Artikel 146 GG muss auch mal wieder herhalten. Wenn der arme Artikel ein Lebewesen wäre, wäre er wohl Dauerpatient in der wiederherstellenden Chirurgie.
Dabei könnte man ja
lesen:Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Da steht also wörtlich, dass das Grundgesetz "für das gesamte deutsche Volk gilt", m. a. W. dass es keine irgendwie "unerlösten" Volksteile gibt, die man noch "heim ins Reich" holen könnte. Weiter ist da auch die "Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands" erwähnt, was umgekehrt auch bedeutet, dass es eben nichts mehr gibt, was man noch mit Deutschland "vereinigen" könnte (von dem denkbar unwahrscheinlichen Fall abgesehen, dass irgendein Gebiet eines anderen Staates plötzlich Lust auf Sezession und Angliederung an Deutschland bekäme). Auch die erwähnte "Freiheit" spricht dafür, dass Deutschland keinen Souveränitätsbeschränkungen unterliegt, die es nicht selbst wünscht (etwa die Mitgliedschaft in der EU).
Die Tragweite der Bestimmung in Artikel 146 besteht eigentlich ja nur darin, eine Gesamtänderung des Grundgesetzes bzw. den Erlass einer völlig neuen Verfassung rechtlich abzusichern. Wie ein solcher Vorgang genau abzulaufen hätte, wird nicht näher bestimmt. Dies müsste wohl im konkreten Fall geklärt werden.
Es fragt sich zudem, ob dieser Artikel nicht eine Binsenwahrheit ausspricht, denn immerhin ist es auch Folge der allgemein anerkannten Souveränität eines Staatsvolkes, sich eine Verfassung geben zu können. Selbst wenn das Grundgesetz dazu nichts sagte, müsste man die Frage stellen, ob Deutschland nicht über-konstitutionell das Recht hätte, sich eine neue Verfassung zu geben. Eine Verfassung bindet ja bekanntlich den pouvoir constitué, der Erlass einer Verfassung ist hingegen Sache des pouvoir constituant.