Der Spiegel hat einen Waldspaziergang mit Avocadolf gemacht (wie auch mit Björn Höcke),
Übermedien ordnet den Artikel kritisch ein:
„Spiegel“ sieht Hildmann vor lauter Bäumen nicht
Ausriss: „Der Spiegel“
All jenen, die sich in den sozialen Medien gerade darüber aufregen, dass der „Spiegel“ sich mit dem Extremisten Attila Hildmann zu einem lauschigen „Waldspaziergang“ getroffen hat, muss man, wie üblich, zurufen: Lest das Stück erstmal! Lest es doch erstmal! Es ist nämlich noch viel schlimmer, als ihr glaubt.
Das hier ist einer der dramatischen Höhepunkte:
„Auf dem Waldweg liegt ein Käfer auf dem Rücken, er schafft es nicht aus eigener Kraft auf die Füße. Hildmann dreht ihn um und setzt ihn an den Wegesrand.“
Der ist nämlich eigentlich ein ganz Sanfter, der Attila.
Der „Spiegel“ ist mit ihm in den Wald gegangen, und eine Antwort auf die sich unmittelbar aufdrängende Frage – WARUM? – kann man gleich im ersten Satz finden:
„Wer Attila Hildmann mal ganz sanft erleben will, muss mit ihm in den Wald gehen.“
Der „Spiegel“ ging mit Attila Hildmann in den Wald, um ihn mal ganz sanft zu erleben. Das gibt schöne Kontraste, Gegenschnitte: der harte, immer radikalere Verbreiter von Verschwörungsmythen aller Art hier; der freundliche Veganer und Käferlebensretter dort.
Der „Spiegel“ trifft Hildmann also:
„Unweit des Wandlitzer Sees, nördlich von Berlin, wo Hildmann fast täglich seinen Husky Akira ausführt, so auch an diesem Mittwoch. ‚Na, Süßer‘, sagt er zu dem Hund. Er habe ‚den kleinen Racker‘ aus dem Tierheim zu sich geholt, vor zweieinhalb Jahren. Neulich hätten anonyme Mailschreiber damit gedroht, Akira zu töten, ‚sie wollen mir das Liebste nehmen‘.“
Oh, das ist natürlich ein noch viel besserer Kontrast: Der sanfte, tierliebe Hildmann hier; seine brutalen, kleine-Racker-verachtenden Kritiker dort.
Perfekte KulisseDen Wald als Treffpunkt hatte Hildmann vorgeschlagen. Der „Spiegel“ merkt:
„Der Wald ist eine perfekte Kulisse für seine Inszenierung.“
Im Wald mit Björn Höcke Weiß doch jeder, dass das nicht stimmt, oder?
Es hätte nur noch der Satz gefehlt: „Und der ‚Spiegel‘ ist das perfekte Medium, um diese Inszenierung in dieser Kulisse zur Aufführung zu bringen: reichweitenstark, immer noch irgendwie wichtig und von allen guten Geistern verlassen.“
Der „Spiegel“ gibt der Inszenierung Hildmanns breiten Raum und stellt ihn in eine zweifelhafte, aber große Tradition:
„Ernst Jünger, Lieblingsautor der deutschen Rechten, zudem Käfersammler, vertrat einst die These, dass der Mensch nur im Wald wahrhaft frei sein könne. Als ‚Waldgänger‘, der sich gedanklich unabhängig hält und Widerstand leistet, falls der Staat verbrecherisch wird. So ähnlich sieht Hildmann sich: Als einen der letzten Aufrechten in einem Land, das auf dem Weg in die Diktatur sei.“
So formuliert, möchte man sich seiner Bewegung fast anschließen, dem „Spiegel“ sei Dank.
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Alles schon mal erzähltHinter der Kulisse, vor der Attila Hildmann sich inszeniert, entdeckt dieser „Spiegel“-Artikel nichts Neues. Er referiert Hildmanns Kindheits-Erzählung:
„Wenn er erzählt, geht es häufig darum, dass er sich nie unterkriegen ließ. Geboren wurde er in Berlin als Kind türkischer Eltern, die ihn zur Adoption freigaben. Er wuchs bei einem deutschen Ehepaar auf. Nach eigenen Aussagen wurde er Veganer, nachdem sein Adoptivvater 2000 an einem Herzinfarkt gestorben war.
Als Schüler gehörte er nirgends dazu. Die deutschen Mitschüler hätten nichts mit ihm anfangen können, sagt er, ‚für die Ausländer war ich ein Bastard‘. Er sei von Gangs verprügelt worden, ‚bis ich mich wehrte und zu einem Mann wurde‘. Er zeigt eine Narbe am Hals, ‚da hat mir jemand ein Messer an die Kehle gehalten‘. Und eine am linken Arm, ‚eine Messerstecherei‘. Jetzt, als Erwachsener, steht er da und will Deutschland verteidigen.
Hildmann redet auch gern über seine Bildung. Bereits als Jugendlicher habe er sich ‚mit den großen Philosophen beschäftigt‘.“
Das alles wissen „Spiegel“-Leser längst. Aus einem „Spiegel“-Artikel vom Mai:
„Hildmann kam in Berlin zur Welt, als Sohn türkischer Eltern, die ihn noch als Baby zur Adoption freigaben. (…)
‚Die deutschen Mitschüler konnten mit mir nichts anfangen, für die Ausländer war ich ein Bastard. Man wollte mir die Kehle aufschneiden, ich habe Narben am ganzen Körper. Irgendwann habe ich mich gewehrt, ich bin vom Opfer zum Täter geworden, habe diverse Anzeigen gesammelt, mit kleinkriminellen Geschichten, Abziehen und so.‘ (…)
Er habe als Schüler viel gelesen, die großen Philosophen: Platon, Kant, Nietzsche, Schopenhauer. (…)
Der Mann, der ihn großgezogen hatte, erlag einem Herzinfarkt, da war Hildmann 19 Jahre alt. Als Ursache machte er damals übermäßigen Fleischkonsum aus.“
Man kann den Inszenierungen von gefährlichen Verschwörungserzählern mit Mordfantasien nicht oft genug eine Bühne geben.
Passt nicht so recht zusammenMordfantasien? Ach ja, über den Grünen-Politiker Volker Beck sagte Hildmann bei einer Demonstration: „Wenn ich Reichskanzler wäre, dann würde ich die Todesstrafe für Volker Beck wieder einführen, indem man ihm die Eier zertretet auf einem öffentlichen Platz!“ Im „Spiegel“ darf er Beck dazu noch als Pädophilen bezeichnen und davon träumen, dass man „noch schlimmere Sachen“ mit ihm machen müsste, aber natürlich nur als Fantasie, nur als Fantasie.
Der „Spiegel“ arrangiert die Kleine-Racker-Geschichte und die Käfer-Rettungs-Episode als Kontrast zu Hildmanns Mordgedanken über Volker Beck und bemerkt fröhlich unbedarft:
„Tiere schützen, Menschen schlachten, so recht passt das nicht zusammen.“
Das ist schon die ganze Reflexionstiefe, die sich dieser Artikel leistet. Dabei lässt sich der scheinbare Widerspruch für Leute, die wie Hildmann denken, schon dadurch auflösen, dass der kleine Racker und der hilflose Käfer ja ungefährlich sind. Die Inszenierung lässt nicht Hildmann irre wirken, sondern Beck gefährlich.
(Nebenbei: Hoffentlich findet der „Spiegel“ nie heraus, dass Adolf Hitler nett zu Hunden war. Hitler kommt in der Geschichte aber natürlich auch vor, als Vergleich, mit dem Hildmann kokettiert.)
Jedenfalls passe vieles so recht nicht zusammen, was Hildmann in den vergangenen Wochen von sich gegeben habe:
„Er behauptet, US-Milliardär Bill Gates und die Kanzlerin wollten die Menschheit dezimieren, oder ruft: ‚Die Weltbank wird regiert von den Rothschilds, und das sind nun mal die Zionisten!'“
Das Schlimme an diesen Parolen und Verschwörungserzählungen ist also, wenn man den „Spiegel“ wörtlich nimmt: dass das so recht nicht zusammen passt.
Geht es ihm nicht um seine eigene Berühmtheit?Die Mini-Versuche, die die „Spiegel“-Redakteure Alexander Kühn und Jean-Pierre Ziegler unternehmen, Hildmann bloßzustellen, wirken rührend hilflos. Er sei „nicht stringent, weder in seinen Argumenten noch in seinen Taten“, formulieren sie und werfen ihm vor, dass er noch am Tag vor dem Treffen im Wald damit geprahlt habe, dass er dem „Spiegel“ kein Interview geben werde, obwohl der ihn 20-mal angerufen habe und das unbedingt wollte.
Vermutlich soll die Geschichte Hildmann klein wirken lassen. Klein wirkt stattdessen der „Spiegel“.
Der Artikel endet mit der Beschreibung, dass Hildmann auf alle Fragen, Vorhaltungen und Unterbrechungen freundlich reagiere – nur bei der Frage nach seinem Antrieb werde er zornig:
„Weil man immer noch nicht begriffen habe, warum er all das macht. Hildmann redet von Menschenrechten. Von Freiheit. Und Deutschland.
Geht es ihm nicht eher um ihn selbst, seine eigene Berühmtheit? Da schaut Hildmann beleidigt zu Boden.“
Man kann diesen Schluss als Entlarvung lesen. Der Waldspaziermitgänger vom „Spiegel“ hat die wunde Stelle Hildmanns entdeckt: seine Eitelkeit. Er macht das nur, damit er groß in die Medien kommt.
Haha, aber den Gefallen tut ihm der „Spiegel“ nicht!