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Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 50.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Bakterien. Rund 2.400 sterben daran, wie das Robert Koch-Institut schätzt – Tendenz steigend. Deshalb will in Bayern die Koalition aus CSU und Freien Wählern wohl noch in dieser Woche im Landtagsplenum ein fünfteiliges Maßnahmen-Paket beschließen.
Das Ziel: "Todesfälle durch multiresistente Keime vermeiden". Die Maßnahmen: Lieferengpässe bei der Antibiotika-Produktion sollen verhindert, Umweltstandards in der Medikamentenproduktion eingehalten und in der Lebensmittelproduktion – zum Beispiel bei Aquakulturen – Antibiotika möglichst sparsam eingesetzt werden. Doch an einem weiteren Punkt entzündet sich Streit.
Homöopathie als mögliche Alternative zu Antibiotika?
In Teil vier dieses Pakets geht es auch um Homöopathie. In der Hauptsache soll eine Studie veranlasst werden, die untersucht, wie man mit weniger Antibiotika auskommt. Dabei soll eine mögliche "positive Rolle von gegebenenfalls ergänzend verabreichten homöopathischen Präparaten" beleuchtet werden, um so den Einsatz von Antibiotika zu verringern oder teilweise ersetzen zu können.
In der Antragsbegründung heißt es, dass laut einer bereits veröffentlichten Studie, eine zusätzliche homöopathische Behandlung bei schwer an Blutvergiftung erkrankten Menschen "nützlich" sein kann. In dem Antrag wird des Weiteren für möglich gehalten, dass eine homöopathische Behandlung Antibiotika zum Teil ersetzen oder reduzieren kann und "in manchen Fällen ebenso heilsam" sei.
Gesundheitsministerium: Homöopathie maximal als Ergänzung
Im bayerischen Gesundheitsministerium sieht man "die Prüfung des Einsatzes von homöopathischen Arzneimitteln als Ersatz für eine Antibiotikatherapie" kritisch. Studien zu homöopathischen Therapieansätzen bei bakteriellen Infektionskrankheiten seien systematisch gesichtet worden, unter anderem von "Cochrane Collaboration", einem weltweiten Netz von Ärzten und Wissenschaftlern: "Die Ergebnisse geben keine belastbaren Hinweise auf eine Wirksamkeit, welche über die bekannten positiven Placebo-Effekte von Ritualen, Gespräch und Zuwendung hinausreichen", teilte eine Ministeriums-Sprecherin auf BR24-Anfrage mit.
Die Homöopathie wird vom Ministerium nicht als Alternative zu Antibiotika gesehen. Ihr komme vielmehr eine unterstützende Rolle zu, mit dem Ziel die Selbstheilungskräfte des Körpers zu stärken. In einer Studie, wie sich der Einsatz von Antibiotika verringern lässt, könne zum Beispiel auch eine "ergänzende Gabe" von Homöopathika bei chronischen oder immer wiederkehrenden Infektionen untersucht werden.
Klinische Studien, bei denen bei schwerwiegenden bakteriellen Infektionskrankheiten wie einer Sepsis je nach Fallgruppe hochwirksame Antibiotika oder als Alternative dazu Homöopathika eingesetzt werden, würden sich schon aus ethischen Gründen verbieten.
Seidenath (CSU): Polemische Diskussion versachlichen
Homöopathie ist ein Streitthema, das sich durch viele gesellschaftliche Debatten zieht. Bernhard Seidenath (CSU), dem Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses im Landtag, ist die Kritik an Homöopathie bewusst. Dennoch steht er zu der beantragten Studie. "Uns geht es auch darum, die polemische Diskussion zu versachlichen", sagt Seidenath, "wir möchten Licht ins Dunkel bringen."
Dabei weist der CSU-Politiker darauf hin, dass es nicht um eine Studie zur Homöopathie geht, sondern um eine Studie, wie der Einsatz von Antibiotika verringert werden kann, um letztlich Todesfälle wegen multiresistenter Keime so weit wie möglich zu verhindern.
Nach Ansicht Seidenaths könne man Effekte der Homöopathie, auch wenn sie vielleicht gering seien, nicht einfach von der Hand weisen. Angesichts der großen Probleme, die durch Antibiotikaresistenzen und multiresistente Keime drohen, müsse man "jetzt unbedingt die Weichen stellen und auch alle Strohhalme und Notnägel testen".
Auch die Grünen stimmten im Ausschuss für den Antrag
Im Gesundheitsausschuss stimmten auch die Grünen für die Beschlussempfehlung. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Christina Haubrich, begründete diesen Schritt damit, dass bei manchen Krankheitsbildern wie bei Allergien auf Antibiotika, in der Schwangerschaft oder bei Kindern Antibiotika-Alternativen helfen könnten.
Gerade bei Fällen, in denen eine Antibiotika-Verordnung vermeidbar sei oder Antibiotika bereits versagt hätten, müsse man neue Therapiemöglichkeit suchen, testen und bewerten: "Es gibt leider immer noch viel zu wenig wissenschaftlich fundierte Studien nach modernen Maßstäben auf diesem Gebiet", erklärt Haubrich.
SPD hält Studie für überflüssig
Die stellvertretende Vorsitzende im Gesundheitsausschuss, Ruth Waldmann (SPD), hat gegen die Beschlussempfehlung gestimmt. Für sie liegen die Vorteile der Homöopathie ausschließlich bei der "sprechenden Medizin", bei der sich bei Patienten positive Effekte durch Gespräch und Zuwendung ergeben würden.
"Sämtliche wissenschaftliche Studien haben bisher gezeigt, dass eine Wirksamkeit homöopathischer Mittel nicht nachgewiesen werden kann. Es ist deswegen sehr fraglich, wieso jetzt eigentlich mit Steuermitteln die Staatsregierung nochmal eine Studie in Auftrag geben soll." Ruth Waldmann, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion
Im Zusammenhang mit schweren Krankheiten könne die Gabe von homöopathischen Mitteln keine Alternative sein, wenn Antibiotika eigentlich angezeigt seien.
"Netzwerk Homöopathie" verschickt offenen Brief an Landtagsabgeordnete
Wie bekannt wurde, hat das Homöopathie-kritische "Informationsnetzwerk Homöopathie" am Montagabend einen offenen Brief an die Landtagsabgeordneten verschickt. Die Essenz: Anstatt weitere Studien zur Homöopathie zu veranlassen, sollten die Abgeordneten lieber auf eine Reduktion der Antibiotika-Verschreibungen hinwirken. Am Donnerstag (7. November) steht das Maßnahmenpaket im Landtag zur Debatte. Der Termin könnte sich aber auch noch auf Dienstag (12. November) verschieben.