Die Durchsuchung wurde vom BVT (Verfassungsschutz) veranlaßt.
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Attentäter spendete an Identitäre - Regierung fordert Aufklärung
Großspende und mutmaßliche Verbindungen zwischen Identitären und Neuseeland-Attentäter - Regierung schaltet sich ein.
Im Zuge von Ermittlungen zu dem Anschlag in Neuseeland hat es am Montag in Wien eine Hausdurchsuchung gegeben. Wie der Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) in Österreich, Martin Sellner, in einem am Montagabend veröffentlichten Video mitteilte, wurde seine Wohnung durchsucht, weil er eine Spende des mutmaßlichen Attentäters von Christchurch erhalten habe.
Das Innenministerium bestätigte dem KURIER die Hausdurchsuchung. Diese sei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Graz durch den Verfassungsschutz (BVT) erfolgt. Es wurden laut Staatsanwaltschaft Datenträger sichergestellt.
Dankes-Mail an späteren Terroristen
Gegen ihn werde wegen der "Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" ermittelt, erklärte Sellner zuvor in einem rund 15-minütigen Video, das er über soziale Medien verbreitete. Er räumte ein, eine "unverhältnismäßig hohe Spende" von einer eMail-Adresse erhalten zu haben, die den Nachnamen des rechtsextremen Attentäters enthielt. Für die Spende habe er sich per eMail auch bedankt: "Ein Dankes-eMail bekommt jeder, der mich unterstützt."
Zwar habe er die Spende melden wollen, da er gewusst habe, dass auch in Österreich Ermittlungen liefen, so Sellner, doch sei es dazu vor der Hausdurchsuchung nicht mehr gekommen.
Die Summe der Spende werde er an eine karitative Einrichtung weitergeben, mit dem Terroranschlag habe er "nichts zu tun", betonte der Sprecher der Identitären. Er habe keinen Kontakt zum australischen Terroristen gehabt und ihn auch nie getroffen. Zum zeitlichen Ablauf der Geschehnisse machte Sellner mehrmals unklare Angaben. So erklärte er zunächst etwa, dass die Spende des Attentäters von Anfang 2018 stamme, dann wiederum, dass er sie "Anfang des Jahres" erhalten habe.
Spende hat "Gesicht bekommen"
Das Innenministerium beziffert die Spende mit rund 1.500 Euro. Diese war bereits länger den Behörden bekannt und bei den bisherigen Ermittlungen wegen des Verdachts von Finanzvergehen von Sellner aufgefallen, weil sie höher war als andere Spenden. "Nun hat sie ein Gesicht bekommen", sagte Hansjörg Bacher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz. Denn: Der email-Absender passte zum Namen des Mannes, der in Christchurch 50 Menschen getötet hatte. "Das war für uns ausschlaggebend, die Sache zu durchleuchten." Eine Initialzündung aus dem Ausland oder von einer anderen Behörde habe es für die Hausdurchsuchung nicht gegeben, sagte Bacher auf Nachfrage.
Kurz: "Netzwerke ausheben"
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat nach der Razzia volle Aufklärung über Verbindungen zwischen Identitären und Attentäter gefordert. Die Justiz müsse gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden "diese Netzwerke ausheben".
Kurz habe bereits mit Justizminister Josef Moser (ÖVP) gesprochen. Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat sich für lückenlose Aufklärung ausgesprochen. "Es wird gegen jeden Extremismusverdacht vorgegangen, egal ob von rechts, links oder religiös motiviert. Fanatismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz", sagte Strache, ohne die Identitären allerdings explizit zu erwähnen.
Opposition fordert mehr Initiative
SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried warf der Regierung vor, zu wenig gegen Rechtsextremismus zu tun. Seit Herbert Kickl (FPÖ) Innenminister ist, sei der "Geheimdienst" de facto handlungsunfähig gemacht worden. "Wir haben in Österreich definitiv ein Problem mit Rechtsextremismus", so Leichtfried. Man habe deshalb den Geheimdienst-Unterausschuss zum Innenausschuss im Parlament für Freitag einberufen lassen.
SPÖ und Liste Jetzt haben auch gemeinsam eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats verlangt. Auch die Neos fordern umfassende Aufklärung über die "offensichtlichen" Verbindungen der Identitären zum Christchurch-Attentäter. Neos-Mandatar Niki Scherak hoffe auf eine Erklärung von Kickl am Donnerstag im Nationalrat.
Reise nach Österreich
Wie vergangene Woche bekannt wurde, hielt sich der mutmaßliche Täter, ein 28-jähriger Australier, vor dem Anschlag auch in Österreich auf. Die Untersuchungen des Verfassungsschutzes laufen noch, das genaue Datum des Österreich-Aufenthaltes wurde zunächst nicht bestätigt. Laut Medienberichten reiste der Rechtsextremist am 26. November 2018 nach Wien, soll sich aber auch in Kärnten, Salzburg und Innsbruck aufgehalten haben. Vermutet wird eine Art historische Spurensuche nach den Kreuzrittern quer durch Europa.
Sellner ist davon überzeugt, dass ihn der Australier "in die Sache hineinziehen wollte". Denn dieser finde "Patrioten" wie die Identitäre Bewegung, die sich "gegen Masseneinwanderung" und für "friedliche Lösungen" einsetzen, "lächerlich", "verlogen" und "heuchlerisch". "Die von T. (Abkürzung von der Redaktion) erhofften und bezweckten Repressionen gegen Patriotische Aktivisten gehen los", kommentierte Sellner so auch sein Video.
Die Identitären werden vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestuft.
Bei dem Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch am 15. März waren während der Freitagsgebete 50 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Etwa 20 Verletzte werden immer noch in Krankenhäusern behandelt. Der Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft, ihm droht wegen vielfachen Mordes lebenslang Gefängnis.
Ermittlungen nach Donnerstagsdemo
Nicht nur das BVT, sondern auch das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) ermittelt derzeit gegen die IB Österreich. Die Gruppierung hat bei der vergangenen Donnerstagsdemo gegen die Bundesregierung auf einem Dach ein großes Plakat mit der Aufschrift „Stoppt den großen Austausch“ gehisst, während linke Demonstranten vorbeizogen.
Der Attentäter von Christchurch hatte sein Manifest „The Great Replacement“ ("Der große Austausch") benannt, weswegen das DÖW in einer Analyse des Manifests klare Parallelen zu der IB sah. Die Wiener Polizei bestätigte, dass deshalb Ermittlungen laufen. Die Plakat-Aktion fand just an dem Tag statt, als die vom DÖW analysierte Parallele in den Medien thematisiert wurde. Die rechtsextreme Bewegung wollte ihre Aktion trotz der zeitlichen Überschneidung als gegen Terrorismus gerichtet verstanden wissen. Man verurteile den Terrorakt von Neuseeland.