Autor Thema: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme  (Gelesen 61675 mal)

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Offline dieda

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #210 am: 9. November 2019, 11:02:44 »
Zitat
"Verdacht pazifistischer Losungen"
:facepalm:

Man bereitete sich übrigens allen Ernstes auf einen wörtlich: "Tag X" vor, bei dem auf einen Schlag Zehntausende in Lagern verschwinden sollten, sofern Sie überhaupt lebend dort angekommen wären:

https://www.bstu.de/informationen-zur-stasi/themen/beitrag/vorbereitung-auf-den-tag-x/

https://m.maz-online.de/amp/news/Thema/Specials/W/Wendezeit/Tag-X-Ein-Netz-von-Lagern-in-der-DDR

."Tag X", also irgendwie habe ich den Begriff in der letzten Zeit immer mal wieder gehört.  :think:



Edith sagt:
Bild einer einst "hochkriminellen" pazifistischen Losung angehängt:


https://de.wikipedia.org/wiki/Schwerter_zu_Pflugscharen#Friedensinitiativen_in_der_DDR
« Letzte Änderung: 9. November 2019, 12:46:12 von dieda »
D adaistische I lluminatinnen für die E rleuchtung D es A bendlandes

Tolereranzparadoxon: "Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, (...) dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ Karl Popper
 

Offline Gutemine

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #211 am: 10. November 2019, 08:08:09 »
Zwar nicht Sachsen, sondern Berlin, aber es geht um die gleichen Probleme. Die #Baseballschlägerjahre ...

Spoiler
Die Baseballschlägerjahre in Ostdeutschland „Es war normal, dass Naziparolen gerufen wurden“

Hendrik Bolz ist Teil des Rap-Duos „Zugezogen Maskulin“. Im Interview spricht er über Rechtsextreme, den Osten und deutschen Hip-Hop. Jana Weiss

Es ist kurz nach 9 Uhr morgens, in dem kleinen Café in der Auguststraße, Berlin-Mitte, nimmt eine junge Barista mit skandinavischem Akzent Bestellungen für Hafermilch-Cappuccinos entgegen. Hendrik Bolz, Teil des Rap-Duos Zugezogen Maskulin, das am Sonnabend zum Mauerfall-Festakt vor dem Brandenburger Tor auftritt, kommt etwas zu spät.

„Ich stand im Stau“, entschuldigt er sich, „für die Bühne sind rund um das Brandenburger Tor schon alle Straßen abgesperrt“. Bolz, bekannter unter seinem Künstlernamen Testo, ist das Thema Mauerfall und Wendezeit ein besonderes Anliegen.

Er wurde 1988 geboren, wuchs in Stralsund auf. Kürzlich hat er für den „Freitag“ einen Text über diese Zeit geschrieben. Darin erzählt er, wie Naziparolen, Springerstiefel und mit Baseballschlägern bewaffnete Faschos zu seinem Alltag gehörten.

Der Journalist Christian Bangel nahm diesen Artikel zum Anlass, den Hashtag #baseballschlaegerjahre ins Leben zu rufen, unter dem nun Menschen von ihren Erlebnissen mit Rechtsradikalen in den neunziger und nuller Jahren berichten. Dabei geht es nicht nur, aber viel um Ostdeutschland. Für Bolz ist dabei klar: Um dem aktuellen Rechtsruck etwas entgegenzusetzen, hilft nur eine Aufarbeitung der Nachwendezeit.

Herr Bolz, Sie spielen am Samstag mit Zugezogen Maskulin beim Mauerfall-Jubiläum. Was bedeutet Ihnen dieses Ereignis?
Ich bin gerade erst dabei, mir diese Themen zu erarbeiten. Als die Mauer fiel, war ich ja noch ein Kleinkind. Während meiner Kindheit und Jugend wurde nicht über die DDR und die Zeit damals gesprochen. Das hatte zur Folge, dass ich eher mit der westdeutschen Geschichte aufgewachsen bin und mehr über die RAF wusste als über das SED-Regime.

Warum haben Sie dann angefangen, sich mit Ihrer ostdeutschen Herkunft auseinanderzusetzen?
Als das mit Pegida und dem Rechtsruck losging, habe ich mich gefragt, was da los ist, warum die Leute so sind. Ich bin bei der DDR-Geschichte und der Wiedervereinigung gelandet und habe festgestellt, dass da viele Leerstellen sind. Dass meine Identität eigentlich auf einem großen Schweigen fußt. Und ich glaube, das geht vielen so, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind.

Deshalb ist es wichtig, dass darüber gesprochen wird.
Genau. Viele, vor allem Westdeutsche, wissen ja gar nicht, was die deutsche Einheit im Osten bedeutet hat: Strukturwandel, Arbeitslosigkeit, der Zusammenbruch von allem, was man kannte. In meinem Leben war es total normal, dass es Neonazis gab, die auf Spielplätzen saßen, die „Heil Hitler!“ gerufen und Leute verprügelt haben. Und die gleichzeitig Kassierer im Supermarkt oder Erzieher im Ferienlager waren. Regelmäßig gab es ostdeutschlandweit rechte Übergriffe. Aber das ist weder im ostdeutschen noch im gesamtdeutschen Bewusstsein angekommen. Das ist so ein verdrängtes Trauma, das endlich aufgearbeitet werden muss.

Wieso wurden Sie nie Teil dieser Szene?
Das ist eine schwierige Frage. Ich hatte ja das Glück, 1988 geboren zu sein und nicht zehn Jahre früher. Ich kann mir schon vorstellen, dass es auch Spaß macht, endlich mal der Stärkere zu sein, wenn man in einem totalitären Staat aufgewachsen ist, einem immer nur von anderen gesagt wurde, was man tun und lassen soll. Wer weiß, ob ich da nicht genauso reingerutscht wäre, wenn ich damals Jugendlicher gewesen wäre. Im Laufe der 2000er wurde dann bei uns Rap die vorherrschende Jugendkultur, was dazu geführt hat, dass viele ehemalige Neonazis auf einmal Rapfans waren, ein paarmal öfter ins Solarium gegangen sind und ihre Springerstiefel gegen Turnschuhe getauscht haben.

Das heißt, es wurde einfach so weitergemacht, als wäre nie was gewesen?
Genau. In den Neunzigern wurde vieles nicht aufgearbeitet oder sogar vertuscht, teilweise aus Scham vor dem Westen. Taten von Rechtsextremen wurden als Rowdytum abgetan. Die „Taz“ hat es letztens gut beschrieben: Im Osten werden heute noch oft rechte Strukturen behandelt wie die Mafia – man streitet ihre Existenz ab oder traut sich nicht, laut darüber zu sprechen.

Was kann man tun, damit die AfD und die Rechten im Osten nicht noch mächtiger werden?
Man sollte aufhören, Angst davor zu haben, was irgendjemand im Rest des Landes denkt. Man muss das Problem angehen. Es ist auch wichtig, die Symptome zu bekämpfen: Gegendemos organisieren, Demokratieeinrichtungen aufrechterhalten. Aber vor allem muss Aufarbeitung her, muss man rausfinden, warum rechtes Gedankengut in Ostdeutschland so gut gedeiht.

Hat das noch viel mit der DDR-Zeit zu tun? Da wurden ja ausländerfeindliche Attacken auch vertuscht.
Ja. Natürlich hat das auch etwas mit der Globalisierung und Neoliberalismus zu tun - Nationalismus, der Rechtsruck, das sind nicht nur deutsche Probleme. Aber es hat auch viel mit DDR-Traditionen, totalitären Tradierungen zu tun, die an die Folgegeneration weitergegeben wurden. Die DDR war ja auch, obwohl sie natürlich offiziell antifaschistisch war und es keine Ausländerfeindlichkeit gab, eine abgeschlossene weiße Gesellschaft, wo die Vertragsarbeiter in Mietskasernen gewohnt haben. Und wenn sie schwanger geworden sind, wurden sie nach Hause geschickt. Das war alles andere als eine bunte, multikulturelle Gesellschaft.

Formiert sich gerade eine künstlerische Gegenbewegung? Zwei der momentan interessantesten deutschen Rapper, der Kraftklub-Sänger Kummer und Trettmann, der am Samstag auch am Brandenburger Tor spielt, kommen ja aus dem Osten.
Ja, ich denke, dass da gerade ein Aufarbeitungsprozess entsteht.

Woher die Baseballschläger kamen Ist rechte Gewalt im Osten ein Erbe der DDR?
Früher machten es einem die Nazis einfach: An Springerstiefeln und Baseballschläger waren sie zu erkennen. Heute tragen sie oft Anzug.

Sollte es mehr von dieser politischen Musik geben?
Nicht unbedingt politisch, aber es braucht mehr interessante Musik, vor allem im Hip-Hop. Bei vielen erfolgreichen Künstlern geht es nur noch um Geld und darum, was man sich damit kaufen kann. Das ist für mich konsumistischer, neoliberaler Dreck. Ich glaube, dass Rap gerade in einer Sackgasse steckt und seine gesellschaftliche Relevanz verliert. Er ist zwar kommerziell erfolgreich, aber superuncool in seiner derzeitigen Form. Ich bin gespannt, welche Musik als Nächstes kommt. Was hören denn die Fridays-for- Future-Kids? Vielleicht hören die auch gar keine Musik mehr.
[close]
https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-baseballschlaegerjahre-in-ostdeutschland-es-war-normal-dass-naziparolen-gerufen-wurden/25202804.html

Hier geht es dann um Sachsen und einen Richter in der sächsischen Diaspora.  ;)
Spoiler
Was ein Aschaffenburger Richter nach dem Mauerfall in Chemnitz erlebte
"Es war erschütternd, die Schicksale zu sehen"

Der heu­ti­ge Di­rek­tor des Aschaf­fen­bur­ger Land­ge­richts And­reas Burg­hardt ar­bei­te­te 1992 im Rah­men der so­ge­nann­ten Auf­bau­hil­fe in Chemnitz in Sach­sen. Im Ge­spräch mit un­se­rem Me­di­en­haus schil­dert er, wie er als da­mals 31 Jah­re al­ter Fa­mi­li­en­va­ter die­se Zeit er­leb­te. Er erinnert sich unter anderem an verlassene Kindern im Bunker, braunen Schnee und Personalknappheit.



"Meine Eltern stammen aus der ehemaligen DDR, aus Erfurt. Das war Anlass für mich darüber nachzudenken, im Rahmen der sogenannten Aufbauhilfe kurzzeitig in der ehemaligen DDR tätig zu sein. Ich dachte daran, in Thüringen zu arbeiten - aber dann teilten die Bundesländer die Zuständigkeiten neu auf. Hessen betreute Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg konzentrierten sich auf Sachsen. Als man mich fragte, ob ich dort tätig werden würde, dachte ich an Dresden. Das kannte ich, weil ich dort eine Tante hatte. Auch Leipzig war eine schöne Stadt. Letzten Endes landete ich in Chemnitz - nicht meine Wunschstadt. Alles, was man mir von Chemnitz erzählt hatte, war nicht so toll. Als ich dort war, fand ich das bestätigt.

Chemnitz war nicht die Perle Sachsen. Es ist aber doch sehr schön geworden. Ich habe noch Verbindungen dorthin aus dieser Zeit und bin etwa einmal im Jahr dort. Deswegen kann ich den Fortgang beurteilen. Aber damals, 1992, kurz nach der Wiedervereinigung, war es schwierig. Angefangen von den Straßenverhältnissen bis zur intensiven Heizung mit Braunkohle. Das war für uns ungewohnt. Es war eine heftige Zeit damals. Ich muss sagen, als ich im Januar ´92 nach Chemnitz gefahren bin, das erste Mal in der Behörde auf dem Gang stand und der Schnee fiel durch die braune Abluft und kam braun am Boden an, habe ich mich schon gefragt: »Mein Gott, was machst du hier?«. Aber dann kam der Frühling nach Chemnitz, es ist wider Erwarten erblüht und wurde immer besser.

Ausgedünnte Abteilungen

Ich war Richter am Landgericht bei der Großen Strafkammer in Aschaffenburg. In Chemnitz war ich als Abteilungsleiter der Jugendabteilung der Staatsanwaltschaft eingesetzt. Ich kam dorthin und fand die Behörde ziemlich ausgedünnt vor. Denn das damalige Bezirksgericht Chemnitz - oder vormals Karl-Marx-Stadt - hatte eine Zuständigkeit bis an die innerdeutsche Grenze. Es hatte dort sehr viele Verfahren wegen illegalen Grenzübertritts und Republikflucht mit ziemlich harten Urteilen gegeben. Kollegen, die daran beteiligt waren, wurden vielfach nach der Überprüfung aus dem Dienst entfernt. Wir hatten beispielsweise eine Abteilung, wo Bedarf für acht Leute gewesen wäre. Wir waren aber nur zu viert und hatten 3000 offene Verfahren, für jeden 750. Das war nach bundesrepublikanischen Vorstellungen ein Albtraum. In der Geschäftsstelle sollten vier Damen arbeiten, es war aber nur eine da. Es fehlte an allem: Regale, Mobiliar, Gesetzestexte. Auch die Infrastruktur war schwierig: Computer gab es natürlich noch nicht. Und es gab nur ein Zimmer, aus dem man nach draußen telefonieren konnte.

Es hatte sich durch die fehlenden Mitarbeiter viel angestaut. Es lief schleppend an, Leute aus dem Westen zu finden, die dort hingehen. Das war nicht jedermanns Sache. Man versuchte, den Personalmangel dadurch aufzufangen, dass man junge Leute dorthin setzte. Wir nannten die »Wossis«. Das waren Juristen aus dem Westen, deren Examensergebnis knapp unter der Einstellungsnote für die Justiz in Bayern lag, die aber beim Ministerium in Dresden angestellt wurden. Zuerst wurden sie aber für ein Jahr in der Bundesrepublik eingearbeitet bevor sie in die neuen Bundesländer kamen. Es wurden aber auch viele Kollegen aus der ehemaligen DDR übernommen, von denen ein Großteil für ein Jahr in Westdeutschland geschult wurde.

In der Zeit als ich dort war, wurde unsere Abteilung nach und nach aufgefüllt. Wir fuhren Montags oder Sonntagabends rüber und Freitagnachmittags wieder zurück. Wir arbeiteten manche Tage von morgens sieben bis abends zehn, um von den Aktenbergen runter zu kommen. Wir fuhren unheimlich viel herum. Bei der Staatsanwaltschaft muss der Staatsanwalt für die Verhandlungen zu den Außengerichten fahren. Wir hatten zehn Amtsgerichte im Erzgebirge verteilt, zu denen wir fahren mussten. Das war angesichts der kaputten Straßen beschwerlich.
Sorgen um »Bunkergruppe«

Besonders schwierig waren Verfahren, in denen uns die Beschuldigten Sorgen machten, weil sie völlig verwahrlost waren: Es gab damals in Chemnitz eine sogenannte Bunkergruppe. In einem Bunker aus dem letzten Weltkrieg hatten sich Kinder und Jugendliche gesammelt. Ihre Eltern waren nach der Maueröffnung verschwunden und hatten ihre Kinder einfach zurückgelassen. Das war für mich unfassbar. Einige dieser Eltern fand man in Westdeutschland. Es war erschütternd, die Schicksale dieser Kinder zu sehen. Es war ja fast schon ein Automatismus, dass diese Kinder Straftaten begingen, von irgendetwas mussten sie ja leben. Wir mussten sehen, dass die Kinder in Familien oder Heimen untergebracht werden. Es war ja alles im Umbruch, die Jugendämter wurden erst aufgebaut und die Leute hatten andere Sorgen, als fremde Kinder aufzunehmen. Es gab nicht die Möglichkeiten, die wir hier im Westen hatten. Die Strukturen waren alle zusammengebrochen.

Leben nicht mehr berechenbar

Für die DDR-Bürger war das Leben in der DDR berechenbar, und jetzt kam der totale Wechsel. Früher sorgte der Staat für alles - man hatte allerdings keine Freiheiten. Plötzlich aber mussten die Menschen für alles irgendwo hingehen: Arbeitslosengeld und Kindergeld beantragen, sich wegen der Miete kümmern. Das alles war vorher ein Automatismus. Wer keine Arbeit hatte, musste jetzt zum Arbeitsamt gehen. Es gab aber keine funktionierenden Arbeitsämter. Die Situation war schwierig - und dann kamen wir, die aus dem Westen.

Wir wurden manchmal als eine Art Besatzung angesehen, die das »Siegerrecht« mitbrachten. In meiner Nachbarschaft, ich wohnte damals zur Miete, sprach sich herum, was ich mache. Die Leute kamen und stellten Fragen. Auch wenn man es ihnen gut erklärte, merkt man, dass manche Leute wirklich verzweifelten, weil das alles für sie so neu war.

Manche Leute, die aus dem Westen kamen, prägten das Bild der Westler auch nicht unbedingt positiv. Viele gingen rüber, um Geschäfte zu machen. Polierten zum Beispiel ihre alten Autos auf und verkauften sie drüben. Es prägte sich den Menschen im Osten ein, dass sie übers Ohr gehauen wurden. Manche kommen sich dort noch immer vor wie Menschen zweiter Klasse. Ich weiß nicht, wer ihnen dieses Bild vermittelte. Das ist wohl auch eine Sache der persönlichen Erfahrung.

Wir versuchten, mit unseren damaligen Kollegen verständnisvoll umzugehen. Wir konnten uns an fünf Fingern abzählen, wie sie dachten. Es brauchte manchmal Zeit, bis man ihr Vertrauen gewonnen hatte. Wir hatte ja genug Gelegenheit, miteinander zu reden, wenn man stundenlang in der Behörde war. Es ging zwar primär um Arbeitsthemen, aber wir unterhielten uns auch über persönliche Sachen. Schwer war es für die Kollegen dort, dass immer wieder neue Leute aus dem Westen kamen, an die sie sich gewöhnen mussten. Es gab welche, die bis zum Schluss etwas argwöhnisch uns gegenüber waren. Aber das war die Minderheit. Kontakt zu Kollegen von damals besteht noch heute. Dadurch kann man sehr gut nachvollziehen, wie die Entwicklung dort ist. Sie haben viel aufgeholt. Schon damals konnte durch das Auffüllen des Personalbestandes gut gearbeitet werden. In der Geschäftsstelle hatten wir zum Schluss tatsächlich vier Damen, und die Abteilung war bis auf die üblichen Wechsel voll besetzt. In der Zeit ging viel vorwärts. In der Stadt und dem Umland gab es eine gewisse Aufbruchsstimmung. Die überwiegende Zahl der Leute war positiv gestimmt. Man hört heute auch Gegenteiliges. Aber das ist nicht die Mehrheit, und das war es damals auch nicht. Die Zufriedenen sind still zufrieden, die lauten Unzufriedenen prägen das Bild.

Zitat
Zur Person: Andreas Burghardt

And­reas Burg­hardt wur­de 1957 in Ful­da (Hes­sen) ge­bo­ren. Er ist ver­hei­ra­tet und hat zwei er­wach­se­ne Kin­der. Seit Fe­bruar 2019 ist er Di­rek­tor des Aschaf­fen­bur­ger Amts­ge­richts. Zu­vor lei­te­te er knapp 16 Jah­re das Amts­ge­richt Obern­burg (Kreis Mil­ten­berg).

Von Januar 1990 bis Dezember 1994 war Burghardt Richter bei der Großen Strafkammer am Landgericht Aschaffenburg. In diese Zeit fiel seine 13-monatige Abordnung nach Chemnitz. Dort leitete er die Jugendabteilung der Staatsanwaltschaft. (fka)

Soko gegen Rechtsradikalität

Was es in der DDR nicht gab, waren Ausländer. Es gab in den Arbeitsbetrieben zwar Arbeiter aus Kuba, Vietnam oder sozialistischen Staaten in Afrika. Die hatte die DDR-Regierung eingeladen. Die waren aber mehr oder weniger kaserniert und wurden von den DDR-Bürgern nicht wahrgenommen. Das ist für die Leute immer noch neu. Und alles Neue jagt den Menschen Angst ein. So ist die Phobie dort vielleicht zu erklären. Schon als ich damals dort war, gab es viele rechtsextreme Ausschreitungen unter Jugendlichen und Heranwachsenden gegen andere Gruppen und gegen Gebäude. Wir hatten viele Verfahren wegen Landfriedensbruch.

Die Polizei in Sachsen, für die im Rahmen der Aufbauhilfe in erster Linie Baden-Württemberg verantwortlich war, arbeitete aber sehr effektiv. Die sogenannte Soko REX bekämpfte das Phänomen Rechtsradikalität ziemlich gut. Ich habe mich auch immer wieder deswegen erkundigt, als ich schon wieder hier war. Es ist halt dann wieder hochgekommen. Ich sprach erst vor kurzem mit jemandem dort darüber. Die Leute können es sich gar nicht so richtig erklären, warum das so ist. Vor allem in Sachsen und Thüringen, wo es den Menschen verglichen mit den anderen Ländern der ehemaligen DDR relativ gut geht. Man weiß eigentlich nicht, woher das Phänomen kommt.
Exzellente Polizeiarbeit

Die Polizei in der DDR ermittelte anders, als wir es kannten. Es brauchte viele Anläufe und Besprechungen, um unsere Bedürfnisse klar zu machen. Beispielsweise, dass wir eine Akte zu einem Verfahren rasch zurückbrauchen. Auf der anderen Seite arbeitet die Polizei der ehemaligen DDR bei Kapitalsachen wie Mord und Totschlag exzellent. Die waren superschnell und wirklich gut.

Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich es erlebe, dass beide Staaten zusammenwachsen. Ich stamme aus der hessischen Rhön, wir wohnten 20, 25 Kilometer von der innerdeutschen Grenze entfernt. In der Schule machten wir Ausflüge an die Grenze, das war furchtbar, das zu sehen. Damit sind wir aufgewachsen, damit haben wir gelebt - und ich hätte nicht gedacht, dass es mal anders kommt. Die Grenzöffnung kam für mich völlig überraschend.

Wenn ich nach 30 Jahren auf diese Zeit zurückblicke, muss ich sagen: Es war spannend und eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Im doppelten Sinn des Wortes: Historisch einmalig."
Aufgezeichnet von Katrin Filthaus
[close]
https://www.main-echo.de/regional/stadt-kreis-aschaffenburg/Was-ein-Aschaffenburger-Richter-nach-dem-Mauerfall-in-Chemnitz-erlebte;art11846,6859006


« Letzte Änderung: 10. November 2019, 08:13:50 von Gutemine »
"Der Pfarrer predigt nur einmal!"
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #212 am: 10. November 2019, 12:40:46 »
Zitat
"Verdacht pazifistischer Losungen"
:facepalm:

Man bereitete sich übrigens allen Ernstes auf einen wörtlich: "Tag X" vor, bei dem auf einen Schlag Zehntausende in Lagern verschwinden sollten, sofern Sie überhaupt lebend dort angekommen wären:

https://www.bstu.de/informationen-zur-stasi/themen/beitrag/vorbereitung-auf-den-tag-x/

https://m.maz-online.de/amp/news/Thema/Specials/W/Wendezeit/Tag-X-Ein-Netz-von-Lagern-in-der-DDR

."Tag X", also irgendwie habe ich den Begriff in der letzten Zeit immer mal wieder gehört.  :think:


Was wundert dich daran? Das war der stalinistische Standard, 1941 wurden in Russland Personen dafür interniert, deutsche Nachnamen zu haben. Die gesamte wolgadeutsche Bevölkerung wurde im ersten Kriegsjahr der SU deportiert, genauso wie ganze Volksgruppen aus dem Kaukasus... Diese Vorgehensweise war unter Staatsbediensteten der DDR wohlbekannt und wurde mitgetragen, weil man immer vom "totalen" Systemkonflikt ausging. Die meisten älteren Funktionäre aus Verwaltung, Partei und Streitkräften waren regelrecht erstaunt, dass sie "nur" aus dem Staatsdienst entfernt wurden, im Gegenzug hätten sie ihre Gegner alle vorsorglich interniert, Exekutivfunktionäre wie Polizei und alles oberhalb Feldwebel verschwinden lassen... hätten ja alle die Konterrevolution befeuern können. Übrigens waren diese Hardliner-Einstellungen und die massive Bevorratung von Waffen in der DDR ein Grund für die "zahme" Behandlung führender SEDler nach der Wende: Man hatte im Westen Befürchtungen, dass die Hardliner nen roten Partisanenkrieg anfangen...
 

Offline mork77

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #213 am: 11. November 2019, 11:19:45 »
War alles obendrein verfassungsmässig.

DDR-Verfassung von 1949

Zitat
Art. 6. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt. Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze.
Wer wegen Begehung dieser Verbrechen bestraft ist, kann weder im öffentlichen Dienst noch in leitenden Stellen im wirtschaftlichen und kulturellen Leben tätig sein. Er verliert das Recht, zu wählen und gewählt zu werden.

nach 1968 fand sich das dann im Strafgesetzbuch der DDR wieder.

Zitat
§ 106. Staatsfeindliche Hetze. (1) Wer mit dem Ziel, die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen oder gegen sie aufzuwiegeln,
1. Schriften, Gegenstände oder Symbole, die die staatlichen, politischen, ökonomischen oder anderen gesellschaftlichen Verhältnisse der Deutschen Demokratischen Republik diskriminieren, einführt, herstellt, verbreitet oder anbringt;
2. Verbrechen gegen den Staat androht oder dazu auffordert, Widerstand gegen die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu leisten;
3. Repräsentanten oder andere Bürger der Deutschen Demokratischen Republik oder die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen diskriminiert;
4. den Faschismus oder Militarismus verherrlicht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Wer zur Durchführung des Verbrechens Publikationsorgane oder Einrichtungen benutzt, die einen Kampf gegen die Deutsche Demokratische Republik führen oder das Verbrechen im Auftrage . derartiger Einrichtungen oder planmäßig durchführt, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren bestraft.
(3) Im Fall des Absatzes 1 Ziffer 3 ist der Versuch, in allen anderen Fällen sind Vorbereitung und Versuch strafbar.
Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleicher Richtung blickt.
Antoine de Saint-Exupéry (1900-44), frz. Flieger u. Schriftsteller
 
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Offline kairo

Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #214 am: 11. November 2019, 13:17:57 »
War alles obendrein verfassungsmässig.

Das war ja auch keine Kunst, bei diesen Gummiparagraphen.

Der Begriff "Boykotthetze" ist völlig undefiniert. Unter einem Boykott versteht man, dass ein Geschäft oder eine andere gewerbliche Einrichtung planmäßig gemieden wird, weil man etwas gegen den Geschäftszweck oder die Person des Inhabers hat. Das kommt aus Irland, wo es im 19. Jahrhundert einen englischen Gutsverwalter namens Boycott gab, der ein übler Menschenschinder war. Jedenfalls fand er mit der Zeit keine Pächter mehr, und es wollte weder jemand für ihn arbeiten noch von ihm etwas kaufen oder ihm etwas verkaufen, so dass er pleite ging und Irland verlassen musste. Aber wie macht man das mit einem Staat? Der ist ja vielfach der Monopolist für bestimmte Leistungen. Da hat der Bürger keine große Wahl, also ist ein Boykott gar nicht möglich.

Und auch der Begriff "Diskriminierung" wird völlig sinnfremd verwendet. Unter "diskriminieren" versteht man "einen Unterschied machen, unterschiedlich behandeln". Rassendiskriminierung etwa bedeutet, dass Leute einer bestimmten Rasse schlechter behandelt werden als andere. Aber wie soll man denn "Repräsentanten der DDR oder die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen" diskriminieren? Einfach durch die Kundgebung, dass man damit nicht einverstanden ist? Das ist keine Diskriminierung, weil es keine Alternative gibt.

Also konnte man mit diesen Vorschriften so ziemlich jeden, der unliebsame Tendenzen zeigte, streng nach Vorschrift bestrafen, weil die Vorschriften so ziemlich jede Auslegung zuließen. Und so wurde es ja dann auch gemacht.
 

Offline dieda

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #215 am: 11. November 2019, 14:38:31 »
Zur DDR- typischen Interpretation von "Boykotthetze":

Zitat
Doch ab November 1981 erhielt der sächsische Landesbischof Johannes Hempel die amtliche Mitteilung: „Wegen Missbrauchs dürfen diese Aufnäher in Schule und Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden.“ Dahinter stand das Bemühen der SED, Akzeptanz für das neue Wehrdienstgesetz zu organisieren. Die Aufnäherträger wurden nun mit massiven Vorwürfen konfrontiert: Der undifferenzierte Pazifismus sei friedensfeindlich, die Aufnäher seien westliche Importe und schulfremdes Material, wer sie trage, übe Wehrkraftzersetzung aus und untergrabe die staatliche und gesellschaftliche Tätigkeit zum Schutz des Friedens. Sie seien zum Zeichen einer unabhängigen Friedensbewegung geworden, die nicht geduldet werden könne.
::)

Zitat
Viele Jugendliche, die die Aufnäher nicht entfernten, wurden aus Hochschulen und Erweiterten Oberschulen entlassen, erfuhren Strafversetzung, Nichtzulassung zum Abitur, Verweigerung der gewünschten Lehrstelle, Schulverbot oder Hinderung beim Betreten seines Betriebs. Pädagogen, Zoll und Polizisten schnitten die Aufnäher aus Jacken heraus, wenn Jugendliche dies nicht freiwillig taten, oder beschlagnahmten die Aufnäher oder ganze Kleidungsstücke. Manches davon fand sich später in Stasi-Akten wieder. Anfang 1982 reagierte eine wachsende Zahl von Jugendlichen, indem sie sich runde weiße Flecken auf die Jacken nähten oder mit Filzstift auf den Ärmel schrieben: 
Zitat
„Hier war ein Schmied.“
[49]
;D

Kwelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwerter_zu_Pflugscharen#Friedensinitiativen_in_der_DDR
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #216 am: 11. November 2019, 14:57:05 »
Der Kampf gegen den Pazifismus in der DDR war übrigens darüber "begründet", dass damit die Verteidigungsbereitschaft der NVA unterminiert werden sollte. Ein tolles Beispiel für "Doppeldenk", da die Verherrlichung von Militarismus ebenfalls unter Strafe stand. Möglich wird diese Sache nur, wenn man die Begriffe entlang der Parteilinie betrachtet: Militarismus war der Westen mit seinen Kriegen in Vietnam, Korea und anderswo, wogegen der Ostblock stets wachsame Verteidigungsstreitkräfte haben musste. "Wirklicher Pazifismus" vor der Niederringung des westlich-imperialistischen Militarismus konnte es nicht geben, das war lediglich subversive Wehrkraftzersetzung! ;)

 

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #217 am: 11. November 2019, 15:11:18 »
Noch zisilierter:
Eine von der "offiziellen Friedensbewegung der DDR" unabhängige (!) Friedensbewegung war bereits der Feind, den es zu bekämpfen galt.
Also die klassische Angst vor Kontrollverlust.

Im Übrigen waren die frühen DDR- Neonazis dann ausschließlich in der paramillitärischen Frühausbildung (GST) der "offiziellen Friedensbewegung der DDR" sozialisiert worden. Als sich Mitte der 80iger auch da "unabhängige Strukturen" ausbildeten, allerdings in Form von richtigen Wehrsportgruppen (!), z.B. im Umfeld von Frank Hübner in Cottbus, wollte man lieber eine ganze Weile nicht so genau hinschauen. 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #218 am: 11. November 2019, 17:19:41 »
War doch im Grunde das Gleiche mit der Hoolszene, jeder wusste um die dritte Halbzeit bei den Amateurspielen, aber offiziell gabs das nicht.
 

Herr Dr. Maiklokjes

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #219 am: 11. November 2019, 20:15:58 »
[...]
Die meisten älteren Funktionäre aus Verwaltung, Partei und Streitkräften waren regelrecht erstaunt, dass sie "nur" aus dem Staatsdienst entfernt wurden, im Gegenzug hätten sie ihre Gegner alle vorsorglich interniert, Exekutivfunktionäre wie Polizei und alles oberhalb Feldwebel verschwinden lassen... hätten ja alle die Konterrevolution befeuern können. Übrigens waren diese Hardliner-Einstellungen und die massive Bevorratung von Waffen in der DDR ein Grund für die "zahme" Behandlung führender SEDler nach der Wende: Man hatte im Westen Befürchtungen, dass die Hardliner nen roten Partisanenkrieg anfangen...

Was?, Das glaubste doch jetzt wohl selbst nicht?

Der Laden ist schlicht und einfach zusammengebrochen. Die meisten derer, die Du oben beschreibst, waren einfach Opportunisten wie es sie jetzt auch noch gibt. Oder haben Befehle ausgeführt. Nur haben die dann ziemlich dämlich aus der Wäsche geguckt als sie merkten, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Zu glauben, dass die Mehrheit derer mit der Waffe den Betonsozialismus von Honni verteidigt hätte ist, zumindest nach der ersten Montagsdemonstration Irrsinn und nach der Demo am 07. Oktober Banane. Klar gab es Betonköppe, aber die waren sehr schnell isoliert, selbst unter denen, die an den Sozialismus glaubten. Eine "massive Bevorratung von Waffen in der DDR" sehe ich auch nicht, die Armee hatte welche, die GST und die Stasi, die ollen Kommunisten haben sich doch gar nicht getraut, Waffen rauszugeben. Man hätte ja nach Berlin fahren können, ein bisschen rumballern und dann seelenruhig in den Westen latschen können.

Warum ist das ganze denn wohl bei uns friedlich abgelaufen? Wir hatten Westfernsehen, die Mehrheitsbevölkerung war informiert was da draussen, vor allem in der Russkei passierte. Und auch zu den paar Landkreisen die es nicht hatten, waren die Infos durchgesickert. Und eben auch zu den Leitungskadern.

Das war übrigens in den anderen Ostblockstaaten teilweise nicht der Fall.

"...Befürchtungen, dass die Hardliner nen roten Partisanenkrieg anfangen..."

Sorry, aber das da oben ist unreflektierter Blödsinn.
           
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #220 am: 11. November 2019, 21:15:45 »
@Herr Dr. Maiklokjes Nein. Ich sprach explizit von der Betrachtung durch BRD-Sicherheitskräfte. Auf dem Papier und in den Aufklärungsdossiers waren die Sicherheitsbehörden der DDR ein monolithisches Gebilde, die Kader weltanschaulich durchgeformt und die rein materielle Bereitstellung für die bewaffneten Organe extrem. Allein die Handwaffenbestände für die Truppen plus die für Export und "Spenden" an "Befreiungsbewegungen" waren enorm.  Neben der NVA verfügten in der DDR über Waffen und armeetypische Ausrüstungen: Die Grenztruppen (in einigen Statistiken außerhalb der NVA geführt), das MfS, das MdI, die Kampfgruppen, die Zollverwaltung, die IMES-GmbH, spezielle Struktureinheiten des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, die Bezirks- und Kreiseinsatzleitungen, die waffenproduzierende Industrie, die GST und die Staatsreserve.   
Folgende Bestände wurden 1990 gemeldet (erste Zahl NVA, zweite Zahl von anderen bewaffneten Organen)
-  9-mm-Pistole Makarow : 267.125 Stück, davon 128.139 aus anderen Beständen
-  5,45-mm-MPi AK-78 : 163.039 “ “ 8.265 “
-  7,62-mm-MPi AK-47 : 705.032 “ “ 326.042 “
-  7,62-mm-Karabiner : 3 518 “ “ 1.581 “
-  7.62-mm-lMG-K : 42.526 “ “ 27.277 “
-  7,62-mm-SSG : 1.749 “ “ 1.136 “
-  40-mm-RPG-7 : 26.526 “ “ 17.454 “

Das ist ne Menge Krieg in einem kleinen Land und der innere Zustand, die Motivation der Kader war eben nicht allseits im Westen bekannt. Zumal die kommunistischen Bewegungen dafür bekannt waren, bei "Bedrängung" in den Untergrund zu wechseln, die RAF-Erfahrung war damals noch frisch.

Was die wahre Motivation der Betonköpfe und Opportunisten anging: Der Laden ist zusammengebrochen, weil diese Leute in erster Linie auf eine Antwort aus Moskau gewartet haben. Die haben nie geglaubt, dass es eine derartige Dynamik in der DDR-Bevölkerung gibt. Nur wenige (in der Staatsführung und der Stasi) kannten das Ausmaß der Unzufriedenheit wirklich und die sind damit nicht hausieren gegangen. Letztendlich haben sie nicht reagiert, weil der Zusammenbruch zu schnell und zu heftig erfolgte, aus quasi jedem Bekanntenkreis machte jemand rüber. Das passte mit der Propaganda gar nicht zusammen. Und es passte nicht in das Schema "westliche Provokateure". Ich habe/hatte solche Betonköpfe (ex NVA-Stabsoffiziere) in der Familie, die über die Sache masslos verwirrt waren, die auch nach 1990 noch Plakatekleben für die PDS waren... trotz Westfernsehen etc.
 
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Herr Dr. Maiklokjes

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #222 am: 11. November 2019, 22:04:56 »
@Herr Dr. Maiklokjes Nein. Ich sprach explizit von der Betrachtung durch BRD-Sicherheitskräfte. Auf dem Papier und in den Aufklärungsdossiers waren die Sicherheitsbehörden der DDR ein monolithisches Gebilde, die Kader weltanschaulich durchgeformt und die rein materielle Bereitstellung für die bewaffneten Organe extrem. Allein die Handwaffenbestände für die Truppen plus die für Export und "Spenden" an "Befreiungsbewegungen" waren enorm.  Neben der NVA verfügten in der DDR über Waffen und armeetypische Ausrüstungen: Die Grenztruppen (in einigen Statistiken außerhalb der NVA geführt), das MfS, das MdI, die Kampfgruppen, die Zollverwaltung, die IMES-GmbH, spezielle Struktureinheiten des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen, die Bezirks- und Kreiseinsatzleitungen, die waffenproduzierende Industrie, die GST und die Staatsreserve.   
Folgende Bestände wurden 1990 gemeldet (erste Zahl NVA, zweite Zahl von anderen bewaffneten Organen)
-  9-mm-Pistole Makarow : 267.125 Stück, davon 128.139 aus anderen Beständen
-  5,45-mm-MPi AK-78 : 163.039 “ “ 8.265 “
-  7,62-mm-MPi AK-47 : 705.032 “ “ 326.042 “
-  7,62-mm-Karabiner : 3 518 “ “ 1.581 “
-  7.62-mm-lMG-K : 42.526 “ “ 27.277 “
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-  40-mm-RPG-7 : 26.526 “ “ 17.454 “

Das ist ne Menge Krieg in einem kleinen Land und der innere Zustand, die Motivation der Kader war eben nicht allseits im Westen bekannt. Zumal die kommunistischen Bewegungen dafür bekannt waren, bei "Bedrängung" in den Untergrund zu wechseln, die RAF-Erfahrung war damals noch frisch.

Was die wahre Motivation der Betonköpfe und Opportunisten anging: Der Laden ist zusammengebrochen, weil diese Leute in erster Linie auf eine Antwort aus Moskau gewartet haben. Die haben nie geglaubt, dass es eine derartige Dynamik in der DDR-Bevölkerung gibt. Nur wenige (in der Staatsführung und der Stasi) kannten das Ausmaß der Unzufriedenheit wirklich und die sind damit nicht hausieren gegangen. Letztendlich haben sie nicht reagiert, weil der Zusammenbruch zu schnell und zu heftig erfolgte, aus quasi jedem Bekanntenkreis machte jemand rüber. Das passte mit der Propaganda gar nicht zusammen. Und es passte nicht in das Schema "westliche Provokateure". Ich habe/hatte solche Betonköpfe (ex NVA-Stabsoffiziere) in der Familie, die über die Sache masslos verwirrt waren, die auch nach 1990 noch Plakatekleben für die PDS waren... trotz Westfernsehen etc.

@Schreibtischtäter

Ähm, doch. Was Du jetzt schreibst passt ziemlich genau ins Bild, ist differenziert genug und passt. Was ich bemängelte am ganz obigen Beitrag ist, dass man den Eindruck gewinnen könnte, irgendwelche Betonkommunisten würden ein Guerillakrieg, Bürgerkrieg etc. pp. starten. Es war einfach zu kurz und zu undifferenziert.
Und ja, ich hab' die Kampfgruppen vergessen.
Und ja, wie Du anmerkst, hat die Bevölkerung tatsächlich ängstlich darauf geguckt: "was machen die Russen? Schiessen sie uns zusammen wie damals in Prag?". Und als dann Gorbi um die Ecke geschlendert kam mit " Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" brach das halt so schnell zusammen wie es zusammenbrach.   

Das "doch" bezieht sich auf Dein vorletzten Post, aber mit dem letzten bewegen wir uns ziemlich auf gleicher Wellenlänge. Danke Dir.

Und btw, ich frag mal nach, was mit den Waffen der Kampfgruppen aus dem Kraftwerk passierte, die waren über Nacht weg.

Aber das ist alles ziemlich viel Off-Topic. Schluss damit.
 

dtx

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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #223 am: 12. November 2019, 16:22:49 »
Gorbi hat schon kurz nach seinem Machtantritt deutlich gemacht, daß der Wind nun aus einer andern Ecke wehen werde. Und als die "Staats- und Parteiführung" bald darauf erwiderte, daß sie die Tapeten an ihren Wänden durchaus noch für brauchbar halte, wurde der Riß im Tischtuch für alle sichtbar rasch breiter.

https://www.zeit.de/1988/48/er-mauert-wieder
Zitat
Er mauert wieder
SED-Chef Honecker will nichts von Perestrojka wissen

Von Theo Sommer
25. November 1988, 8:00 Uhr

Spoiler
Seit 27 Jahren ist der Staat der deutschen Kommunisten nach Westen zugemauert. Nun mauert Erich Honecker auch nach Osten. Er dichtet Türen ab und verklebt Fensterritzen: Der Wind des Wandels, der seit Gorbatschows Amtsantritt immer mächtiger aus Moskau weht, soll in der DDR keinen Einlaß finden.

Die Machthaber des anderen deutschen Staates haben im Interessengeflecht des Ostblocks öfters die Stellung gewechselt. Wo es um die Entspannungspolitik ging, marschierten sie bald mit den Sowjets, bald gegen sie. Unter Walter Ulbricht gehörten sie mit den Prager Altstalinisten und den Kalten Kriegern im Kreml dem "Eisernen Dreieck" der Dialog-Hintertreiber an; unter Honecker bildeten sie dann mit den Ungarn in den letzten Gromyko-Jahren eine Achse der Dialogbereitschaft. Die Außen- und Sicherheitspolitik ist es denn auch nicht, die den SED-Chef von Gorbatschow trennt. Es ist dessen stürmische Entrümpelung des Sozialismus in der Sowjetunion, die Honeckers Altherrenriege mißbilligt, fürchtet und im eigenen Lande abzuwenden versucht.

Perestrojka? Haben wir nicht nötig, sagen die SED-Führer; unsere wirtschaftliche Umgestaltung haben wir schon nach 1971 erledigt; ein Umbau des politischen Systems aber kommt überhaupt nicht in Frage. Aus solcher Hoffart erklärte vor anderthalb Jahren der SED-Ideologe Kurt Hager gegenüber dem Stern: "Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?" In seinem Spiegel- Interview hat Gorbatschow darauf eine späte, doch unmißverständliche Antwort gegeben: "Es handelt sich... nicht um Maler- und Tapezierarbeiten, sondern um eine gründliche Rekonstruktion des Hauses, in dem wir leben." Nur des sowjetischen Hauses, erwidert daraufhin Hager; die sowjetischen Ziele seien nicht auf andere sozialistische Länder übertragbar. Plakativ, das Recht auf den eigenen Weg halsstarrig unterstreichend, feierte Honecker danach den transsylvanischen Mini-Mussolini Ceauşescu und hängte ihm den höchsten DDR-Orden um den Hals. Eine Allianz der Außenseiter?

Glasnost aber? Auch davon will die DDR-Führung nichts wissen. Ein bißchen mehr Vielfalt in Kunst und Literatur allenfalls, doch auch dies in Grenzen. Lebendigere Medien anstelle der tristen Verlautbarungs- und Agitations-Sprachrohre? Ganz unnötig, es gibt ja das Westfernsehen. Eine offene Diskussion über die Schrecken der Stalin-Zeit? Lieber nicht.

In Sinn und Form galt vor wenigen Monaten ein nachgelassenes Manuskript von Johannes R. Becher diesem Thema. Jetzt aber hat die Ostberliner Hauptverwaltung Ewige Wahrheiten die sowjetische Zeitschrift Sputnik aus der Postzeitungsliste gestrichen und damit praktisch unter ein Verbreitungsverbot gestellt; das Oktoberheft war der Stalin-Bewältigung gewidmet. An den Kiosken gibt es die Publikation – Untertitel: "Digest der sowjetischen Presse"; DDR-Auflage bislang 180.000 – schon seit zwei Jahren nicht mehr. "Sie bringt keine Beiträge, die der deutsch-sowjetischen Freundschaft dienen, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte", lautete die lapidare Begründung des Verbots. Es folgt der Beschlagnahme dreier Ausgaben der Moskauer Neuen Zeit Anfang des Jahres und fällt zusammen mit der Absetzung dreier reformerischer Sowjetfilme von den Kinoprogrammen. Die DDR-Bürger dürfen Westfernsehen sehen, nicht aber Ostfilme. Die Abweichungen des Klassenfreundes im Kreml fürchtet die SED-Spitze offenkundig mehr als die Ketzereien des Klassenfeindes.

Warum diese Eingriffe? Die abstrakten Gefechte der Ostberliner mit den Moskauer Ideologen? Die ständige Zensurierung von Kirchenblättern? Die Relegierung kritischer Schüler von der Carlvon-Ossietzky-Schule in Pankow, weil sie den Sinn von Militärparaden in Zweifel gezogen hatten? Das Verbot einer kirchlichen internationalen Tagung zu Friedensfragen? Vielleicht ist die SED-Spitze ja davon überzeugt, daß Gorbatschow sowieso scheitern wird und sie deshalb auf seine Ideen nichts zu geben braucht, die doch nur Unruhe schaffen. Auf jeden Fall hat sie Angst vor allem, was Diskussionen auslösen könnte. Der Ruf nach Wandel, woher er auch komme, soll in der DDR kein Echo finden.

Die Stimmung ist schlecht in Honeckers Republik. Die Versorgungsmängel drücken die Menschen so schwer wie schon lange nicht mehr. Die gelockerten Ausreisebestimmungen und die großzügigere Westreisepraxis haben den Druck im Kessel nicht gemindert; die ewige Bevormundung hat ihn eher steigen lassen. Die heranrückende Ablösung der heute herrschenden Führungsgeneration schafft zusätzliche Ungewißheiten.

Die DDR ist in schlechter Verfassung, ein Staat ohne Lack und Lüster und Perspektive. Darunter haben in erster Linie die Deutschen drüben zu leiden. Doch müssen auch all jene Enttäuschung verspüren, die ihr im Prozeß des Wandels zwischen Kyffhäuser und Kamtschatka die Funktion eines Schwungrades zugetraut hatten. Sie ist zum Hemmschuh geworden.
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Neben der Enttäuschung breiter Schichten der DDR-Gesellschaft darüber dürfte das Wissen, daß die Sowjetarmee unter Gorbatschow der Rentnergang im Politbüro nun nicht mehr die Kartoffeln aus dem Feuer holen würde, eine der Vorbedingungen für das Erstarken der Bürgerbewegungen gewesen sein.

Unabhängig davon war es wohl nur dem Mut zur Befehlsverweigerung einiger Wehrpflichtiger unter den Bereitschaftspolizisten zu verdanken, die vor den Augen der Demonstranten degradiert und verhaftet wurden, daß es in Leipzig kein Blutbad gab ...

Zurück zum Thema, denn das ist nun dreißig Jahre her und in den Details längst vergessen. Nach den Reportagen aus den absoluten Hochburgen der AfD unter den Wahlbezirken in Sachsen und Brandenburg zu urteilen, wohnen dort vorwiegend wirtschaftlich gutsituierte und gelangweilte Wendegewinnler. Man sollte endlich einmal anfangen, die Ergebnisse zu hinterfragen, anstatt sich weiter mit Ausflüchten zufrieden zu geben.

https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/hirschfeld-in-brandenburg-null-fluechtlinge-aber-50-6-prozent-afd/24970544.html

https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/afd-hochburg-in-suedbrandenburg-wie-die-buergermeisterin-von-hirschfeld-ihre-augen-verschliesst/24970436.html

https://www.gmx.net/magazine/politik/machtkampf-afd-aktuell-hoecke-gauland-meuthen-34159736
« Letzte Änderung: 12. November 2019, 16:30:05 von dtx »
 
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Re: Sächsische Verhältnisse und ungelöste Probleme
« Antwort #224 am: 12. November 2019, 18:47:12 »

Unabhängig davon war es wohl nur dem Mut zur Befehlsverweigerung einiger Wehrpflichtiger unter den Bereitschaftspolizisten zu verdanken, die vor den Augen der Demonstranten degradiert und verhaftet wurden, daß es in Leipzig kein Blutbad gab ...

Japp, sonst wäre ich heute u.U. Waise. Jetzt höre ich aber auf.
 
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