Mit läppischen 500 Tacken ist die rechte Aktivistin ja noch glimpflich davon gekommen.
Weitere Protagonisten: Ihr Anwalt und dessen Entourage, die allesamt ein Attest vorlegten um keine Masken tragen zu müssen.
Da kann sich jeder selbst seinen Reim drauf machen.
Spoiler
Dresden. Es bleibt dabei. Wer heimlich mitgeschnittene Telefonate unerlaubt veröffentlicht, begeht eine Straftat. Auch das Landgericht Dresden ist davon überzeugt, dass die 43-jährige Angeklagte Madeleine F., ein altbekanntes Mitglied in der rechten Szene, Schuld auf sich geladen hat.
Im Juni war Madeleine F. am Amtsgericht Dresden wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes zu einer Geldstrafe von 900 Euro verwarnt worden. Verwarnt heißt, sie hätte die Strafe nicht zahlen müssen, solange sie innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Urteils keine neuen Straftaten begeht. Doch das milde Urteil wurde nicht rechtskräftig.
Sowohl die Staatsanwaltschaft, die eine tatsächliche Geldstrafe von 1.800 Euro gefordert hatte, als auch die Angeklagte, ihr Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert, akzeptierten das Urteil nicht. Am 9. November begann die Berufungsverhandlung.
Fake-News von Rechtspopulisten
Es geht in dieser Sache um eine hässliche Fake-News-Geschichte vom Frühjahr 2018, als Rechtspopulisten und Rassisten sich in den „sozialen Medien“ darüber echauffiert hatten, Muslime würden sich nun schon in Dresdner Kirchen breit machen. Video-Bilder zeigten Afrikaner in der Martin-Luther-Kirche. Tatsächlich handelte es sich bei den Menschen im Neustädter Gotteshaus jedoch um Christen aus Eritrea, die damals schon seit langem Sonntag für Sonntag nachmittags in der Kirche feierten, an Ostern sogar eine ganze Woche lang.
In der allgemeinen Hysterie, klingelten damals so häufig die Telefone der evangelischen Kirchgemeinde, dass sie sich genötigt sah, eine eigene Pressemitteilung zu veröffentlichen, in der sie die Dinge klarstellten. Auch danach schellten die Telefone weiter in der Kirchenverwaltung. Eine 54-jährige Angestellte erinnert sich noch heute an die Tage. Auch in dem Berufungsprozess gegen Madeleine F. ist die Kirchenfrau nun wieder Zeugin.
Maskenbefreite Schicksalsgemeinschaft
Es ist ganz offensichtlich eine ungewöhnliche Schicksalsgemeinschaft, die jetzt, am Freitagmittag, ins Dresdner Landgericht marschiert. Madeleine F., Verteidiger Jens Lorek, dessen Mitarbeiterin und ein weiterer Begleiter tragen alle keinen Mund-Nasen-Schutz. Sie werden mehrfach kontrolliert. Doch alle vier haben Dokumente dabei, die sie vom Maskenzwang auch im Justizzentrum befreien.
Noch am Mittwoch hatte Madeleine F. vor dem Brandenburger Tor gestanden und gegen das Infektionsschutzgesetz protestiert. Auch sie habe sich von Wasserwerfern der Polizei beregnen lassen müssen, sagt sie.
An diesem zweiten Verhandlungstag berichtet die Zeugin aus der Dresdner Kirchgemeinde von einer Anruferin, die sich als orthodoxe Christin ausgegeben hatte. Die unbekannte Frau mit russischem Akzent habe viele Fragen zu der Sache mit den „Muslimen“ wissen wollen, habe behauptet, dass könnten doch keine orthodoxen Christen gewesen sein und anderes mehr.
Wer die Anruferin war, das wisse sie nicht. Die Frau habe ihren Namen nicht genannt. Die Zeugin sagte, sie sei nicht auf die Fragen der Unbekannten eingegangen, sondern habe sie an die Pressemitteilung verwiesen und an den Pfarrer. Nein, sie habe nicht gewusst, dass dieses Telefonat mitgeschnitten wurde und habe auch kein Einverständnis dazu gegeben.
Sie habe erst über die Landeskirchenverwaltung erfahren, dass der Mitschnitt auf Facebook zu hören war – auf der Facebook-Seite der Angeklagten. Nach der internen Beratung habe sie sich entschlossen, die Sache anzuzeigen. Ihr Name sei dort zu hören gewesen, es sei ihre Stimme gewesen, ihre Worte. Gegenüber der SZ sagt die Frau später auch, dass sie schon ein mulmiges Gefühl gehabt habe, als sie von diesem ungewöhnlichen Lauschangriff erfuhr.
Strapazierte Wahrheit
Madeleine F. hatte schon am ersten Sitzungstag zugegeben, das Telefongespräch veröffentlicht zu haben. Es sei ihr „um die Wahrheit“ gegangen. Nach der Vernehmung der Zeugin fragt der Richter die Angeklagte erneut, wer dieses heimliche Telefonat aufgezeichnet habe. Immerhin habe die Angeklagte in einem ihrer damaligen Kommentare geschrieben, die Anruferin sei ihr bekannt.
Die 43-Jährige sagte, sie kenne die Anruferin nicht, die Frau sei in einer ihrer WhatsApp-Gruppen gewesen. Sie habe vorgegeben, die Frau zu kennen, weil sie mehrere Beiträge von ihr gelesen habe. Heute könne sie nicht mehr sagen, wer das gewesen sei. F. sprach von einem „Sammelsurium von Mitgliedern“ in ihren Gruppen, jedoch keine persönlichen Kontakte: „Es ist nicht so, dass ich sie persönlich kennen würde“. Soviel also zum Thema "Wahrheit".
„Machen Sie das heute auch noch so?“, fragt der Richter. „Ja“, antwortet die Angeklagte. Dann schränkt sie jedoch ein, dass sie ein solches Telefonat möglicherweise wohl nicht veröffentlichen würde. „Ich bin nicht unbelehrbar. Ich kann ja denken“, behauptet sie. Es ginge ihr darum „die Wahrheit herauszukristallisieren“.
Überraschendes Urteil
Um es kurz zu machen: Viel mehr erfährt das Gericht an diesem zweiten Sitzungstag nicht. Zu ihren persönlichen Verhältnissen macht die Angeklagte kaum Angaben, da hilft auch die Drohung des Richters nicht, dass er ihr Einkommen schätzen müsse, sollte das Gericht zur Überzeugung kommen, sie verurteilen zu müssen.
Oberstaatsanwalt Andreas Günthel plädiert kurz und wiederholt die Forderung der Staatsanwaltschaft aus dem erstinstanzlichen Prozess einer Geldstrafe in Höhe von 1.800 Euro. Verteidiger Jens Lorek spricht länger. Er argumentiert, seine Mandantin könne schon deswegen nicht verurteilt werden, weil sie das Telefonat nicht aufgezeichnet habe und nicht habe wissen können, dass der Mittschnitt illegal gewesen sei. Es seien mit dem Telefonat auch keine „vertraulichen Dinge“ weiterverbreitet worden. Und nicht zuletzt fehle es auch an einem wirksamen Strafantrag. Die Verwaltungsangestellte der Kirche sei nicht dazu berechtigt gewesen, so Lorek.
Das Gericht berät etwas länger als die angekündigten 20 Minuten. Doch das Urteil ist dann eine kleine Überraschung für alle Beteiligten. Zwar verwirft Scheuring die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten. Doch das Gericht erteilt der Angeklagten die Weisung, eine zusätzliche Geldauflage von 500 Euro an die Diakonie in Dippoldiswalde zu zahlen. Außerdem wird die Bewährungsdauer dieser Verwarnung von einem auf auf eineinhalb Jahre verlängert. Sollte die 43-Jährige die Auflage nicht erfüllen, werde auch die Geldstrafe von 900 Euro vollstreckt.
Punkt für Punkt begründet der Vorsitzende, warum Verteidiger Lorek mit seiner Argumentation einfach daneben gelegen habe. „Strafantragsberechtigt ist die Verletzte“, sagt Scheuring, also die belauschte Kirchenangestellte. Aus dem gesamten Telefonat ergebe sich kein Hinweis darauf, dass die Geschädigte von dem Mittschnitt gewusst, geschweige denn ihre Zustimmung dazu gegeben habe.
Kirchenangestellte sollte verunsichert werden
Der Tatbestand sei erfüllt. Madeleine F. habe eine illegal gefertigte Aufnahme öffentlich zugänglich gemacht, sodass diese von einer Vielzahl an Menschen habe angehört werden können. Scheuring betonte, dass in diesem Fall ein Freispruch nicht denkbar sei, weil die Angeklagte zum Prozessauftakt selbst eine politische Motivation für die Veröffentlichung des Gesprächs eingeräumt habe.
Die anonyme Anruferin habe der Kirchenangestellte mehrfach die immer gleichen Fragen gestellt, es sei insistiert worden, um den Gesprächspartner unsicher zu machen. das alles ergebe sich aus dem Telefonat. Scheuring: „Es ging Ihnen darum, die Kirche der Lüge zu bezichtigen und die Geschädigte vorzuführen.“ Das sei keine Bagatelle.
Das Urteil hat die Angeklagte sichtbar überrascht. Doch man darf gewiss sein, dass in dieser Sache wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. In einem demokratischen Rechtssaat ist schließlich auch ein zweitinstanzliches Urteil anfechtbar.