Eine Mehrheit in der Parteispitze will Rechtsaußen Björn Höcke rauswerfen – wichtige Funktionäre sind aber dagegen.
Von Peter Heimann und Ulrich Wolf
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Mit Hunderten Neonazis ist Höcke in dem Film „Come together“ beim „Gedenken“ für die Opfer der Bombardierung Dresdens 2010 zu sehen.
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Mit Hunderten Neonazis ist Höcke in dem Film „Come together“ beim „Gedenken“ für die Opfer der Bombardierung Dresdens 2010 zu sehen.
Äußerst rechts: Björn Höcke muss sich wohl eine andere Partei suchen. Bei der AfD jedenfalls scheint eine Mehrheit genug von seinen Provokationen zu haben.
An seinem Weltbild lässt der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke keine Zweifel. Seine rechtsnationalen Sprüche, mit denen er gern und offensiv provoziert, bewegen sich oft am äußersten rechten Rand. Sogar in der Partei meinen einige Spitzenfunktionäre, ihr Parteifreund überschreite diesen Rand. Deswegen versuchen sie jetzt, Höcke aus der Partei zu werfen. „Der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland hat in seiner heutigen Telefonkonferenz mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ein Parteiausschlussverfahren gegen den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke beschlossen. Die Maßnahme erfolgte nach eingehender juristischer Prüfung und politischer Bewertung der Rede Björn Höckes vom 17. Januar 2017 in Dresden“, teilte die Partei offiziell mit.
Wie zu erfahren war, haben neun Vorstände, darunter Frauke Petry, dafür gestimmt. Vier, allerdings wichtige Vorständler, waren dagegen: der Ko-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, AfD-Vize Alexander Gauland, der sachsen-anhaltische Fraktionschef Andre Poggenburg und der niedersächsische Landeschef Armin Paul Hampel. Alle vier gelten als parteiinterne Gegner von Petry.
Schon unmittelbar nach der Höcke-Rede im Dresdner Ballhaus Watzke hatte es ähnliche Versuche gegeben. Ursprünglich hatte Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel aus Baden-Württemberg einen Antrag auf ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke gestellt, zog ihn aber nach mehreren Stunden Debatte wieder zurück. Zwar stellte der Vorstand seinerzeit fest, Höcke habe durch seine Äußerungen „dem Ansehen der Partei geschadet“. Aber aus dem Rauswurf wurde schließlich – ein Rüffel. Der Vorstand hielt nur ein „Ordnungsverfahren für erforderlich“.
Schon im Dezember 2015, als Höcke seine Theorie zur Zuwanderung afrikanischer Männer öffentlich machte, hatte ihn der Bundesvorstand aufgefordert, „zu prüfen, inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden“. Offenbar ohne besonders nachhaltige Wirkung: Geschichtslehrer Höcke hatte in Dresden mit Kritik am Holocaust-Gedenken breite Empörung ausgelöst. Offensichtlich mit Blick auf das Mahnmal in Berlin sprach er von einem „Denkmal der Schande“ und verlangte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“.
Doch in dem diesen Montag vorliegenden Gutachten über die juristischen Konsequenzen ging es nach den Worten von Alexander Gauland um ganz andere Aspekte. Die Befürworter des Rausschmisses stören sich gar nicht vorrangig an den Rede-Passagen, die die größte Empörung ausgelöst hatten – sondern an einer Höcke-Aussage, die Gauland so zusammenfasst: „Ich weise euch den Weg“. Tatsächlich warf der frühere Geschichtslehrer Höcke namentlich nicht genannten Parteikollegen vor, diese handelten nicht aus Überzeugung, sondern drängten eigentlich nur an die Fleischtöpfe. Höcke sagte wörtlich: „Und nicht wenige werden sich ganz schnell sehr wohlfühlen bei den Frei-Fressen-und-Frei-Saufen-Veranstaltungen der Lobbyisten.“ Seine eigene Rolle fasste er damals, nicht ohne Pathos, so zusammen: „Ich will die AfD als letzte evolutionäre Chance für unser Vaterland erhalten. Ich will, dass wir diesen Halben einen Strich durch die Rechnung machen. Wir wollen das, denn wir wissen: Es gibt keine Alternative im Etablierten.“
Während sich Frauke Petry schon mehrfach über Höckes Sprüche empört hatte, zeigte sich der zweite Parteichef, Jörg Meuthen, nachsichtig. So war es auch in diesem Machtkampf. Meuthen fand die Höcke-Rede zwar auch nicht so toll, aber einen Rausschmiss wenig aussichtsreich: „Ich vermute, dass es im Sande verläuft.“ Petry dagegen zeigte sich überzeugt, dass die „große Mehrheit“ der AfD hinter dem Parteiausschlussverfahren stehe. Sie sprach von einem „wichtigen Tag für die AfD“. Es sei ein „klares Signal“, dass die Partei ihren „bürgerlich-freiheitlichen Kurs fortsetzen wird“.
Höcke gibt an, dem Verfahren gelassen entgegenzusehen. Er sei fest davon überzeugt, weder gegen die Satzung noch die Grundsätze der Partei verstoßen zu haben. Dann droht er: Die Entscheidung sei „geeignet, der Partei großen Schaden zuzufügen“. Der Vorstandsbeschluss sei machtpolitisch motiviert, gefährde den Meinungspluralismus und besitze das Potenzial zur Spaltung der AfD. Diese Spaltung müssten „die Gutwilligen in der Partei“ verhindern. Beobachter schätzen, dass der Höcke-Flügel um die 30 Prozent der AfD-Mitglieder repräsentiert.
Über den Ausschlussantrag entscheidet zunächst das Schiedsgericht des AfD-Landesverbands Thüringen. In zweiter Instanz käme der Fall vor das Bundesschiedsgericht. Das alles kann Monate dauern.
Dass Höcke zumindest keine Berührungsängste mit Rechtsextremen hat, belegt der 2012 erschienene Kinofilm „Come Together“ von Barbara Lubich. Darin wird das Gedenken in Dresden rund um den 13. Februar thematisiert. In dem Film kommt nach gut einer Stunde Höcke kurz ins Bild. Zusammen mit Hunderten Neonazis steht er am 13. Februar 2010 vor dem Hauptbahnhof Dresden. Er trägt einen schwarzen Mantel, einen grauen Schal und eine schwarze Pudelmütze. Im Hintergrund ist eine thüringische Flagge zu sehen. Die AfD Thüringen bestätigte die Teilnahme. Höcke habe dort „mit zwei Freunden an einer friedlichen Gedenkveranstaltung für die Opfer der Bombardierung Dresdens teilgenommen“. (mit dpa)