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Auto in Graben gelenkt? – Freispruch
„Er wird uns alle umbringen!“ Es war ein folgenschwerer Satz einer Mutter nach einem schweren Autounfall im Juli 2017. Dass ein 58-Jähriger seine Lebensgefährtin und deren Sohn absichtlich von der Straße lenkte, konnte vor Gericht aber nicht bewiesen werden.
Neumünster/Bad Segeberg
Der Mann aus dem Kreis Steinburg war der schweren Körperverletzung angeklagt. Er habe die Sicherheit im Straßenverkehr sowie das Leben anderer gefährdet, hieß es in der Anklage. Demnach sollen er und seine 47-Jährige Lebensgefährtin sich während der Fahrt in Weddelbrook bei Bad Bramstedt gestritten haben, es sei um Trennung gegangen.
Fakt ist: Der Opel kam im Sommer 2017 von der Straße ab. Beim Eintreffen der Rettungskräfte lag er auf der Seite, die Frau musste von der Feuerwehr aus dem Wagen geschnitten werden. Sie erlitt einen Schock und etliche Prellungen, das Kind Spuren vom Sicherheitsgurt. Ob der Unfall absichtlich herbeigeführt wurde, dafür gab es keine konkreten Anhaltspunkte. „Der Anklagevorwurf ist nicht mit erforderlichen Belegen nachzuweisen“, erklärte Richterin Inken Stelling. Vorangegangen waren über sechs Stunden Verhandlung vor dem Schöffengericht in Neumünster.
Dass es überhaupt zu der Anklage kam, war vor allem der Zeugenaussage der Frau am Unfalltag geschuldet. Sie behauptete vor Ersthelfern und Rettungskräften sinngemäß: „Er wird uns alle umbringen!“ In dem Fall würde aus einem Unfall ein Akt der Fremdgefährdung, eine Straftat, sagte der Leitende Notarzt vor Gericht aus. Nicht nur aus diesem Grund holte er die Polizei zum Rettungswagen, sondern auch, weil die Patientin eine Behandlung ablehnte. In seltenen Fällen komme es vor, dass Ärzte unterscheiden müssen zwischen dem erklärten Willen, sich behandeln zu lassen. Oder Bewusstseinsstörungen. Manchmal müsse man Zwang anwenden lassen, jedoch nur in gut begründeten Fällen, blieb er aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht vage. Die Frau wurde in ein Krankenhaus gebracht.
Zur Hauptverhandlung waren der Angeklagte und seine Partnerin am Freitag gemeinsam erschienen. Die Frau machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und sagte nicht aus. Somit musste sich das Gericht auf andere Zeugen konzentrieren, Polizei und Kriminalpolizei, Ärzte sowie ein technisches Gutachten zum Unfallhergang. Der Dekra-Sachverständige Julian Jorde zeigte in Bildern, wie der Verlauf des Fahrzeugs nachvollzogen wurde: Bewegungsablauf, Geschwindigkeitsrückrechnung und Kippvorgang des Wagens. Es seien mindestens 70 Stundenkilometer nötig gewesen, so Jorde, damit das Auto so kippt. Es müsse eine driftende Bewegung gegeben haben und das Lenkrad eingeschlagen worden sein. „Sonst ist das nicht plausibel.“ Es konnten jedoch keine eindeutigen Rückschlüsse gezogen werden, ob das alles bewusst geschah oder ein üblicher Bremsvorgang war.
Es war eine zähe Verhandlung. Immer wieder wurde es laut im Gerichtssaal. Angefangen damit, dass das Paar deutsches Recht infrage stellte und erklärte, mit notariell beglaubigter Namensunterschrift beziehungsweise nach islamischem Recht verheiratet zu sein. Um überhaupt den juristischen Familienstand zu klären, ließ die Richterin die Frau unter Eid aussagen. Schließlich wurde diese in Begleitung von Justizvollzugsbeamten aus dem Saal geführt.
Ein psychiatrisches Gutachten zum 58-Jährigen wurde während der Verhandlung erstellt. Er sei verbal angriffslustig und übergriffig, erkläre seine Weltbilder, so der Psychiater Thomas Bachmann. „Dass eine narzisstische Größe dahintersteckt, davor kann man sich nicht verschließen.“ Das sei Ideologie und Selbstinszenierung, dramatisierend und theatralisch, aber kein Wahn. „Er ist ein Schauspieler und Exzentriker.“ Aber nicht krank. Einträge im Bundeszentralregister zeigen, wie der Mann schon aufgefallen ist: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Missbrauch von Titeln, Betrug, Volksverhetzung . . .
Aber: „Aus einem Satz Rückschluss auf einen Tötungsansatz oder eine Tathandlung zu ziehen, ist nicht möglich“, hieß es – die Staatsanwaltschaft plädierte auf Freispruch. Ganz nach dem provokanten Einstieg des Freigesprochenen: „Es ist an Ihnen das alles zu beweisen. In dubio pro reo.“ (Im Zweifel für den Angeklagten.)
Von Irene Burow