@dtx wollte doch erkennbar darauf hinaus, dass die NGM-Prediger schwer Kranke davon abhalten, wirksame medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sofern das "Abhalten" aktiv und unmittelbar geschieht, wird es strafrechtlich wohl schon zu ahnden sein. Meistens erfolgt es aber in der Art einer "Gehirnwäsche" allmählich und stetig, sodass die Betroffenen am Ende "freiwillig" auf wirksame Hilfe verzichten. Genau dies ist allerdings strafrechtlich nur schwer zu ahnden (ich erinnere auch an gewisse Formen der Erbschleicherei).
Wenn es um die Anpreisung der eigenen vermeintlichen Erfolge geht, um Kunden zu gewinnen, sehe ich durchaus verschiedene Ansatzpunkte: neben @Sandmännchens Betrug etwa Verstösse aus dem Bereich des unlauteren Wettbewerbs (unbegründete Anpreisungen, falsche Versprechungen), des Lebensmittel- und Medikamentenrechts (unerlaubte Anpreisung von Heilwirkungen, nicht zugelassene Medikamente), des Gewerbe- und Berufsrechts (nicht zugelassenes oder gemeldetes Gewerbe, keine Zulassung als Arzt, Medizinperson oder Heilpraktiker) usw.
@Helvetia Was StGB-CH 128 angeht, so teilt diese Bestimmung leider die Probleme, die ich oben schon angesprochen hatte.
Wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte,
wer andere davon abhält, Nothilfe zu leisten, oder sie dabei behindert,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Die Bestimmung fasst mehrere Ausgangslagen zusammen. Zunächst ist davon die Rede, dass jemand einen Anderen verletzt hat. In diesem Fall muss der Schädiger dem Verletzten helfen oder, wenn er dazu nicht imstande ist, wenigstens Hilfe holen. Das ist eigentlich eine moralische Binsenweisheit, die der Gesetzgeber hier aufnimmt. Im Allgemeinen dürften aber selbst NGM-Praktiker ihre Kunden nicht ohne Weiteres verletzt haben und demnach zur Hilfe verpflichtet sein. Gut, es mag Ausnahmen geben, etwa Vitaminspritzen. Man könnte auch den "Berner Wunderheiler" (einen gelernten Musiklehrer) anführen, der sogar "aufmüpfige" Kunden mit HIV infizierte. Wie immer man es dreht, in vielen, wohl sogar den meisten Fällen dürfte dieser erste Ansatz ausscheiden.
Sodann verpflichtet die Schweizer Strafbestimmung jeden, der einem Menschen, "der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt", Hilfe leisten könnte, dazu, diese Hilfe auch zu leisten, "wenn es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte". Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Nothilfe stellt das Schweizer Recht nur für Ärzte, Krankenpfleger, Rettungssanitäter u. dgl. Berufsgruppen auf. Die allgemeine Vorschrift hier reicht nicht so weit, sie ist gleich doppelt eingeschränkt: Erstens muss sich ein Mensch in unmittelbarer Lebensgefahr befinden. Diese ist sogar bei einem schwer Kranken, der in absehbarer Zeit sterben wird, nicht automatisch gegeben. Zweitens muss die Hilfeleistung den Umständen nach dem möglichen Helfer auch zumutbar sein. Da steckt sehr viel Gummi drin.
Dann bleibt noch die Störung Dritter bei Nothilfe. Auch diese Bestimmung dürfte in vielen oder gar den meisten Fällen der NGM-Prediger nicht greifen. Diese halten ja eben in aller Regel keinen Dritten aktiv von Hilfeleistung ab, sondern bequatschen die Opfer vorher und halten diese davon ab, Hilfe zu suchen. Anders wäre es, wenn sie sich im Krankenhaus in die Behandlung einmischen o. dgl. Auch die "Gaffer" bei Verkehrsunfällen, die Polizei, Feuerwehr oder Rettungswagen im Wege stehen, der freundliche Parker, der die Notausfahrt zugeparkt hat, und dergleichen Leute würden in den Genuss dieser Bestimmung kommen. Aber die NGM-Prediger dürften auch da wieder meist leer ausgehen. Zudem ist hie von Nothilfe die Rede, was man mit "Ersthilfe" weitgehend gleichsetzen kann.
Leider trägt auch dieser Artikel nicht so weit, wie er im Fall der NGM tragen müsste. Es gibt allerdings in der Schweiz m. W. schon Urteile gegen z. B. Zeugen Jehovas, die Familienangehörige von z. B. lebensrettenden Bluttransfusionen abhielten. Das waren aber eben Familienangehörige, die sich im Krankenhaus aufhielten, den Ärzten und Pflegekräften im Weg standen und den Patienten bequatschten, keiner Transfusion zuzustimmen, und, nachdem der Patient das Bewusstsein verloren hatte, den Ärzten ihre ersatzweise Zustimmung zur gebotenen Behandlung verweigerten.