Autor Thema: Brrrrrr-exit  (Gelesen 164400 mal)

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dtx

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2355 am: 12. Juni 2020, 16:30:36 »
Das ist aber nur ein Drittel des ursprünglichen Artikels:

Zitat
...
„Man sollte sich vielmehr die Frage stellen, warum das Vereinigte Königreich sich hohen Standards in Hinsicht auf Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte und im Kampf gegen Geldwäsche nicht verschreiben will“, sagt die französische EU-Abgeordnete Nathalie Loiseau WELT. „Die Briten sagen: ,Vertraut uns.’ Und dann hören wir von deren Verhandlungen mit den USA, in denen sie ihre Lebensmittelstandards nach unten schrauben.“

...

Zitat
...
Am Freitag findet eine neuerliche Videokonferenz statt. Die britische Seite wird dann offiziell verkünden, dass sie um keine Verlängerung der bis Ende Dezember 2020 laufenden Übergangszeit bitten wird, in der für das Königreich alle EU-Regeln weitergelten. Es sei „umsichtig und weise“, sich erneut auf einen No-Deal-Ausstieg vorzubereiten, teilte die zuständige Ministerin Penny Mordaunt mit.

https://www.welt.de/politik/ausland/article209380413/Brexit-Jetzt-droht-das-EU-Parlament-den-Briten-mit-dem-No-Deal.html

Zitat
Die britische Regierung hat eine Fristverlängerung für den Brexit ausgeschlossen. Sie will mit der EU nicht über das Jahresende hinaus über die Beziehungen nach dem Brexit verhandeln. Der britische Staatssekretär für Kabinettsangelegenheiten Michael Gove schrieb auf Twitter, er habe heute bei Beratungen mit der EU "formal bestätigt, dass das Vereinigte Königreich die Übergangsphase nicht verlängern wird."

"Die Zeit für eine Verlängerung ist nun vorbei", schrieb er weiter. Großbritannien werde am 1. Januar 2021 "die Kontrolle zurückerhalten" und seine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit wiedergewinnen, schrieb der britische Unterhändler.
Der Vize-Präsident der EU-Kommission Maroš Šefčovič sagte, er selbst habe in dem Gespräch betont, dass die EU für eine Verlängerung offen bleibe. Aber Gove hätte in seiner Ablehnung nicht deutlicher sein können. Der britische Unterhändler habe seine Haltung damit begründet, dass den britischen Bürgerinnen und Bürgern der fristgerechte Brexit im Wahlkampf versprochen worden sei. Šefčovič sagte weiter: "Nach meiner Einschätzung ist das definitiv das Ende der Debatte."

...

https://www.zeit.de/politik/2020-06/eu-kommission-brexit-uebergangsphase-grossbritannien-boris-johnson



Zitat

Freihandelsabkommen: Die Realität spielt keine Rolle
Angela Merkel werde den Brexit für sie retten, glauben viele britische Konservative – unter ihnen der Premier. Reines Wunschdenken. Doch Boris Johnson kümmert das nicht.
Von Bettina Schulz, London
5. Juni 2020, 20:41 Uhr

...

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/freihandelsabkommen-grossbritannien-eu-boris-johnson-angela-merkel
« Letzte Änderung: 12. Juni 2020, 17:40:43 von dtx »
 
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Offline hartholz

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2356 am: 12. Juni 2020, 17:06:28 »
Und dann hören wir von deren Verhandlungen mit den USA, in denen sie ihre Lebensmittelstandards nach unten schrauben.

Stramm auf dem Weg zum 51st State? Oder gar zu "Airstrip 1"?
 
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Offline SchlafSchaf

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2357 am: 12. Juni 2020, 17:30:40 »
Und am Ende wird er sich hinstellen und verkünden: Seht ihr, die EU wollte kein Deal, was kann ich denn dafür
An Rüdiger Hoffmann: Der Faschist sagt immer, da ist der Faschist  (in Anlehnung an die Signatur des geschätzten MitAgenten Schnabelgroß)

Wir kamen
Wir sahen
Wir traten ihm in den Arsch
 
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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2358 am: 12. Juni 2020, 17:46:47 »
Stramm auf dem Weg zum 51st State?

Sind sie doch längst:



Btw, ich werde mir beizeiten noch ein paar Single Malts ordern, ehe die Zollkeule geschwungen wird.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
 
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Offline Sandmännchen

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2359 am: 12. Juni 2020, 17:47:11 »
In diese Rolle schiebt er die EU ja nun schon seit mehreren Jahrzehnten, und er kann das gut. Damit wird sich die EU abfinden müssen. Unsere Politiker schieben auch gerne alles mögliche der EU in die Schuhe.

Na und? Der Rest der EU-Mitgliedsländer muss sich vielleicht mit einem kleineren Markt zufrieden geben, dafür sind wir die ständigen fünften Kolonnen der USA los.

Ich sehe auch (noch?) nicht das Problem eines Billiglohnlandes vor unserer Haustür. Womit stehen wir da in Konkurrenz, wo nicht ohnehin schon auf andere Billiglohnländer zurückgreifen? Beim Bankensystem?
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dtx

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2360 am: 12. Juni 2020, 20:01:15 »
Billiglohnland nicht (das sind wir selber), aber Steueroase. Im Übrigen kommt Bobbele grad mit der nächsten Rosinenpickerei um die Ecke. Er will zwar, das daß UK pünktlich zum Jahresende Drittland wird, aber keine Zollkontrollen. Die soll es vielleicht Mitte 2021 geben, wenn er es sich bis dahin nicht wieder anders überlegt.

Die EU-Abgeordneten haben also Recht: Wozu mit jemandem etwas aushandeln, der ständig lügt, betrügt und sich ohnehin an keinerlei Abmachungen halten will?

https://www.spiegel.de/wirtschaft/brexit-grossbritannien-verschiebt-einfuehrung-von-zollkontrollen-a-ffd01981-80e6-4080-9fc0-91cd84fdc0ef
 
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dtx

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2361 am: 18. Juni 2020, 09:59:33 »
Soso, Bobbele kann sich den Schutz der Bevölkerung also nicht mehr leisten. Wenn man sich daran erinnert, daß voriges Jahr 100 Millionen für eine sinn- und inhaltsfreie Plakatkampagne drin waren, mutet das aber schon etwas seltsam an: https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/covid-19-england-infektionszahl-wirtschaft-unternehmen
 
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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2362 am: 18. Juni 2020, 11:53:38 »
Billiglohnland nicht (das sind wir selber), aber Steueroase. Im Übrigen kommt Bobbele grad mit der nächsten Rosinenpickerei um die Ecke. Er will zwar, das daß UK pünktlich zum Jahresende Drittland wird, aber keine Zollkontrollen. Die soll es vielleicht Mitte 2021 geben, wenn er es sich bis dahin nicht wieder anders überlegt.

Das ist aber nun keine Rosinenpickerei: Das UK verlangt ja nicht von der EU, dass die EU keine Zollkontrollen für Waren die aus dem UK kommen einführt, sondern erklärt, im Falle dass es bis zum Ende der Übergangsfrist kein Abkommen mit der EU gibt, dass das UK keine Zollkontrollen in Bezug auf aus der EU kommende Waren durchführen wird.

Das ist aber nun gerade kein Vorteil für das UK und deswegen auch keine Rosinenpickerei: Waren aus der EU fließen in dieser Konstellation ungehindert in das UK, das Finanzministerium im UK fällt um die Zölle um, die verlangt werden könnten, sofern die Importeure nicht freiwillig zahlen. Waren die aus dem UK in die EU exportiert werden sollen, werden von den Zöllnern der EU hingegen sehr wohl kontrolliert und es müssten dafür Zölle entrichtet werden!

Diese Aussage von Johnson ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass das UK nicht in der Lage ist, bis Ende des Jahres eine Zollinfrastruktur aufzubauen, die in der Lage ist, die aus der EU ins UK fließenden Waren entsprechend zu kontrollieren. Oder aber, er weiß jetzt schon, dass er am Ende so einknicken wird, dass es keine Zollkontrollen geben muss und spart sich deswegen jetzt das Geld, das der Aufbau einer Zollinfrastruktur kosten würde.
 
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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2363 am: 18. Juni 2020, 12:24:28 »
Diese Aussage von Johnson ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass das UK nicht in der Lage ist, bis Ende des Jahres eine Zollinfrastruktur aufzubauen, die in der Lage ist, die aus der EU ins UK fließenden Waren entsprechend zu kontrollieren. Oder aber, er weiß jetzt schon, dass er am Ende so einknicken wird, dass es keine Zollkontrollen geben muss und spart sich deswegen jetzt das Geld, das der Aufbau einer Zollinfrastruktur kosten würde.

Und er kann bei Scheitern der Verhandlungen wieder auf die pöse EU zeigen, die ja Zollkontrollen durchführt, obwohl er darauf verzichtet hat. Sauerei sowas.
Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in gleicher Richtung blickt.
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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2364 am: 18. Juni 2020, 13:13:56 »
Na und  ;D
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Online kairo

Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2365 am: 18. Juni 2020, 13:55:45 »
Sie wollten ja unbedingt ihre Souveränität wiederhaben. Bitte, können sie kriegen, uns hilft sie ohnehin nichts. Aber jetzt stellt sich heraus, dass sie diesen Mantel gar nicht ausfüllen können.

Trauriger Niedergang eines Empires: nicht mal Zollkontrollen an den Grenzen kriegen sie auf die Reihe, obwohl diese Grenzen inzwischen reichlich kurz geworden sind.
 
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dtx

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2366 am: 18. Juni 2020, 14:53:07 »
So sehen souveräne Entscheidungen aus:

Zitat
...
Am Freitag informierte Staatsminister Michael Gove die EU bereits formell darüber, dass die britische Regierung keine Verlängerung der Übergangszeit will. Nach zahlreichen Warnungen war das keine Überraschung. "Am 1. Januar 2021 übernehmen wir die Kontrolle und gewinnen unsere politische und ökonomische Unabhängigkeit zurück", twitterte Gove am Freitag.

Zuvor hatte er dem "Gemeinsamen Komitee EU-UK" in Brüssel die britische Entscheidung mitgeteilt. "Wir betrachten das als endgültig", kommentierte EU-Vertreter Maros Sefcovic trocken, aber es bleibe viel Arbeit zu tun. "Ende dieses Jahres werden wir wieder unsere eigenen Gesetze und Grenzen kontrollieren", fügte Gove hinzu. Nur um dann zu erklären, dass die Regierung deshalb die souveräne Entscheidung treffe, die Grenzkontrollen ab 1. Januar auf britischer Seite erst einmal ein halbes Jahr aufzuschieben.

Als Grund führt der Johnson-Vertraute an, dass man der Wirtschaft mehr Zeit geben wolle, sich darauf vorzubereiten. Britische Unternehmen seien derzeit noch mit den Folgen der Corona-Krise beschäftigt und könnten weitere Umstellungen nicht verarbeiten.

Tatsächlich aber ist für den Tag X einfach nichts vorbereitet. Die Regierung hat eingeräumt, keine Ahnung zu haben, wo sie die Kontrollen für den Lastwagenverkehr vom Kontinent durchführen soll. Der Hafenort Dover ist viel zu klein - ein Kontrollpunkt müsste irgendwo in Kent noch eingerichtet werden. Außerdem bräuchte Großbritannien 50.000 neue Zollbeamte und hat notorisch Probleme mit seiner IT-Kapazität. All das müsste in den nächsten sechs Monaten geklärt werden. Die EU wiederum kündigt an, dass sie nicht mitziehen, sondern in ihren Häfen ab Jahresanfang 2021 mit den Kontrollen beginnen wolle.

...

Eigentlich wäre das ja Pritichens Baustelle gesen. Aber die ist ja vollauf damit beschäftigt, rumänische Erntehelfer von den englischen Erdbeerfeldern fernzuhalten sowie die Ärzte und Krankenschwestern aus der EU davon zu überzeugen, daß sie daheim dringender gebraucht würden.

https://www.dw.com/de/post-brexit-johnson-will-br%C3%BCssel-drohen/a-53795945

 
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Offline Gutemine

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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2367 am: 19. Juni 2020, 20:44:44 »
Man könnte sagen: Corona und Brexit...das läuft perfekt für Boris und er hat die volle Kontrolle.....NICHT.


Spoiler
Covid-19 in England: Die Krise wird zu teuer
Mehr als zwei Millionen Jobs sind verloren gegangen, die Nachfrage bei den Tafeln ist so hoch wie nie. Auch deshalb muss Boris Johnson die Corona-Beschränkungen lockern.
Eine Analyse von Bettina Schulz, London
13. Juni 2020, 14:21 Uhr 563 Kommentare

Die Covid-19-Fälle in England steigen wieder. Während die Corona-Pandemie in fast allen Regionen des Vereinigten Königreiches abflaut, meldeten die Behörden für England nach einer Analyse von TotalAnalysis 6,9 Prozent mehr Infektionsfälle in der vergangenen Woche. Auch in London breitet sich der Virus wieder stärker aus. Noch immer sind im gesamten Land mehr als 50.000 Personen an Covid-19 erkrankt. In Deutschland sind es nach den letzten Meldungen der Website Worldometer mal gerade etwas mehr als 6.000 Fälle.

"Wir sind nicht so weit unten, wie ich es gerne hätte", räumte Premierminister Boris Johnson am Donnerstag ein, verkündete aber gleichzeitig eine weitere Lockerung der nur noch unwillig eingehaltenen Ausgangssperren. Einzelpersonen, die die Einsamkeit der Isolierung nicht mehr aushalten, dürfen sich jetzt miteinander in einer Art "Support-Bubble" treffen. Insgesamt sind die Vorgaben in Großbritannien kompliziert: Barbecue ja, die Großeltern treffen nein, Busfahren ja – aber mit Maske erst ab 15. Juni. Ins Ausland fliegen ja, aber wenn man wiederkommt 14 Tage Quarantäne, was aber nicht wirklich nachgeprüft wird.

Es sind die Klimmzüge einer Regierung, die die Wirtschaft wieder hochfahren muss, weil die Corona-Pandemie zu teuer wird, egal wie es um die Infektionswelle steht. Die Wissenschaftler würden gern noch warten. Doch Johnson kann sich das nicht leisten.

Im Vergleich zu anderen Ländern ist das staatliche Unterstützungsprogramm der Briten in Höhe von fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes bescheiden. Deutschland schnürte – ohne die Aktionen der Zentralbanken berücksichtigt – Hilfspakete in Höhe von 10,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, folgt man einer Berechnung des Wirtschaftswissenschaftlers Ceyhun Elgin der Columbia University. Aber das Vereinigte Königreich ist ohnehin schon stark verschuldet und kann daher die gewaltige Belastung des Staatshaushaltes nur schwer stemmen. Die Staatsverschuldung wird nach Angaben der OECD in diesem Jahr von 85,4 auf 97,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen, in Deutschland hingegen nur von 59,7 auf 74,7 Prozent. Bei einer zweiten Infektionswelle im Winter sähe es noch schlechter aus. Der Druck auf Johnson und seinen Schatzkanzler Rishi Sunak, die Verschuldung nicht weiter steigen zu lassen und die Wirtschaft wieder hochzufahren, ist daher groß.

Johnson weiß, dass er von einer anderen Wählerschicht abhängig ist als seine Vorgänger. Seine Wähler kamen bei seiner Parlamentswahl im Dezember 2019 zum Großteil auch aus einkommensschwächeren Schichten, aus den ärmeren Städten Nordenglands, früher Hochburgen der Labour-Partei. Gerade dieser Teil der Bevölkerung ist hart getroffen, nicht nur von Covid-19, sondern auch von einem staatlichen Gesundheitssystem, das zwar mit der Pandemie gerade so noch fertig wird, aber ansonsten auf Sparflamme fährt. Die Zahl der Personen, die in England auf Behandlung warten, wird Ende des Jahres voraussichtlich auf zehn Millionen steigen. Dieser Teil der Bevölkerung hängt auch von einem staatlichen Schulsystem ab, das es vor September nicht schafft, vollumfassenden Unterricht zu erteilen. Mehr als zwei Millionen Personen hatten sich im April bereits arbeitslos gemeldet. Die Nachfrage nach Essen bei den "Foodbanks" ist so hoch wie nie. Da muss die Regierung diese Menschen finanziell unterstützen, auch, um dem neuen Labour-Vorsitzenden Keir Starmer keine Angriffsfläche zu geben.

So schnürte Schatzkanzler Rishi Sunak im Handumdrehen mehrere Sozialpakete, die man einer konservativen Regierung nie zugetraut hätte: Nach einer Aufstellung des Office for Budget Responsability (OBR) zahlt der Staat netto 54 Milliarden Pfund für 80 Prozent der Löhne von Personal, das Unternehmen seit Anfang März freigestellt haben. Ab 1. Juli dürfen sie dieses Personal wieder in Form von Kurzarbeit beschäftigen. Der Staat stockt den Lohn entsprechend auf. Das Programm läuft dann langsam Ende Oktober aus.
"Die Widerstandskraft ist ziemlich am Ende"

Die Unternehmen nutzen das Programm für insgesamt knapp neun Millionen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, vor allem für Personal mit niedrigen Löhnen. Die Billigarbeitsplätze gibt es vor allem in der Gastronomie, im Hotelgewerbe und im Einzelhandel, wo jetzt schon klar ist, dass viele Restaurants, Shops und Hotels komplett aufgeben müssen. Fast jeden Tag gibt es Meldungen von großen Unternehmen im Einzelhandel, dass Geschäfte endgültig geschlossen und Personal entlassen wird – wie Victoria's Secret, Laura Ashley, Cath Kidston, Monsoon Accessorize oder die Restaurant Group. Daher fürchtet die Regierung, dass auch zahlreiche Kurzarbeiter spätestens im Oktober entlassen werden und die Welle der Arbeitslosigkeit nur hinausgeschoben wurde.

Wohl auch deshalb zahlt der Staat die britische Sozialhilfe (Universal Credit) großzügiger aus als bisher. Für sie haben sich schlagartig 2,8 Millionen Briten angemeldet, insgesamt Kosten für den Staat von acht Milliarden Pfund. Die britische Regierung hat ihr Hilfsprogramm breit gestreut: Etwa drei Millionen Selbstständigen werden Zuschüsse von insgesamt 15 Milliarden Pfund gezahlt, um über die Runden zu kommen. Der Mittelstand erhält Zuschüsse von 15 Milliarden Pfund und Steuervergünstigungen von 13 Milliarden Pfund. Das sind nur die größten Posten. Das Regierungsprogramm beläuft sich insgesamt auf 132,5 Milliarden Pfund, eine Summe, die bei der Haushaltsvorlage der Regierung im März noch unvorstellbar gewesen wäre.

Die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft nach der Pandemie im Handumdrehen wieder erholen würde, ist schon lange aufgegeben worden. Die Wirtschaft wird im Vereinigten Königreich in diesem Jahr nach Angaben der OECD wegen der Pandemie um 11,5 Prozent – und bei einer zweiten Infektionswelle um 14 Prozent – schrumpfen. Deutschland kommt da mit einem Minus von 6,6 Prozent – oder 8,6 Prozent – noch relativ glimpflich davon.

Das aber erklärt, warum Premierminister Boris Johnson zu Beginn der Pandemie zögerte, Großbritannien in den Lockdown zu schicken und warum er jetzt die Zügel lockert, obwohl das Land mit der Bekämpfung von Covid-19 hinterherklappert. "Hätte Großbritannien die Ausgangssperre nur eine Woche früher verkündet, hätte Großbritannien nahezu die Hälfte der Toten vermeiden können", warnte dieser Tage Professor Neil Ferguson, ehemaliges Mitglied des Krisenstabes der Regierung (SAGE). Aber damals – wie jetzt – lag das Augenmerk der Regierung darauf, den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Johnson weiß genau, dass die Erholung der britischen Wirtschaft nach der jetzigen Infektionswelle holprig verlaufen wird. Am 1. Januar – möglicherweise mitten in der zweiten Corona-Welle – kommen noch die ökonomischen Folgen des Brexits hinzu. Dann ist die schonende Übergangsphase vorbei, gehen Großbritannien und der EU-Binnenmarkt wirtschaftlich auf Distanz.

Die britische Regierung hatte sich gedacht, dass die Unternehmen dieses Risiko hätten eingehen können. Sie hatten sich ja bereits im Jahr 2019 aus Sorge vor einem No-Deal-Brexit vorbereitet, hatten die Lagervorräte aufgestockt, ihre Lieferketten umgestellt. Dann aber kam Covid-19. "Jeder Penny, den Unternehmen gespart haben, alle Lagervorräte, die aufgebaut wurden, sind wegen Corona aufgebraucht", warnt die Vorsitzende des britischen Industrieverbandes CBI Carolyn Fairbairn. "Die Widerstandskraft der britischen Unternehmen ist ziemlich am Ende." Die des britischen Staates eigentlich auch.
[close]
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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2368 am: 19. Juni 2020, 21:45:34 »
Ich fürchte ja eher, *er* hat die volle Kontrolle, und das, was passiert, passt zu seinem Drehbuch.
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Re: Brrrrrr-exit
« Antwort #2369 am: 19. Juni 2020, 23:16:00 »
Man könnte sagen: Corona und Brexit...das läuft perfekt für Boris und er hat die volle Kontrolle.....NICHT.

...

Nicht, daß das schon Gegenstand des Beitrags Nr. 2361 gewesen wäre ...



Zitat
From 1 January 2021, the UK will apply a UK-specific tariff to imported goods.  

This UK Global Tariff (UKGT) will replace the EU’s Common External Tariff, which applies until 31 December 2020.

...

https://www.gov.uk/guidance/uk-tariffs-from-1-january-2021
 
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