Spoiler
Der Bericht des US-Sonderermittlers Robert Mueller offenbart einen Führungsstil im Weißen Haus, den zuletzt selbst engste Vertraute von Donald Trump nicht mehr mitgehen wollten. Über zwei Männer, die sich dem US-Präsidenten widersetzten.
Zu den Eigentümlichkeiten des Mueller-Abschlussberichts zählt, dass es in jenem voluminösen Dokument immer wieder um den Verfasser selbst geht: Robert Mueller, unabhängiger Sonderermittler und früherer Direktor des FBI. Das liegt weniger an dessen Eitelkeit als an dem pikanten Umstand, dass Donald Trump allerhand Anstrengungen unternahm, Mueller loszuwerden. Das Ansinnen misslang bekanntermaßen, Mueller legte seinen Bericht im März nach knapp zweijährigen Ermittlungen vor. Am Donnerstag präsentierte Justizminister William Barr der Öffentlichkeit den teilweise geschwärzten Abschlussbericht.
Vielleicht kann Trump heute froh sein, dass seine Rauswurfpläne misslangen. Wäre ein entsprechender Erfolg nicht ein handfester Beweis gewesen für den Vorwurf, Trump habe die Justiz behindert? Genau darum dreht sich der Bericht – neben der in ihm verneinten Frage, ob es eine Zusammenarbeit zwischen dem Trump-Team und Russland rund um die Präsidentschaftswahl 2016 gegeben habe.
Mueller selbst sieht Indizien für eine Behinderung der Justiz durch den Präsidenten, aber nicht genug juristisch belastbares Material, und verzichtet darum auf ein entsprechendes Urteil. Der Sonderermittler macht stattdessen klar, dass es nun Sache des Kongresses sei zu entscheiden, ob ein Amtsenthebungsverfahren wegen Justizbehinderung notwendig ist.
Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Elizabeth Warren ließ sich das nicht zweimal sagen und forderte noch am Freitag die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Der Untersuchungsbericht von Mueller belege, dass „eine feindliche ausländische Regierung unsere Wahl 2016 angegriffen hat, um Donald Trump zu helfen, und dass Donald Trump diese Hilfe begrüßt hat“, erklärte sie auf Twitter.
Wer sich den 448-seitigen Abschlussbericht näher ansieht, stößt immer wieder auf ein Muster: Hemdsärmelig, zuweilen brüllend erteilte der amerikanische Präsident Untergebenen Anweisungen – gern auch schon einmal die, die Unwahrheit zu sagen. Mal tat er dies direkt, mal über Mittelsmänner. Etliche befolgten seine Befehle loyal. Vor allem zwei Männer aber widersetzten sich, ließen Trump ins Leere laufen, betrieben gewissermaßen eine Behinderung des Präsidenten. Es wundert daher wenig, dass Jeff Sessions und Donald McGahn heute nicht mehr in der Trump-Regierung tätig sind.
Jeff Sessions war erster Justizminister Trumps, bis der ihn Ende 2018 entließ. McGahn wirkte 2017/18 als Rechtsberater des Präsidenten. Kurz nachdem bekannt geworden war, dass er mit Sonderermittler Mueller kooperiere, kündigte Trump an, McGahn werde alsbald das Weiße Haus verlassen. Sein Wirken in der Regierungszentrale wurde von Trumps Panik vor den Ermittlungen geprägt. Im März 2017 teilte McGahn Trump mit, Sessions plane, aus Befangenheit (er war Teil von Trumps Wahlkampfteam) die Ermittlungen nicht zu beaufsichtigen. Trump wurde wütend, brüllte McGahn an, Sessions sei „schwach“.
Als Vizejustizminister Rod Rosenstein im Mai 2017 Mueller als Sonderermittler einsetzte, reagierte Trump fassungslos: „Dies ist das Ende meiner Präsidentschaft. Ich bin am Arsch.“ Wie er, Sessions, dies habe zulassen können, wollte der Präsident von seinem Justizminister wissen. Mehrfach forderte Trump Sessions auf, doch die Aufsicht über die Ermittlungen zu übernehmen und seine Bedenken bezüglich der eigenen Befangenheit hintenanzustellen. Er werde ein „Held“ sein, wenn er dies tue, versuchte Trump ihm bei einer Unterredung im Oval Office im Dezember 2017 zu schmeicheln. Sessions aber blieb hart.
Bereits kurz nach der Ernennung Muellers erwog Trump dann Sessions Rauswurf. Am 17. Juni 2017 rief er so seinen Rechtsberater Donald McGahn zweimal zu Hause an, drängte ihn, dem Vizejustizminister Rosenstein zu erklären, dass Mueller wegen Interessenkonflikten nicht tragbar sei. „Du musst Rod anrufen“, sagte Trump McGahn zufolge. McGahn verweigerte sich – und erhielt einen weiteren Anruf des Präsidenten. „Mueller muss gehen“, verlangte Trump und bat um einen Rückruf.
Er habe sich in die Enge getrieben gefühlt, sagte McGahn den Ermittlern, entschied sich darum seinerseits zurückzutreten. Er räumte sein Büro im Weißen Haus, bereitete sein Kündigungsschreiben vor, heißt es im Mueller-Bericht. Dann rief er Trumps damaligen Stabschef Reince Priebus an, außerdem Chefberater Stephen Bannon. Beide hielten McGahn vom Rücktritt ab.
Als die „New York Times“ im Januar 2018 über Trumps Bemühungen, Mueller abzuservieren, berichtet hatte, geriet der Präsident in Wut. Er setzte McGahn indirekt unter Druck, dieser möge den Bericht zurückweisen. McGahn weigerte sich, verwies darauf, die „Times“ berichte korrekt.
Trump war sauer, beschwerte sich bei einem Mitarbeiter über McGahn. Dieser solle, forderte der Präsident, einen schriftlichen Vermerk aufsetzen, wonach er, Trump, ihn nie angewiesen habe, Mueller zu feuern. Es kam zu einem Treffen zwischen den beiden, Trump insistierte persönlich. Er habe nie gesagt, es gehe darum, Mueller zu feuern, behauptete Trump. Abermals weigerte sich McGahn, den Bericht der „Times“ zu „korrigieren“.
Einmal zitierte Trump seinen Ex-Wahlkampfmanager Corey Lewandowski ins Weiße Haus, überreichte ihm ein Schreiben für Sessions. Darin wies Trump seinen Justizminister an, er möge in einer Rede darlegen, dass der Präsident durch die Ermittlungen „sehr ungerecht behandelt“ worden sei. Sessions sollte unter anderem sagen: „Er (Trump) hat nichts Falsches getan, außer dass er den großartigsten Wahlkampf in der amerikanischen Geschichte geführt hat.“ Lewandowski versprach, die Nachricht zu überbringen. Aber zu einem Treffen mit Sessions kam es nie.
Der Justizminister wusste dennoch, was die Stunde für ihn geschlagen hatte. Sessions trug fortan stets ein Rücktrittsschreiben mit sich, wenn er das Weiße Haus aufsuchte. Dies hat der heutige Justizminister Barr nicht nötig. Er ist ein treuer Gefolgsmann Trumps. Am Donnerstag gab er eine Pressekonferenz, von Trump zuvor mit Terminhinweis auf Twitter beworben. Keine Verschwörung, keine Justizbehinderung, erklärte Barr, eine Stunde bevor der Bericht öffentlich wurde. Es war der erkennbare Versuch, eine Interpretationslinie für den Bericht vorzugeben.
Doch es steht zu vermuten, dass die 448 Seiten des Mueller-Berichts eine Fundgrube sein werden für weitere Berichterstattung, die nicht in Trumps Sinne sein dürfte.