Autor Thema: Feindstaatenklausel  (Gelesen 3348 mal)

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Feindstaatenklausel
« am: 5. November 2016, 20:57:12 »
Liebe weitere Staatstragende,

meistens lassen sich ja die meisten Argumente der Reichsdeppen innerhalb einiger Minuten widerlegen. Auch wenn sie es niemals glauben wollen  :facepalm: . Bei der Behauptung, dass Deutschland immer noch als Feindstaat gelistet ist, kann ich leider nicht widersprechen  ::) . Nur mit dem weichen Argument, dass es ja keine faktische Rolle spielt, weil wir ja Frieden haben. Wikipedia meint:

Nach ganz herrschender Meinung in der Völkerrechtswissenschaft ist sie längst obsolet.

Herrschende Meinung der Völkerrechtswissenschaft ist natürlich für die Reichsdeppen kein Argument, und nicht nur für die  :scratch:

Die Änderung der Feindstaatenklausel ist wohl ein sehr bürokratisches Verfahren. Aber nach über 70 Jahren nach Kriegsende hätte ich schon gedacht, dass Deutschland als Feindstaat hätte gestrichen werden können. Der Beitritt der DDR 1990 wäre ja ein guter Zeitpunkt gewesen.

Liebe Völkerrechtler (Youtube-Studium ausgeschlossen  :naughty: ) im Forum, was meint ihr dazu?
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Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #1 am: 5. November 2016, 21:31:45 »
Auch die Sache mit der Feindstaatenklausel ist ansich ganz einfach. Ich möchte dir unser Buch sehr ans Herz legen, dort findest du nahezu alle
Behauptungen von Reichis und deren lückenlose Widerlegung samt Quellen.
Zu den Feindstaaten zitiere ich aus dem Buch (Vorwärts in die Vergangenheit):
Zitat
Es heißt, die in der UN-Charta enthaltenen „Feindstaatenklauseln“ seien nach wie vor
gültig, obwohl Bundesrepublik und DDR 1973 den Vereinten Nationen beitraten; daran
könne man sehen, dass das Deutsche Reich immer noch verschieden von beiden und in
Feindschaft zu ihnen fortbestand und bis heute fortbesteht.
In der Tat, bis zum heutigen Tag findet man in der UN-Charta die sog. „Feindstaaten-
Klauseln“. Was ist ein Feindstaat? In Artikel 53 Absatz 2 wird der Begriff wie folgt definiert:
Der Begriff Feindstaat, wie er in Absatz 1 dieses Artikels verwendet wird, bezieht sich
auf irgendeinen Staat, der während des Zweiten Weltkriegs ein Feind irgendeines
Unterzeichnerstaates der vorliegenden Charta war.
Gegen diese dürfen gemäß den Artikeln 53 und 107 von den Unterzeichnerstaaten
Zwangsmaßnahmen ohne besondere Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat verhängt
werden, falls die Feindstaaten erneut eine aggressive Politik verfolgen sollten. Dies schließt
auch militärische Interventionen mit ein.
Die Artikel entstanden 1945 mit der Urfassung der UN-Charta in der Endphase des Zweiten
Weltkrieges. Es wird zwar kein Land explizit genannt. Eine „Feindstaatenliste“ gibt es nicht.
Aber selbstverständlich waren damit 1945 in erster Linie Deutschland und Japan sowie ihre
Verbündeten gemeint.
1956 trat Japan den Vereinten Nationen bei, 1973 die beiden deutschen Staaten, und seit
1990 ist das vereinte Deutschland Mitglied. Mit Unterzeichnung der UN-Charta durch die
Bundesrepublik und die DDR 1973 hörte Deutschland auf, ein Feindstaat zu sein. Japan war
das schon seit 1956 nicht mehr.
Wie abseitig die Artikel in der Welt von heute sind, wird klar, wenn man sie konkret auf die
heutigen Verhältnisse anwendet. Bei wortwörtlicher Auslegung der obigen Definition könnte
also Deutschland selbst (oder Japan) unter den heutigen Bedingungen die USA oder
irgendeinen anderen ehemaligen Kriegsgegner als Feindstaat im Sinne der Charta
behandeln, denn heute ist man ja auch Unterzeichnerstaat der Charta! Unter Umständen
hatte Deutschland tatsächlich das Recht, ohne vorherige Erlaubnis des Weltsicherheitsrates
die USA militärisch zu unterwerfen, um die Beendigung des Irak-Einsatzes zu erzwingen,
weil der nicht von den Vereinten Nationen angeordnet worden war. Das wird man schön
bleiben lassen, denn dann würden sich die Vereinten Nationen umgehend von einem
Instrument zur Sicherung des Weltfriedens in eines zur Anzettelung von Kriegen verwandeln.
Aber dann braucht sich auch niemand heute noch Gedanken über eine Anwendung dieser
Klauseln gegen Deutschland zu machen.
Diese Klauseln werden längst als überholt angesehen, besonders da sowohl Japan als auch
die beiden deutschen Staaten (heute das vereinigte Deutschland) Mitglieder der UN wurden.
Folgerichtig hat die Generalversammlung 1995 auf Vorschlag der International Law
Commission beschlossen, dass diese Artikel überholt und gegenstandslos sind und
abgeschafft werden sollen. Es ist geplant, das im Rahmen einer grundsätzlichen Revision
der UN-Charta zu tun. Da dies aber ein sehr kompliziertes Projekt ist, wurde es bisher nicht
umgesetzt.
Auf jeden Fall ist klar, dass eine Verwendung der Feindstaatenklausel seitens der UN nicht
mehr in Betracht gezogen wird. Das erkennt man auch im praktischen Handeln daran, dass
z. B.
der Deutsche Klaus Töpfer 1998 zum Leiter des UNEP (UN-Umweltprogramm)
gewählt wurde und in diesem Amt zugleich Untergeneralsekretär der Vereinten
Nationen und Generaldirektor des UN-Büros in Nairobi war,
nach seinem Ausscheiden 2006 ein anderer Deutscher namens Achim Steuer sein
Nachfolger wurde,
der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler von 2000 bis zu seiner Wahl in dieses
Amt 2004 geschäftsführender Direktor der UN-Unterorganisation IWF
(Internationaler Währungsfonds) war,
der frühere Generalsekretär Kofi Annan die Deutsche Angela Kane 2004 zur
„Beigeordneten Generalsekretärin“ für politische Angelegenheiten ernannte, also
zu einer seiner Stellvertreterinnen,
die Bundesrepublik bereits fünfmal (1977/78, 1987/88, 1995/96, 2003/04,
2011/12) für je zwei Jahre ein nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates war,
die DDR einmal (1980/81),
die 35. Sitzung der Vollversammlung (1980) einschließlich der 8.
Dringlichkeitssitzung von einem Vertreter der Bundesrepublik geleitet wurde
und die 42. Sitzung der Vollversammlung 1987 samt ihrer 15. Sondersitzung 1988
von einem Vertreter der DDR.
So geht man nicht mit Feinden um.
Unzutreffend ist also, dass die Vereinten Nationen nach wie vor Deutschland als Feind
betrachten und dass die Bundesrepublik und die DDR durch ihren Beitritt zu den Vereinten
Nationen 1973 dem Deutschen Reich gewissermaßen den Krieg erklärt hätten. Das darf
man ja als UN-Mitglied gar nicht, aber es ist auch nie von kompetenter Seite behauptet
worden.
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Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #2 am: 5. November 2016, 21:44:20 »
Ich habe das Buch gelesen und bin auch angesichts der Aussage

1956 trat Japan den Vereinten Nationen bei, 1973 die beiden deutschen Staaten, und seit
1990 ist das vereinte Deutschland Mitglied. Mit Unterzeichnung der UN-Charta durch die
Bundesrepublik und die DDR 1973 hörte Deutschland auf, ein Feindstaat zu sein.


beruhigt  :)) .

Aber wie auch im Buch gesagt, sollte die Klausel längst abgeschafft werden. Und das schien mir in 70 Jahren machbar   :scratch: .

Persönlich kann ich damit gut leben, habe ich als Feind mit Ausnahme Russlands alle Allierten schon besuchen dürfen  :D .
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Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #3 am: 5. November 2016, 22:08:00 »
Es steht aber auch im Buch, dass es eine sehr sehr sehr aufwändige Sache ist, Staaten von der Liste zu streichen bzw auch generell etwas an der
UN-Charta zu ändern:
Zitat
Diese Klauseln werden längst als überholt angesehen, besonders da sowohl Japan als auch
die beiden deutschen Staaten (heute das vereinigte Deutschland) Mitglieder der UN wurden.
Folgerichtig hat die Generalversammlung 1995 auf Vorschlag der International Law
Commission beschlossen, dass diese Artikel überholt und gegenstandslos sind und
abgeschafft werden sollen. Es ist geplant, das im Rahmen einer grundsätzlichen Revision
der UN-Charta zu tun. Da dies aber ein sehr kompliziertes Projekt ist, wurde es bisher nicht
umgesetzt.
Wenn du die Quelle aufrufst, findest du auch den Originalbeschluss.
Die UN hat nunmal erheblich wichtigere Dinge zu tun, als Wochen und Monate dafür zu verschwenden, einen überholten und gegenstandlosen Artikel offiziell zu streichen.
Zitat
Änderungen der Charta erfordern eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Generalversammlung, darunter die Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.
Der Aufwand ist demnach vergleichbar mit einer Änderung des Grundgesetzes.
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Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #4 am: 5. November 2016, 22:26:37 »


Änderungen der Charta erfordern eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Generalversammlung, darunter die Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.
Der Aufwand ist demnach vergleichbar mit einer Änderung des Grundgesetzes.



Ich glaube an die deutsche Bürokratie  :salut: aber ich glaube auch, wir hätten vergleichsweise eine Verfassungsänderung in < 70 Jahren umgesetzt.

Es ist schon richtig, dass die UNO Wichtigeres zu tun hat. Ich nehme jetzt einfach mit, dass wir zwar Feindstaat waren, es durch gelebte diplomatische Praxis nicht mehr sind und Deutschland bei der nächsten Änderung der UN-Charta binnen 100 Jahre auch keinerlei Erwähnung mehr als Feindstaat findet.

Frage beantwortet, danke!
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Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #5 am: 6. November 2016, 01:13:40 »

Ich glaube an die deutsche Bürokratie  :salut: aber ich glaube auch, wir hätten vergleichsweise eine Verfassungsänderung in < 70 Jahren umgesetzt.

Es ist schon richtig, dass die UNO Wichtigeres zu tun hat. Ich nehme jetzt einfach mit, dass wir zwar Feindstaat waren, es durch gelebte diplomatische Praxis nicht mehr sind und Deutschland bei der nächsten Änderung der UN-Charta binnen 100 Jahre auch keinerlei Erwähnung mehr als Feindstaat findet.

Frage beantwortet, danke!

Der Grund ist nicht, dass die Mitgliedsstaaten das für unwichtig erhalten. Gerade für Japan stellt das immer noch ein Stigma und somit ein großes Ärgernis dar. Wieso ändert man das also nicht? Nun, ganz einfach: Man hat Angst, dass dann auch andere Befindlichkeiten mit hochkommen. Die Konstruktion des Sicherheitsrates mit den 5 Vetomächten, stößt beispielsweise vielen asiatischen Staaten sauer auf (der asiatische Raum wird nur von China repräsentiert). Wenn man jetzt daherginge und anfängt, die UN Charta zu ändern, würden wohl einige Länder versuchen, im diesem "Aufwasch" gleich auch den Sicherheitsrat zu reformieren. Und das möchte man vermeiden, da lässt man lieber alles so wie es ist. Im Ergebnis also keine Trägheit sondern pragmatisch-politische Gründe.
 
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Offline Pantotheus

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Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #6 am: 6. November 2016, 10:28:21 »
Es gibt in allen Rechtsordnungen die eine oder andere "Leiche". Mein persönlicher Liebling ist in dieser Hinsicht ja das hier: https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/174 Unter "Familienkiste" wird man wohl heute etwas deutlich Anderes verstehen, abgesehen davon, dass Familienfideikommisse längst durch Bundesrecht verboten sind, es für eine solche Regelung also längst keinen Bedarf mehr gibt.
Warum hebt man solche "Leichen" nicht einfach auf? Im eben erwähnten Fall würde ein Mehrheitsbeschluss des Parlamentes genügen.
Eine Zweidrittelmehrheit in der UNO-Generalversammlung ist auch machbar - wenngleich es vorher Verhandlungen braucht, um diese Mehrheit sicherzustellen. Man wird wohl auch gar nicht abstimmen, wenn nicht die Veto-Mächte vorher Zustimmung signalisiert haben.

In der Praxis ist es aber nicht so einfach, für eine solche punktuelle Änderung die erforderliche Mehrheit zu finden. Wenn man diesen Sack aufmacht, hüpfen Flöhe heraus. Denn viele Staaten haben Wünsche, wie die UNO-Charta zu ändern sei. Oder sie haben zwar keine Änderungswünsche die Charta betreffend, aber ihre Zustimmung soll dann schon auch etwas "kosten". Und da kommt als Preis gar mancherlei Ding in Betracht, etwa ein Sitz in einer bestimmten Kommission oder in einem Rat, ein geringerer finanzieller Beitrag, mehr Einfluss oder ein höherer Haushalt für diese oder jene UN-Nebenorganisation usw. Auch die Verknüpfung mit der Ratifikation irgendeines brachliegenden Vertrages ist denkbar, und da kann die UNO selbst nicht viel tun, denn ratifizieren müssen Abkommen immer noch die einzelnen Staaten.
In der Praxis stellt die Feindstaatenklausel aber auch kein Problem dar, das man nun dringend lösen müsste: Dass die ehemaligen Feindstaaten keine mehr sind, ist offensichtlich. Da sie inzwischen selbst alle der UNO angehören, könnte eine Anwendung der Feindstaatenklausel zu, hm, sagen wir mal: eher unerwünschten Ergebnissen führen. Vermutlich ist nicht einmal ein Kim Jong Un so vermessen, sich auf diese Klausel berufen zu wollen. Da braucht es dann schon einen gestandenen RD.
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Offline kairo

Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #7 am: 6. November 2016, 11:50:25 »
Es steht aber auch im Buch, dass es eine sehr sehr sehr aufwändige Sache ist, Staaten von der Liste zu streichen

Es gibt keine "Feindstaatenliste", nur eine allgemeine Beschreibung des Begriffs, die heute total überholt ist.

Es steht aber auch im Buch, dass es eine sehr sehr sehr aufwändige Sache ist, ...
Der Aufwand ist demnach vergleichbar mit einer Änderung des Grundgesetzes.

Du hast offenbar keine Ahnung, was für eine Haupt- und Staatsaktion es ist, auch nur den Toilettenreinigungsplan bei der UNO zu ändern, ganz zu schweigen von einer Totalrevision der Charta. Da kommen dann auf einmal Wünsche und Forderungen hoch, von denen keiner was ahnte. Eine Grundgesetzänderung ist im Vergleich dazu eine Kleinigkeit. Schau mal nach, wie oft das GG geändert worden ist und wie oft die UN-Charta ...
 
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Re: Feindstaatenklausel
« Antwort #8 am: 11. November 2016, 11:53:29 »
Gewissermassen redundant, aber evtl. mit zusätzlichem Aspekt:

"Obsolet" in völkerrechtlichen Verträgen - Beispiel Österreich


Zum einen ist es keine Rechtsauffassung von Staatsrechtlern, sondern Rechtslage, dass

Zitat
the "enemy State" clauses in Articles 53, 77 and 107 of the Charter of the United Nations have become obsolete

http://www.un.org/documents/ga/res/50/ares50-52.htm

Denn das wurde von der Vollversammlung so verabschiedet.

Eine Streichung dieser obsoleten Artikel würde sicher stattfinden, wenn die seit langem geplante Revision der Charta auf die Tagesordnung käme; die Auseinandersetzung um die Zusammensetzung des Sicherheitsrats ist in der Hinsicht vielleicht am bekanntesten. Wegen den Artikeln wird man sich die notwendigen Mühen nicht machen, und für ein ganzes Änderungspaket die notwendige Mehrheit zu bekommen ist. Wenn es denn geschieht, Folge eines politischen Prozesses, keines juristischen.
Das heisst: Mehrheiten, Kompromisse, do et des.

So eine Paketlösung ist nicht in Sicht. Ohne Revision des Sicherheitsraten wäre der Aufwand unverhältnismässig, eine Einigung in dieser Frage aber ist nicht ersichtlich.

So.
Nun ist das natürlich als Argument fürs debunken unhandlich.


Was man machen kann, ist:

- einen Obsoletserklärung, die keinen Spielraum lässt, zeigen.
- Nun hingehen, und zeigen, was das Wort "obsolet" im völkerrechtlichen Kontext bedeutet. An Hand dieses  Beispiels, das keinen Spielraum lässt. Daran kann man auch den Sinn eines solchen Vorgehens zeigen.


Ein direkter Nachweis, nicht nur einer über die Umstände.

Ich finde ein gutes Beispiel dafür den "Österreichischen Staatsvertrag", durch den Österreich mittels Vertrag mit den Vier Mächten "wieder souverän" wurde.
Denn in diesem Vertrag von 1955 sind einige Vorschriften, die "obsolet" wurden.
Gerade auch als Folge der dt. Wiedervereinigung.

Ich zitiere das hier mal ausführlicher, dann stehts da. Hervorhebungen von mir.

Zitat
1. Mitteilung der österreichischen Bundesregierung betreffend einige Bestimmungen des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 von Wien (BGBl. 1955/152) an die vier Signatarstaaten des Staatsvertrags samt Erläuterung, Wien,
am 6. November 1990:
*


Mitteilung an die vier Signatarstaaten des Staatsvertrags


1. Der Staatsvertrag von Wien vom 15. Mai 1955 ist für Österreich von großer Bedeutung; er bildet eine Grundlage für die Stellung Österreichs als freier und unabhängiger Staat und gleichberechtigtes Mitglied der internationalen Gemeinschaft.
Der Staatsvertrag war darüber hinaus ein Meilenstein auf dem Weg zur Errichtung einer neuen europäischen Friedensordnung nach dem Ende des 2. Weltkriegs, dem 35 Jahre später die Unterzeichnung des Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland; am 12. September 1990 folgte.
Als gleichberechtigter Partner der europäischen Friedensordnung begrüßt Österreich
den Abschluß dieses Vertrags.

2. Der Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 enthält in seinem Teil 11 Militärische und Luftfahrt-Bestimmungen; (Artikel 12-16), Regelungen, die Bestimmungen der Friedensverträge von 1947 mit Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland nachgebildet sind. Derartige Regelungen werden von allen diesen Staaten, und zwar größtenteils schon seit langem, als obsolet betrachtet.

3. Seit dem. Abschluß des Staatsvertrags sind grundlegende Veränderungen in Europa eingetreten, die sich in der Anwendungspraxis bezüglich einzelner der angeführten Bestimmungen sowie in der im Abschluß des zitierten Vertrags vom 12. September 1990 zum Ausdruck kommenden geänderten Rechtsüberzeugung
auch der Signatarstaaten manifestieren. Österreich ist daher der Auffassung, daß die Artikel 12-16 des Staatsvertrags obsolet sind.
Dies gilt ebenfalls für die von einer analogen Zielsetzung wie die erwähnten Bestimmungen getragene Regelung des Artikels 22 Z. 13 dieses Vertrags.

(...)

Erläutert wird dies ua. so

Zitat
Im Abschluß des Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, des sogenannten 2+4-Vertrags, durch die Signatarstaaten des Staatsvertrags ist somit
der Ausdruck eines Rechtsverständnisses auch im Hinblick auf diesen zu erblicken, wonach die Verpflichtungen Österreichs insbesondere im Zusammenhang mit der Verhinderung der deutschen Wiederaufrüstung hinfällig geworden sind.
Daraus folgt, daß die Signatarstaaten die Erfüllung der Österreich mit den genannten Bestimmungen auferlegten Verpflichtungen nicht mehr einfordern können.
Da diese Haltung auch der diesbezüglichen österreichischen Auffassung entspricht, liegt eine Übereinstimmung in der Rechtsüberzeugung vor, die bewirkt, daß die angeführten Bestimmungen des Staatsvertrags nicht länger gelten, weil sie obsolet sind.

Was passiert hier?
Die österreichische Regierung äussert ihre Auffassung, dass diese Artikel obsolet sind, konkretisiert den Begriff mit "nicht mehr einfordern können", "nicht länger gelten".
Was sagen dazu die anderen Vertragspartner?

Sowjetunion:

Zitat
...erklärt die Sowjetische
Regierung, daß sie keine Einwände gegen Auslegung der oben erwähnten Artikel
des Staatsvertrages als obsolet hat.

Frankreich:

Zitat
...le Gouvernement de la R6publique franqaise donne son consentement la
communication autrichienne.

USA

Zitat
The United States concurs with the Austrian Government view that Articles
12 -16 and Article 22, No. 13, of the 1955 State Treatyhave become obsolete
.

Grossbritannien hat nicht widersprochen, und das reicht in diesem Rechtsbereich aus.

http://www.zaoerv.de/51_1991/51_1991_2_s_494_528.pdf
S. 520ff. (S. 27ff. im PDF)
Das ganze Dokument versammelt einige vereinigungsbedingte völkerrechtlichen Vorgänge , brauchbares Ding.

Die betreffenden Artikel kann man sich hier anschauen:
http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1955_152_0/1955_152_0.pdf

Dann sieht man eindeutig, dass "obsolet" auch tatsächlich obsolet meint - die Artikel werden ganz offensichtlich nicht mehr angewendet.
Das ist keine Interpretation, das ist nicht Wischi-Waschi oder absichtlich unscharf oä.
Das ist rechtssicher.


Und wenn ich es jetzt super einfach machen will, also einem fencesitter gegenüber argumentiere, damit der schnell begreift wo hier der Haken ist, eine simple Konkretisierung


Zu den obsoleten Artikel gehört ua. Art. 14 Nr 4:
Zitat
"Österreich soll kein Kriegsmaterial deutscher Erzeugung oder deutschen Ursprungs oder Entwurfes öffentlich oder privat oder durch irgendwelche andere Mittel erwerben oder besitzen, mit der Ausnahme, daß die österreichische Regierung zur Aufstellung der österreichischen Streitkräfte beschränkte Mengen von Kriegsmaterial deutscher Erzeugung, deutschen Ursprunges oder Entwurfes, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich verblieben ist, verwenden kann."

Kriegsmaterial deutschen Ursprunges ist Östereich untersagt. Steht heute noch so im Staatsvertrag.

Dazu dieses:
http://www.bundesheer.at/organisation/gattung/panzer.shtml

Daraus:
Zitat
Das wichtigste Waffensystem der österreichischen Panzertruppe ist der Kampfpanzer "Leopard 2A4".




(Bild von der offiziellen Seite des österr. Bundesheeres, da gibts noch mehr davon)

Angeschafft wurden die in den 90ern. Nicht in den 70ern oder 80ern.
Denn da war der entsprechenden Passus im Staatsvertrag (der heute immer noch drinsteht) noch nicht "obsolet".


Neben der wortreichen argumentativen Unterfütterung, für die ich micht entschuldigen würde sähe ich sie nicht als fürs Verständnis hilfreich an, hat man hier also ein einfaches, sichtbares und (theoretisch...) unmissverständliches Argument für die Bedeutung des Wortes "obsolet" im völkerrechtl. Zusammenhang. Mit eindeutigen Texten, eindeutigem Schriftverkehr in den Dokumenten und sogar Bildchen. Von Panzern.
Das muss dem ein oder anderen in der Zielgruppe doch gefallen...

Kann man natürlich alles kürzer machen.
Ich kann es nicht.
Ich kann auch nicht garantieren, dass das jeder rafft oder jeder, der es rafft auch akzeptiert.
Aber das Missverständnis erschweren, das kann man.

Drum nochmal deutlich:
Die genannten Artikel stehen noch im Staatsvertrag.
So wie die Feindstaatenklausel in der Charta.
Beide stehen in den Vertragswerken, aber die Vertragsparteien haben sich geeinigt, dass sie nicht mehr gelten, keine entsprechenden Recht begründen, nicht durchsetzbar sind.

Es ist eine elegante Lösung, Bestimmungen aus diesen Abkommen heraus zu lösen, ohne das ganze Abkommen neu zu fassen. Denn dann müsste es neu verabschiedet werden. Von allen Vertragsparteien.
Sieht man mal von der rein praktischen Seite ab - es wäre mit dem österreichischen Selbstverständnis und seiner Souveränität kaum vereinbar, wenn 45 Jahre nach Abschluss des Staatsvertrages die Alliierten und Österreich die innere Verfasstheit Österreichs bestimmen. Völlig absurde Idee. 
So wie es 1990 für das dt. Selbstverständnis ausgeschlossen war, die Alliierten über die sog. "inneren Aspekte" der Wiedervereinigung (zB. verfassungsrechtl. Weg) mitbestimmen zu lassen.
(Die Implikationen, die das alles auch für den Aspekte "Völkerrechtssubjekt Deutschland" und den Unterschied zwischen der Bundesrepublik vor und nach 1990 aufzeigen bzw. entsprechende reichsbürgerliche Missverständnisse, übergeh ich jetzt mal. Sind nicht Thema. Kann man ja sehen.)

Ist das zu kompliziert?
Zuviel zu lesen?

Das mag sein. Is halt so.

Denn es geht nicht nur darum, nen Reichsbürger zu überzeugen. Sondern auch den Mitlesern zumindest das Niveau der Debatte, des Gegenstandes nachvollziehen zu lassen. Man kann manches eben nicht übersimplifizieren ohne das Wesentliches wegfällt.
Das gilt ja für jede Wissenschaft. Ab einem gewissen Level wird es kompromisslos, braucht Arbeit um es nachzuvollziehen.
Das gilt auch für Automechaniker, Zahntechniker oder Elektriker.

Wenn man dieses Beispiel aber nachvollzieht, erkennt man was der Begriff "obsolet" in völkerrechtlichen Verträgen bedeutet. Unzweifelhaft.
Die Österreicher verstossen rein wörtlich gesehen gegen Artikel, die im Staatsvertrag stehen.
Es ist aber kein Verstoss auf der rechtl. Ebene, weil diese Artikel "obsolet" und damit hinfällig sind.


Und drum steht die Feindstaatenklausel zwar noch in der Charta.
Sie begründet aber, weil sie ausdrücklich für "obsolet" erklärt wurde, keinerlei durchsetzbaren Rechte mehr.


Eine elegante, kluge und wirksame Methode völkerrechtl. Verträge an geänderte Umstände anzupassen, ohne das ganze Vertragswerk aufzudröseln. Was im Einzelfalle dipl. gesehen eine unverhältnismässigen Aufwand oder sogar eine absolute Zumutung darstellen kann bzw. mit der Auffassung eig. Souveränität unvereinbar.

(Nebenbei, falls das nicht mehr so bekannt ist:
Es  gab Ende der 60er - also vor der Obsolet-Erklärung - übrigens eine Diskussion, weil nach der Intervention der Sowjets in die damalige Tschecheslowakei die Idee rumschwirrte die Sowjets könnten theoret. eine ihnen genehme Situation ausnutzen, um begründet durch die Feindstaatenklausel nach West-Deutschland einzumarschieren. Man kam, wenn ich mich richtig erinnere - ich wühl mich da jetzt nicht durch die Dokumente - damals schon zum Ergebenis, dass die Feindstaatklausel praktisch obsolet ist. Schon wg. Art. 5 NATO-Vertrag, der in einem solchen Falle  die Westmächte zur milit. Verteidigung der Bundesrepublik verpflichtet - mit der absurden Folge, dass ein Teil der Alliierten dem "Feindstaat" milit. gegen Eingriffe des anderen beistehen, auch wenn dieser sich auf die "Feindstaaten"-Klausel beruft... Wohlgemerkt heisst das im Klima dieser Zeit: Bis zur totalen Vernichtung, sowohl des Gegners wie sich selbst. Paradox.)


Eine elegante, kluge und wirksame Methode völkerrechtl. Verträge an geänderte Umstände anzupassen, ohne das ganze Vertragswerk aufzudröseln. Was im Einzelfalle dipl. gesehen eine unverhältnismässigen Aufwand oder sogar eine absolute Zumutung darstellen kann bzw. mit der Auffassung eig. Souveränität unvereinbar.

Ich bin zwar Laie (für die Experten ist sicher das ein oder andere unscharf).
Aber selbst ich begreife das Prinzip. Es ist also nicht sonderlich kompliziert.
Keine Toleranz!