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WÜRZBURG Freiheitsstrafe für „Freiherr von Lichtland“
eit Jahren liegt er mit der Staatsmacht im Clinch. Nun bekommt der „Freiherr von Lichtland“ vom Landgericht Würzburg einen Schuss vor den Bug: Wegen falscher Verdächtigung verurteilt eine Berufungskammer den 59-Jährigen zu sechs Monaten Freiheitsstrafe. Antreten muss der „Freiherr“, der einst ein renommierter Weinbau-Funktionär war, die Strafe nicht. Das Gericht setzte sie auf vier Jahre zur Bewährung aus. Das bedeutet, dass der Gründer des „Freistaats Lichtland“ vor den Toren Würzburgs nur dann ins Gefängnis einrückt, wenn er in den nächsten 48 Monaten wieder eine ähnliche Straftat begeht. Als Bewährungsauflage muss der 59-Jährige innerhalb von sechs Monaten 300 Stunden soziale Hilfsdienste ableisten. Narrenfreiheit für den Angeklagten Vor dem Urteil liegt eine fast dreistündige Verhandlung, in der die Justiz dem Reichsideologen, der ohne Verteidiger erscheint, erstaunlich viel Narrenfreiheit lässt. So muss der Angeklagte, der diese Bezeichnung ablehnt, weil er sich für einen „willkürlich Verfolgten“ hält, nicht auf der Anklagebank Platz nehmen, sondern darf, umringt von einer Handvoll Sympathisanten, im Zuschauerraum sitzen. Von hier aus tut er kund, dass er nicht der sei, dessen Name im erstinstanzlichen Urteil steht, sondern „ein beseelter Mensch“, der „ganz anders“ heiße. Er erklärt dem Gericht, dass er seine „Identität der BRD zurück gegeben“ habe. Dass er sich laut seinem „religiösen Gelübde“ von „allem, was die BRD macht, fernhalten“ müsse und dass dazu auch „die Berufsausübung“ gehöre. Dann verliest er fast eine Stunde lang Anträge, Stellungnahmen, Strafanzeigen . . . Die Frage der Vorsitzenden Richterin, ob die Staatsanwaltschaft mal erwogen habe, ihn psychiatrisch begutachten zu lassen, beantwortet der Anklagevertreter so: Der „Freiherr zu Lichtland“ habe zwar ein „kleines, verqueres Weltbild“, aber er wisse, was er tut. Anzeige gegen Gerichtsvollzieher Und warum dies alles? Weil der „Lichtländer“ 2016 einen Gerichtsvollzieher angezeigt hatte, der bei ihm im Auftrag einer Berufsgenossenschaft 1500 Euro eintreiben sollte. Der Beamte habe ihn „genötigt“ und „erpresst“, eine Vermögensauskunft abzugeben, behauptete der „Freiherr“ in seinem an den Chef der Würzburger Staatsanwaltschaft gerichteten Strafantrag. Anstatt ihm die Möglichkeit zu geben, die Schulden zu begleichen, habe der Gerichtsvollzieher ihn nur vor die Alternative „Kerker oder Vermögensauskunft“ gestellt. Weil das Amtsgericht Würzburg im Juli 2017 zu dem Schluss kam, dass diese Behauptung falsch ist, verurteilte es den 59-Jährigen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Euro, insgesamt 5400 Euro. Eine Entscheidung, gegen die der gelernte Weinbautechniker Berufung einlegte – genau wie die Staatsanwaltschaft, die damals sechs Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert hatte. Mehrere Vorstrafen Jetzt, in der zweiten Instanz, bezeugt der Gerichtsvollzieher erneut, dass er dem Angeklagten damals sehr wohl die Chance gegeben habe, die 1500 Euro zu bezahlen. Auch die Polizisten, die den Beamten damals begleiteten, sagen im Zeugenstand, mit dem Gerichtsvollzieher sei abgesprochen gewesen, dass sie den 59-Jährigen zu einer Bank, einem Geldautomaten oder zu seinem Wohnhaus fahren, wenn er Geld hätte holen wollen. Dann wird das Strafregister des „Staatschefs von Lichtland“ verlesen. 2013 wurde er wegen „falscher Versicherung an Eides statt“ verurteilt. Damals musste er die „eidesstattliche Versicherung“ (früher Offenbarungseid) ablegen und hatte angegeben, dass er kein Vermögen habe. Das war aber falsch, weil er, so das Urteil, „15 Landwirtschaftsflächen und ein Ackerland“ besaß. Im Januar 2018: Kuli als Kamera - „Freiherr von Lichtland“ vor Gericht. Die zweite Vorstrafe erfolgte 2015 wegen „versuchter Nötigung“ und kostete den Angeklagten 5600 Euro. Eine Journalistin hatte im Rahmen einer Reportage gefragt, ob der „Lichtland“-Gründer „ein Spinner“ sei. Dafür forderte dieser eine Entschuldigung, setzte „Sühnetermine“ fest und verhängte Strafen zwischen zehn- und 200 000 Schweizer Franken (8600 bis 173 000 Euro). Weil die Frau darauf nicht reagierte, schrieb er ihr, er habe ein russisches Inkasso-Unternehmen mit der Eintreibung der Geldstrafe beauftragt und sie werde die Sanktionen bald „an Leib und Seele verspüren“. Nachhaltige Uneinsichtigkeit 2017 wurde der Reichsideologe aus der unterfränkischen Provinz zur Zahlung von 1800 Euro verurteilt, weil er den Würzburger Landrat wegen „Körperverletzung“, „Nötigung“, „Erpressung“ und „Verfolgung Unschuldiger“ angezeigt hatte, obwohl diese Vorwürfe nicht stimmten. Jetzt bescheinigt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer dem Angeklagten „nachhaltige Uneinsichtigkeit“ und fordert, wie in der ersten Instanz, eine sechsmonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Der „Freiherr“ selbst stellt keinen Antrag. Geldstrafen zeigen keine Wirkung Nach 15-minütiger Beratung verkündet die Berufungskammer ihr Urteil. Weil Geldstrafen keine Wirkung gezeigt hätten, sei nur noch eine Freiheitsstrafe in Frage gekommen, sagt die Vorsitzende. Man „könnte zwar erwarten“, dass der „Freiherr“ sich über kurz oder lang wieder was zuschulden kommen lasse. Trotzdem wolle man ihm eine Bewährungschance einräumen. Vielleicht diene ihm dieses Urteil ja zur Warnung. Der Verurteilte verabschiedet die Richterin mit dem Hinweis, sie habe sich „vor Gott eine schwere Last aufgeladen“. Die Juristin versichert ihm, sie werde „sie tragen“. Gegen das Urteil ist Revision möglich, wenn das Landgericht Verfahrensfehler gemacht hat. Die Begründung der Revision muss von einem Anwalt verfasst werden.