Der MDR nennt ihn "Lichtgestalt" der Reichsbürger-Bewegung...
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Peter Fitzek: "Lichtgestalt" der Reichsbürger-Bewegung
Der selbsternannte "König von Deutschland", Peter Fitzek, ist wieder auf freiem Fuß. Das Landgericht Halle hat ihn am Montag aus der Untersuchungshaft entlassen. Reichsbürger-Experte Andreas Speit beantwortet im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT Fragen zu Fitzeks Bedeutung für die Szene.
MDR SACHSEN-ANHALT: Mit Peter Fitzek ist ein prominenter Reichsbürger wieder frei. Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf die Szene?
Andreas Speit: Die Reichsbürger-Szene wird das erfreut begrüßen. Es ist einer derjenigen von ihnen aus der Haft entlassen, der eine klassische Lichtgestalt für ein bestimmtes Milieu der unglaublich heterogenen Reichsbürger-Bewegung ist. Wir reden von etwa 16.500 Reichsbürgern, die aus sich aus unterschiedlichsten Gründen dieser Idee angehängt haben. Gerade Peter Fitzek ist einer gewesen, der nicht das knallharte, rechtsextreme Milieu der Reichsbürgerszene angesprochen hat, sondern eher das esoterische, leicht rechts angehauchte Milieu.
Wie kann Fitzek nun wieder Einfluss auf die Reichsbürger-Szene nehmen?
Reichsbürger-Experte Andreas Speit
Fitzek war ja nicht wirklich weg. Er hat immer wieder Interviews gegeben. Er hat seine Anhängerschaft nicht verloren, auch wenn bestimmt viele enttäuscht sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass er die Projekte, die er angegangen hat, weiter umzusetzen versucht. Weil er sich selbst als jemanden sieht, der dazu in der Lage ist. Der Zuspruch bei ihm ist ein bisschen gesunken, aber es ist ihm immerhin gelungen, dass ihm bis zu 600 Menschen Geld zur Verfügung gestellt haben. 1,3 Millionen Euro insgesamt, mit denen er versucht hat, Projekte umzusetzen beziehungsweise vielleicht auch etwas für die private Tasche gemacht zu haben.
Das Königreich Deutschland ist eines dieser Projekte gewesen. Er wollte das ehemalige Krankenhaus nutzen für eigenes Zusammenleben, eigene Seminararbeit, eigenes Handwerkliches. Er hat dann auch eine eigene Bank gegründet, eine eigene Krankenversicherung. Da sieht man, wie weit er sich mit seiner Anhängerschaft von der Bundesrepublik verabschieden wollte. Weil er relativ geschickt vorgegangen ist, ist es ihm gelungen, ein ganz anderes Klientel zu gewinnen als rechtsextreme Reichsbürger. Das ist das Erschütternde: Man hat seine harten, auch antisemitischen Positionen lange nicht wahrgenommen.
Fitzek hat zum Beispiel das "Engelgeld" eingeführt, um sich von der Zinspolitik loszusagen. Gerade in rechten Kreisen ist es ein idealtypisches Argument, dass man behauptet, mit der Zinspolitik würden die Juden angeblich die Geschicke der Welt lenken. Genau solche ähnlichen Anspielungen finden Sie auch bei Fitzek.
Was hat Fitzek seinen Anhängern versprochen, wie hat er sie angelockt?
Er hat sich wirklich Mühe gegeben, den Menschen Raum zu geben in seinem Königreich, sie mitgestalten zu lassen. Wobei auch völlig klar war: Er ist derjenige, der dieses Königreich führt und die Leitlinien vorgibt. Ich habe niemanden getroffen, der ihn als Person kritisch infrage gestellt hat. Nachdem das mit dem veruntreuten Geld herausgekommen ist, ist das ein bisschen anders gewesen.
Er ist jemand, der für bestimmte Menschen eine charismatische Figur sein kann. Der ausstrahlt, der vermeintlich gesellschaftliche Alternativen aufzeigt – und sich auch bemüht, diese umzusetzen. Ihm ist es gelungen, Menschen anzusprechen, die nach irgendetwas suchten, nach Halt, nach Ideen. Und er hat ihnen Optionen aufgezeigt, wie eben das Königreich Deutschland, wo sie dann versuchten, ihre Utopien leben zu können.
Ich habe Anhänger von ihm getroffen und habe gemerkt, wie sehr sie an ihm hängen. Und wie enttäuscht sie gewesen sind, dass er das Geld veruntreut haben soll. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie jetzt denken: "Ach, guck an, da hat der Staat sich doch geirrt. Da können wir Peter Fitzek vielleicht wieder viel mehr glauben, als wir es in den letzten Monaten getan haben, als er in Untersuchungshaft gewesen ist."
Wie viele Menschen in Sachsen-Anhalt würden sich den Reichsbürgern zuordnen?
Aktuell geht das Innenministerium von 450 Reichsbewegten in Sachsen-Anhalt aus. Die Tendenz ist in den letzten Monaten aber steigend.
Welche Strömungen gibt es in der Reichsbürgerbewegung? Wo ist Fitzek anzusiedeln?
Die Reichsbürgerbewegung wird idealtypisch in vier Milieus unterschieden. Das eine Milieu der Reichsbürger sind die Rechtsextremen, die schon nach 1945 das Deutsche Reich wiederhaben wollten. Mitte der 1980er Jahre haben wir eine Szene, die sich selbst offen als Reichsbürger benannt haben, die eigene Reiche gegründet und kommissarische Regierungen ausgerufen haben – in der Annahme, dass die Bundesrepublik kein realer und erst recht kein souveräner Staat war.
So ab 2000 beginnt das, was man mit Peter Fitzek näher kennenlernt, nämlich die Selbstverwalter, die anfangen, eigene Staaten und Königreiche auszurufen. Sie versuchen, in diesen Konstrukten irgendeine Form des gemeinschaftlichen Zusammenlebens zu organisieren. Das vierte Milieu ist das der Souveränisten, die "nur" die Souveränität der Bundesrepublik infrage stellen, aber nicht dazu neigen, eigene Staaten zu gründen.