Autor Thema: VG Berlin 85 K 10.13 OB 21.11. 2018, Entferng e. Beamten wg Holocaustleugnung  (Gelesen 973 mal)

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Offline Reichsschlafschaf

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Mehr als der Begriff Holocaustleugnung ging nicht in die Betreffzeile, aber nach dem, was ihm bewiesen werden konnte, handelt es sich hier um einen strammen Nationalsozialisten.
Das strotzt nur so vor Ekelhaftem, man will es gar nicht wiederholen.

Erst VoPo, dann BGS und BPol, zuletzt war er "Sicherheitsbeamter und HOD-Gruppenleiter an der Deutschen Botschaft in K...."


Hier der erste Teil:



Zitat
Gericht:   VG Berlin 85. Kammer
Entscheidungsdatum:   21.11.2018
Aktenzeichen:   85 K 10.13 OB
ECLI:   ECLI:DE:VGBE:2018:1121.85K10.13OB.00
Dokumenttyp:   Urteil
   
Quelle:   
Normen:   § 20 Abs 1 BDG, § 20 Abs 3 BDG, § 21 Abs 2 BDG, § 22 Abs 1 BDG, § 22 Abs 3 BDG, § 24 Abs 1 BDG, § 24 Abs 3 BDG, § 60 Abs 1 BBG, § 61 Abs 1 BBG, § 77 Abs 1 BBG, § 189 StGB

Tenor

    Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.

    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Spoiler
Tatbestand
1
Die Klägerin erstrebt die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
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Der am 2... in S... geborene Beklagte absolvierte nach Abschluss der 10-klassigen POS eine Ausbildung bei der Deutschen Post als Facharbeiter für Nachrichtentechnik. Nach Ableisten des Grundwehrdienstes bei den Grenztruppen der früheren DDR trat er 1... in die Volkspolizei ein und war ab Februar 1... Mitarbeiter des Ministeriums des Inneren im Zentralen Projektierungs-, Bau- und Instandsetzungsdienst für Nachrichtentechnik. Im Jahr 1... wurde er als Angestellter im Bundesgrenzschutz eingestellt. Unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe wurde er im Jahr 1... zum Polizeihauptwachtmeister im Bundesgrenzschutz zur Anstellung ernannt.... erfolgte die Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit und die gleichzeitige Ernennung zum Polizeimeister im Bundesgrenzschutz. Im Jahr... wurde der Beamte zum Polizeiobermeister ernannt.
3
Dienstlich war der Beklagte seit 1... in erster Linie als Kontroll- und Streifenbeamter am F... tätig. 2... war er Sicherheitsbeamter an der ständigen Vertretung in B..., 2... an der Deutschen Botschaft in B... und von D...2... bis J...2... am Generalkonsulat in K..., wo er zugleich als Gruppenleiter des Haus- und Objektschutzdienst (HOD) fungierte. Vom 1... bis zum Abbruch der Abordnung wegen der Vorwürfe im hiesigen Verfahren am 1... war er Sicherheitsbeamter und HOD-Gruppenleiter an der Deutschen Botschaft in K....
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Der Beklagte wurde in der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2010 mit 8 Punkten („übertrifft die Anforderungen durch überwiegend herausragende Leistungen“) beurteilt. Diese Bewertung wurde im aktuellen Leistungsnachweis zum Stichtag 11. Oktober 2011 bestätigt. Wegen des Disziplinarverfahrens erfolgten keine weiteren Beurteilungen.
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Der Beklagte ist seit 1... geschieden. Er hat eine 1... geborene Tochter und mit seiner Lebensgefährtin zwei 1... und 1... geborene Söhne.
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Seit O.
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Bis zu den streitgegenständlichen Vorwürfen ist der Beklagte disziplinarisch nicht in Erscheinung getreten. Auch strafrechtliche Vorbelastungen liegen nicht vor.
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Am 17. Juli 2012 leitete die stellvertretende Leiterin der Bundespolizeiinspektion B... das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Dem Beamten wurde zur Last gelegt, am 12. Juli 2012 auf einer privaten Abendveranstaltung auf dem Gelände der Deutschen Botschaft in K... den Holocaust geleugnet zu haben. Weiterhin solle er mehrfach rechtsextreme Äußerungen in der HOD-Wohnung getätigt haben. Am 19. Juli 2012 erstattete die Bundespolizei Strafanzeige gegen den Beklagten und setzte das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 27. September 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens aus. Die Staatsanwaltschaft Berlin stellte am 30. November 2012 das Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gemäß § 130 StGB nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil es sich nicht um eine öffentliche Äußerung gehandelt habe. Unter dem 5. Dezember 2012 zog die Bundespolizeidirektion Berlin das Disziplinarverfahren gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 BDG an sich. Das Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 27. Dezember 2012 fortgesetzt und unter dem 23. April 2013 ausgedehnt auf die Vorwürfe, im Blog mit einer Äußerung zitiert zu werden, die sich von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung distanziere, sowie am 23. Dezember 2010 die Petition „The freedom fighter for Mr. Dr. Horst Mahler“ unterschrieben zu haben. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Juni 2013 nahm der Beklagte zu diesen Vorwürfen Stellung.
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Unter dem 30. August 2013 wurde dem Beklagten der Ermittlungsbericht vom gleichen Tag mit einer Frist von einem Monat zur Stellungnahme übersandt. Der Beklagte beantragte daraufhin am 17. September 2013 die Beteiligung des Personalrats, der der Erhebung der Disziplinarklage am 24. Oktober 2013 zustimmte.
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Am 12. November 2013 hat die Klägerin Disziplinarklage erhoben. Sie wirft dem Beklagten als Dienstvergehen vor:
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1. folgenden Text verfasst und am 30. Juli 2010 der Veröffentlichung des Textes auf dem Blog „“ zugestimmt zu haben:
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„Ich sage es den GG-Liebhabern immer so: Es ist ganz einfach, nur ein paar Grundgesetzänderungen, es wäre nicht die ersten. Folgende GG-Änderungen:
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Erstens: Das Amt des Bu-Prä wird auf Lebenszeit vergeben. Das spart dem Steuerzahler … immense Kosten.
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Zweitens: Das Amt wird umbenannt in „Kaiser“. Es heißt nicht mehr Bu-Prä sondern Kaiser. Na und?
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Drittens: Das Amt bekommt derjenige, der ohnehin nach der rechtmäßigen Reihenfolge dran gewesen wäre. Das erspart uns den peinlichen Wahlzirkus.
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Weitere Vorteile:
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Der Hohenzoller ist unparteiisch und überparteilich.
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Die Hohenzollern sind vermögend genug, außer ein paar Aufwandsentschädigungen kosten sie den Steuerzahler nicht viel, auf jeden Fall bedeutend weniger als diese Bu-Prä-Rotation.
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Die Hohenzollern sind gebildet, staatsmännisch geschult. Das ist allemal besser als dazumal diese dahergelaufene Schnapsnase Parteisoldat Rau, wie peinlich.
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Zum Abschluss bringe ich das für einfache Gemüter schlagkräftigste Argument, die Einschaltquoten der Fernsehanstalten:
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„Stellt euch vor, im deutschen Kaiserhaus würde geheiratet. ARD und ZDF kriegten sich nicht mehr ein, brächten tagelang 24stündig Direktübertragung – und ganz Deutschland sowie alle Welt säße wie gebannt vor dem Fernseher! Die Einschaltquote, das Maß aller Dinge, wäre unschlagbar hoch.“
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Dann bräuchte die ARD nicht auf das spanische, das belgische, das britische, das norwegische, schwedische, niederländische, luxemburgische, liechtenstein‘sche – habe ich eines vergessen? – Königshaus zurückzugreifen. Wir Deutschen „hätten selbst“.
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Dann sind sie alle immer total geplättet ob solch einfacher Logik. Sie lachen verkrampft. „Aber das geht doch nicht!“
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Genau so muss man mit einfachen Gemütern reden, nur so verstehen sie‘s.
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viele Grüße
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B...“
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2. am 23. Dezember 2010 folgenden Text unterschrieben und befürwortet zu haben:
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„Die erste Petition für die Freiheit von Dr. Horst Mahler und alle Unterschriften für seine sofortige Freilassung aus den menschenverachtenden Nazi- und Stasi-Knästen der abzuschaffenden BRD.“
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3. bei einem Grillabend auf dem Gelände der Deutschen Botschaft in K...am 12. Juli 2012
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3.1. geäußert zu haben „Es gibt nur zwei deutsche Großstädte, Berlin und Wien!“
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3.2. geleugnet zu haben, dass der Holocaust stattgefunden habe und dies auf Nachfrage nochmals bekräftigt zu haben.
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4. in K...
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4.1. in der Zeit zwischen dem 1. und 4. Juli 2012 in der HOD-Wohnung geäußert zu haben „Heute gibt es doch keiner starken Politiker mehr – Himmler und Goebbels, das waren noch starke Männer.“
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4.2. am 6. Juli 2012 im Dachrestaurant nahe der HOD-Wohnung geäußert zu haben: „Deutschland ist und war fast immer fremdbestimmt, es gab nur einmal gut 10 Jahre, wo wir es nicht waren.“
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4.3. zwischen dem 8. und 12. Juli 2012 in der HOD-Wohnung gesagt zu haben, dass der geographische Osten gar nicht dort sei, wo Herr W... ihn sehe, „da die deutsche Ostgrenze nie anerkannt wurde“. Im gleichen Zeitraum habe der Beklagte bei einem Gespräch über die Deutschen Botschaft in Washington und die dortigen Bauarbeiten sinngemäß geäußert „Kann ja nichts werden, das hat ja auch ein Jude gebaut“.
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Der Beamte habe mit seinem Verhalten gegen die politische Treuepflicht aus § 60 Abs. 1 S. 3 BBG, gegen die Pflicht zur politischen Mäßigung und gegen die Generalklausel des § 61 Abs. 1 S. 3 BBG verstoßen. Der Beamte verherrliche die politische Führung des Dritten Reiches und deren politische Ziele und betrachte Juden als Menschen niederer Abstammung. Bei dem Beklagten liege ein gefestigtes rechtslastiges politisches Meinungsbild vor.
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Am 23. Januar 2017 leitete die Klägerin ein weiteres Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein, das zunächst ausgesetzt wurde und nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Berlin am 31. Januar 2017 mit Verfügung vom 28. Februar 2017 fortgesetzt wurde. Am 5. Oktober 2017 und zur Heilung eines vom Beklagten gerügten Verfahrensmangels hinsichtlich der Unterzeichnung der Klageschrift erneut am 4. Dezember 2017 hat der Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin Nachtragsdisziplinarklage erhoben. Dem Beklagten wird vorgeworfen, erneut ein schweres Dienstvergehen begangen zu haben, indem er
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5. am 26. Januar 2016 im sozialen Netzwerk Facebook einen Text verfasst habe, der sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte und mit dessen Veröffentlichung er gegen seine Pflichten zur Verfassungstreue, zur parteipolitischen Neutralität und politischen Mäßigung sowie zum außerdienstlichen achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen habe. Der Beklagte habe ein Foto von 1938 unter anderem mit den Worten kommentiert „Dies war nicht zuletzt auf die kluge Politik des Reichsprotektors Reinhardt Heydrich zurückzuführen. Dieser stellte schon vom ersten Moment an die Weichen richtig“. Mit dieser öffentlichen Äußerung, die zum wiederholten Male nicht nur die mangelnde Distanzierung des Beklagten vom Nationalsozialismus widerspiegele, sondern nach Auffassung der Klägerin vor dem Hintergrund des bereits anhängigen Disziplinarverfahrens eine auffällige Tendenz zur Unterstützung der Ziele und Inhalte des Nationalsozialismus erkennen lasse, habe sich der Beklagte endgültig für eine weitere dienstliche Verwendung im öffentlichen Dienst und insbesondere für die Bundespolizei untragbar gemacht.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
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Er macht geltend, das Disziplinarverfahren und die Nachtragsdisziplinarklageschrift litten an wesentlichen Verfahrensmängeln. Hinsichtlich der Vorwürfe zu 1 und 2 handele es sich um zulässige Meinungsäußerungen. Die Aussagen in dem Blog seien ironisch und überspitzt. Bei der Unterzeichnung der Petition habe der Beklagte keine politischen Inhalte unterstützen wollen, es sei ihm lediglich um die Höhe der Strafzumessung im Vergleich mit Straftaten gegen Leben und Gesundheit gegangen. Die Äußerung zu den „zwei deutschen Großstädten Berlin und Wien“ habe sich auf eine Begebenheit bezogen, die der Beamte auf dem Berliner F... erlebt habe, als ein Reisender diese Aussage getroffen habe. Im Übrigen bestreitet er die unter Ziff. 3 und 4 vorgeworfenen Äußerungen. Hinsichtlich des Vorwurfs in der Nachtragsdisziplinarklage sei es zu der vorgeworfenen Aussage folgendermaßen gekommen: In der geschlossenen Facebook-Gruppe „Böhmen, Mähren, Schlesien“ habe ein Teilnehmer Fotos mit jubelnden Menschen in Prag veröffentlicht. In den folgenden Diskussionsbeiträgen sei es unter anderem darum gegangen, ob auf dem Foto Tschechen oder Deutsche abgebildet gewesen seien, und es sei auch um das Ausmaß der Kollaboration gegangen. Dem vorgeworfenen Beitrag seien andere Beiträge des Beklagten zur Rolle des Reichsprotektors vorausgegangen. Geschichtlich betrachtet sei der erste Reichsprotektor Konstantin von Neurath als politisch ungeschickt eingeschätzt worden, weil er Kollaborateure verschreckt habe. Demgegenüber sei der im Jahr 1941 als Reichsprotektor eingesetzte Heydrich geschichtlich mit seiner „Zuckerbrot-und-Peitschen-Politik“ als klug eingeschätzt worden, „im Sinne des damaligen Regimes“. Diesen Umstand habe der Beklagte zum Ausdruck bringen wollen. Er habe keinesfalls im Sinn gehabt, das gesamte Handeln des Heydrich als positiv darzustellen.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 23. Mai 2018 die Vorwürfe, gesagt zu haben, „Deutschland ist und war fast immer fremdbestimmt, es gab nur einmal gut 10 Jahre, wo wir es nicht waren“ (4.1) und dass der geographische Osten gar nicht dort sei, wo Herr W... ihn sehe, „da die deutsche Ostgrenze nie anerkannt wurde“ (4.3) gemäß § 56 BDG ausgeschieden.
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Die Disziplinarkammer hat die Vernehmung des Zeugen W... vom 23. Mai 2018 in die mündliche Verhandlung vom 20. und 21. November 2018 eingeführt und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P..., H..., W..., B...und W.... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Einlassung des Beklagten zu den Vorwürfen wird auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Die Disziplinarkammer hat die Personalakten des Beklagten, die Disziplinarvorgänge sowie die Akten der Staatsanwaltschaft Berlin mit den Aktenzeiche 2... zum Verfahren beigezogen. Diese Vorgänge sind, soweit erheblich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Disziplinarklage ist begründet. Der Beklagte hat ein Dienstvergehen begangen, das seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erfordert.
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I. Wesentliche Mängel des Disziplinarverfahrens und der Nachtragsdisziplinarklage im Sinne des § 55 Abs. 1 BDG liegen nicht vor.
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1. Soweit der Beklagte rügt, dass das Disziplinarverfahren wegen der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auszusetzen gewesen sei, ist dem nicht zu folgen. Gemäß § 22 Abs. 1 BDG wird das Disziplinarverfahren ausgesetzt, wenn gegen den Beamten wegen des Sachverhalts, der dem Disziplinarverfahren zugrunde liegt, im Strafverfahren die öffentliche Klage erhoben worden ist. Dies war vorliegend nicht der Fall. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BDG kann das Disziplinarverfahren auch ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Zwar zählen polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu den „anderen gesetzlich geordneten Verfahren“ in diesem Sinne (vgl. Hummel/Baunack, BDG, § 22 Rn. 15), allerdings ist – auch vor dem Hintergrund der Wertung von § 22 Abs. 1 BDG (zwingende Aussetzung erst bei Anklageerhebung) – nicht ersichtlich, dass das Ermessen der Klägerin dahingehend reduziert gewesen wäre, das Verfahren zwingend auszusetzen. Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen, eine konfrontative Befragung des Zeugen W... sei aufgrund des sachgleichen Ermittlungsverfahrens nicht in Frage gekommen, da der Beklagte andernfalls sein Recht zu schweigen gefährdet hätte. Denn das Dilemma, dass die Wahrnehmung des strafrechtlichen Schweigerechts im Disziplinarverfahren möglicherweise nicht vorteilhaft ist, stellt sich generell bei Dienstpflichtverletzungen, die auch strafrechtlich verfolgt werden.
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2. Soweit der Beklagte rügt, hinsichtlich der Vorwürfe zu 3 und 4 habe die Klägerin die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen nicht durchgeführt, weil sie keine weiteren Zeugen vernommen und diese zudem bei der Anforderung schriftlicher Stellungnahmen suggestiv beeinflusst habe, ist ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht erkennbar. Gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDG können Zeugen vernommen oder ihre schriftliche Äußerung eingeholt werden. Die Gedächtnisprotokolle der Zeugen P..., W..., W... und H... sind dem Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 16. November 2012 übersandt worden. Akteneinsicht in die Disziplinarakte ist ihm mit Schreiben vom 17. Mai 2013 gewährt worden. Damit ist dem Beklagten entsprechend § 24 Abs. 3 BDG hinreichend Gelegenheit gegeben worden, Stellung zu nehmen und ergänzende Beweisanträge zu stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 2 A 4/04 –, Rn. 24, juris). Auch eine suggestive Beeinflussung der Zeugen ist nicht ersichtlich. Nach Aktenlage wurden die Zeugen von PHK F... im Rahmen eines vertraulichen Gesprächs am 14. Juli 2012 über den Vorfall aufgefordert, Gedächtnisprotokolle zu fertigen. Bei PHK F... handelte es sich weder um den Vorgesetzten noch um den Dienstvorgesetzten der Zeugen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung mehrfach auf das Schreiben des EPHK D... vom 18. Juli 2012 abgestellt hat, war dieses nicht an die Zeugen, sondern an das Bundespolizeipräsidium Potsdam gerichtet. Mit Schreiben vom 13. August 2012 wurde den Zeugen ein Anhörungsbogen mit Rechtsbelehrung übersandt. Sie wurden weiter darauf hingewiesen, dass – sollten sie bereits ein Gedächtnisprotokoll gefertigt und versandt haben – um schriftliche Angabe darüber gebeten werde, inwiefern sich die bereits getätigte Aussage nach der nunmehr erfolgten Rechtsbelehrung ändere. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist den Zeugen damit nicht nahegelegt worden, sich bei Ihrer schriftlichen Aussage auf das Gedächtnisprotokoll zu berufen, vielmehr ging es gerade um eine kritische Prüfung von dessen Inhalt mit Blick auf die nunmehr erfolgte Belehrung zur Wahrheitspflicht.
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3. Soweit der Beklagte hinsichtlich der Nachtragsdisziplinarklage fehlende Ermittlungen rügt, kann nach § 21 Abs. 2 Satz 2 BDG von Ermittlungen abgesehen werden, soweit der Sachverhalt auf sonstige Weise aufgeklärt ist, insbesondere nach der Durchführung eines anderen gesetzlich geordneten Verfahrens. Dieser Fall liegt hier vor. Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren hat stattgefunden. Der Vorwurf in der Nachtragsdisziplinarklage bezieht sich auf die Veröffentlichung der Sätze „Dies war nicht zuletzt auf die kluge Politik des Reichsprotektors Reinhardt Heydrich zurückzuführen. Dieser stellte schon vom ersten Moment an die Weichen richtig“ am 26. Januar 2016 im sozialen Netzwerk Facebook. Die Veröffentlichung ist unstreitig; insoweit ist der Sachverhalt aufgeklärt. Soweit der Beklagte beanstandet, in der Nachtragsdisziplinarklage werde auf Tatsachenbehauptungen in einem Artikel im Bezug genommen, sind diese nicht Gegenstand des disziplinaren Vorwurfs.
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4. Dass der in der Nachtragsdisziplinarklage vorgetragene Lebenssachverhalt umfangreichere und weitere Vorwürfe umfasse, welche in dem Anhörungsschreiben vom 30. Mai 2017 nicht genannt worden seien, ist nicht nachvollziehbar. Als disziplinarwürdig vorgeworfen wird dem Beklagten nur die oben genannte Textpassage. Soweit der Beklagte beanstandet, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil ihm in der Nachtragsdisziplinarklage ein Dienstvergehen gem. § 60 Abs. 1 Sätze 1-3 und Abs. 2 BGB vorgeworfen werde, was nicht Gegenstand der abschließenden Anhörung gewesen sei, hat die Klägerin im Anhörungsschreiben vom 30. Mai 2017 durch Verweis auf die bereits erhobene Disziplinarklage hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie auch in der Nachtragsdisziplinarklage von Verstößen gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur politischen Treue und politischen Mäßigung ausgeht. Im Übrigen wäre ein möglicher Gehörsverstoß im gerichtlichen Verfahren geheilt worden. Denn spätestens hier konnte der Beklagte alles aus seiner Sicht für die Verteidigung Erhebliche vorbringen.
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5. Den gerügten Mangel der fehlenden Unterzeichnung der Nachtragsdisziplinarklage durch den Disziplinarvorgesetzten hat der Beklagte nach Heilung dieses Mangels durch Nachreichung einer von dem Präsidenten der Bundespolizeidirektion Berlin als Disziplinarvorgesetztem unterzeichneten Klageschrift nicht mehr aufrechterhalten.
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6. Dass zur Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich der Maßnahmebemessung die Einholung einer aktuellen dienstlichen Beurteilung erforderlich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen besteht während eines laufenden Disziplinarverfahrens auch keine Veranlassung, eine dienstliche Beurteilung zu erstellen, weil eine Beförderung in dieser Zeit nicht in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 – 6 C 32/85 – juris, Rn. 12).
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7. Soweit der Beklagte beanstandet, der Kontext der vorgeworfenen Äußerung sei nicht aufgeklärt worden, ist dieser Mangel nach Auffassung der Disziplinarkammer durch die Stellungnahme der Klägerin im Schriftsatz vom 19. Dezember 2017 geheilt, in der diese den Zusammenhang zwischen der Äußerung des Beklagten und den Geschehnissen im Herbst 1941 in Prag bzw. der Rolle des stellvertretenden Reichsprotektors herstellt.
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8. Schließlich lässt sich der gerügte Zusammenhang der vorgeworfenen Äußerung mit dem politischen Mandat des Beklagten der Nachtragsdisziplinarklage schon nicht entnehmen. Die Erwähnung des Mandats des Beklagten erfolgte lediglich im Rahmen der Darstellung des Ablaufs der Ereignisse, die zur Strafanzeige und Einleitung des Disziplinarverfahrens geführt haben. Soweit der Beklagte meint, es habe sich lediglich um eine private Meinungsäußerung und nicht um eine politische Betätigung gehandelt, führt eine gegebenenfalls fehlerhafte rechtliche Wertung der Klägerin jedenfalls nicht zu einem Verfahrensfehler.
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II. Gemäß § 77 Abs. 1 BBG begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Der Beklagte hat vorliegend ein aus mehreren schuldhaften innerdienstlichen Pflichtverletzungen bestehendes einheitliches Dienstvergehen begangen.
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1. Hinsichtlich der einzelnen Vorwürfe ist Folgendes festzustellen:
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Vorwurf zu 1: Der Beklagte hat eingeräumt, den in dem Blog „ veröffentlichten Text verfasst und der Veröffentlichung zugestimmt zu haben.
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Vorwurf zu 2: Die Unterzeichnung des konkret vorgeworfenen Textes („Die erste Petition für die Freiheit von Dr. Horst Mahler und alle Unterschriften für seine sofortige Freilassung aus den menschenverachtenden Nazi- und Stasi-Knästen der abzuschaffenden BRD“) kann dem Beklagten nicht nachgewiesen werden, so dass er von dem Vorwurf zu 2 freizustellen ist. Der Beklagte hat zwar nicht bestritten, eine Online-Petition für die Freilassung von Horst Mahler unterzeichnet zu haben. Nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2018 hatte er damals Berichte über einen Komaschläger gelesen und sei dann auf die Petition gestoßen. Ob das über eine E-Mail oder einen Link geschehen sei, wisse er nicht mehr. Da sei eine Maske gewesen, die er unterschrieben habe. Den vorgeworfenen Text habe er nicht wahrgenommen. Danach habe er eine E-Mail bekommen, die er bestätigt habe. Die Webseite habe nicht so ausgesehen wie der Screenshot, der sich in der Akte befinde.
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Nach Auffassung der Kammer ist nicht nachgewiesen, dass der in der Disziplinarakte befindliche Screenshot den Originaltext der Petition darstellt, die der Kläger unstreitig unterzeichnet hat. Bei der in dem Screenshot wiedergegebenen Webseite handelt es sich um die Seite eines Blogs namens „P. I. G. - Camp Desinformation-Camp“. Unter dem Datum Mittwoch, 5. Januar 2011 und der Überschrift „The freedom fighter for Mr. Dr. Horst Mahler“ befindet sich ein Foto von Horst Mahler unter dem es heißt „Please pray and fight for the freedom of Mr. Dr. Horst Mahler.“ Anschließend folgt die vorgeworfene Textpassage, eine E-Mail-Adresse (offenbar des Blogbetreibers) und ein Link (http://www.petitionmahler.txt) und nach weiterem Text („Danke für eure Unterstützung … „) eine Unterschriftenliste mit knapp 2000 Namen, die jeweils Datum, Nummer, ggf. den Zusatz „nicht überprüft“ und die Erklärung „Ich unterschreibe diese Petition“, in einigen Fällen auch eine eigene Erklärung des Unterzeichners enthalten. Nach dem gesamten äußeren Erscheinungsbild der Seite bestehen nach Auffassung der Kammer Zweifel daran, dass der Kläger die Petition auf dieser Webseite unterschrieben hat. Es fehlt schon eine entsprechende Maske bzw. ein Feld, auf dem man die Erklärung „Ich unterschreibe diese Petition“ anklicken könnte, wie dies bei Internetpetitionen üblich ist. Im Übrigen soll der Blogeintrag ausweislich des Datums am 5. Januar 2011 erfolgt sein, während der Beklagte die Petition bereits am 22. Dezember 2010 online unterschrieben hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es der Kammer nicht ausgeschlossen, dass der Blogbetreiber die Liste der Unterzeichner aus anderen Quellen im Internet in seinen Blog hineinkopiert hat. Dass es sich bei der vorgeworfenen Textpassage um den Text der Originalpetition handelt, steht danach nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest. Es erscheint genauso gut möglich, dass der dem Beklagten vorgeworfene Text im Nachhinein von dem Blogger formuliert worden ist.
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Im Übrigen ist ein Dienstvergehen nicht festzustellen. Zwar liegt es nahe, dass ein Beamter bereits mit der Unterzeichnung einer Petition für die Freilassung des bekannten Rechtsextremisten und verurteilten Holocaustleugners Horst Mahler zumindest den Anschein erweckt, sich mit rechtsextremen Strömungen zu identifizieren. Kann der konkrete Inhalt der Petition jedoch – wie hier – nicht festgestellt werden, ist der Vorwurf zu unsubstantiiert, zumal sich der Beklagte vorliegend darauf berufen hat, ihm sei es um Fragen der Strafzumessung bei Äußerungsdelikten im Vergleich zu Delikten gegen Leib und Leben gegangen.
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Vorwurf zu 3.1: Die Disziplinarkammer ist davon überzeugt, dass der Beklagte bei dem Grillabend auf dem Gelände der deutschen Botschaft in K...am 12. Juli 2012 gegenüber dem Zeugen W... äußerte „Es gibt nur zwei deutsche Großstädte, Berlin und Wien“.
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Der Beklagte hat eingeräumt, diesen Satz gesagt zu haben, sich aber dahingehend eingelassen, er habe eine Anekdote aus seiner Tätigkeit beim F... erzählt und bei dem Satz habe sich um das Zitat eines Reisenden gehandelt. Diese Einlassung ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.
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Die Überzeugung der Disziplinarkammer stützt sich maßgeblich auf die Aussage des Zeugen W.... Der Zeuge P...hatte keine konkrete Erinnerung an das Gespräch, was angesichts des Zeitablaufs von mehr als sechs Jahren nachvollziehbar ist. Der Zeuge W... hat bei seiner Vernehmung am 23. Mai 2018 angegeben, in dem Gespräch sei es darum gegangen, welche deutschen Großstädte schön seien. Er habe geäußert, dass er Hamburg und München schön finde, Berlin nicht so, das sei ihm zu laut; daraufhin habe der Beklagte gesagt, es gebe nur zwei deutsche Großstädte, dass seien Berlin und Wien. Die Einlassung des Beklagten, es habe sich um eine Anekdote gehandelt, bestätigte der Zeuge dagegen nicht. Vielmehr erklärte er, dass er das nicht so verstanden habe. Wenn er das als eine Anekdote verstanden hätte, hätte er es nicht so aufgeschrieben. In der mündlichen Verhandlung am 21. November 2018 hat der Zeuge den in seiner Vernehmung am 23. Mai 2018 geschilderten Gesprächsverlauf im Wesentlichen bestätigt und angegeben, an weitere Äußerungen in diesem Zusammenhang könne er sich nicht erinnern.
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Die Angaben des Zeugen sind glaubhaft. Der Zeuge hat den Gesprächsverlauf kurz, aber in sich stimmig geschildert. Seine Aussagen vor Gericht entsprechen seiner schriftlichen Stellungnahme im Disziplinarverfahren, in der er auf sein Gedächtnisprotokoll Bezug genommen hat. Auf Nachfrage, ob seine Aussage aus seiner Erinnerung erfolgt sei oder auf der Grundlage dieses Protokolls, hat er nachvollziehbar erklärt, die Hauptpunkte seien aus seiner Erinnerung. Dies beruhe darauf, dass es sich bei den Äußerungen des Beklagten nicht um ein alltägliches Ereignis gehandelt habe. Für ihn und seine Kollegen sei das damals eine schwierige Situation gewesen. Der Zeuge hat auch keinen Belastungseifer gegenüber dem Beklagten gezeigt, sondern durchaus Erinnerungslücken offengelegt. So hat er in seiner Vernehmung am 23. Mai 2018 erklärt, er könne sich an eine Aussage des Beklagten bezüglich der Fremdbestimmung Deutschlands heute nicht mehr erinnern. Die Einlassung des Beklagten, das Verhältnis zwischen dem Zeugen und ihm sei angespannt gewesen, haben weder der Zeuge W... noch die Zeugen H... und W... bestätigt. Auch vor dem Hintergrund der Aussage des damaligen Botschafters, des Zeugen B..., dass ihm einige Tage vor dem Vorfall im Gespräch zugetragen worden sei, dass der Beklagte rechtsradikale Sprüche gerissen habe und er darauf bemerkt habe, dass man sich an ihn wenden solle, wenn etwas Konkreteres vorfalle, bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte von dem Zeugen gleichsam „in die Falle gelockt“ werden sollte. Der Zeuge W... hat erklärt, er habe sich vor dem Grillabend weder an den Botschafter noch an den Kanzler noch an sonstige Personen gewandt. Nach Angaben des Zeugen B... waren über 200 Beschäftigte an der Botschaft tätig, so dass die Information im Vorfeld nicht notwendigerweise von dem Zeugen W... stammen musste. Dass dieser damit nichts zu tun hatte, ist auch glaubhaft, weil er die Vorfälle nach dem Grillabend nicht unmittelbar an seine Vorgesetzten meldete – was naheliegend gewesen wäre, wenn er diesen „etwas Konkretes“ hätte „liefern“ wollen –, sondern zunächst das Gespräch mit dem Beklagten suchte und dann mit dem ranghöchsten Bundespolizisten vor Ort das weitere Vorgehen besprach. Beides spricht dagegen, dass der Zeuge W... dem Beklagten „etwas anhängen wollte“. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge den Beklagten – wie dieser zuletzt geltend machte – betrunken machen wollte, um ihn zu entsprechenden Äußerungen zu verleiten.
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Soweit der Beklagte sich dahingehend eingelassen hat, er habe lediglich eine Anekdote erzählt, ist der konkrete Inhalt dieser Anekdote unklar geblieben und insbesondere ein Zusammenhang zu dem von dem Zeugen angegebenen Gesprächsinhalt nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer die Einlassung als Schutzbehauptung an.
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Vorwurf zu 3.2: Zur Überzeugung der Disziplinarkammer steht weiter fest, dass der Beklagte bei dem Grillabend auf dem Gelände der deutschen Botschaft in K... am 12. Juli 2012 zweimal auf Nachfrage sinngemäß erklärte, dass er den Holocaust leugne.
67
Der Beklagte hat diesen Vorwurf bestritten. Er habe auf die Äußerung des Zeugen W..., Hitler habe auch nicht vorher erzählt, dass er Juden vergasen werde, nicht sinngemäß geantwortet „hat er ja auch nicht gemacht“ bzw. „wenn das denn so stattgefunden hat“. Ihm seien von dem Zeugen W... kurze und knackige Suggestivfragen gestellt worden. Auf die Frage „Holocaustlüge?“ habe er „ja, und?“ gesagt. Dies habe er im Sinne einer „Empfangsbestätigung“ und „Gibt es noch weitere Fragen?“ gemeint. Er sei von Herrn W... provoziert worden und habe dessen Suggestivfragen nicht konsequent genug abgelehnt. Herr P... habe ihn danach sinngemäß gefragt „Zum Holocaust, weißt du da mehr?“. Er habe ihm dann versprochen, ihn in seinem Büro aufzusuchen. Als Herr P... ihm die Frage gestellt habe, sei ihm bewusst geworden, wie betrunken er gewesen sei, und dass er etwas getan habe, von dem er sich distanzieren müsse. Im Übrigen seien alle Beteiligten erheblich alkoholisiert gewesen.
68
Diese Einlassung wird durch die Angaben der Zeugen W..., P..., H... und W... widerlegt.
69
Nach Aussage des Zeugen W... war Thema des Gesprächs mit dem Beklagten die politische Situation in Ägypten und Libyen. Damals sei der arabische Frühling gewesen. Sie hätten auch über Gaddafi geredet und darüber, ob er als Diktator nicht auch etwas geleistet habe. Thema sei insbesondere ein Wasserprojekt gewesen. Er – der Zeuge – habe dann flapsig gesagt, Hitler habe ja auch die Autobahn gebaut. Darauf habe der Beklagte bemerkt, dass Hitler demokratisch gewählt worden sei. Er habe darauf erwidert, dass er im Wahlprogramm ja auch nicht angesprochen habe, dass er sechs Millionen Juden vergasen wolle. Darauf habe der Beklagte geantwortet: „Wenn das so passiert ist“. Auf seine Frage „Also Holocaustlüge?“ habe der Beklagte „ja“ geantwortet. Er sei schockiert gewesen. Er habe so etwas noch nie erlebt. Er sei aufgestanden und habe sich an den Tisch von Herrn W... gesetzt und diesem gesagt, dass sie noch einmal reden müssten. Er habe nach dem Grillabend mit dem Zeugen W... darüber gesprochen und am folgenden Abend habe es ein Gespräch mit dem Beklagten gegeben. Dessen Äußerungen hätten sie nicht weitergeführt. Der Beklagte habe in dem Gespräch keine Einsicht gezeigt und alleine erklärt, dass er versuche, sich öffentlich nicht mehr so zu äußern. Anschließend hätten sie Herrn F... hinzugezogen und den Vorfall am Sonntag, dem ersten Diensttag, gemeldet. In der vorangegangenen mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2018 hat der Zeuge auf die Frage, ob es sein könne, dass der Beklagte geäußert habe „ja, und?“ erklärt, dieser habe „ja“ gesagt. Er habe es nicht abgeschwächt oder ihm den Eindruck vermittelt, dass das Gespräch weitergehen solle, sonst hätte er sich darauf eingelassen. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2018, ob der Beklagte Bier getrunken habe, erklärte der Zeuge, das werde er getan haben. Die genaue Menge könne er nicht wissen. Ausfallerscheinungen habe er nicht beobachtet.
70
Der Zeuge P... konnte sich zwar an den konkreten Verlauf des Gesprächs zwischen dem Zeugen W... und dem Beklagten nicht mehr erinnern, hat die Aussage des Zeugen W... aber insoweit bestätigt, als es an dem fraglichen Abend Gespräche über Politik gegeben habe und das in Richtung Verschwörungstheorien gegangen sei. Er erinnerte sich daran, den Beklagten dann gefragt zu haben „Glaubst du wirklich, dass der Holocaust nicht stattgefunden hat?“. Das habe dieser bestätigt. An den Inhalt der Bestätigung durch den Beklagten könne er sich nicht mehr genau erinnern, dass sei abhängig von der genauen Fragestellung. Die Antwort sei entweder ja oder nein gewesen. Sie sei immer so zu verstehen gewesen, dass bestätigt worden sei, dass der Beklagte nicht daran glaube, dass der Holocaust stattgefunden habe. An dem Abend sei Bier getrunken worden, nach seiner Erinnerung keine harten Sachen. Es sei ihm nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Das Verhalten des Beklagten habe keine Auffälligkeiten gezeigt.
71
Die Aussage des Zeugen H... stützt die Angaben der Zeugen W... und P.... Er sei damals zwischen zwei Tischen unterwegs gewesen und habe mitbekommen, dass Herr W... empört aufgestanden sei. Er habe rübergeschaut und mitgekriegt, dass Herr P... gefragt habe, ob der Beklagte den Holocaust leugne. Der Beklagte habe dies bejaht. Auf Nachfrage, wie der Beklagte geantwortet habe, hat der Zeuge erklärt, er wisse es nicht mehr genau, aber er meine, er habe mit „ja“ geantwortet. Auf Vorhalt seines Gedächtnisprotokolls vom 7. August 2012 hat er angegeben, in seiner Erinnerung sei der Kernsatz festgehalten, dass der Beklagte gesagt habe, dass es den Holocaust nicht gegeben habe. Ob die Frage so formuliert gewesen sei, dass er mit „ja“ oder mit „nein“ geantwortet habe, könne er heute nicht mehr sagen. Vor dieser Äußerung habe er mitgekriegt, dass es ein Gespräch gab, das sich um Mursi drehte und um Parallelen zur Hitler. An dem Abend sei Bier, Cola und Wasser getrunken worden.
72
Der Zeuge W... hat nach seinen Angaben die Äußerungen des Beklagten nicht selbst gehört. Er sei aber bei dem Gespräch mit dem Beklagten am Folgetag anwesend gewesen. Dabei habe der Beklagte erklärt, er sage nichts und er wolle sich in Zukunft mit politischen Äußerungen zurückhalten. Der Konsum von Alkohol an dem Grillabend sei normal gewesen, d. h. es seien nicht mehr als zwei bis drei Bier gewesen.
73
Die Aussage des Zeugen B... zu dessen Gespräch mit dem Beklagten am ersten Arbeitstag nach dem Vorfall unterliegt hingegen einem Beweisverwertungsverbot. Denn der Zeuge hat eingeräumt, den Beklagten nicht über seine Rechte im Disziplinarverfahren belehrt zu haben. Dies hat der Beklagte in der vorangegangenen mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2018 auch der Sache nach gerügt.
74
Nach § 20 Abs. 1 BDG ist der Beamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder eines Beistandes zu bedienen. Nach § 20 Abs. 3 BDG darf die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erfolgt ist. Diese Vorschrift ist hier für das Gespräch des Botschafters mit dem Beklagten am 15. Juli 2012 maßgeblich, obwohl die Norm die vorherige Einleitung des Disziplinarverfahrens voraussetzt und das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten erst mit Verfügung vom 17. Juli 2012 eingeleitet wurde. Denn diese Einleitung war nach Maßgabe des § 17 BDG verspätet, weil schon aufgrund der Meldung der anderen HOD-Beamten hinreichende Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen des Beklagten vorlagen. Der Verstoß gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des Disziplinarverfahrens führt aber nicht dazu, dass die dem Schutz des betroffenen Beamten dienende Belehrungspflicht aus § 20 BDG nicht zu beachten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 2 C 12/17 –, Rn. 13, juris; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand 1. Juli 2017, § 20 Rn. 37). Bei dem damaligen Botschafter B... handelte es sich auch um den für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zuständigen Dienstvorgesetzen des Beklagten. Denn unmittelbarer Dienstvorgesetzter eines abgeordneten Beamten ist der Leiter der Behörde, zu der der Beamte abgeordnet ist (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Kommentar, BBG 2009, § 3 Rn. 25), Die Äußerungen des Beamten gegenüber dem Botschafter sind daher nicht verwertbar.
75
Das Gericht hat keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben und der Glaubwürdigkeit der Zeugen W...P..., H... und W.... Die Aussagen sind in sich stimmig und weisen keine Widersprüche auf. Im Kern haben die Zeugen bestätigt, dass der Beklagte bei dem Grillabend zweimal auf Nachfrage den Holocaust geleugnet hat. Hinsichtlich der Nachfrage des Zeugen P... konnte zwar weder die genaue Formulierung der Frage noch die genaue Formulierung der Antwort geklärt werden. Darauf kommt es nach Auffassung der Disziplinarkammer jedoch nicht an. Die Zeugen P... und H... haben insoweit übereinstimmend angegeben, Kerngehalt der Antwort des Beklagten sei gewesen, dass es nach seiner Auffassung den Holocaust nicht gegeben habe. Soweit der Zeuge P... in seinem Gedächtnisprotokoll vom 26. Juli 2012 angegeben hatte, der Beklagte habe die Frage mit „nö“ beantwortet, folgt daraus nichts anderes. Denn es hängt maßgeblich von der Betonung des Wortes ab, ob ein „nö“ im Sinne einer doppelten Verneinung oder im Sinne einer Bestätigung der Aussage zu verstehen ist. Da beide Zeugen die Aussage des Beklagten unabhängig voneinander als Bestätigung wahrgenommen haben, hält es die Disziplinarkammer für ausgeschlossen, dass der Beklagte tatsächlich sinngemäß geäußert hat, er leugne den Holocaust keineswegs. Im Übrigen hat sich der Beklagte in seiner Einlassung auch nicht darauf berufen, die Frage des Zeugen P... im Sinne einer doppelten Verneinung beantwortet zu haben, sondern vielmehr geltend gemacht, die Frage sei ihm gar nicht gestellt worden.
76
Die Zeugen haben auch keinen Belastungseifer gezeigt und deutlich gemacht, wo ihre Erinnerung aufgrund des Zeitablaufs lückenhaft war. Soweit die Zeugen W..., H... und W...erklärt haben, zur Vorbereitung auf den Termin ihre Gedächtnisprotokolle angesehen zu haben, ist dies nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in Frage zu stellen. Die Gedächtnisprotokolle haben gerade die Funktion einer Gedächtnisstütze. Es sprechen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erinnerung der Zeugen durch die Gedächtnisprotokolle verfälscht worden sei.
77
Die Einlassung des Beklagten wertet die Kammer dagegen als Schutzbehauptung. Sie ist in sich unstimmig und zum Teil nicht nachvollziehbar. Zunächst ergibt sich aus der Einlassung des Beklagten bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Thema Holocaust angesprochen wurde, kein wesentlich anderer Verlauf des Gesprächs mit dem Zeugen W... als von diesem bekundet. Soweit der Beklagte bestreitet, „wenn das denn so stattgefunden hat“ gesagt zu haben, geht aus seiner Einlassung nicht nachvollziehbar hervor, was den Zeugen W...dann zu der unstreitig gestellten Frage „Also Holocaustlüge?“ veranlasst haben soll. Auf Nachfrage konnte sich der Beklagte nicht an weitere Fragen erinnern, obwohl er angibt, der Zeuge habe ihm mehrere kurze und knackige Suggestivfragen gestellt. Soweit er diese Fragen mit „ja, und?“ beantwortet haben will, erscheint bereits die Interpretation des Beklagten, es habe sich um eine Art „Empfangsbestätigung“ und Erkundigung nach weiteren Fragen gehandelt, lebensfremd und konstruiert. Schließlich ist die Einlassung des Beklagten auch in sich widersprüchlich, wenn er einerseits angibt, in dem von ihm verstandenen Sinne „ja, und?“ gesagt zu haben und andererseits gemerkt haben will, dass er etwas gesagt habe, von dem er sich distanzieren müsse. Dass ihm das Bedürfnis nach Distanzierung bei der Nachfrage des Zeugen P... bewusst geworden sein soll, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, weil dieser nach den Angaben des Beklagten gerade nicht sinngemäß gefragt hat, ob er glaube, dass der Holocaust nicht stattgefunden habe, sondern lediglich sinngemäß “Zum Holocaust, weißt du da mehr?“ gefragt haben soll. Schließlich ist auch in keiner Weise nachvollziehbar, warum der Beklagte nicht das Gespräch am nächsten Abend genutzt hat, das behauptete Missverständnis aufzuklären. Nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen W... und W... und auch des Beklagten selbst ist dies aber nicht geschehen. Der Beklagte hat insoweit lediglich angegeben, Herr W... habe „Gericht über ihn gehalten“ und sei mit seinen Antworten nicht zufrieden gewesen.
78
Nach den Angaben der Zeugen bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte erheblich alkoholisiert war. Die Zeugen haben übereinstimmend angegeben, es sei an Alkohol lediglich Bier getrunken worden. Ausfallerscheinungen hat keiner der Zeugen bemerkt.
79
Vorwurf zu 4.1: Die Kammer sieht es weiter als erwiesen an, dass der Beklagte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 1. und 4. Juli 2012 in der HOD-Wohnung in K... im Gespräch mit dem Zeugen W... sinngemäß sagte, heute gebe es keine starken Politiker mehr, Himmler und Goebbels seien noch starke Männer gewesen.
80
Der Beklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe bei dem besagten Gespräch auf die Konvention von Tauroggen verwiesen sowie als Beispiel für starke Männer die Wehrmachtoffiziere Kluge und Guderian angeführt.
81
Die Überzeugung der Kammer beruht auf den glaubhaften Angaben des Zeugen W.... Dieser hat in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2018 angegeben, er könne sich erinnern, dass sie zusammen Fernsehen geschaut hätten. Es habe Nachrichten über Politik, unter anderem über Frau Merkel gegeben. Der Beklagte habe dazu bemerkt, dass es heute keine starken Männer mehr gebe. Himmler und Goebbels seien starke Politiker gewesen. Dies deckt sich hinsichtlich des wesentlichen Gehalts der Aussage mit den Angaben des Zeugen in der vorangegangenen mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2018. Soweit im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2018 nicht „Himmler“, sondern „Hitler“ steht, geht die Disziplinarkammer von einem Übertragungsfehler aus. Im Übrigen hat der Zeuge zum genaueren Inhalt des Gesprächs bekundet, er habe gesagt, dass Frau Merkel viele ihrer Konkurrenten abgesägt habe. Auf Nachfrage hat er den Namen Merz genannt. Er erinnere sich nicht daran, dass der Beklagte die Namen Kluge und Guderian genannt habe. Ob der Beklagte diese Namen auch genannt hat, kann aus Sicht der Disziplinarkammer offenbleiben. Jedenfalls ergibt sich aus der Aussage des Zeugen, dass der Beklagte Himmler und Goebbels als „starke Männer“ bzw. als „starke Politiker“ bezeichnet hat.
82
Vorwurf zu 4.3: Zur Überzeugung der Kammer steht weiter fest, dass der Beklagte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in der HOD-Wohnung zwischen dem 8. und dem 12. Juli 2012 in einem Gespräch über den Renovierungsbedarf der deutschen Botschaft in Washington sagte, „kann ja auch nichts werden, hat ja auch ein Jude gebaut“ bzw. „das hat ja auch ein Jude gebaut“.
83
Soweit der Beklagte bestreitet, diese Äußerung getätigt zu haben, wird dies durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen W... und W... widerlegt. Der Zeuge W...hat in seiner Vernehmung am 23. Mai 2018 ausgesagt, es sei um Baumängel und Sanierungsbedarf an der Botschaft in Washington gegangen, an der Herr W...einmal gewesen sei. In dem Zusammenhang habe der Beklagte geäußert, das könne ja nichts werden, das habe ja auch ein Jude gebaut. Dies hat der Zeuge in seiner Vernehmung am 21. November 2018 im Wesentlichen bestätigt. Der Zeuge W... bekundete, er könne sich daran noch erinnern. Das liege daran, dass seine Schwiegermutter Architektin sei und er sich deshalb mit diesem interessanten Gebäude befasst habe. Es handele sich um ein Gebäude aus den 50er, 60er Jahren, das durch den Architekten Eiermann errichtet worden sei. In dem Gespräch habe der Beklagte geäußert, dass es sich um einen Architekten mit jüdischen Hintergrund handele und dass es deshalb nicht funktionieren würde. Er habe das damals als absolut unangemessen empfunden.
84
Vorwurf zu 5: Die Disziplinarkammer geht davon aus, dass der Beklagte die Politik des stellvertretenden Reichsprotektors Reinhard Heydrich in Tschechien als „klug“ und „richtig“ gelobt und damit einen führenden Protagonisten der nationalsozialistischen Diktatur verherrlicht sowie dessen Verbrechen in Tschechien verharmlost hat.
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http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/a5i/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=31&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE190001367&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1&doc.norm=all#focuspoint
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Und hier der Rest:



Spoiler

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Der Beklagte hat eingeräumt, den Facebook-Beitrag verfasst und veröffentlicht zu haben. Inhaltlich stellt sich die vorgeworfene Äußerung eindeutig als Lob der Politik des stellvertretenden Reichsprotektors Reinhard Heydrichs in Tschechien dar, die als „klug“ bezeichnet wird, diesem sei etwas „zu verdanken“ und er habe „von Anfang an die Weichen richtig gestellt“. Soweit der Beklagte sich dahingehend eingelassen hat, er habe der „geschichtlich betrachtet unklugen“ Politik des vorherigen „Reichsprotektors“ die „geschichtlich betrachtet kluge“ Politik Heydrichs gegenüberstellen wollen, dies „im Sinne des damaligen Regimes“, ergibt sich dies nicht aus der vorgeworfenen Textpassage. Der Kommentar ist aus der Sicht eines objektiven Empfängers vielmehr nur so zu verstehen, dass Heydrichs Tschechien-Politik nicht nur aus Sicht der Nationalsozialisten klug und richtig war, sondern auch aus Sicht des Beitragsverfassers. Der Beitrag lässt jegliche Distanzierung von der Politik Heydrichs in Prag vermissen und identifiziert sich mit ihr. Nach seiner Ernennung zum „stellvertretenden Reichsprotektor“ im September 1941 versuchte Heydrich mit einer Mischung aus harter Unterdrückung, auch mit Massenhinrichtungen, und einer Befriedungspolitik durch Verbesserung der Lebensumstände, den Widerstand der tschechischen Oppositionsbewegung zu brechen (vgl. https://www.dhm.de/lemo/biografie/ reinhard-heydrich). In der vorangegangenen mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2018 hat der Beklagte insoweit eingeräumt, dass er im Zusammenhang mit der „Zuckerbrot-und-Peitschen-Politik“ des Heydrich die „Peitsche“ weggelassen und nur von „Zuckerbrot“ geschrieben habe. Vorher habe es eine Schwarzweißmalerei zu dem Thema gegeben und er habe das nicht so stehen lassen wollen. Selbst wenn man dies als wahr unterstellt, führt dies nicht zu einer Entlastung des Beklagten. Vorherige kritische Kommentare zur Politik Heydrichs rechtfertigen ein undifferenziertes Lob seiner Politik nicht. Entsprechendes gilt, soweit der Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2018 behauptet hat, der Facebook-Eintrag enthalte einen Hinweis darauf, dass er sich vom Nationalsozialismus distanziere, der sich nicht auf der in der Akte vorhandenen Kopie befinde. Abgesehen davon, dass die Disziplinarkammer insoweit von einer Schutzbehauptung ausgeht, kann ein entsprechender „Disclaimer“ eine Verharmlosung und Verherrlichung der Politik des Heydrich in Tschechien nicht rechtfertigen. Soweit der Beklagte geltend macht, es habe sich um eine geschlossene Facebook-Gruppe gehandelt, hat er in der vorangegangenen Verhandlung am 23. Mai 2018 angegeben, dass diese aus etwa 50 Personen bestand und es bei der Aufnahme in die Gruppe keine Einschränkungen gegeben habe. Schließlich kommt es auch nicht darauf an, dass der Facebook-Beitrag erstmals im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des Beklagten in der M... bekannt geworden ist. Der Beklagte beruft sich insoweit darauf, die ein Angriffsziel gewesen und vom politischen Gegner bekämpft worden. Denn auf die Frage, wie der Vorwurf an die Öffentlichkeit gelangt ist, kommt es nicht an. Der Beklagte hat eingeräumt, den fraglichen Text verfasst zu haben. Auch ob Fraktionskollegen des Beklagten der Erklärungen zu seinen Gunsten abgegeben haben, ist für die Bewertung der Disziplinarkammer irrelevant.

86
2. Der Beklagte hat durch sein Verhalten bezüglich der Vorwürfe 3.1, 3.2, 4.1, 4.3 und 5 ein Dienstvergehen begangen, indem er gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen hat. Hierbei handelt es sich um eine innerdienstliche Kernpflichtverletzung, denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. März 1986 – 1 D 103/84 – BVerwGE 83, 158 [161]).

87
a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG müssen sich Beamtinnen und Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Es gehört auch zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 – BVerwGE 160, 370-396, Rn. 15, zitiert nach juris; BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <286> sowie Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346>). Der Beamte muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <347 f.>; BVerwG, a.a.O., Rn. 16). Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (BVerwG, a.a.O. Rn. 18). Sind solche Personen bereits zu Beamten ernannt, können sie im Wege des Disziplinarverfahrens aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden (BVerwG, a.a.O., Rn. 19).

88
Disziplinarmaßnahmen setzen allerdings ein konkretes Dienstvergehen voraus. Dieses besteht nicht bereits in der "mangelnden Gewähr" dafür, dass der Beamte jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern erst in der nachgewiesenen Verletzung jener Amtspflicht (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <350 f.> und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568 Rn. 31; BVerwG, a.a.O., Rn. 20). Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, reichen für die Annahme einer Verletzung der dem Beamten auferlegten Treuepflicht grundsätzlich nicht aus. Ein Dienstvergehen besteht erst, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <350 f.> und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - BVerfGK 13, 531 <540>; BVerwG, a.a.O., Rn. 21). Eine derartige Verletzung der Verfassungstreuepflicht liegt aber nicht erst dann vor, wenn der Beamte ein Verhalten zeigt, das auf die wirksame Verbreitung eines verfassungsfeindlichen Standpunktes oder auf die Teilnahme am politischen Meinungskampf gerichtet ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 22). Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte "Mehr" als das bloße Haben und Mitteilen ist nicht erst bei einem offensiven Werben erreicht. Zwischen dem "bloßen" Haben und Mitteilen einer Überzeugung und dem planmäßigen werbenden Agieren oder gar Agitieren liegen differenzierungsfähige und erhebliche Abstufungen (BVerwG, a.a.O., Rn. 23). Die Öffentlichkeit einer verfassungsfeindlichen Betätigung ist dabei nicht Voraussetzung für einen Verstoß gegen die Treuepflicht des Beamten. Auch wenn sich ein Anhänger verfassungsfeindlicher Ziele nur im Kreis Gleichgesinnter offenbart und betätigt, zieht er Folgerungen aus seiner Überzeugung für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, a.a.O., Rn. 29). Bei der Frage, ob ein Verhalten eines Beamten mit seiner Pflicht zur Verfassungstreue unvereinbar ist, ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen (BVerwG, a.a.O., Rn. 65).

89
b) Ausgehend davon hat der Beklagte bei einer Gesamtwürdigung gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. Der Beklagte hat sich nach den obigen Feststellungen binnen eines Zeitraums von knapp zwei Wochen mehrfach gegenüber seinen Kollegen in einer Weise geäußert, die erkennen lässt, dass er mit dem Nationalsozialismus sympathisiert. Er hat demonstrativ den Holocaust geleugnet, indem er ihn sogar auf zweimalige Nachfrage abstritt. Mehrere Jahre nach den Vorfällen in K... äußerte er sich schließlich erneut positiv über die Politik eines führenden Vertreters des Nationalsozialismus.

90
Die Leugnung des Holocaust stellt eine Verharmlosung der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft dar. Durch das Leugnen der Massentötungen von Juden durch die Nationalsozialisten in den Gaskammern der Konzentrationslager wird nicht nur versucht, das Ausmaß der Judenvernichtung herunterzuspielen, sondern durch die Darstellung der systematischen Morde an Juden als Lügengeschichte die über den Tod fortbestehende und schutzwürdige Würde der Opfer auf das Schwerste verunglimpft (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2007 – 16a D 06.2094 –, Rn. 22, juris).

91
Mit der Bezeichnung von Himmler und Goebbels als „starke Männer“ und der Bewertung der Politik Heydrichs in Tschechien als „klug“ und „von Anfang an richtig“ hat der Beklagte den Nationalsozialismus bzw. dessen führende Vertreter verherrlicht. Die Bezeichnung von Wien als „deutscher Großstadt“ zeigt, dass in der Vorstellung des Beklagten Deutschland in den Grenzen von 1938 – nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs – noch existiert. Zu den Sympathiebekundungen für den Nationalsozialismus passt die antisemitische Äußerung über den (angeblich) jüdischen Architekten der deutschen Botschaft in Washington.

92
Nach der Überzeugung der Disziplinarkammer spiegeln die genannten Äußerungen eine entsprechende innere Einstellung des Beklagten wider und stellen sich nicht lediglich als „schlechte Witze“ oder „dumme Sprüche“ dar. Diesen Schluss zieht die Disziplinarkammer insbesondere aus der Tatsache, dass der Beklagte im Fall der Holocaustleugnung die Gelegenheit am Folgetag, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren, nicht genutzt hat, sondern lediglich erklärt hat, er werde sich in Zukunft nicht mehr öffentlich so äußern. Nach Auffassung der Disziplinarkammer hat der Beklagte aus seiner Verharmlosung und Verherrlichung des Nationalsozialismus auch Folgerungen für seine Einstellung zur verfassungsmäßigen Ordnung gezogen. Denn der Beamte darf sein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht durch andere mit diesem Bekenntnis nicht vereinbare Handlungen unglaubwürdig machen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 28. November 2001 – 16 D 00.2077 –, Rn. 152, juris). Wer sich durch die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder durch Zurschaustellen seiner Symbole zum nationalsozialistischen Staat bekennt, bringt eine innere Abkehr von den Grundprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zum Ausdruck (BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 – 1 DB 15/01 –, Rn. 18, juris m.w.N.). Die nationalsozialistischen Staatsvorstellungen standen und stehen "in schärfstem Widerspruch zum Begriff eines Berufsbeamtentums, das dem Staat und Volk als Ganzem verpflichtet ist". Ein Beamter, der sich öffentlich als Anhänger des Nationalsozialismus zu erkennen gibt, widerspricht dem Vorstellungsbild des auf die Verfassungsordnung des Grundgesetzes verpflichteten Beamten in diametraler Weise. Er ist verpflichtet, bereits dem Anschein einer Wiederbelebung nationalsozialistischer Tendenzen entgegenzutreten und hat den Gebrauch entsprechender Verhaltensweisen zu unterlassen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, BVerwGE 160, 370-396, Rn. 86 m.w.N.).

93
Der Beklagte handelte jeweils vorsätzlich und schuldhaft.

94
c) Hinsichtlich des Vorwurfs zu 1 liegt ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht dagegen nicht vor. Aus Sicht eines objektiven Lesers stellt er sich nicht – wie die Klägerin meint - als ernstgemeintes Plädoyer für die Abschaffung des Amtes des Bundespräsidenten und die Wiedereinführung der Monarchie dar, sondern als satirischer, überspitzt und ironisch formulierter Kommentar zu der am 30. Juni 2010 erfolgten Bundespräsidentenwahl. Auch mit der Bezeichnung des ehemaligen Bundespräsidenten Rau als „dahergelaufene Schnapsnase Parteisoldat Rau, wie peinlich“ hat der Beklagte nicht gegen seine Pflicht aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen.
95
3. Der Beklagte hat durch sein oben beschriebenes Verhalten auch gegen § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen, wonach das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert. Dies gilt auch für die Äußerung über den ehemaligen Bundespräsidenten Rau, die die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung schon deshalb überschreitet, weil sie eine Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gemäß § 189 StGB darstellt. Bei der Äußerung handelt es sich um eine vorsätzliche Kundgabe der groben Miss- und Nichtachtung der Person des ehemaligen Bundespräsidenten. Der tatsächliche Gehalt der Äußerung ist dabei so substanzarm, dass er gegenüber der subjektiven Wertung völlig in den Hintergrund tritt (KG Berlin, Beschluss vom 30. April 2012 – (4) 161 Ss 80/12 (104/12) –, Rn. 9, juris). Insoweit liegt ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG vor. Danach ist ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Mit Blick darauf, dass zu den Aufgaben der Bundespolizei auch der Schutz des Bundespräsidialamtes zählt und insoweit ein dienstlicher Bezug besteht, ist die Äußerung im besonderen Maße geeignet, das Vertrauen in das Ansehen des Beamtentums zu beeinträchtigen.

96
Auch insoweit handelte der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft.

97
4. Ein Verstoß gegen das Mäßigungsgebot in § 60 Abs. 2 BBG scheidet dagegen aus, da das Fehlverhalten des Beklagten nicht im Rahmen einer politischen Betätigung erfolgte.

98
III. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall angemessen ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 BDG).
99
1. Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 -, juris Rn. 71 ff. m.w.N.).

100
Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

101
2. Danach wiegt das Dienstvergehen des Beklagten sehr schwer. Den Schwerpunkt des Dienstvergehens stellt der Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue dar. Da diese zu den Kernpflichten des Beamten gehört, ist ihre Verletzung eine der schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 – 2 WD 26/11 –, Rn. 49, juris zu § 8 SG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei Verletzungen dieser Pflicht durch das Zeigen eines "Hitlergrußes" grundsätzlich die Höchstmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 – 2 WD 16/16 –, Rn. 93, juris zu § 8 SG). Die Leugnung des Holocaust ist qualitativ mit dem Zeigen des Hitlergrußes vergleichbar, weil beide Handlungen strafbar sind, wenn sie öffentlich begangen werden. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass die Leugnung des Holocaust jedenfalls bei wiederholten Äußerungen zur Dienstentfernung führen kann (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Juli 2007 – 16a D 06.2094 –, Rn. 22, juris). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Beklagte sich innerhalb eines überschaubaren Zeitraums mehrfach und sogar auf Nachfrage rechtsextrem geäußert hat. Die Äußerungen fielen nicht im rein privaten Bereich des Beklagten, sondern – zwar außerhalb des Dienstes – in der Dienstwohnung bzw. während einer Feier auf dem Gelände der Botschaft. Der Vorfall auf dem Grillfest hatte auch unmittelbare Folgen für den dienstlichen Bereich, weil die Abordnung des Beklagten beendet und das Ansehen der Bundespolizei hierdurch beeinträchtigt wurde. Das eingeleitete Disziplinarverfahren hat den Beklagten schließlich nicht davon abgehalten, erneut seine Sympathie für einen führenden Vertreter des Nationalsozialismus zu bekunden.

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3. Ausgehend von der Schwere des Dienstvergehens kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 -, juris Rn. 71 ff. m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

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a) Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 BDG erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. September 2017 – 3d A 1732/14.O –, Rn. 229, juris)

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Milderungsgründe, die unter diesem Gesichtspunkt ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

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Von persönlichkeitsfremden Augenblickstaten geht die Disziplinarkammer nicht aus. Nach Auffassung der Disziplinarkammer spiegeln die Äußerungen vielmehr die innere Einstellung des Beklagten wider.

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Es sprechen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten hinsichtlich der Vorwürfe zu 3. wegen seines Alkoholkonsums erheblich gemindert war. Keiner der Zeugen hat Ausfallerscheinungen beobachtet. Im Übrigen spricht auch die fehlende Distanzierung des Beklagten von der Holocaustleugnung am Folgetag gegen eine erheblich verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit während der Tat.

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Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2018 erklärt hat, er stehe auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und sehe sich als Demokraten, hat er sich nach Auffassung der Disziplinarkammer nicht glaubhaft von seinem vorherigen Verhalten distanziert. Einen durchgreifenden Wandel seiner inneren Einstellung konnte die Kammer nicht feststellen. Der Beklagte bestritt die Äußerungen oder ging davon aus, missverstanden worden zu sein. Auch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zum Holocaust („Man hört viele Zahlen…“) legen nach Einschätzung der Disziplinarkammer nicht nahe, dass sich die Auffassung des Beklagten zum Holocaust nachhaltig geändert hat.

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Zugunsten des Beamten spricht, dass er disziplinarisch und strafrechtlich nicht vorbelastet ist und gute dienstliche Leistungen erbracht hat. Allerdings fällt bei – wie hier – gravierenden Dienstpflichtverletzungen auch eine langjährige Dienstleistung ohne Beanstandungen neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht mildernd ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind geeignet, schwere Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 2 B 63/12 –, Rn. 13, juris).

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b) Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 – 2 C 59.07 –, Rn. 15, juris, und vom 20. Oktober 2005 – 2 C 12.04 –, Rn. 26, juris). Die Würdigung aller Umstände unter Beachtung auch dieses Kriteriums führt bei prognostischer Beurteilung zu der Bewertung, dass der Dienstherr und die Allgemeinheit dem Beklagten nach dem von ihm begangenen sehr schweren Dienstvergehen kein Vertrauen mehr in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen können. Der Beklagte hat die ihm als Polizeibeamten obliegende Kernpflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, in so schwerwiegender Weise verletzt, dass das in ihn gesetzte Vertrauen der Allgemeinheit und des Dienstherrn vollständig aufgehoben ist.

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4. Angesichts des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Höchstmaßnahme schließlich nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt.

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5. Die lange Dauer des Disziplinarverfahrens ist ungeeignet, das vom Beklagten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen. Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck des Disziplinarrechts vereinbaren, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – 2 C 25/17 –, BVerwGE 160, 370-396, Rn. 92).

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 3 BDG in Verbindung mit § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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