Der Tagesspiegel berichtet über eine einstweilige Verfügung gegen den Hirse-Hynkel, die ihm verbietet, Oma "Hetz" Haverbeck zu zitieren.
Leider fehlt es der Autorin des Artikels allerdings am juristischen Basiswissen eines durchschnittlichen Zeitungslesers. Es sollte ihr jemand erklären, dass die Pressekammer eines Landgerichts weniger als nichts mit einer Staatsanwaltschaft zu tun hat.
Spoiler
Juristischer Erfolg gegen Vegankoch : Attila Hildmann darf Holocaustleugnerin nicht zitieren
Der Verschwörungsideologe Attila Hildmann verbreitet im Netz regelmäßig Hetze gegen Juden. Jetzt erwirkte ein Gericht eine einstweilige Verfügung.
Von Helena Piontek
Wenn Attila Hildmann in seinem offiziellen Telegram-Kanal schreibt, „Juden“ wollten die „Deutsche Rasse durch Giftspritzen töten“, blieb das bisher ungestraft. Vor ein paar Monaten machte er sich noch die Mühe, „Zionisten“ oder „Rothschilds“ statt explizit „Juden“ zu verwenden – doch wofür eigentlich? Folgen haben die täglich kursierenden rechtsextremen und antisemitischen Inhalte für ihn kaum.
Anfang Mai liefen die ersten Anzeigen wegen Volksverhetzung bei der Polizei Brandenburg ein, dann übernahm der Staatsschutz die Ermittlungen, mittlerweile liegt der Fall Hildmann bei der zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Internetkriminalität in Cottbus. Von dort heißt es: „Wir stecken noch mitten in den Ermittlungen“, sagt Oberstaatsanwalt Hommes, mehr Konkretes könne man zum jetzigen Zeitpunkt daher nicht sagen.
Die Tagesspiegel-App Alle aktuellen Nachrichten, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Dazu die Digitale Zeitung.
Die Kollegen aus Frankfurt am Main sind da schon einen Schritt weiter: In der vergangenen Woche erließ die Pressekammer des Landgericht Frankfurt in einem Eilverfahren eine einstweilige Verfügung gegen Hildmann. Diese liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor. Es ist der erste juristische Erfolg gegen die menschenverachtenden Aussagen des 39-jährigen Vegankochs.
Vegankoch teilte und kommentierte ein Video einer Holocaustleugnerin auf Telegram
Konkret geht es um ein Video der mehrfach verurteilten und aktuell inhaftierten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, das Hildmann am 28. August auf seinem Telegram-Kanal teilte. In dem Video, das insgesamt knapp 50 Minuten dauert, bezeichnet Haverbeck den Holocaust als die größte Lüge der Geschichte. Mit Zyklon B habe niemand umgebracht werden können, und Gaskammern habe es im Rahmen des Holocaust nie gegeben.
Diese Äußerungen allein erfüllen den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB, doch Haverbecks Schuld war in diesem Verfahren nicht Gegenstand. Hildmanns Schuld sehr wohl, denn, so befand das Gericht, Hildmann machte sich Haverbecks Äußerungen durch seinen Beitrag auf Telegram zu eigen, indem er zu dem Video titelte:
„Frau Haverbeck ist eine sehr intelligente Frau! Schaut mal das Video an! Auf Yuden-Youtube (sic!) wurde es gelöscht!“ Hildmann wird mit dem Beschluss untersagt, Haverbecks Äußerungen wörtlich oder sinngemäß wiederzugeben. Tut er es doch, drohen ihm bis zu sechs Monate Haft – die Kosten des Eilverfahrens in Höhe von 13 300 Euro muss er ohnehin tragen.
Experten warnen, der Hass könne sich manifestieren
Dabei war das nicht immer so. Klar, der Kochbuchautor generiert seit Jahren Aufmerksamkeit durch gezielte Provokation, doch längst nicht im strafrechtsrelevanten Rahmen. Und auch das macht die Verwunderung um seine Person aus: wie schnell ein Einzelner so tief in die Radikalisierungsspirale abgleiten kann. Als sich Hildmann im April erstmals lautstark coronaskeptisch äußerte, distanzierte er sich noch von rechten Stimmen.
Dann kam auf einmal Bill Gates ins Spiel, populärer Sündenbock aller möglichen Verschwörungstheorien, in diesem Fall der designierte Schöpfer von Covid-19. Und binnen weniger Wochen mischte sich unter Hildmanns Äußerungen so ziemlich alles von „die Bundesrepublik ist nur eine Firma“ über „wir werden kontrolliert von der jüdischen Geheimsekte B’nai B’rith“, bis zu Illuminaten, Rothschild und Deep State. Es ist das Who’s who der Weltverschwörungsmythen. Und es ist obsessiver Judenhass.
Ich glaube, dass wir bei den Worten ansetzen müssen, um nicht mehr so häufig mit den Taten konfrontiert zu werden
Igor Schwarzmann, Mitglied jüdische Gemeinde Frankfurt
Hass, der sich manifestieren kann, je häufiger rassistische, gewaltverherrlichende oder antisemitische Äußerungen ungestraft bleiben. Die Sozialpsychologin Pia Lamberty forscht seit Jahren zu Verschwörungsmythen- und -erzählungen und sieht die Gefahr, dass Stimmungsmacher wie Hildmann zur Radikalisierung von Menschen beitragen können. „Attila Hildmann verwendet in seinen Nachrichten oft ein Kämpfernarrativ, das ist gängig bei zahlreichen Verschwörungsmythen. Man kreiert das absolut Böse und kann dadurch sich selbst als das absolut Gute aufwerten. Und damit ist auch alles legitimiert“, sagt Lamberty.
Das befördert eine Stimmung, wie sie auch teilweise auf den Hygienedemos zu beobachten ist, wenn verbale Gewalt in körperliche Übergriffe umschlägt. „Auf Menschen, die sich in diesen Welten bewegen, prasseln extrem viele Nachrichten ein, die erzählen, dass die Apokalypse oder der Tag X bevorsteht, dass man sich bewaffnen und kämpfen muss. Da muss man vorsichtig sein, dass das nicht Gewalttaten nach sich zieht, das macht was mit den Leuten.“
Die Attentäter von Hanau und Halle radikalisierten sich durch Verschwörungsmythen
Doch Taten hat es längst gegeben: Die Attentäter von Hanau und Halle, heißt es später, radikalisierten sich durch Verschwörungsmythen im Internet, nur präventiv wird dagegen oft immer noch zu wenig getan. „Ich glaube, dass wir bei den Worten ansetzen müssen, um nicht mehr so häufig mit den Taten konfrontiert zu werden“, sagt Igor Schwarzmann, auf dessen Antrag hin die einstweilige Verfügung gegen Hildmann erging.
Er ist Mitglied der jüdischen Gemeinde Frankfurt und einer derjenigen in Deutschland, die unermüdlich gegen rechte Propaganda kämpfen. Ein Kampf, der ohne eine engagierte Justiz hoffnungslos scheint: „Während die Staatsanwaltschaft Cottbus immer noch scharf darüber nachdenkt, ob Hildmann über sadistische Hinrichtungsmethoden für Volker Beck sinnieren darf, schafft man in Frankfurt Fakten“, sagt Schwarzmann und weiter:
„Die Frankfurter Pressekammer ist aus meiner Sicht das größte Kompetenzzentrum für Äußerungsrecht in Deutschland. Diese Mischung aus Expertise, Sachlichkeit und Fairness findet man andernorts kaum.“ Doch so vorbildlich das kompetente Handeln Frankfurts, so ernüchternd ist Realität: Hass und Hetze im Internet bleiben auch 2020 in Deutschland Sache des Individuums. Wer sich dran stört, kann ja anzeigen – eine strukturelle Zuständigkeit und Ahndung fehlt.
Immerhin, ein schwacher Trost: Kaum einer liest noch mit, wenn Hildmann wieder hetzt. Auch wenn immer noch rund 88 000 Menschen dem Kanal auf Telegram folgen, die Zugriffszahlen zu seinen Beiträgen bewegen sich meist nur zwischen ein paar hundert bis zu wenigen tausend Klicks. Auch seinen Demoaufrufen folgten in den letzten Wochen gerade noch eine Handvoll Anhänger. Hildmann giert zwanghaft nach Bedeutung, während er zunehmend an Einfluss verliert.