Klar dass auch das Londoner Unglück breitgetreten wird, diesmal mit Anklagen gegen den "Dämmwahn" und interessanten Ausblicken in die tiefsten Niederungen der Baufisik...
Spoiler
[15:45] Achgut: Ist London das Ende des Dämmwahns?
Dies war eine Katastrophe mit Ansage. Die Achse des Guten berichtete bereits vor einem Jahr über spektakuläre Brände von mit Polystyrol (landläufig Styropor genannt) gedämmten Fassaden. Das Problem war lange bekannt, die Feuerwehren warnten – nur wollte keiner zuhören. Politiker, die bislang Augen und Ohren fest verschlossen, kündigen jetzt plötzlich „gewissenhafte Untersuchungen“ an (Theresa May). Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann, als Spitzenkandidat der CSU bereits im Wahlkampfmodus, ließ verlauten: „Wir nehmen das zum Anlass um zu überprüfen, ob die aus energetischen Gründen geforderte Außendämmung eine zusätzliche Brandgefahr auslöst“.
Sobald die wirkliche Todesbilanz des gestrigen Brandes in London herauskommt, dürfte dieser ökologische Dämmwahn vorbei sein.WE.
[16:15] Krimpartisan:
Es wäre gut und an der Zeit, dem Dämmwahn - und schlimmer noch dem Dichtigkeitswahn - unserer dritten Haut (Gebäude) endlich einmal Einhalt zu gebieten. Es dient einzig und allein der Dämmstoff- und Chemieindustrie zu Milliardengewinnen. Aber abgesehen davon ist eine brennbare Fassadendämmung wie Styropor bei Hochhäusern in Deutschland seit Jahrzehnten baupolizeilich verboten. In Deutschland kann so eine Katastrophe daher nicht eintreten. Ich frage mich nur, ob Großbritannien ein Dritte-Welt-Land ist, wenn sowas zulässig ist und gerade neu installiert wurde.
[16:50] In Deutschland mag das bei Hochhäusern verboten sein, in Österreich wahrscheinlich nicht. Ich habe einmal in Wien in einer Wohnung eines Mehrparteienhauses eine Klimanlage eingebaut. Dabei musste ich mich durch 20cm weisses Styropor fressen. Die meisten Wohnungen im Haus gehören Akademikern, die haben diese Isolierung gemeinsam beschlossen.WE.
[17:35] Der Analytiker zum Dämmwahn:
Dass bei uns in Hochhäusern ab ca. 9 oder 10 Etagen kein Styropor zur Aussendämmung benutzt werden darf, beruhigt mich jetzt nur partiell. Was ist mit z.B. 8stöckigen Häusern oder auch kleineren? Bei uns ist letztes Jahr ein Einfamilienhaus mit Styropor-Dämmung abgebrannt. Das Batterieladegerät, das am Auto hing, hatte einen Kurzschluss und steckte das Auto in Brand. Dieses wiederum den Carport. Dieser dann die Veranda und schlussendlich das Haus - alles in 5-10 Minuten. 50 angerückte Feuerwehrleute konnten das Haus nur noch "kontrolliert" abbrennen lassen - also die umliegenden Häuser schützen. Ich will zwar niemandem eine Idee geben, aber was sind das für grandiose Bedingungen für unsere eingeheimischten Terroristen mit einem Feuerzeug ganze Stadtteile zu zerstören? Ist man sich dieser Gefahr bei den Politikern eigentlich bewusst?
[17:40] Der Schrauber:
Zum Thema Dämmung mit Styropor gibt es eine hochinteressante Doku, sogar vom NDR (!), schon 2012 erstellt. Das sind ca. 45 min, die sehr detailliert über die Gefahren dieser Dämmung und später auch von zwangsbelüfteten Häusern unterrichtet. Ein Highlight kommt schon nach etwa 4min: Eine professionelle Prüfanstalt samt Ingenieur unterschätzen die Brandgefahr und die Feuerwehr muß den Brand in einer eigens dafür vorgesehenen Prüfanlage löschen, da er außer Kontrolle gerät.
[17:55] Leserkommentar-DE zum Krimpartisan:
"In Deutschland kann so eine Katastrophe daher nicht eintreten." Diese Aussage kann nicht stimmen. Ein Hochhaus gilt in Deutschland erst ab 22m Höhe als solches, darunter ist es eben keines. Viele Gebäude in Deutschland weisen Höhen unter 22m auf. Im Artikel von achgut.com ist es sehr gut beschrieben. In Deutschland kann so eine Katastrophe sehr wohl eintreten. Die Gebäudehöhe ist dabei irrelevant. Diese ganze Wärmeisolierung dient, wie richtig beschrieben, nur der Kunststoffindustrie. Für den Bürger stellt dies eine ernst zunehmende Feuergefahr dar.
[18:20] Der Silberfuchs:
Frage an den Krimpartisan: Ab wann ist ein Haus ein Hochhaus? Hier im Osten gibt es noch in sehr vielen Städten Plattenbauten aus der DDR-Zeit. Diese sind in den letzten 25 Jahren größtenteils "saniert" worden. - Asbest aus den Küchentrennwänden raus und neue Wärmedämmung außen, neue superdichte Fenster usw. - Ich schätze, dass ungefähr 60% der Plattenhäuser in Styropor verpackt wurden (warum nicht alle - keine Ahnung). Darunter sind etliche "Würfelhäuser" (sehen so aus, wie sie heißen) mit meistens 18 Wohnungen auf sechs Etagen und "Flügelhäuser" (zwei oder drei Hochhäuser nebeneinander, 11 Etagen und 44 oder 66 Wohnungen bei drei Flügeln).
Genau deshalb schrieb ich gestern in Info Europa sinngemäß, dass es in den Trabantenstädten möglicherweise bald heiß hergehen könnte ... Wer solche Häuser nach dem Systemwechsel, falls sie nicht abfackeln, verkaufen möchte, der wird wohl vorher den Sondermüll selbst entfernen müssen oder dem Käufer noch Geld dazugeben müssen um diese Häuser überhaupt loszuwerden. Nebenbei: Das Hochhaus in London hat zwar lange genug und heiß genug (Aluminium!!!-Styropor-Kombination) gebrannt, aber es ist NICHT kollabiert...
[18:25] Leserkommentar-DE:
Dämmstoffe dieser Art, sind nur ab eines Gebäudehöhe ab 20 Mtern verboten alles was darunter liegt wird weiterhin damit gedämmt. Man hatte mit von der Stadt Münster sogar Fördermittel (2008) angeboten für mein Büro, welches in der Grundsubstanz 1952 gebaut wurde, eine Innenkonstruktion aus Bimsbetonsteinen hat. Eines bessere Dämmung gibt es nicht. Das angebaute Gebäude (1992) mit der gleicher Nuztfäche hat einen 20-30 % höheren Energieverbrauch!
[19:25] Krimpartisan:
Zur Beantwortung der Frage des Silberfuchs: Ich habe mich etwas unklar ausgedrückt: Lt. Musterbauverordnung (Grundlage aller Landesbauordnungen) dürfen ab Gebäuden der Gebäudeklasse 4 nur schwerentflammbare Fassaden-Dämmstoffe, z.B. Mineralfaser verwendet werden. Styropor und dergleichen ist ab 7 m Höhe (Die Höhe von max. 7 m bezieht sich auf den Fußboden des obersten Geschosses) unzulässig, da nicht schwer- sondern leichtentflammbar!!! Außerdem entstehen beim Verbrennen von Styropor Chlorgase und zusammen mit Löschwasser Salzsäure. Bis 7 m kann die Feuerwehr mit Leiter löschen.
1. Gebäudeklasse 1:
a) freistehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m² und
2. Gebäudeklasse 2:
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m²,
3. Gebäudeklasse 3:
sonstige Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m.
[19:50] Nach dem Horror von London dürfte der Dämmwahn vorbei sein - weil er viele Menschenleben gekostet hat.WE.
[20:00] Leserkommentar-DE:
Jetzt muss ich als jemand, der jeden Tag mit Fassadendämmungen zu tun hat, die Sachlage klären. Dazu bin ich Maler- und Lackierermeister sowie Energieberater. In der deutschen Bauverordnung gibt es eine festgelegt Hochhausgrenze von 22 Metern Höhe. Darunter darf prinzipiell mit Baustoffklasse B1 (schwer entflammbar), also Styropor, gedämmt werden. Zum Brandschutz kommen hierbei sogenannte umlaufende Brandriegel aus Mineralwolle mind. aller 2 Geschosse Zum Einsatz. Über diese Brandriegel kann man diskutieren- sicher sind diese aus meiner Sicht nicht. Ab der Hochhausgrenze darf nur mit Baustoffen der Klasse A1 (nicht brennbar) – Mineralwolle -gedämmt werden.
Fakt ist: Eine Styropor- Fassade brennt wie eine Fackel, wenn sie sich einmal entzündet hat und eine gewisse Temperatur aufgebaut wurde. Mineralwolle ist natürlich und hoch atmungsaktiv sowie brandtechnisch unbedenklich. Übrigens: Wer immer noch das Märchen von den dichten Styropor- Fassaden glaubt, soll sich bitte einen Topf Wasser erhitzen und eine Styroporplatte drauflegen- der Wasserdampf geht ungehindert durch, da Styropor eben nicht „dicht“ ist.
Das Problem sind hier eher die oberen Putzschichten.
PS: Auch ich bin kein Freund von Fassadendämmungen, weil ohne Dämmung die natürliche Physik gilt und damit ein gesundes Raumklima. Schuld am Dämmwahn sind die überhöhten Energiepreise bzw. deren Steuerbelastung. Wem verdanken wir die nochmal?
Verspoilert da ziemlich lang...