Und genau hier kommt der Heilpraktiker ins Spiel. Der darf selbst Diagnosen stellen und Heilmittel anwenden. Trotz der nicht vorhandenen Ausbildung und der Überprüfung des Gesundheitsamtes (die lediglich sicherstellen soll, dass er mit seinem Unfug keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt). Es lohnt sich also gerade für Heilhilfsberufe, Heilpraktiker zu werden. Denn neben einem einträglichen Nebengeschäft mit Bachblüten und Zuckerkügelchen schützt man sich auch davor, in Teufels Küche zu kommen, weil man zwar eine völlig richtige Diagnose gestellt und den Patienten zur vollständigen Genesung behandelt, darüber aber nie mit einem Arzt kleine gelbe Zettel ausgetauscht hat.
Heilpraktiker können, müssen aber nicht unbedingt Quacksalber sein.