In letzter Zeit sind bei diversen Gerichten in verschiedenen Bundesländern „Zustellungsersuchen aus Malta im Zusammenhang mit Abtretungserklärungen von Personen aus den Gruppierungen der sog. Selbstverwalter (z.B. der sog. „Reichsbürger“) eingetroffen“. Die Reichsbürger lassen dabei Ihre Forderungen zunächst im US-amerikanischen UCC-Register eintragen. Die Anmeldung in diesem Handelsregister ist online mögliche und läuft vollautomatisch, die Plausibilitätsprüfung übernehmen Computer. Nach der Anmeldung können Forderungen gegenüber angeblichen Schuldnern - also Justizbediensteten - geltend gemacht werden. Und dies ohne den in Deutschland üblichen Rechtsweg, bei dem die Schuld und der tatsächlich entstandene Schaden nachgewiesen werden müssen. Diese Forderungen gegen Beschäftigte der Justiz werden dann an eine maltesische Firma namens „Pegasus International Incasso Limited“ abgetreten. Inhaber der Inkasso-Firma sind Reichsbürger. Die Höhe der Phantasieforderungen beläuft sich auf teilweise „mehrere Millionen US-Dollar“.
„Pegasus International Incasso Limited“ strengt dann in Malta ein dem vereinfachten Mahnverfahren vergleichbares Verfahren an, mit dem ein Versäumnisurteil erwirkt werden kann. Ein solcher Antrag wird dem Antragsgegner zugestellt, der nach Zustellung innerhalb von frühestens 15 und spätestens 30 Tagen vor Gericht in Malta zu erscheinen hat. Macht er dies nicht oder erscheint, ohne die angebliche Forderung korrekt zu bestreiten, ergeht unverzüglich ein stattgebendes Urteil, das unter Umständen in Deutschland vollstreckbar ist.
Zwar fehlt es nach der Auffassung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz sowie des Auswärtigen Amtes an einer Rechtsgrundlage für die internationale Zuständigkeit maltesischer Gerichte, dennoch halten es die beiden Behörden nicht für ratsam, im konkreten Fall abzuwarten, ob die maltesischen Gerichte die Anwendbarkeit ihrer internationalen Zuständigkeit tatsächlich verneinen.
Betroffene werden aufgefordert, sich umgehend an ihre Vorgesetzten zu wenden, um Maßnahmen zur Abwehr des angeblichen Anspruchs zu besprechen.
Mir liegt inzwischen ein Schreiben des Landes Sachsen-Anhalt zum Umgang mit diesen Forderungen vor. Darin heißt es:
„Die deutsche Botschaft in Valletta wurde gebeten, die maltesischen Behörden auf die Problematik aufmerksam zu machen. […] Weiterhin konnte durch Einsichtnahme in den Handelsregisterauszug der fraglichen Pegasus International Incasso Ltd. eine weitere Gesellschaft der „Selbstverwalter“ Mathias Ralf Gaudig alias Matthias Ralf Theil und Birgit Hilbig alias Birgit Elfriede Fazekas mit dem Namen „Horus Holding Ltd.“ ausfindig gemacht werden.
Die maltesische Generalstaatsanwaltschaft empfahl den betroffenen deutschen Beschäftigten der Landes- und Bundesverwaltungen sowie den betroffenen Richtern und Gerichtsvollziehern, in Deutschland Anzeige gegen die Ersteller der fingierten Forderungen zu erstatten und damit entsprechende Strafverfahren gegen die Betreiber der Forderungen und somit auch gegen die Betreiber der in Malta angesiedelten Inkassounternehmen in Gang zu setzen. Auf dieser Grundlage könnte mittels strafrechtlichen Rechtshilfeersuchens die Generalstaatsanwaltschaft die Rechtsaktivitäten dieser Firmen in Malta für einen zunächst auf 135 Tage festgesetzten Zeitraum aussetzen. Sollten die handlungsbefugten Personen dieser beiden Unternehmen nicht auf Malta wohnhaft sein und nicht aktiv Widerspruch gegen eine solche Verfügung einlegen, könne die Verfügung bis auf Einlegung eines solchen Widerspruchs weiterverfristet werden.
Allerdings wäre dieses Verfahren nur auf die jeweiligen einzelnen, in den Verfahren beklagten Firmen anwendbar. Es besteht also die realistische Möglichkeit, dass die „Selbstverwalter“ einfach neue Firmen gründen.
Die deutsche Botschaft in Valletta bot an, mit einer maltesischen Anwältin, mit der die Botschaft seit mehreren Jahren zusammenarbeitet, eine Art Rahmenvertrag auszuhandeln, sofern dies von mehreren betroffenen Behörden gewünscht wird. Darin könnte ein von der Höhe der Forderung unabhängiger Kostensatz vereinbart werden, der ausschließlich für diese speziellen Fälle gilt und nur im Bedarfsfall Anwendung findet. Die Anwältin wies aber bereits jetzt darauf hin, dass im Rahmen des „special summary procedure“ bei Eingabe eines Widerspruchs (hier durch die jeweilige deutsche Behörde) Gerichtsgebühren fällig werden, die ausgehend vom Streitwert berechnet werden! Konkrete Einzelheiten (u. a. Berechnungsschlüssel) werden derzeit durch die Botschaft in Erfahrung gebracht.
Das Generalkonsulat in San Francisco hatte die Leitung des betroffenen UCC-Register (Seattle, State Washington), kontaktiert. Von dort wurde umgehend Verständnis signalisiert und unbürokratische Hilfe zugesichert. Auf Antrag öffentlicher deutscher Stellen würden entsprechende Eintragungen problemlos gelöscht. Da die Eintragungsanträge jedoch online gestellt und lediglich von Computerprogrammen abgewickelt würden, sei es nicht möglich, bereits bei Eingang inhaltlich zu prüfen.
Betroffene deutsche öffentliche Stellen könnten formlose Löschungsanträge an folgenden Kontakt stellen, auch per E-Mail:
[auf PN-Anfrage bei mir]
Die Anträge können unmittelbar von deutschen Behörden an das Department of Licensing gerichtet werden, eine Weiterleitung über die Botschaft in Washington bzw. das Generalkonsulat San Francisco sei nicht notwendig. Wichtig sei bei der Beantragung die Übermittlung der File Number, Datum und Namen der betroffenen Personen – hier sollten nach Eindruck des Generalkonsulats Angaben sowohl zum Antragsteller (Secured Party) wie auch zum Belasteten (Debtor) gemacht werden. Es wurde angeregt, auch entsprechende Unterlagen, aus denen File Number wie auch Search Number hervorgehen, zu übermitteln.“
Die gleiche Vorgehensweise empfiehlt auch das Hessische Ministerium der Justiz. Daneben gibt es Zwei Erlasse des HMdJ vom 30.03.15 und August 2015 bzgl. des Rechtshilfeverkehrs in Zivilsachen mit Malta. Darin ist geregelt, dass Zustellungs- und Vollstreckungsersuchen in diesen Verfahren vor Ausführung dem HMdJ zur Prüfung vorzulegen sind. Hintergrund ist u.a., dass nach Auffassung des Bundesjustizministeriums und des Auswärtigen Amtes die entsprechenden EU-Verordnungen zum Rechtshilfeverkehr nicht anzuwenden sind.
Weiter empfiehlt das HMdJ, allen Betroffenen Anzeige zu erstatten und weist darauf hin, dass in solchen Fällen die Bediensteten Rechtsschutz des Landes Hessen zu gewähren sein wird.