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Kubitschek gilt als einer der Vordenker der neuen deutschen Rechten. Er sieht sich verleumdet durch eine Passage in dem Buch. In dieser heißt es, er habe zusammen mit AfD-Rechtsaußen Björn Höcke Reden des nationalsozialistischen Propagandaministers Joseph Goebbels analysiert. „Daraus leiteten sie Höcke-Reden mit modifizierten Versatzstücken ab“, ist in Schreibers Buch zu lesen. Rechtsaußen der AfD, so Schreiber, studierten allgemein Bücher, Reden und Lehrmaterialien aus dem Nationalsozialismus mit „heiligem Ernst“, „weil sie die Formel suchen, die in den Dreißigerjahren zum Erfolg geführt hat“.
Autorin war nicht anwesend
Die Autorin war selbst ihren Angaben zufolge bei den angeblichen Redevorbereitungen mit Björn Höcke auf Kubitscheks Rittergut in Sachsen-Anhalt nicht anwesend. Dimitris Kisoudis, der heute für den AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess arbeitet, habe ihr davon bei einem Treffen bei dem EU-Abgeordneten Marcus Pretzell in Brüssel erzählt.
Götz Kubitschek ist selbst kein Mitglied der AfD, gilt aber als führender Intellektueller im Umkreis des rechten „Flügels“ der Partei und wird auch mit Pegida und den Identitären in Verbindung gebracht. Auf der Seite seiner Online-Publikation „Sezession“ setzt er sich gegen Schreibers Darstellung zur Wehr. Er klagt außerdem über den aus seiner Sicht späten mündlichen Verhandlungstermin: „Und was soll das dann noch bringen? Ein ganzer Monat ungestörten Vertriebs eines Bestsellers, in dem eine schwerwiegende Lüge steht […]“
Franziska Schreibers Enthüllungsbuch „Inside AfD. Der Bericht einer Aussteigerin“ erschien Anfang August und erregt seither einiges Aufsehen. So sahen sich sowohl das Bundesinnenministerium als auch die frühere AfD-Chefin Frauke Petry zu einer Erklärung genötigt, weil Schreiber darlegt, Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen habe sich auf eigenen Wunsch zweimal mit Petry getroffen und ihr Ratschläge gegeben, wie die AfD einer Beobachtung durch sein Bundesamt vorbeugen könne. Unter anderem habe er ihr zur Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens gegen Björn Höcke geraten. Das, so Schreiber, habe Frauke Petry ihr persönlich erzählt.
Bundesinnenministerium bestätigt das Treffen
Das Bundesinnenministerium bestätigte zwar die Treffen; Maaßen habe aber „keine Empfehlungen oder Ratschläge hinsichtlich des Umgangs mit Personen oder Strömungen der AfD gegeben“. Sowohl FDP als auch Grüne wollen Maaßen nun vor dem Innenausschuss befragen. Frauke Petry bezeichnete die Darstellung der jungen Autorin als „frei erfunden“.
Franziska Schreiber, Jahrgang 1990, stammt aus Dresden und war von 2013 bis 2017 AfD-Mitglied. Ihrem Eintritt folgte ein schneller Aufstieg in der Partei: Innerhalb eines Jahres wurde Schreiber in Sachsen Vorsitzende der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA).
Franziska Schreiber enge Vertraute von Frauke Petry
2017 war sie die einzige Frau im JA-Bundesvorstand der JA sowie dessen Pressesprecherin. Im gleichen Jahr jedoch kam es zum Bruch: Kurz vor der Bundestagswahl trat sie aus, weil die AfD, wie sie sagt, ihr zu weit nach rechts gerutscht war. Schreiber war damals eine enge Vertraute der damaligen Bundesvorsitzenden der AfD Frauke Petry, die einen Tag nach der Wahl ebenfalls die Partei verließ.
Keine Überraschung, dass ihr Enthüllungsbuch im AfD-Dunstkreis auf wenig Gegenliebe stößt: Nicht nur Götz Kubitschek, auch Dimitris Kisoudis greift nun zu juristischen Mitteln, um sich gegen Schreibers Buch zu wehren. Eine Unterlassungsaufforderung erhielt Verleger Christian Strasser auch von Erika Steinbach. Die heutige Leiterin einer AfD-nahen Stiftung stößt sich daran, in einer Passage des Buchs als frühe Parteispenderin dargestellt zu werden. Strasser und seine Autorin Franziska Schreiber geben sich gelassen: Das Buch sei juristisch gründlich lektoriert worden.
Kubitschek beschreibt Schreiber als Versagerin
Schreiber könnte sich, wenn sie wollte, unterdessen über eine unschmeichelhafte Beschreibung ihrer eigenen Person ärgern. Auf seiner Seite beschreibt Kubitschek ihre Position innerhalb der Partei kurz vor dem Austritt als die einer Versagerin: „Kein aussichtsreicher Listenplatz zur Bundestagswahl sowie die Erkenntnis, einen toten Gaul zu reiten. Welcher Abgang liegt bei so viel Abhängigkeit von einem Erfolg in der Partei nahe? Die große Abrechnung.“
„Lächerlich“, sagt Schreiber. „Die AfD ist mit 92 Abgeordneten in den Bundestag gekommen, die wussten doch kaum wohin mit ihren Personalzuschüssen!“ Wer zu dieser Zeit einen Job gewollt und keinen bekommen habe, sei einfach nur zu faul zum Fragen gewesen. Jederzeit, sagt sie, hätte sie für einen der gemäßigteren AfD-Abgeordneten arbeiten können. Dass es anders kam, empfindet sie als Erleichterung. Die AfD erinnert sie heute an eine Sekte. „Ich genieße die Freiheit“, sagt Franziska Schreiber.