Nehmen wir mal die Maslowsche Bedürfnispyramide in der Überarbeitung von 1970
Maslow dient, neben der Tatsache, dass der streng hierarchische Aufbau empirisch nicht abgesichert ist (Beispiel: "brotlose Künstler" machen ihre Kunst (Selbstverwirklichung), obwohl sie mittels ihrer Kunst ihre Existenz nicht sichern können (kein Brot)), nur zur Veranschaulichung. Alderfer hat mit der ERG-Theorie (Existence, Relatedness, Growth) die Frustrationsregression eingeführt, d. h., falls ein höheres Motiv nicht erreichbar ist, geht man eine Ebene tiefer. Ebenfalls können gleichzeitig mehrere Bedürfniskategorien aktive Motivatoren sein.
Prinzipiell stimme ich dir zu, dass die Selbstverwirklichung/Transzedenz als nicht erfüllbare Wachstumsbedürfnisse mindestens bei gutsituierten Haushalten als einzig verbleibende Herausforderung bleibt. Den Rest (Defizitbedürfnisse) hat man durch materiellen Wohlstand bereits erreicht.
Achtung, möglicherweise steile These: Gleiches gilt meiner Meinung nach auch für weniger gut situierte Haushalte bis hin zu Bürgergeldempfängern. Unser Sozialsystem mit Krankenabsicherung, auch wenn es nicht perfekt ist, hat im ausreichenden Umfang dazu geführt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung keine wirklich existenziellen (ich meine so etwas wie Krieg, direkter Überlebenskampf, eine kleine Zombieapokalypse, fehlende Krankenversorgung, Nahrungsmangel etc... also so richtig Schei**e) Sorgen hat, man hat dennoch seine Sozialkontakte etc., so dass die Defizitbedürfnisse erfüllt sind (wenn auch -je nach Sichtweise- auf unterschiedlichem Niveau).
Um nun
Selbstwirksamkeit zu erfahren, bedarf es dann natürlich Aktivitäten außerhalb des "sozialen Auffangnetzes"*. Die Möglichkeiten könnten da begrenzt sein (falls man einen Korrelation zwischen Bildung und Erfolg in der Arbeitswelt annimmt), sodass man sich auf einfache Erklärungsmuster (die Ausländer sind Schuld, die Joodn wollen uns mit ihrer Medizin vergiften, feinstoffliche Medizin wird von der Pharmamafia unterdrück, die Kugelerde soll uns auch unterdrücken etc.) beziehen muss, wo man mit begrenzter Bildung Held (m/w/d) sein kann.
Ketzerisch kurz: Der Sozialstaat gibt uns die Freiheit, damit wir selbst verblöden und diesen ganzen Humbug glauben, damit wir uns besser fühlen können, weil wir höheres Wissen haben, was nur den Erwachten und Erleuchteten zugänglich ist.
Disclaimer: Ich plädiere nicht für die Abschaffung des Sozialstaates und rufe nicht nach mehr Eigenverantwortung (FDPlerisch für mehr Belastung und Umverteilung nach oben).
* Das ist nicht despektierlich gemeint, soll nur darstellen, dass existenzielle Grundbedürfnisse von der BRD-Diktatur gedeckt werden.