Was hat eigentlich Dresden, was Hamburg oder andere Städte nicht haben?
Die in dem Fall der Luftangriffe auf Dresden ungewohnt erfolgreichen Lügen der Nazis und deren Verbreitung in der internationalen Presse sowie die spätere sowjetische und DDR-Propaganda sind ein wichtiger und besonders unappetitlicher Teil des Mythos der Angriffe auf Dresden (selbst das Rote Kreuz hat 1946 noch von 275.000 Toten gesprochen, obwohl es real weniger als 25.000 waren).
Zum anderen aber war Dresden für viele damals trotz der Gewöhnung an den Luftkrieg ein Schock und eine Zäsur. Denn der Angriff war so massiv und insbesondere so effizient angelegt, dass er weite Teile der Stadt in nur drei Tagen komplett in Schutt und Asche gelegt hat. Dreiviertel der Altstadt wurden innerhalb von Minuten in Brand gesetzt. Fünfzehn Quadratkilometer der Innenstadt waren derart verwüstet, dass Erich Kästner nicht einmal mehr die Straße finden konnte in der zuvor das Haus stand, wo er aufgewachsen war. Dresden hatte nach dem Angriff mehr Tote und mehr Schäden zu verzeichnen als das erheblich größere und seit 1942 schon unzählige Male massiv bombardierte Stadtgebiet von Köln.
Wegen der langen trügerischen Ruhe (es gab sogar Gerüchte, dass Dresden nicht bombardiert würde, weil dort eine Großtante von Churchill wohne) war der Schock zwangsläufig größer. Zumal kaum kriegswichtige Industrie getroffen wurde und zur Verwunderung vieler der große Luftwaffenstützpunkt, Dresdens Flughafen Klotzsche verschont blieb. Die Stadt war angefüllt mit Flüchtlingen (die übrigens damals, obwohl deutsch, auch nicht freundlich behandelt wurden); die Niederlage lag gefühlt schon in der Luft; man glaubte trotz allem glimpflich davon gekommen zu sein. Da war das Entsetzen, dass einen solch eine Katastrophe doch noch ereilte, entsprechend groß. Und das Ausmaß der Zerstörung war auch so groß, so unübersehbar und zuvor so unvorstellbar, dass man Goebbels damals vermutlich auch drei Millionen Tote abgenommen hätte.
Wobei die Reaktion der Bevölkerung, wie bei den Luftangriffen allgemein, weder Wut und Zorn auf die Regierung war (so die Hoffnung der Strategen) oder Hass gegenüber den Feinden (wie die Regierung hoffte), sondern eher eine fatalistische schweigende Gram und die Besinnung auf das nackte Überleben war.
Bei den Alliierten führte gerade die Zerstörung von Dresden dazu, dass die Strategie kritisch hinterfragt wurde. Insbesondere die USA argumentierten dagegen und selbst Churchill notierte: "The destruction of Dresden remains a serious query against the conduct of Allied bombing."
Wobei die Strategie aber nicht, wie manchmal kolportiert, deswegen eingestellt wurde. Man hat danach eher aus militärischen Überlegungen versucht Ziele von höherem strategischen Wert zu treffen.
Dresden war also ein durch verbesserte Kriegstechnik ermöglichter gewaltiger Sprung im Umfang der Vernichtung bei Luftangriffen auf Städten. Und vermutlich wäre der Mythos heutzutage größer wenn die angsteinflössenden Bilder der Zerstörung Dresdens nicht schon ein halbes Jahr später durch noch viel monströsere Bilder von der völligen Vernichtung einer Stadt durch eine noch furchtbarere Waffe abgelöst worden wären: Hiroshima.
Und so gehört die Zerstörung Dresdens im Gedächtnis der Welt, entsprechend etwas kleiner geschrieben, zu den Chiffren der Ereignisse denen die Weltgemeinschaft nach dem Krieg ausdrücklich abgeschworen hat: Nie wieder Holocaust. Nie wieder Hiroshima oder Nagasaki. Nie wieder Dresden.