Über Geschmack braucht man ja in der afd nicht zu streiten. Man hat keinen.
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Der Enkel des ehemaligen Reichskanzlers der Weimarer Republik Gustav Stresemann erwägt juristische Schritte gegen die Alternative für Deutschland. Hintergrund ist die Absicht der Partei, möglicherweise eine Gustav-Stresemann-Stiftung als Parteistiftung anzuerkennen. Für diesen Schritt hatte sich AfD-Bundeschef Alexander Gauland in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausgesprochen. Nach Recherchen der Zeitung hatte die AfD kürzlich den 2011 gegründeten Verein Gustav-Stresemann-Stiftung e.V. von dessen Gründern, zwei Jenaer Rechtsanwälten, übernommen.
Walter Stresemann sagte der Bild-Zeitung, "weder meine Schwester noch ich sind vonseiten der AfD kontaktiert worden. Wir hätten das natürlich abgelehnt". Er sei froh, dass sein Vater das nicht mehr erleben müsse. "Der wäre ausgerastet!" Was sein Großvater aus Überzeugung vertreten habe, "steht ja fundamental gegen das, was die AfD verkörpert". Er werde gemeinsam mit seiner Schwester rechtliche Schritte prüfen, "und alles unternehmen, was möglich ist", um zu verhindern, dass die Parteistiftung der AfD nach Stresemann benannt werde. Christina Stresemann leitet am Bundesgerichtshof einen Zivilsenat.
Stresemanns Erbe bei der AfD "gut aufgehoben"
Im Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit mit den Stresemann-Nachfahren um den Namen äußerte sich Gauland entspannt. "Wir sehen einer Klage gelassen entgegen", sagte er ZEIT ONLINE. "Die Politik Gustav Stresemanns im Rahmen seiner Zeit passt ideologisch am besten zu uns", sagte er. "Dessen Erbe ist bei der AfD sehr gut aufgehoben. Wir sind die perfekte moderne Kombination aus Patriotismus und Liberalismus."
Der Erfolg einer möglichen Klage hängt von der Abwägung der beiderseitigen Interessen ab. Das betreffe das sogenannte postmortale Persönlichkeitsrecht Gustav Stresemanns einerseits und andererseits die Interessen der Partei, ihre Stiftung nach einer zu ihr passenden Persönlichkeit zu benennen, erläuterte David Gessner, Berliner Fachanwalt für Persönlichkeits- und Medienrecht, im Gespräch mit ZEIT ONLINE. Diese Abwägung sei nur im Einzelfall zu entscheiden, nach Paragraf 12 BGB. Ein Unterlassungsanspruch könnte dann bestehen, wenn der Namensgeber und die Partei sich etwa politisch diametral entgegenstünden oder die Partei extremistisch aufträte, sagte Gessner.
Der AfD-Bundesvorstand will am 17. Januar über die Anerkennung der Stiftung entscheiden. Eine AfD-nahe Stiftung könnte jedes Jahr mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag aus Steuergeldern rechnen. Derzeit erhalten alle parteinahen Stiftungen zusammengenommen jährlich etwa 450 Millionen Euro. Die künftige Parteistiftung der AfD kann einen niedrigen fünfstelligen Betrag aus dem Restvermögen des AfD-Gründungsvereins Wahlalternative 2013 erwarten. Laut einem Mitgliederbeschluss soll es einer Parteistiftung zugute kommen.
Bei der Entscheidung, welche Stiftung die Parteistiftung der AfD werden soll, stehen mehrere Körperschaften zur Debatte. In die engere Auswahl sollen drei kommen. Infrage kommen neben der Stresemann-Stiftung die vor einem Jahr von AfD-Funktionären gegründete Desiderius-Erasmus-Stiftung oder die ähnlich benannte Akademische Erasmus-Stiftung e.V. Auch der Johann-Gottfried-Herder-Verein für Demokratie e.V rechnet sich Chancen aus – der Gründerkreis der jüngst im Bonner Vereinsregister eingetragenen Körperschaft ähnelt laut FAZ dem der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Hinzu kommt eine ähnlich benannte, in Schleswig-Holstein gegründete Stiftung, die ebenfalls auf Bundesebene für die AfD tätig werden will. In jüngster Zeit wurden – auch auf Landesebene – diverse Stiftungen gegründet, die der Partei dienen sollen, darunter die Friedrich-Friesen-Stiftung in Sachsen-Anhalt.
All diese Gründungen stehen in Widerspruch zu den proklamierten Grundsätzen der Partei. Die AfD hatte das Parteistiftungswesen von Beginn an scharf kritisiert. Auch die Finanzierung politischer Arbeit der Parteien über ihre Stiftungen wurde stets angeprangert. "Die Parteienfinanzierung über Stiftungen ist ein Misswuchs der bundesrepublikanischen Demokratie", hatte Konrad Adam gesagt, Mitgründer der AfD und zeitweise Vorsitzender der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Mit ihrem Willen von diesem System finanziell zu profitieren, stelle die AfD "vor ein Dilemma". Sie sei zwar angetreten, die "Übermacht der Parteien zurechtzustutzen", man habe sich zunächst aber dafür entschieden, "das zu nehmen, was uns rechtlich zusteht". Auf eine eigene Stiftung verzichten würde die AfD nur, "wenn die anderen Parteien das auch tun".
Nach dem Einzug in den Bundestag werde man Änderungen an der Parteien- und der Umwegfinanzierung in Angriff nehmen, hatte Adam angekündigt. Danach sieht es derzeit eher nicht aus.