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Mordpläne gegen Michael Kretschmer
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Wer sind die Dresdner um Daniel G.?
Die Polizei hat eine Zelle radikalisierter Impfgegner ausgehoben. Sie hatten darüber diskutiert, Sachsens Ministerpräsidenten zu töten. Wer sind die Männer und Frauen?
Von Henrik Merker, Dresden
15. Dezember 2021, 17:15 Uhr
Aktualisiert am 15. Dezember 2021, 17:55 Uhr
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Im Fokus: Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen © Jan Woitas/dpa
Vier Männer und eine Frau stehen in Verdacht, eine "schwere staatsgefährdende Straftat" geplant zu haben: die Ermordung von Michael Kretschmer, dem sächsischen Ministerpräsidenten, und anderen Landespolitikerinnen und -politikern. Die Verdächtigen sind zwischen 32 und 64 Jahren alt und waren in der Telegram-Chatgruppe "Dresden Offlinevernetzung" aktiv, in der sich radikalisierte Impfgegner zusammengefunden hatten. Die Polizei durchsuchte sechs Wohnhäuser und Arbeitsstätten in Dresden und Heidenau.
Als Anführer der Gruppe gilt nach Recherchen von ZEIT ONLINE Daniel G. Audionachrichten in der Chatgruppe zufolge arbeitet er als Zerspanungsmechaniker in einem Betrieb im sächsischen Heidenau. Er lebt in einer Mietwohnung im Dresdner Stadtteil Pieschen, in einem unsanierten Altbau im Arbeiterviertel. Nachbarn beschrieben G. als unauffällig. Vor seinem Hund hatten aber alle Angst, die sich vor Ort äußern wollten. Spezialisten der Polizei übergaben das Tier mittlerweile einem Tierheimmitarbeiter. An G.s Tür klebte ein Sticker mit einer Liste, welche Menschen sein Hund tot beißen würde. Handschriftlich waren Impfteams als Ziel ergänzt.
Das entspricht G.s Äußerungen in der Telegram-Gruppe. Dort hatte er angekündigt, Impfteams zu erschießen, sollten sie vor seiner Tür stehen. Ein Sprecher des Sächsischen Landeskriminalamts (LKA) zeigte sich verwundert, dass G. vor der Razzia seine Waffen nicht beseitegeschafft hatte, obwohl ein Team von ZDF Frontal schon vor Tagen über die Attentatsdiskussionen berichtet hatte. Auch Sprengstoffexperten waren bei der Razzia im Einsatz und trugen eine Tüte aus dem Gebäude.
In der Chatgruppe, deren Audionachrichten ZEIT ONLINE teilweise anhören konnte, berichtete G., dass er auch noch ein Gartengrundstück besitze. Wo dieses liegt, ist der Polizei anscheinend noch nicht bekannt.Um herauszufinden, welche Mitglieder der Chatgruppe zum harten Kern gehören, hatten die Ermittler nach Recherchen von ZEIT ONLINE eine Funkzellenabfrage eingerichtet. So versuchten sie zu ermitteln, wer bei einem Treffen von Gruppenmitgliedern am 4. Dezember im Dresdner Albertpark anwesend war.
Nicht alle Gruppenmitglieder verdächtig
Unter den Personen, deren Wohnungen die Polizei nun durchsuchte, war der Sächsischen Zeitung zufolge auch Sebastian Pierre A., der unter seinem Klarnamen Mitglied der Telegram-Gruppe war. Als Profilbild hatte er sich einen Wehrmachtsoldaten ausgesucht. Bei A. handelt es sich um einen stadtbekannten Dresdner Neonazi. Auch bei Jürgen S. stand die Polizei vor der Tür, einem als Pegida-Aktivisten bekannten Dresdner.
Nicht alle Gruppenmitglieder gelten im Zusammenhang mit den Diskussionen über Attentate auf Politiker als verdächtig. Und nicht bei allen fanden nun Durchsuchungen statt. Alle Mitglieder der Gruppe aber duldeten offenkundig, dass in dem Chat nationalsozialistische Propaganda geteilt wurde, so zum Beispiel Bilder und Reden von Adolf Hitler. Die Nutzer machten Juden und Menschen, die sie für Juden hielten, für die Pandemie und ihre privaten Probleme verantwortlich. Ein antisemitisches Hassvideo wurde in der Gruppe als eines der wichtigsten Videos bezeichnet, das je veröffentlicht wurde.
Viele Mitglieder der Gruppe waren sich ihrer Sache so sicher, dass sie unter Klarnamen und mit realen Profilbildern agierten. So zum Beispiel eine Frau, bei der es Hinweise gibt, dass sie in einer Stadtverwaltung arbeitete. Oder eine andere Frau, die sogar ihre Handynummer veröffentlichte. Die auf Fotos farbenfroh gekleidete Frau ist demnach offenbar für die Querdenker-Gruppe "Eltern stehen auf" aktiv. Eine weitere Frau in der Gruppe könnte für eine Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde gearbeitet haben. Zumindest legen das ältere Zeitungsartikel nahe, in denen sie offenbar zitiert wird. Zwei Männer zeigten sich bodenständig, der eine mit Fischerbart, der andere mit Fotos vom Wandern.
Es sind also keineswegs alle Mitglieder der Chatgruppe eindeutig als Rechtsextremisten erkenntlich oder identifizierbar. Aber in ihrer Mitte gab es Radikalisierte, die zumindest Waffen besorgt hatten. So fand die Polizei bei den Durchsuchungen Armbrüste, darüber hinaus "Waffen und Waffenteile". Ob sie einsatz- beziehungsweise schussfähig waren, wird noch geprüft. Den Anfangsverdacht sehen die Ermittler als bestätigt an.
Sachsen ist also längst auf dem Weg zur Wiederherstellung der Herdenimmunität gegen Rechtsextremismus. Dann ist ja alles gut.