Dreiste Lügen über den Staatenbund-Prozess, 2. Auflage, Teil 6: Repliken der Verteidiger von Monika Unger und Jakob StückelschweigerNach der Mittagspause kommt die Stunde der Verteidigung: Jeder und jede einzelne darf auf das Plädoyer des Staatsanwaltes mit einer Gegenrede, einer sogenannten Replik, antworten. Bei insgesamt 13 VerteidigerInnen kann man sich vorstellen, wie lange sich das hinziehen wird (der 14. Angeklagte aus dem ersten Verfahrensgang, Gerhard Robineau, ist jetzt nicht mehr dabei). Manche der Argumente werden von fast allen Verteidigern in fast gleicher Weise und meist dennoch in ganzer Breite gebracht – was verständlich ist, da jede Verteidigerin, jeder Verteidiger den jeweiligen Angeklagten gut und ausführlich vertreten will. In solchen Fällen erlaube ich mir hier, das jeweilige Argument beim ersten Mal, wenn es gebracht wird, gleich zusammenfassend für alle Verteidiger darzustellen.
Beginnen darf der Verteidiger der Erstangeklagten Moni. Er stellt sich als Christian Riesemann vor; im Zusammenhang mit dem SBÖ-Prozess ist er mehrfach in den Medien aufgetreten,
so z.B. in der Sendung “Am Schauplatz”.
Als erstes kommt er auf die Pressemitteilung des OGH zu sprechen, die bereits der StA erwähnt hatte. (Ich frage mich ja, warum sich hier scheinbar alle auf diese Pressemitteilung beziehen, wo es doch wohl auch ein Urteil mit einer Begründung geben muss, aber OK, Österreich halt
).
Diese Pressemitteilung wird von Riesemann und weiteren Verteidigern natürlich anders ausgelegt als vom StA: Wichtig ist ihnen die darin enthaltene Formulierung “kein ausreichendes Sachverhaltssubstrat”, was die Verteidigung dahingehend interpretieren möchte, dass es laut OGH für den Vorwurf des Hochverrats bzw. der staatsfeindlichen Verbindung kein Sachverhaltssubstrat gebe, also, dass der OGH den Tatbestand als nicht erfüllt betrachte. Vorhin hatte der StA ja bereits darauf hingewiesen, dass die Verteidigung diese Passage so auslegen würde, hatte aber auch angemerkt, dass sich dieses “kein ausreichendes Sachverhaltssubstrat” lediglich auf die Formulierung der Fragen an die Geschworenen beziehe. Kritisiert worden sei, dass die Fragen nur dem Wortlaut der entsprechenden Strafnormen folgten, ohne dass die konkreten Taten der SBÖ-Mitglieder, also der Sachverhalt, eingeflossen seien – eine rein formelle Angelegenheit gemäss StA. So habe zumindest ich diese Kontroverse verstanden. Aber schauen wir uns diese Passage der
besagten Pressemitteilung des OGH doch gleich selber mal an:
Denn die dazu vom Schwurgerichthof an die Geschworenen gestellten Fragen enthielten zu erforderlichen Tatbestandselementen nur den Gesetzeswortlaut, aber kein ausreichendes Sachverhaltssubstrat. Dieses fehlte beim Hochverrat zur beabsichtigten gewaltsamen Änderung der Verfassung des Bundes oder eines Bundeslands und bei den staatsfeindlichen Verbindungen zur Zweckausrichtung des „Staatenbundes Österreich“ und seiner Unterorganisationen.
So kann sich jeder selber eine Meinung bilden. Zugegebenermassen würde ich hier der Auffassung des StA recht geben.
Als nächstes hält Riesemann ein Dokument hoch, bei dem es sich um jenen “berühmten Brief” handle, den alle “Präsidenten” des SBÖ unterschrieben haben (tatsächlich sind eine Menge roter Daumenabdrücke darauf zu sehen), und der an verschiedene österreichische Regierungsinstitutionen sowie an Trump und Putin verschickt worden war. Riesemann zitiert daraus kurze Formulierungen wie “Wir grüssen in Wahrheit, Licht und Liebe” und “Bitte, Personen in Haft zu setzen”, um dann rhetorisch zu fragen: “Wie kann ich mit so einem Schreiben die Verfassung ändern? Bei uns ändert die Gesetze das Parlament”.
Damit bezieht er sich auf den Wortlaut des Hochverrats-Paragraphen
§242 StGB:
(1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen.
(2) Ein Unternehmen im Sinn des Abs. 1 liegt auch schon bei einem Versuch vor.
… und kommt zu dem Schluss, dass es sich somit um einen absolut untauglichen Versuch handle: Die zu verhaftenden Personen hätten schliesslich der Regierung, nicht dem Parlament angehört.
Hinzu komme, dass das Militär ja ohnehin gar keine Befugnis habe, irgendwen zu verhaften. Die ganze Aktion sei “nicht nur dilettantisch, sondern geradezu absurd” gewesen. Der SBÖ sei “eine Gruppe von Spinnern, die sich fürchterlich verkalkuliert haben, aber keinerlei Gefahr ausströmen”.
(Ich weiss ja nicht, wie es Euch geht; aber ich finde es herrlich, wie sehr die Verteidiger in diesem Prozess ihre Mandanten immer wieder dissen müssen, um sie möglichst rauszuhauen. Beleidigung zwecks Verteidigung
)
Dass das Parlament in seiner Botschaft zum neuen Staatsverweigerer-Paragraphen (
§247a StGB) den SBÖ explizit erwähne, beweise, dass dieser aus Sicht des Parlamentes eben
keine staatsfeindliche Verbindung sei, sondern “nur” eine staatsfeindliche Bewegung im Sinne dieses neuen Paragraphen. Staatsfeindliche Bewegung wird deutlich milder bestraft als staatsfeindliche Verbindung. Allerdings ist §247a aus chronologischen Gründen noch nicht auf den SBÖ anwendbar.
Moni habe sich, so Riesemann weiter, vom SBÖ-Gedankengut glaubhaft distanziert; das sage auch die Sachverständige. Anfang Jahr sei eine schwere Geisteskrankheit bei Moni diagnostiziert worden (an dieser Stelle schüttelt Fallner demonstrativ den Kopf). Jetzt stehe sie unter Medikation und es gehe ihr soweit gut, dass sie mitwirken könne. Riesemann fragt, ob diese Geisteskrankheit nicht schon zum Tatzeitpunkt vorgelegen haben könnte. Die Absicht dahinter ist natürlich klar; Moni wäre dann nicht oder nur vermindert schuldfähig.
Als nächstes ist die Verteidigerin von S dran, die sich als Isabella Hödl vorstellt. Sie legt grossen Wert darauf, den Geschworenen und dem Publikum zu erklären, wer S sei: In ihrer Darstellung ein österreichischer Staatsbürger, Pensionist, “keineswegs Putin-affin” und “kein Bombenbauer” (die letzten beiden Bemerkungen gehen klar an die Adresse des StA). In seiner Jugend sei S “Trümmerbub” gewesen, d.h., er habe die Republik Österreich nach 1945 wieder aufbauen geholfen. Er habe immer Steuern bezahlt und das System nie beanstandet. Daneben sei er nun mal an “historischen Ereignissen” interessiert und habe sich deswegen angehört, wie Moni über bestimmte Dokumente sprach (im Prozess 2018 wurden diese von ihm als irgendwelche angeblichen Bestimmungen der “Alliierten” bezeichnet). Der SBÖ sei Monis Werk, sie allein habe da Entscheidungsbefugnis gehabt. S habe sie lediglich als Fahrer und Beschützer begleitet. Nun sei er seit dreieinhalb Jahren in Untersuchungshaft bzw. Einzelhaft.
Dann kommt die Verteidigerin zu der Frage, was der SBÖ sei: Ob er überhaupt solche Handlungen setzen könne, wie sie seinen Mitgliedern vorgeworfen werden; ob er die Verfassung ändern könne?
Nein, findet Hödl, denn der SBÖ sei nur ein “Verein” (kontraproduktiverweise schüttelt Faller bei diesem Wort heftig den Kopf) in “Wahrheit, Licht und Liebe”; er sei immer öffentlich aufgetreten und habe eine Webseite gehabt. Unter anderem habe diese Webseite eine Tauschbörse für gebrauchte Gegenstände enthalten – das passe doch nicht zu Hochverrat!
Also aufgepasst, Straftäter der Zukunft: Erstellt eine Webseite mit einer Tauschbörse, das macht sich gut in allfälligen Strafprozessen. Diese Anmerkung konnte ich mir jetzt nicht verkneifen.
Zu den Geschworenen sagt Hödl an diesem Punkt, sie sollten immer wieder auch versuchen, sich in die Perspektive des SBÖ hineinzuversetzen, insbesondere, was den Unterschied zwischen Mensch und Person betreffe. Wir werden später noch sehen, worauf sie damit hinauswill.
Zuerst kommt sie aber auf den Hochverratsvorwurf zu sprechen. Allein die Anwesenheit S’ bei der Übergabe von 27 “Haftbefehlen” reiche laut Anklage aus, um den Tatbestand des Hochverrats zu erfüllen. Nun liest die Verteidigerin den Wortlaut von
§242 StGB vor und fragt, was demgemäss eigentlich der konkrete Vorwurf an S sei. Unter den 27 “Haftbefehlen” müsse man sich Briefe vorstellen, die alle Moni geschrieben habe und die bei der Übergabe in Couverts verpackt gewesen seien. Und was habe S dabei getan? Nichts, ausser bei der Übergabe persönlich anwesend zu sein. Wie das den Tatbestand des Hochverrats auslösen könne? Ob S das wirklich gewollt habe – einen Putsch herbeiführen? Gemäss Hödl sei das “absolut denkunmöglich”.
Nun kommt Hödl auf den Vorwurf zu sprechen, S habe Moni im Jänner 2017 bei der Verfassung eines Schreibens an Othmar Commenda (den damaligen Chef des Generalstabs des Bundesheeres) unterstützt. Sie hält das Dokument hoch: Es sei ein “rosa Brief mit rosa Herzerln”. Die Verfasser würden in diesem Schreiben ihre Verwunderung darüber ausdrücken, bei Commenda noch keinen persönlichen Termin erhalten zu haben. Hödl zitiert daraus: “Wir sind alle Menschen, und niemand will hier irgendjemandem wehtun oder schaden.”
Wie man damit Gewalt ausübe, fragt sie rhetorisch.
Praktischerweise haben wir Bilddateien desselben Schreibens in unserem Wiki vor der Vergessenheit bewahrt. So können sich auch die geneigten SSL-Forums-LeserInnen ein Bild davon machen, wie die von Hödl paraphrasierten Formulierungen tatsächlich aussehen und was sonst noch alles in dem Schreiben steht. Ich verlinke hier alle vier Seiten:
Seite 1Seite 2Seite 3Seite 4Bei S werde in diesem Anklagepunkt nur auf dieses eine Schriftstück Bezug genommen, fährt Hödl fort. Ob das ausreichend sei? Zum Zeitpunkt der Abfassung habe S an Fieber gelitten, sei daher gar nicht anwesend gewesen. Es fehle zudem die Gewalt.
Zu den “Haftbefehlen” meint Hödl, die Geschworenen sollten sie als Beweismittel kritisch hinterfragen. Sie hält einen solchen “Haftbefehl” hoch: Die würden alle mit dem Schlusssatz “Wir grüssen Sie in Wahrheit, Licht und Liebe” enden. Im Blickwinkel des SBÖ, sagt Hödl, seien die “Haftbefehle” an beschuldigte
Personen ergangen. Das ist einer der Gründe, warum sie die Geschworenen vorhin aufgefordert hat, sich auch in die Perspektive der SBÖ-Ideologie zu versetzen. Denn es sei nie beabsichtigt gewesen,
Menschen zu verhaften.
Eine höchst originelle Theorie, muss ich wirklich sagen – und das meine ich nicht im negativen Sinne. Man muss es Frau Hödl zugute halten, dass sie sich bemüht hat, sich in die Deppen-Unlogik hineinzudenken (was allerdings ein aussichtsloses Unterfangen ist, da “Denken” im Sinne schlüssiger Argumentationsketten der Deppen-Ideologie nun einmal fremd ist), und dass sie einen Vorteil für ihren Mandanten daraus zu ziehen versucht. Ist ja schliesslich ihr Job. Allerdings kann ich mir an dieser Stelle auch einen Kommentar nicht verkneifen:
Spoiler
Man muss Hödls Theorie nämlich auch richtig zu Ende denken bzw. den wirren Pfaden der Deppen-Unlogik bis zum Durchdrehen folgen.
In unserem Wiki haben wir auch
ein Beispiel für einen solchen “Haftbefehl” den Klauen der Vergessenheit entrissen. Das Schriftstück enthält in der Tat die Formulierung “beschuldigte Personen”. Hödl stellte das Vorhaben des SBÖ als eine Art schlechten, aber nicht ernst zu nehmenden Scherz dar, da “mit einem Augenzwinkern”, wie sie formulierte, nur “Personen” verhaftet werden sollten. Aber: “Personen” werden nach gängigen Deppenvorstellungen verkörpert durch Geburtsurkunden oder Ausweisdokumente. Deshalb ist es ja auch immer wieder vorgekommen, dass Deppen bei Gericht demonstrativ ihre Geburtsurkunde auf einen Stuhl legten, in der Meinung, das Gericht dürfe nur darüber und nicht über den Menschen urteilen – oder dass sie behaupteten, ihre Person sei gar nicht anwesend, wie just heute der Angeklagte Faller.
Wenn Hödls Theorie zuträfe, müsste das also heissen, dass Moni eigentlich nur einen Stapel Papier vor ihr “staatliches Völkerrecht-Gericht” geladen hätte, dem sie dann vor einem Deppenpublikum ordentlich “die Leviten lesen” wollte. Das erscheint doch sehr unrealistisch. Zudem hat Moni das Militär
per Brief darum gebeten, die Angeklagten vorzuführen, weil sie wohl nicht freiwillig kommen würden. Dazu hätte sie keinen Grund gehabt, wenn sie keine echten, menschlichen Angeklagten erwartet hätte. Hinzu kommt, dass gerade die Reichsdeppen und Staatsverweigerer ja eben
keine Befürworter der vermeintlichen “Personenjustiz” sind, die für Menschen gar nicht zuständig sei und keine “Menschenrechte” achte. Vielmehr wollen sie diese ja immer wieder durch eigene Selbstjustiz-“Gerichte” ersetzen, etwa den ICCJV, den GCLC oder eben Monis “Völkerrecht-Gericht”. Das, was Frau Hödl hier behauptet – eine eigene “Personenjustiz” aufziehen – das würden Staatsverweigerer aufgrund ihrer Ideologie eben gerade
nicht tun. Das ist der Schluss, zu dem man gelangen muss, wenn man sich
konsequent in die Deppenperspektive hineinversetzt.
Davon abgesehen, gibt es genügend Belege dafür, dass Moni ihre “Angeklagten” in echt vorladen wollte. Allein schon
der kurze Mitschnitt ihres Vortrages in Kärnten am 13.04.2017, eine Woche vor ihrer Verhaftung, lässt da kaum Zweifel offen.
Sie liest darin auch eines der Ladungsschreiben vor, die den “Angeklagten” zusammen mit den “Haftbefehlen” zugestellt wurden. Darin ist von “Personen” keine Rede.
Der langen Rede kurzer Sinn: So originell und überraschend ich Frau Hödls Argument finde, ich jedenfalls kann dem nicht zustimmen.
Anschliessend kommt Hödl noch auf den Vorwurf der staatsfeindlichen Verbindung zu sprechen. Hödl liest den
Gesetzestext vor und sagt, mit dem Begriff “erschüttern” müsse schon etwas “Heftiges” gemeint sein. Wie das der SBÖ sehe, dieser “Verein von Weltverbesserern”? An dessen Stammtischen habe man über Themen wie Gesundheit, Natur, Nahrungsergänzungsmittel oder Esoterik gesprochen. S könne sich somit gar nicht führend an einer staatsfeindlichen Verbindung betätigt haben, da der SBÖ keine solche gewesen sei. Überdies seien die 3000 SBÖ-Mitglieder nicht “weite Teile der Bevölkerung”. (Worauf sich dieses letzte Argument bezog, ist in meinen Notizen leider nicht enthalten; evtl. Stammte es aus einem Kommentar zum Gesetz).