Schade, ich hatte gehofft, N.N. und H.G. hätten sich am Ende ihres Gespräches gegenseitig in ihre Taucheranzüge aus Beton geholfen und anschließend die Untiefen des mit Wasser gefüllten Lochs ergründet, natürlich ohne Atemgeräte, denn dt. Luft ist die beste der Welt und hält ewig.
Stattdessen belästigt N.N. uns schon wieder mit einem neuen Video. Er hat sich eigens ein schwarzes Hemd von Ingo S. geliehen und stundenlang vorm Spiegel einen betroffen-ernsten Blick eingeübt. An der Wand hinter ihm hat er unzählige Broschüren zum 8. Mai -Titel „8. Mai Befreiung Europas vom Nationalsozialismus- aufgehangen, die er irgendwo geklaut hat. Die Broschüre wurde vom Berliner Senat beauftragt, Details unter
https://75jahrekriegsende.berlinN.N. steigt mit einem Zitat Schäubles von 2011 ein, dass Deutschland seit dem 08.05.1945 nicht mehr souverän gewesen sei. (Wortlaut Schäubles: „Und wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen.“) Als Kontrast dazu die Rede von Weizäckers zum Jahrestag des Kriegsendes 1985 und das bekannte Wort vom Tag der Befreiung.
"Es ist der Tag, an dem der 2. Weltkrieg offiziell endete, aber nur offiziell. Seit dem Lesen der Expresszeitung wissen wir, der Krieg dauert an und er geht schon viel länger, 100 Jahre Krieg gegen Deutschland. Und heute sind wir an einem Höhepunkt angekommen, heute 75 Jahre nach offiziellem Kriegsende ist in Berlin ein Feiertag ausgerufen worden. Heute abend [...] wird das Brandenburger Tor in vier Sprachen [der Siegermächte] beleuchtet mit dem Schriftzug 'Danke.' [...] Eine Verhöhnung sondergleichen. [N.N. Verweist auf die Broschüre] Sie laden ein zu einer virtuellen Ausstellung [...] auf unterstem Niveau werden hier wieder Klischees bedient. Das einzige was man mit diesen Broschüren hier machen kann, ist es sie wegzuschmeißen." Angeblich hat er die aufgehangenen Flyer im Müll gefunden. „Das ist der Ort wo sie hin müssen. Trotzdem glauben viele unserer Volksgenossen die Lüge vom Tag der Befreiung und auch die Lüge vom Tag des Kriegsendes,“ weil sie z.B. von der Berliner Morgenpost, die sich doch erdreistete vom Tag der Befreiung zu schreiben, indoktriniert werden. Zum Glück gibt es im übelriechenden Mikrokosmos von N.N. noch Qualitätspublikationen wie „Volk in Bewegung,“ aus der N.N. einen Artikel von Dr. Rudolf Ralves (ich konnte den Artikel nicht finden, der nach Nerling bereits 1995 im Münchner Merkur veröffentlicht worden sein soll) vorliest. Es folgt das vorhersehbare Geseier über die Befreier, die keine Befreier waren, sondern Verbrecher „denn Befreier stehlen, rauben und plündern nicht. Befreier drangsalieren, foltern, vergewaltigen und morden nicht […] Befreier sitzen nicht über Befreite zu Gericht […] Befreier missachten das Völkerrecht nicht. Sie überantworten befreite Gefangene nicht fremder Gewalt. Sie lassen sie nicht verhungern oder durch andere Weise umkommen. [...] Befreier vertreiben Befreite nicht aus ihrer Heimat […] Befreier entehren nicht die Denkmäler der Befreiten, sie verschleppen ihre Kunstschätze nicht. Die Sieger von 1945 sind nicht als Befreier gekommen, sondern als Eroberer.“
Eben hat er die Morgenpost nur mit Abscheu in die Hände genommen, jetzt lobt er einen Kommentar („Kasupke sagt,“) der in wenigen Zeilen eigentlich nur sagt, dass nach Kriegsende nicht urplötzlich das Paradies auf Erden ausbrach, „Der Krieg war zu Ende, aber Hunger, Elend und Leid waren dadurch nicht dabei. Besonders nicht für die Frauen und Mädchen, die den russischen Soldaten in die Hände fielen. [N.N. versucht sich im berlinern] Meine geliebte Großmutter wollte nie darüber sprechen, was ihr und vielen anderen Frauen angetan wurde. Aber sie hat immer gesagt, dass wir dankbar sein müssen, wenn wir nie wieder Krieg erleben müssen.“ Stehe ich auf dem Schlauch und verstehe etwas falsch, oder hat das aus alten Wehrmachtssocken zusammengenagelte Weltbild von N.N. einen Knacks? Das Zitat verschweigt zwar nicht die Härten, stellt doch aber insgesamt die Befreiung als erinnerns- und gedenkenswert nicht in Frage, oder?
Drecksaualarm zum Ausklang:
„Vergessen wir niemals, was geschah. Vergessen wir nicht, was unseren Vorfahren angetan wurde, ehren wir sie, pflegen wir ihre Gräber und ihre Erinnerungen. Und vor allen Dingen lassen wir uns keine Lügen erzählen. Wir wissen, was geschehen ist, wir wissen, was die Wahrheit ist und eines Tages, da bin ich mir sicher, da wird diese Wahrheit in den Geschichtsbüchern stehen. Sorgen wir dafür, dass dieser Tag bald geschieht.“So langsam glaube ich, dass sich bei N.N. irgend Trauma der zweiten bzw. dritten Nachkriegsgeneration Bahn bricht, weil in der Erlebnisgeneration nicht oder nur unzureichend über die Zeit gesprochen wurde bzw. gesprochen werden konnte, und dass seine Verirrungen nur noch psychologisch zu erklären und idealerweise adäquat zu behandeln sind. Anders kann ich mir die obzessive und selektive Wahrnehmung Nerlings und seine ostentativen Postulate nicht erklären; jeder neuer Videoschmutz ist aus dümmsten Versatzstücken ohne jede logische Stringenz zusammengekleistert und daher voller Widersprüche und seine Wissenslücken sind hierbei eklatant. Er macht diesen Unsinn doch inzwischen schon seit ein paar Jahren, aber er tritt beständig auf der Stelle, entwickelt sich nicht im mindesten weiter, wiederholt unreflektiert die ewiggleichen und seit Jahrzehnten abgestandenen Phrasen.
Zum Schluss ein Lied für N.N.:
Dein Opa hat den Krieg verloren... und jetzt alle, lauter bitte.