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Ein früherer Arzt aus Zell im Wiesental hat Atteste für die Befreiung von der Maskenpflicht falsch ausgestellt. Das sieht eine Richterin des Amtsgerichts Schönau als erwiesen an.
Das Amtsgericht Schönau hat am Dienstag einen früheren Arzt aus Zell im Wiesental (Kreis Lörrach) verurteilt. Der Angeklagte war selbst nicht anwesend. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er einigen Patientinnen und Patienten unberechtigt Atteste ausgestellt hatte, um sie von der Pflicht zu befreien, Corona-Masken zu tragen.
Gericht verhängt Geldstrafe
Der Angeklagte muss 10.500 Euro zahlen, in 150 Tagessätzen à 70 Euro, was der Forderung der Staatsanwaltschaft entspricht. Die Richterin Ulrike Götz hat bei der Urteilsbegründung betont, dass der Prozess keine politische Dimension habe, sondern dass schlicht nach dem Infektionsschutzgesetz gehandelt werde. Ein Attest, so Götz, sei ein medizinisches Zeugnis, dem eine sorgfältige Diagnose zugrunde liegen müsse. Das sei nicht erfüllt gewesen. Wie die Richterin sagte, tauchten die Namen der Patientinnen und Patienten, die ein Attest bekamen, nirgendwo auf, weder in Papierform noch in den ausgewerteten Daten.
Insgesamt waren 22 Atteste angezweifelt worden, die unter anderem an Menschen aus Breisach (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) und Rickenbach (Kreis Waldshut) ausgegeben worden waren. Einige von ihnen wurden an diesem zweiten und letzten Prozesstag als Zeuginnen und Zeugen vernommen.
Stimmung im Saal ist angespannt
Die Stimmung am Amtsgericht Schönau (Kreis Lörrach) war schon vor Beginn des zweiten Prozesstags angespannt. Vor dem Gerichtssaal hatten sich Menschen versammelt, die mit beschrifteten T-Shirts und mit Worten ihren Unmut gegenüber den Corona-Maßnahmen ausdrücken. Im Saal trugen manche die Maske unter der Nase oder gar nicht. Der Beginn verzögerte sich: Zuschauerinnen und Zuschauer wurden kontrolliert und mussten ihre Handys abgeben, damit es keine unbefugten Aufnahmen aus dem Gerichtssaal gibt.
Was waren die medizinischen Gründe, keine Masken zu tragen?
Nicht alle geladenen Zeuginnen und Zeugen sagten aus, sondern machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Einer der Zeugen, Mitte 20, erklärte, als Kind Asthma gehabt zu haben. Deswegen habe die Maske, die er bei der Arbeit wohl tragen musste, Kopfschmerzen, Atemnot, Schwindel und Konzentrationsschwäche ausgelöst. Die Information, dass der angeklagte Arzt entsprechende Atteste ausstellte, habe ihm seine frühere Freundin gegeben, so der Zeuge. Das Gespräch mit dem Arzt habe 30 Minuten gedauert, ohne weitergehende Untersuchungen wie etwa einem Lungenfunktionstest.
Zuschauerin will Mund-Nasen-Schutz nicht tragen
Während der Verhandlung bat die Richterin Ulrike Götz eine Zuschauerin zweimal, ihren Mund-Nasen-Schutz korrekt zu tragen. Es begann eine Diskussion, weil die Zuschauerin fragte, was sie von der Verteidigerin Gisela Tangermann-Ahring unterscheide, die ebenfalls keine trüge. Die Richterin erklärte, dass die Verteidigung beantragt hatte, die Maskenpflicht für Beteiligte am Verfahren aufzuheben - und dass das genehmigt wurde. Tangermann-Ahring legte eine Studie zum Tragen von Masken als neues Beweismittel vor. Diese Studie, so die Verteidigerin, belege, dass Maskenatteste auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft beruhen würden.
Staatsanwalt: "Atteste wider besseres Wissen ausgestellt"
In seinem Plädoyer hat der Staatsanwalt Christian Schmitz festgestellt, dass sich der Vorwurf gegen den angeklagten Arzt bestätigt habe. Er habe wider besseres Wissen Gesundheitszeugnisse ausgestellt. Die körperliche Untersuchung habe gefehlt. Außerdem warf er dem Angeklagten eine nachträgliche Schutzbehauptung vor: Der Angeklagte habe behauptet, dass seine Patientinnen und Patienten bei anderen Ärztinnen und Ärzten gewesen seien. Die zugehörigen Akten aber, so Schmitz, seien nicht mehr auffindbar. Er forderte 150 Tagessätze à 70 Euro. Staatsanwalt Schmitz begründete die Forderung damit, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und aufgehört habe, Maskenatteste auszustellen.
Verteidigung forderte Freispruch
Die Verteidigerin Tangermann-Ahring hat einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Patienten körperlich zu untersuchen, das sei keine Voraussetzung für Atteste, sagte sie in ihrem Plädoyer. Ein Arztgespräch und die Schilderung der Symptome seien ausreichend. Sie erinnerte daran, dass Ärzte während der Pandemie auch mittels Telefonaten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen konnten.
Dass bei den Angeklagten keine Patientenakten zu den Attestempfängern gefunden worden seien, heiße nicht, dass es sie nicht gebe. Sie seien einfach nicht gefunden worden, so die Verteidigerin. Außerdem gelte bezüglich der fehlenden Patientenakten das Prinzip "im Zweifel für den Angeklagten". Der Staatsanwalt müsse die Schuld beweisen, nicht der Angeklagte seine Unschuld, so Tangermann-Ahring weiter.
Angeklagter erneut nicht selbst anwesend - ließ aber Brief verlesen
Das Gericht hatte im Vorfeld angeordnet, dass der Angeklagte dieses Mal im Saal erscheinen sollte. Zum Prozessauftakt am 17. Mai 2022 war der Angeklagte nicht anwesend, nur seine Verteidigerin. Angeblich soll er in Paraguay leben. Auch beim zweiten Termin war er nicht da. Er machte laut seiner Verteidigerin Tangermann-Ahring von seinem Schweigerecht Gebrauch, ließ aber nach den Plädoyers einen Brief verlesen.
Die Atteste, so heißt es darin, hätten dringenden Empfehlungscharakter gehabt. Sie seien nicht rechtlich als Gesundheitszeugnisse zu verstehen. In dem Schreiben beruft sich der Angeklagte auf den hippokratischen Eid und die Genfer Berufsordnung: Er habe keine andere Wahl gehabt, als Atteste auszustellen - sonst hätte er sich strafbar gemacht. Das Tragen der Masken werde grundsätzlich angezweifelt und als unzweckmäßig eingestuft. Die Patienten seien zu ihm und nicht zu ihren langjährigen Hausärzten gegangen, da diese beim Ausstellen der Atteste Repressalien befürchteten.
Tangermann-Ahring ist eine Rechtsanwältin aus Fürth (Bayern), die sich in der Corona-Zeit bei den sogenannten "Anwälten für Aufklärung" gegen die Corona-Schutzmaßnahmen engagierte. Sie gab am ersten Prozesstag an, dass alle Atteste rechtmäßig ausgestellt worden seien.