Spoiler
Corona-Demo vor Kretschmanns Haus: Prozess gegen mutmaßlichen Rädelsführer geht in die Verlängerung
Lesedauer: 5 Min
Muss sich wegen eines unangemeldeten Protestzugs zum Haus des Ministerpräsidenten in Sigmaringen vor Gericht verantworten: der mutmaßliche Anführer Udo Schulz. (Foto: Michael Hescheler)
Mitte Februar hat ein Protestzug von Corona-Skeptikern zum Privathaus des Ministerpräsidenten für Wirbel gesorgt: Der mutmaßliche Organisator hat sich am Montag vor dem Amtsgericht Sigmaringen verantworten müssen. Die Ermittlungsbehörden sind der Meinung, dass der 52-jährige Udo Schulz die nicht genehmigte Versammlung anführte, was strafbar ist. Der Angeklagte und sein Anwalt weisen die Vorwürfe zurück und benennen etliche Zeugen, die beweisen sollen, dass Schulz nicht der Anführer war. Der Prozess wird vermutlich kommende Woche fortgesetzt.
30.000 Euro wollte er nicht bezahlen
Wenige Tage nach dem Protestzug im Februar hatten die Strafbehörden in einem Eilverfahren Udo Schulz in Abwesenheit zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen à 200 Euro verurteilt. Da er die Summe von 30.000 Euro nicht bezahlen wollte, legte Schulz Widerspruch ein, weshalb es am Montag zu der Verhandlung kam.
Sein Verteidiger Tomislav Duzel erklärte, dass Schulz vor Gericht reinen Tisch machen wolle. Der 52-Jährige ließ sich bereitwillig fotografieren und beantwortete alle Fragen. Er sei an besagtem Sonntag in Laiz rein zufällig spazieren gegangen und habe nicht die Absicht gehabt, an dem Protestzug teilzunehmen. Das Holzkreuz habe er mit sich geführt, weil er ein tiefgläubiger Mensch sei. „Ich bekomme gesagt, wann ich es tragen muss“, sagte Udo Schulz, „Jesus wohnt bei mir zu Hause – das darf man so sagen“.
So sieht die Polizei den Fall
Ein Polizeibeamter, der die Geschehnisse vom 13. Februar protokollierte, benannte den 52-Jährigen als Anführer. „Der Zug ist Herrn Schulz anstandslos gefolgt, er hat die Gruppe angeführt und gelenkt.“ Auf einer allerdings nur wenige Sekunden langen Videosequenz der Polizei ist tatsächlich zu erkennen, wie Schulz die rund 50-köpfige Gruppe anführt.
Ein Zeuge, der der Szene der Corona-„Spaziergänger“ zuzuordnen ist, legte dem Gericht eine CD vor, auf der einige Videosequenzen abgespeichert sind. Um dieses Material sichten zu können, wird ein weiterer Verhandlungstermin benötigt. Zudem beantragte die Verteidigung die Befragung eines Kripo-Beamten und weiterer Demo-Teilnehmer.
Richterin und Staatsanwalt fragen hart nach
Zwei am Montag gehörte „Spaziergänger“ nannten erst Ross und Reiter, nachdem sie von der Richterin Kristina Selig und Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Beiter in die Mangel genommen wurden. Eine 25-jährige Fitnesstrainerin vermittelte beinahe eine halbe Stunde lang den Eindruck, dass sie nicht wusste, worum es den „Spaziergängern“ gehe. „Warum die Polizei da war, habe ich nicht verstanden.“ Erst als der Oberstaatsanwalt eindringlich nachfragte, räumte sie ein, dass sie für eine freie Impfwahl auf die Straße gehe.
Markanter Mann: Udo Schulz demonstriert in Laiz vor dem Haus des Ministerpräsidenten. (Foto: Michael Hescheler)
Der zweite Zeuge übergab dem Gericht die Videodateien, um den Angeklagten zu entlasten. „Ich verstehe nicht, wie man ihm so etwas vorwerfen kann“, sagte der Ingenieur aus Sigmaringen, der sich erst als neutraler Beobachter darstellte („Ich dachte, das ist ein Faschingsumzug“), später aber zugab, schon mehrfach an den montäglichen Protestmärschen mitgemacht zu haben.
Zeuge belastet Angeklagten
In einem anderen Punkt belastete er Schulz, denn sein Anwalt hatte behauptet, dass Schulz über keinen Telegram-Zugang verfüge. Über diesen Kanal habe er sich aber mit Schulz ausgetauscht, so der Zeuge.
Verteidiger Tomislav Duzel ist der Meinung, dass die Behörden den Angeklagten nur so hart bestraften, weil das Privathaus Kretschmanns Zielscheibe war. In vergleichen Fällen seien Anführer mit 40 Tagessätzen davon gekommen. Da der in der Logistik tätige Handelsvertreter als sehr vermögend gilt, soll er 30.000 Euro Strafe bezahlen.
Kommende Woche will Schulz auch seine finanziellen Verhältnisse offenlegen.