Lafayette Ron Hubbard, der Gründer von Scientology, hat nie verheimlicht, was für ein maßlos von sich überzeugter Narzisst er war. Schon der erste Satz seiner Offenbarungsschrift "Dianetik" lautete ganz unbescheiden:
»Die Erfindung von Dianetik ist ein Meilenstein der Menschheit, vergleichbar der Entdeckung des Feuer und wichtiger als die Erfindungen von dem Rad oder dem Bogen.«
Dass nach dieser Einleitung auch nur irgendwer den Rest von dem Buch ernst genommen hat, ist ein schwer zu erklärendes Mysterium.
Zumal Hubbard damals nicht mehr war als ein schlecht bezahlter Schreiber von Groschenromanen, der in schäbigen Unterkünften mit einer Frau zusammen lebte, die er einem obskuren Okkultisten und Wissenschaftler ausgespannt hatte (wobei er den Mann auch um Geld betrogen hat und seine Ehe ohne Wissen der Frau Bigamie war). Seine kruden Thesen hatte er in wenigen Monaten aus Einfällen zusammen gestoppelt, die ihm kamen während er seine Fähigkeiten in Show-Hypnose dazu nutzte, ersten Anhängern einzureden, dass sie schon als Fötus im Mutterleib misshandelt worden wären.
Und auf dieser Basis erklärte Hubbard dann der Welt, dass seine Erkenntnisse so epochal wären, wie die Entdeckung des Feuers.
Er wusste, dass der einzige Weg mit so einem Schwindel durchzukommen darin bestand, mit ungestümer Wucht voran zu gehen und ständig in Bewegung zu bleiben, ohne sich von Fragen nach "den Fakten" oder der "Wahrheit" irritieren zu lassen. Je steiler seine Behauptungen waren, desto überzeugter und lauter sprach er sie aus. Er war ein ausgebuffter Hochstapler, der durch die Hemmungslosigkeit seiner Lügen überzeugen konnte.
Das angebliche Charisma Hubbards haben ihm aber nur Reporter und Akademiker nachgesagt, die bestimmt nie eine seiner Lektionen angehört haben. Und dass so wenige ihn nicht schon auf einen Kilometer Abstand als Schwindler erkannt haben, wird eines der großen Rätsel des zwanzigsten Jahrhunderts bleiben. Weil es wirklich äußerst erstaunlich ist, dass so viele Menschen diese leicht zu durchschauende Gestalt derart ernst genommen haben.
Er hat sie belogen. Er hat sie verlacht. Er hat sie von Angesicht zu Angesicht erniedrigt. Und er hat deutlich gezeigt, wie er sie bewusst über den Tisch zieht, um ihnen nicht mehr als "ein Stück blauen Himmel" zu verkaufen. Später nannte er es eine Brücke. Die Brücke zur totalen Freiheit.
Sein Erfolg war schier unmöglich und ist nur zu verstehen wenn man aufhört darüber nachzudenken.
Aber das erstaunlichste ist: So viele Menschen von so vielen verschiedenen Orten wollten die klaren Anzeichen nicht erkennen. Sie sahen in Hubbard nur genau das, was sie in ihm sehen wollten: Den größten Helfer der Menschheit; einen Weisen; einen Philosophen; den genialen Wissenschaftler, der das Rätsel der Existenz gelöst hatte; sogar einen Messias.
Hubbard war in vielerlei Hinsicht ein perfekter Prophet für Amerika. Er teilte und bediente sich des tiefen Misstrauens der Menschen dieses Lands gegenüber Autoritäten. Hubbard verachtete sie alle: die Mediziner; die Akademiker in ihren Elfenbeintürmen; Regierungsvertreter auf allen Ebenen; und am meisten hasste er Psychiater und Psychologen.
Hubbard machte jedem weis, dass unser kleinliches Leben nur das Ergebnis der Verfehlungen unserer Eltern war; dass es Unsinn war, was teure Ärzte über unsere Gesundheit erzählten; dass eine verborgene Welt existierte mit einer Regierung, die von wenigen schattenhaften Figuren betrieben wurde. Jeder wurde bewusst von finsteren Mächten nieder gehalten und nur Hubbard kannte das Geheimnis, um einen wieder zu dem Supermann oder der Superfrau zu machen, die heimlich schon immer in einem gesteckt hatte. Mit seinen teuren Therapien konnte er einen endlich wieder großartig machen. Making you great again!
So haben viele seinen Unsinn angenommen, sich überzeugen lassen und damit hatte er sie im Sack. Sie haben sich eingebracht, haben sich bemüht und angestrengt, und je mehr die Leute ihnen sagten, dass sie falsch lägen und dass Hubbard ein Betrüger sei, je mehr die feindselige Presse Hubbard und seine Ideen attackierte, desto mehr und tiefer haben sie sich in seine Welt begeben, sich darin vergraben.
Und es war durchaus ratsam, das zu tun. Denn Hubbard war ein sehr aggressiver rachsüchtiger Mensch. Er sah überall Feinde aber nichts brachte ihn mehr in Rage als Anhänger, die sich von ihm abwendeten.
Das Ergebnis war eine rücksichtslose Organisation, die von Hubbards Paranoia infiziert war und sich allein als "fähig" betrachtete, während sie offen alle hasste, die sie als "unfähig" ansah. Es war eine zutiefst homophobe, fast ausschließlich von Weißen bevölkerte Organisation, die in jedem Problem einer Person höhnisch frohlockend die sicheren Anzeichen ihrer Schwäche, ihres "Ruins" erkannten.
Hubbard und seine Anhänger haben im großen Stil Menschen betrogen, ihre Finanzen und ihr Leben ruiniert, Familien zerstört und auseinander gerissen. Zehntausenden von Kindern wurde und wird die Kindheit geraubt und jede ernsthafte Bildung verweigert. Frauen werden zu Abtreibungen genötigt und schon angehende Teenager müssen 60-80 Stunden in der Woche arbeiten. Das totalitäre Regime von Scientology schreckt bis heute vor nichts zurück, wenn es darum geht ihre Gegner zu bekämpfen und ihre Reihen geschlossen zu halten.
Erfreulicherweise haben Hubbard und seine toxischen Ideen aber stets nur einen geringen Teil der Gesellschaft ansprechen können. Und obwohl er einen überragenden Einfluss auf seine Anhänger ausüben konnte, hat er Jahrzehnte auf der Flucht vor Prozessen und aus Angst vor Untersuchungen der Behörden verbracht. 1986 starb er versteckt auf einer Ranch in Kalifornien mit weniger als einer Handvoll seiner treuesten Anhänger um sich. Seine Frau und seine Kinder hatte er mehr als sechs Jahre lang nicht mehr gesehen.
Genügend Leute erkannten Hubbard als das was er war, so dass es ihm nie gelang dem nahe zu kommen, wonach er eigentlich gierte - politische Macht. Die echte politische Macht über Millionen von Menschen. 1966 ging er nach Rhodesien und hoffte ernsthaft, dass es ihm gelingen würde, die Macht in dem Land zu übernehmen. Aber schon nach wenigen Monaten wurde er rüde des Landes verwiesen.
Was wäre geschehen, wenn es Hubbard tatsächlich gelungen wäre, die Macht in einem Land an sich zu reißen? Was wäre, wenn jemand wie Hubbard an die Macht gelangen würde? Jemand, der keine Rücksicht auf Fakten nimmt. Jemand, der sich auch mit den geringsten Kenntnissen stets zum Experten erklärt. Was wäre, wenn so ein gefährlich hemmungsloser Narzisst nicht nur in einem kleinen Land an die Macht gelangt, sondern tatsächlich die mächtigste Position auf der Erde einnehmen könnte?
Was wäre wenn?
(nach Idee und Vorlage von Tony Ortega [The Underground Bunker] mit einigen Anpassungen und Ergänzungen sehr frei in das Deutsche übertragen)