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19.04.2016 Landshut/Freising
Reichsbürger muss 2.000 Euro wegen Beleidigung zahlen
Er fertigte von seiner Verhandlung vor einem Freisinger Strafrichter illegal eine Audio-Datei und stellte sie unter „www.verbrecher-ban.de” ins Internet. Wegen Beleidigung muss dafür ein 49-Jähriger, der sich als „Germanit” bzw. „Reichsbürger” outete, jetzt 2.000 Euro berappen.
Sie nennen sich „Germaniten” oder „Reichsbürger”, vertreten den Standpunkt, die Bundesrepublik sei kein rechtmäßiger Staat und wollen deshalb einen Staat im Staat einrichten. Danach leben sie und lehnen jegliche staatliche Autoritäten und Vorschriften ab, ob Regierung oder Behörden, ob Gerichte und Richter, ob Polizisten und Gesetze. Vor allem die Auftritte vor Gericht werden zu Show-Auftritten.
So auch der des 49-Jährigen Münchner Außendienstmitarbeiters vor der 5. Strafkammer des Landshuter Landgerichts. Vorausgegangen war, dass er am 21. August 2014 bei Neufahrn in seinem Pkw mit einer Geschwindigkeit von 108 Stundenkilometer unterwegs war und den vorgeschriebenen Abstand zum Vordermann nicht einhielt. Das wurde per Videobeweis nachgewiesen und dem 49-Jährigen flatterte ein Bußgeldbescheid über 100 Euro sowie 25 Euro Verfahrenskosten ins Haus.
Dagegen legte er Einspruch ein, hatte damit allerdings beim Freisinger Strafrichter keinen Erfolg. Im Anschluss an die Verhandlung bekam der Richter allerdings vom Außendienstmitarbeiter die schriftliche Aufforderung, ihm den entstandenen Schaden zu ersetzen. Außerdem enthielt das Schreiben den Link auf eine Internetseite mit der illegalen Tonaufzeichnung der Verhandlung. Bei den Germaniten, die sich als Bürger eines souveränen Staates Germanitien brachten, sind Mitschnitte, die anschließend propagandistisch ausgeschlachtet werden, Usus.
Der 49-Jährige hatte die Seite unter „www.verbrecher-ban.de” ins Internet gestellt. Und das zog ein weiteres Verfahren nach sich; denn wie der Freisinger Strafrichter später auch vor der 2. Strafkammer bestätigte, fand er das Wortspiel mit der „...ban.de” als respektlos und unverschämt: „Ich bin der Meinung, dass ich fair verhandelt habe. Aber eine normale Verhandlung war nicht möglich, er hat sich ständig durch den Sitzungssaal bewegt und in den Zuschauerraum gesetzt.”
Für die Beleidigung hatte sich der Außendienstmitarbeiter beim Amtsgericht eine weitere Verurteilung zu einer Geldstrafe von 2.500 Euro (50 Tagessätze à 50 Euro) eingehandelt. Dagegen legte er Berufung ein und zog auch vor der 2. Strafkammer seine Show ab: War ständig im Gerichtssaal zu einigen wenigen Gesinnungsgenossen, die ihn begleitet hatten, unterwegs, zweifelte die Kompetenz von Vorsitzendem Richter Richard Findl an: „Ein mutmaßlicher Richter, der sich nicht ordentlich als staatlicher gesetzlicher Richter ausweise, handelt als Privatperson und kann keine Verhandlung eröffnen.”
Außerdem, so der 49-Jährige, müsse sich der Richter entscheiden, „als was sie mich verurteilen wollen, als Mensch oder Person. Ich lege einen Eid ab, dass ich Mensch bin. Und einen Menschen kann nur Gott richten.” Außerdem sei die Bundesrepublik lediglich eine Firma, das Amtsgericht Freising ein Unternehmen, das nur eine fiktive Person verurteilt habe.
Ein Vertragsverhältnis zu beiden lehne er ab. „Ich bin Staatsbürger des Königreichs Bayern und des Deutschen Kaiserreichs.” Er gehe keinen Vertrag mit dem Unternehmen Landgericht Landshut ein und untersage es ihm, Entscheidungen gegen ihn zu treffen. „Das verhängte Urteil ist nichtig, als Mensch bin ich freizusprechen.”
Vorsitzender Richter Findl – durch vorausgegangene Prozesse mit „Reichsbürgern” bereits „geeicht” – bewahrte stoisch die Ruhe und schaffte es, den Wortschwall des Angeklagten einzudämmen. Ein Beamter der PI Erding berichtete, dass es auf der besagten Internet-Seite auch Hakenkreuz-Cartoons gegeben habe. Deshalb sei zunächst gegen ihn auch wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt worden.
Bei einer Hausdurchsuchung sei er zunächst nicht auffindbar gewesen, unter der von ihm angegebenen Wohnadresse lebte lediglich sein betagter Vater. Er sei dann in Karlsfeld aufgespürt worden und in der dortigen Wohnungen seien dann eine Vielzahl von Videokameras, Aufzeichungsgeräte, Computer und Datenträger sichergestellt worden.
Letztlich nutzte es dem Außendienstmitarbeiter nichts, dass er sich beim Freisinger Strafrichter nach dessen Aussage entschuldigte. Per Handschlag (!) und mit der Bemerkung, dass er ihn sogar sympatisch finde. Die Berufungskammer verurteilte ihn wegen Beleidigung, allerdings fiel die Geldstrafe um 500 Euro geringer aus.
Der 49-Jährige, so Vorsitzender Richter Findl in der knappen Urteilsbegründung, habe das Wortspiel bewusst gewählt und damit sei es eine Beleidigung. Der „Reichsbürger” kündigte – wie nicht anders zu erwarten – umgehend den Gang in die Revision an.