Zu Abmahnung des "Volksverpetzers" durch "Spitzenmediziner" Wodrag und "Spitzenanwalt" Füllmich, siehe hier (und folgende)
gibt es jetzt ein Interview bei der Augsburger Allgemeine.
Spoiler
Corona-Pandemie
07:45 Uhr
"Volksverpetzer" über Corona-Leugner: "Man spürt die Verachtung"
Der Augsburger Thomas Laschyk betreibt das Volksverpetzer-Blog und kämpft gegen Fake News. In Corona-Zeiten wird das immer härter und reicht bis zu Morddrohungen.
Von
Christina Heller-Beschnitt
Herr Laschyk, Sie betreiben das Fakt-Checking-Blog Volksverpetzer. Der Arzt und Corona-Leugner Wolfgang Wodarg hat gerade von Ihnen 250.000 Euro Schadensersatz verlangt. Wie kam es dazu?
Thomas Laschyk: Wir haben mehrere Berichte veröffentlicht, die sich unter anderem mit Herrn Wodarg befassen: einen im März und einen im Oktober. Laut der Unterlassungserklärung, die wir unterzeichnen sollen und der Schadensersatzforderung geht es um diese beiden Artikel. Uns wird vorgeworfen, dass wir dem Ansehen von Herrn Wodarg geschadet hätten. Und wir seien im vollen Umfang für den Ansehensverlust von Wodarg verantwortlich als Gesamtschuldner – obwohl natürlich andere Medien und Experten auch über ihn berichtet haben. Deswegen sollen wir die Viertelmillion Euro immateriellen Schadensersatz zahlen.
Was haben Sie gedacht, als Sie die Schadensersatzforderung aus dem Briefkasten geholt haben?
Laschyk: Ich war amüsiert. Wir geben uns immer sehr viel Mühe, alles zu belegen, alles faktisch richtig zu beurteilen. Wenn wir harte Urteile treffen, dann nur, wenn wir der Meinung sind, dass diese zutreffend sind. Ich war mir als juristischer Laie schon beim Überfliegen des Schreibens ziemlich sicher, dass die Forderung hanebüchen ist. Nach Rücksprache mit unserem Anwalt kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass das kein ernsthafter Versuch ist, uns dazu zu bringen, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben oder eine Viertelmillion Euro aus dem Nichts zaubern.
Was steckt dann dahinter?
Laschyk: Wir sind der Meinung, dass es ein Versuch war, uns mit einer großen Summe und einem anwaltlichen Schreiben einzuschüchtern. Damit wir in Zukunft Angst haben, über Herrn Wodarg und seinen Anwalt Herrn Fuellmich zu berichten. Oder darüber, welche Verschwörungsmythen sie verbreiten. Ein anderer Punkt ist, dass wir auf unseren Anwaltskosten sitzen bleiben sollen. Wir müssen unseren Anwalt natürlich bezahlen.
Sie haben auf Ihren Social-Media-Kanälen gerade gewarnt, dass die Stimmung unter Menschen, die die Corona-Pandemie leugnen, immer aggressiver werde. Wie äußert sich das Ihnen gegenüber?
Laschyk: Wir merken, dass die derjenigen, die auf diese Verschwörungsmythen hereinfallen, uns gegenüber immer aggressiver werden – in E-Mails, in Nachrichten und auch in den Kommentarspalten. Es werden immer mehr Beleidigungen ausgesprochen, es kommen immer mehr Drohungen. Auch Morddrohungen sind inzwischen völlig normal. Die Menschen sind davon überzeugt, dass wir zur Rechenschaft gezogen werden, dass wir im Gefängnis landen. Man spürt die Verachtung. In dem Ausmaß habe ich das selten erlebt. Wir beobachten außerdem die Telegram-Channels oder die Youtube-Videos, die die Menschen nutzen und verbreiten, und gehen zu Demos von Pandemie-Leugnern. Dabei sehen wir: Die Menschen steigern sich immer mehr rein. Sie sind immer abgeschotteter von der Realität. Sie schaukeln sich gegenseitig mit Fake-News und Falschdarstellungen hoch und werden immer radikaler. Auf den Demos kommt es zu Gewalt, zu Pöbeleien gegen Andersdenkende, gegen Menschen, die Masken tragen, gegen Polizisten, gegen Journalisten. Wir machen uns ernsthafte Sorgen.
Sie beschäftigen sich schon eine ganze Weile mit Fake News und Menschen, die Verschwörungsmythen verbreiten. Kann man das, was gerade passiert, noch mit dem vergleichen, was zum Beispiel in der Flüchtlingskrise passiert ist oder mit dem, was Klimawandel-Leugner machen?
Laschyk: Klimawandel-Leugner wenden ähnliche Methoden in den Medien an. Sie führen echte oder vermeintliche Experten an, die verdrehte Fakten oder schlechte Studien als die wahre Wahrheit darstellen. In dieser Hinsicht ja. Aber die Pandemie-Leugner-Szene ist sehr divers, sehr breit. Sie rekrutiert sich aus vielen Bereichen der Gesellschaft. Man darf dabei jedoch nicht unterschätzen, dass die rechtsextreme Szene von Anfang an ein fester Teil dieser Bewegung war. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass es viele Parallelen gibt. Etwa im Hass auf die derzeitige Regierung, auf die Verfassung, auf Medien im Allgemeinen, auf Andersdenkende. Viele Menschen, die in die Pandemie-Leugner-Szene hineingeraten sind, wenden sich von den seriösen Medien ab und driften in die alternative Filterblase. Dort sind die Magazine, die Twitter-Kanäle, die Telegram-Kanäle, die Youtube-Kanäle schon von Rechtsextremen besetzt.
Kann man sagen, dass die rechte Szene die Corona-Proteste gekapert hat?
Laschyk: Es gibt in der Pandemie-Leugner-Szene schon noch Leute, die nicht konkret rechtsextremes Gedankengut verbreiten und die sicherlich auch von sich selber nicht sagen würden, dass sie rechtsextrem sind. Aber das Problem ist, dass diese Menschen alle kein Problem damit haben, mit Rechtsextremen einen gemeinsamen Feind anzugreifen – die Presse oder die Regierung zum Beispiel. Die "Querdenker"-Bewegung, die auch viele Verknüpfungen hat in die rechtsextreme Szene und sie auf Demonstrationen duldet, hat sich gegen unsere Verfassung gestellt. Sie will ganz offiziell eine neue Verfassung ausrufen. Das heißt, deren Ziele und jene von Rechtsextremen oder Reichsbürgern unterscheiden sich nicht mehr groß. Die Feindbilder unterscheiden sich nicht mehr groß. Sie sprechen auch von "links-grün-versifften Systemmedien" und von "Diktatur". Für eine wehrhafte Demokratie macht das dann keinen Unterschied mehr, ob nur jeder Zweite oder alle in der Bewegung waschechte Neonazis sind.
Wenn man sich anguckt, was bei solchen Demonstrationen in jüngster Zeit passiert ist, fragt man sich: Sind Polizei und Politik darauf vorbereitet? Wissen die, was sich in der Szene der Corona-Leugner zusammenbraut?
Laschyk: Ich habe das Gefühl, dass es nicht so ist. Es gibt genug Stimmen in allen demokratischen Parteien, die angemessen davor warnen und die auch versuchen, etwas dagegen zu unternehmen, wenn sie in der Regierung oder im Stadtrat sind. Aber ich merke immer, immer wieder – gerade wieder bei den Demonstrationen in Leipzig –, dass entweder kein Wille oder nicht die Fähigkeit da ist, in der Regierung oder auch in der Justiz auf die Wissenschaft zu hören, sich mit Fakten auseinanderzusetzen und den Pandemie-Leugnern die Grenzen aufzuzeigen, die das Recht und die Meinungsfreiheit darstellen.
Sie sagen, die Corona-Leugner stecken in realitätsfernen Filterblasen fest. Lassen Sie sich überhaupt noch über seriöse Medien oder Fact-Checking-Blogs wie den Volksverpetzer erreichen?
Laschyk: Wir müssen aufhören, das zu verharmlosen – in der Szene sind Parallelen zu einer Sekte gegeben und auch die psychologischen Mechanismen, die wirken, sind ähnlich. Die Menschen, die da drin sind, die können gerade wir als Anti-Fake-News-Seite nicht mehr erreichen. Wir haben auch schon lange aufgehört, das zu versuchen. Die einzige Möglichkeiten für solche Personen herauszukommen, wären Extremismus-Beratungsstellen oder der Kontakt zu engen Freunden und Verwandten, die die Person mit den ganzen inneren Widersprüchen, Beweisen und Logikfehlern konfrontieren können.
Was möchten Sie dann erreichen?
Laschyk: Wir sehen unsere Aufgabe eher darin, aufzuklären, was hinter den Mythen steckt, nämlich meistens nichts. Wer dahintersteckt und aus welchen Begründungen. Wir versuchen, den Rest der Bevölkerung zu warnen. Wir sehen das als Impfung gegen Verschwörungsmythen. Die Menschen sollen schon mal gehört haben, dass diese oder jene Geschichten falsch sind oder gezielt manipulieren. Wenn sie sie dann hören, sind sie skeptisch. Das ist das Wichtigste, das wir den Menschen beibringen können, dass sie eine skeptische Grundhaltung gegenüber Informationen aus dem Netz einnehmen. Dass sie ein Gefühl dafür bekommen: Wann fehlen Beweise, wann werden sie manipuliert?
Was sind denn im Zusammenhang mit Corona die Verschwörungserzählungen, die am häufigsten auftauchen?
Laschyk: Die Verschwörungserzählungen sind sehr breit. Das ist ein Grund, warum sie so viele Menschen ansprechen. Jeder kann sich seine eigene Verschwörungstheorie basteln. Das ist nicht eine Geschichte, auf die alle hereinfallen, sondern es werden ganz viele Andeutungen gemacht. Es werden kleinere Ereignisse oder Bilder herausgepickt, die auf ein größeres Ganzes hindeuten. Es gibt nicht die eine Verschwörungstheorie um Corona, aber es gibt einige Gemeinsamkeiten.
Was sind die Gemeinsamkeiten?
Laschyk: Es wird zum Beispiel erzählt, dass die ganze Pandemie nur inszeniert sei. Davon gibt es Variationen: Etwa, dass Corona nur erfunden wurde oder aus einem Labor stammt. Dann gibt es die Behauptung, dass der PCR-Test viele falsch-positive Fälle zeigen würde oder dass er alle möglichen Viren nachweisen würde oder dass Behörden das alles nur erfinden. Jeder kann sich etwas aussuchen, je nachdem, wie weit man gewillt ist, lauter unbelegte Annahmen zu glauben. Aber wenn Leute das als Wahrheit akzeptiert haben, dann gehen sie in diese Facebook-Gruppen, in Telegram-Gruppen oder auf Youtube und dort werden sie täglich mit neuen vermeintlichen Beweisen gefüttert. Es gibt inzwischen sogar Influencer, Youtuber, Telegram-Kanäle, die Geld damit verdienen, gefälschte Indizien zu produzieren. Sie füttern ihre Follower einfach nur mit diesen Indizien. Die lesen dann jeden Tag andere Lügen und andere Falschdarstellungen. Wenn das eine Zeit lang so geht, sind sie völlig davon überzeugt, im Recht zu sein. Wenn dann jemand widerspricht und sei es noch so fundiert und sachlich, können sie das nicht glauben. Das ist das Gefährliche daran.
Glauben denn diese Influencer wirklich an das, was sie erzählen oder ist es ein Geschäftsmodell?
Laschyk: Ich kann den Leuten natürlich nicht in den Kopf schauen. Für unsere Arbeit spielt das keine Rolle. Diese Menschen verbreiten Desinformation und richten damit Schaden an, ob sie es glauben oder nicht. Meine persönliche Einschätzung ist, dass es eine Mischung ist. Manche sprechen so fanatisch davon, dass ich mir vorstellen könnte, dass sie das wirklich glauben. Andere machen das sehr kalkulierend. Bei ihnen kann ich mir vorstellen, dass sie schamlos die Naivität der Menschen ausnutzen für Spendengelder oder Klicks.
Sie haben vorhin erzählt, dass der Hass sehr hoch schlägt und bei Ihnen auch Morddrohungen eingehen. Ihr Team besteht aus vielen Ehrenamtlichen, was macht das denn mit Ihnen, wenn Sie eigentlich aufklären wollen und etwas Gutes erreichen möchten und dafür mit dem Tod bedroht werden?
Laschyk: Ich kann natürlich nicht für uns alle sprechen, weil jeder von uns anders mit der Situation umgeht. Doch es ist am Anfang schon erschreckend. Man kann das gar nicht glauben. Aber ich mache das schon seit ein paar Jahren und ich muss sagen, man stumpft ab. Es ist weiterhin schrecklich, aber ich sehe darin inzwischen vor allem die Bestätigung, dass wir wunde Punkte treffen, dass die Aufklärungsarbeit Wirkung zeigt und dem Geschäftsmodell der Pandemie-Leugner Schaden zufügt. Sie sehen in uns diese Bedrohung und versuchen, uns mundtot zu machen mit Bedrohungen und juristischen Mitteln. Ich versuche, das Ganze positiv zu wenden und das als Anlass zu nehmen, darüber zu sprechen. Zu zeigen, wie radikal diese Szene ist, zu welchen Mitteln sie greift. Das ist auch Teil der Aufklärung und wissenswert. Ich finde nicht, dass wir damit alleine leben sollten.