Könnte wieder in mehrere Fäden passen, aber weil im Text von Querdullies die Rede ist, also hier:
Spoiler
Der historisch überaus bedeutsame Kampf der Solidarność musste 2022 auch als Vorbild herhalten, als Hilburger und seine Kolleg:innen zur Erweiterung des eigenen Wirkungskreises das "Zentrum Gesundheit und Soziales" von Zentrum Automobil abspalteten. Auf dessen Homepage steht: "Wenn wir uns die Gewerkschaftsbewegung Solidarność in Polen anschauen, erkennen wir, dass eine Gewerkschaft auch eine Reform von bestehenden gesellschaftlichen und politischen Systemen bewirken kann." Ob ausgerechnet das Zentrum das bewirken wird, ist noch nicht abschließend geklärt.
So richtig in Fahrt kam das Ganze mit dem Impfstreik nicht. Aus dem erhofften Generalstreik wurde ein "5-Minuten-Warnstreik". Auf der Zentrums-Homepage fand und findet sich dazu ein Aufruf: "Bitte verbreitet es überall mit dem Hashtag #impfstreik. Schickt es auch Leuten, die nicht im Gesundheitswesen arbeiten – alle anderen sollen die Streikenden an diesem Tag unterstützen und um 16 Uhr vor Kliniken/Heimen spazierengehen!" Hilburger sagt im dazugehörigen Video: "Ich rufe alle unsere Mitglieder und Unterstützer auf, beteiligt euch am 5-Minuten-Warnstreik am 28. Februar 2022, zeigt Gesicht in den Kliniken und Einrichtungen." Die Solidarität mit den Angestellten des Gesundheitssektors war ihm da noch sehr wichtig.
In erster Reihe vor dem Stauferklinikum
Hilburger hat an jenem 28. Februar mitdemonstriert, oder korrekter: mit anderen seine Solidarität mit den Beschäftigten im Gesundheitswesen ausgedrückt, er stand jedenfalls mit etwa 70 Personen auf einer Wiese vor dem Stauferklinikum in Mutlangen. Davon gibt es ein Video im Netz. Irgendwann kommt der Klinikleiter aus dem Haupteingang, im Schlepptau eine Handvoll Gewerkschafter:innen von der IG Metall mit einem Transparent ("Wer mit Nazis marschiert hat nichts kapiert"). Hilburger steht auf dem Video in erster Reihe der Impf-Streikenden und macht dicke Backen gegen die IG-Metaller:innen und ihr Banner.
Zwei Jahre später, am vergangenen Mittwoch, stand der Zentrums-Chef deshalb vor dem Amtsgericht in Schwäbisch Gmünd. Der Vorwurf: Er habe diese Zusammenkunft veranstaltet, aber nicht angemeldet. Draußen vor dem Gericht halten seine Unterstützer:innen eine kleine Solidaritätskundgebung, die gefilmt und live gestreamt wird. Auch Anja Ortelt von "Zentrum Gesundheit und Soziales" ist dabei, eine multitaskingfähige Frau, denn wer bei Zentrum Automobil anruft, kommt auch bei ihr raus.
Innen plädiert Hilburgers Anwalt, der AfDler Joachim Bloch aus Tuttlingen, einer der gerne Dalmatiner-Krawatten trägt, sozusagen auf nicht schuldig. Nicht Hilburger habe zu diesem Event vor der Klinik aufgerufen. Vielmehr, sagt sein Anwalt allen Ernstes vor Gericht, hätten das die Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen selbst getan. Seinem Mandanten komme keine Schuld zu. Was ziemlich peinlich ist für den Kopf eines Vereins, der eine Gewerkschaft sein will, also per Definition die Interessen der Arbeitnehmer:innen vertreten und sie nicht ans Messer liefern sollte.
Dass Hilburger gar nicht merkt, wie er die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die er seit der Pandemie umwirbt, vorführt, zeigt auch sein Auftritt nach der Verhandlung: "Ich bin im Namen des Volkes verurteilt", sagt er ironisch zu seinen Fans, , als er aus dem Gerichtsgebäude tritt. Das Gericht sei der Staatsanwaltschaft gefolgt, Ergebnis: Hilburger muss 6.000 Euro Strafe zahlen. "Ja, isch des krass", hört man im Hintergrund jemanden brutteln, "das ist Deutschland 2024." In Mutlangen vor der Klinik sei ja die IG Metall auch dagewesen und habe "geblökt gegen Nazis", schimpft Hilburger. "Also wenn überhaupt einer eine Veranstaltung durchgeführt hat, dann waren das die mit ihrem Transparent." Das Ganze sei ein politischer Prozess, "die wollen die Köpfe derer, die damals Gesicht gezeigt haben, nachträglich strafen." Irgendein Hürbel vor dem Gericht meint hörbar, dass das Rechtssystem in Deutschland in vielen Punkten genau so sei wie in China und Nordkorea.
Er selbst, sagt Hilburger in die Kamera, habe da gar nichts veranstaltet, er sei nur als einer von vielen auf der Wiese vor dem Klinikum gestanden. In seinen eigenen Worten: Er sei "nur dagewesen". Und werde gegen das Urteil durch alle Instanzen gehen.
Da möchte man doch beinahe einen Möchtegern-Gewerkschafter und ehemaligen Rechtsrocker zitieren, der dem "Compact"-Magazin mal so treffend sagte: "Wem der Mut fehlt, in der heutigen Zeit nach vorne zu schreiten, der muss daheim bleiben."