Was bitte soll das sein. Mein juristisches Wissen ist eher marginal bis durschnittlich, aber selbst ich weiß das Schadensersatzforderungen nicht einfach so in anderen Ländern eingeklagt werden können.
Das kommt drauf an. Die Frage ist, ob ein internationaler Gerichtsstand gegeben ist. Das richtet sich nach dem Internationalen Zivilverfahrensrecht. Für die EU ist das zum Beispiel für Zivil- und Handelssachen in der Brüssel-Ia-Verordnung geregelt. Für die Schweiz, Norwegen und Island wurde diese Regelungen mittels des Lugano-Übereinkommens sinngemäß übertragen. Großbritanien ist bis zum Ende der Übergangsfrist auch über das Lugano-Abkommen gebunden.
International kann mehr als ein internationaler Gerichtsstand gegeben sein. Der Kläger kann sich dann aussuchen wo geklagt wird. Das nennt sich "forum shopping".
Aufgrund welcher Grundlage also soll die Klage in den USA angenommen werden dessen Rechtsprechung garnicht zuständig ist (für andere Nationen meine ich natürlich)?
In den USA gibt es die Gerichtsbarkeit des Bundes und die der Bundesstaaten. Wenn Kläger und Beklagte aus verschiedenen Bundesstaaten sind (und der Streitwert über 75.000 $ liegt) dann liegt ein Fall der "diversity jurisdiction" vor. Hier ergibt sich eine Zuständigkeit der Bundesgerichte auch im Zivilrecht. Eine Partei kann auch aus dem Ausland stammen. Sind alle Parteien aus dem Ausland (inkl. im Ausland lebende US-Bürger) liegt kein Fall der Diversität vor (Deutsche gegen Deutsche geht also nicht).
Daneben können aber auch die Gerichte eines Bundesstaates eine Klage gegen einen Bürger aus einem anderen Bundesstaat oder dem Ausland verhandeln. Es wird kein Unterschied ziwschen anderem Bundesstaat oder anderer Nation gemacht. Dies nennt sich long-arm jurisdiction. Je nach Bundesstaat sind die Regelungen dazu (long-arm statute) verschieden weitreichend.
Füllmich hat eien Anwaltszulassung in Kalifornien, daher wird er seine Klage vermutlich in Kalifornien einbringen. Das long-arm statute von Kalifornien findet sich im California Code of Civil Procedures § 410.10 und lautet:
A court of this state may exercise jurisdiction on any basis not inconsistent with the Constitutionof this state or of the United States.
Ein kalifornisches Gericht fühlt sich also für alles und jeden zuständig, solange die Verfassung nicht etwas anderes sagt. Eine sehr weitreichende Regelung. Eine Einschränkung hat der US Supreme Court in der Entscheidung
International Shoe Co. v Washington festgelegt. Danach muss zwischen dem Staat, vor dessen Gericht geklagt wird, und dem Beklagten ein "minimum contact" bestehen. Zum Beispiel, dass der Beklagte Geschäfte in dem Bundesstaat macht, dort Eigentum hat oder einen in diesem Staat ansässigen Bürger geschädigt hat.
Das Gericht ist jedoch an die Wahl des
forum durch den Kläger nicht gebunden und kann sich durch
forum non conveniens für nicht zuständig erklären mit der Begründung, dass ein anderes Gericht besser geeignet ist, den Fall zu behandeln. Faktoren dabei sind der Aufenthaltsort von Zeugen, Beweismaterial, unbotmäßige Härte für den Beklagten, Verfügbarkeit alternativer Gerichte, Überlastung des Gerichts etc.
Dann ergibt sich noch die Frage, welches materielle Recht auf den Fall angewendet wird. Dies muss nicht das materielle Recht des Gerichtsortes, das
lex forii sein, sondern ergibt sich aus dem Internationalen Privatrecht (IPR). In der EU ist dies geregelt in den Rom-I und Rom-II Verordnungen, in Deutschland im EGBGB. Rüdis Floskel "Die Person untersteht dem Recht des Staates" ist so ein Beispiel für einer Regel des IPR und lautet vollständig "Der Name einer Person unterliegt dem Recht des Staates dem die Person angehört." (Art. 10 EGBGB).
Fraglich ist also, ob Füllmich einen
minimum contact von Drosten und Wieler nach Kalifornien konstruiert kriegt. Ursprünglich sollte gegen die Hersteller der PCR-Tests geklagt werden, die ihre Tests auch in den USA verkaufen. Hier wäre der
minimum contact problemlos gegeben. Ob die "Erfindung" eines Test, der dann später von jemand anderem in die USA verkauft wird dafür reicht, wage ich zu bezweifeln. Füllmich argumentiert hier mit der "wirtschaftlichen Verbindung" zwischen Drosten und dem Hersteller. Aber selbst wenn
minimum contact konstruiert werden kann, ist die Gefahr von
forum non conveniens bei Klagen von Deutschen gegen Deutsche doch ziemlich hoch. Um das zu umgehen versucht Füllmich zum Beispiel Kanadier mit in die Sammelklage herein zu bekommen.
Ob ein eventuelles Urteil eines kalifornischen Gerichtes dann in Deutschland vollstreckt werden könnte, ist noch einmal ein eigenes Thema. Hierfür wäre ein Vollstreckungsurteil nach § 723 ZPO in Deutschland zu erwirken. Jedoch kann die Anerkennung des ausländischen Urteils nach § 328 ZPO ausgeschlossen sein, zB wenn das ausländische Gericht nicht zuständig ist nach deutschem Recht, der Beklagte das verfahrensleitende Dokument nicht ordnungsgemäß erhalten hat oder das Urteil gegen die wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts verstößt. Letzterer Punkt wäre hier das Problem. Strafschadenersatz widerspricht dem
ordre public (siehe BGHZ 118, 312), da in Deutschland das Strafmonopol beim Staat liegt. Bestrafung durch erhöhten Schadenersatz gibt es hier nicht.
Warum also will der Füllmich in den USA klagen? Zunächst einmal, weil die Sammelklage dort möglich ist. Ein weiteres Schmankerl ist die
discovery eine dem eigentlichen Prozess vorgelagertes Beweiserhebungsverfahren. Hier besteht eine umfangreiche Pflicht zur Vorlage von Dokumenten durch die Gegenseite. Füllmich könnte dann in Dokumenten zur Entwicklung des PCR-Tests schnüffeln und mit diesen weiteren Unsinn verbreiten. Ein dritter Vorteil in den USa ist, dass die Anwaltskosten dort jede Partei selber tragen muss und nicht die unterlegene Partei. Also selbst wenn man sich erfolgreich gegen eine Klage erwehren kann, treffen einen trotzdem erhebliche Kosten. Dies führt dazu, dass sich Beklagte oft auf einen Vergleich einlassen und freiwillig Zahlungen leisten. Da ist die Überlegung, was einen billiger kommt.
Füllmich spekuliert hier darauf, dass die Bundesregierung hier die Tasche aufmacht, damit bei dem Prozess keine "Leichen ausgegraben" werden. Angeblich zahlen Interessenten 800 EUR für die Teilnahme. Vom Prozessergebnis möchten die Anwälte 10 % abhaben.
Was das Argument angeht, dass der PCR-Test nicht für die Erkennung von Infektionen zugelassen wäre, siehe
https://correctiv.org/faktencheck/2020/09/04/pcr-tests-weisen-corona-infektionen-nach-das-schweizerische-bundesamt-fuer-gesundheit-bestaetigte-nichts-gegenteiligesIn Berlin läuft gerade die Klage eines Kneipenbetreibers. Vielleicht ist der Umweg über die USA gar nicht nötig.
https://www.rbb24.de/panorama/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/09/berlin-landgericht-klage-kneipe-klo-schadenersatz.html