Alles nur Einzelfälle...
Man will gar nicht wissen, wie hoch da die Dunkelziffer ist. Schließlich will ja keiner ein "Kameratten-Schwein" sein oder man teilt letztendlich die Meinung sogar und schweigt daher.
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„Reichsbürger“, Rassisten und Antisemiten Hunderte Extremismus-Verdachtsfälle bei Polizei und Bundeswehr
Zahlen zu rechtsextremen Umtrieben bei Polizei und Bundeswehr bringen die Behörden in Bedrängnis. Die Bundeswehr will nun eine Studie unter Soldaten erheben.
Neuste Zahlen zu rechtsextremen Verdachtsfällen bei der Polizei und Bundeswehr bringen die deutschen Sicherheitsbehörden in Erklärungsnot. Innenminister Horst Seehofer behauptete Anfang Juli noch, die deutsche Polizei habe kein Problem mit strukturellem Rassismus. Doch eine aktuelle Umfrage seiner Behörde und der Innenministerien der Länder lässt auf das Gegenteil schließen: In den vergangenen Jahren sind mindestens 400 Verdachtsfälle von rechtsextremen Umtrieben bei der Polizei bekannt geworden. Das berichtete der „Spiegel“ am Freitag.
Die Fälle bezögen sich auf rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Aktivitäten von Polizisten und Polizeianwärtern. Seit 2014 zählten die Bundesländer demnach rund 340 Fälle von Rechtsextremismus in der Polizei, bei der Bundespolizei waren es dem Bundesinnenministerium zufolge 36 rechtsextreme und 25 rassistische Verdachtsfälle seit 2012. In zwölf Fällen standen die Beamten der sogenannten „Reichsbürger“-Szene nah.
Bayern registrierte 18 mutmaßliche „Reichsbürger" in Uniform. Kleine Länder wie Bremen und das Saarland gaben dem „Spiegel" zufolge nur ein oder zwei Rechtsextremismus-Verdachtsfälle an, die sich zudem nicht erhärtet hätten. Andere Länder wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen-Anhalt zählten bis zu zwei Dutzend Vorkommnisse. Hessen verzeichnete mit 70 Verdachtsfällen die mit Abstand höchste Zahl.
Die Polizei steht jedoch nicht als einzige Sicherheitsbehörde mit ihren rechtsextremen Verdachtsfällen da. Nach Informationen des „Spiegels“ prüft der Militärische Abschirmdienst (MAD) zurzeit 638 rechtsextreme Verdachtsfälle bei der Bundeswehr.
Von den bis zu 25.000 Rekruten, die jedes Jahr bei der Bundeswehr anfangen, wurden in den vergangenen drei Jahren 38 bei Sicherheitsüberprüfungen wegen rechtsextremer Einstellungen aussortiert. 78 Bewerber wurden in den vergangenen neun Monaten schon im Bewerbungsprozess ausgeschlossen.
Ermittlungen gegen KSK-Ausbilder wegen antisemitischer Aussagen
Am Freitag wurde zudem bekannt, dass gegen einen weiteren Offizier der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus ermittelt wird. Das berichtete ebenfalls der „Spiegel“.
Zuletzt hatten sich Berichte über rechtsextreme Bundeswehrsoldaten bei der KSK gehäuft. Der Präsident des MAD, Christof Gramm, sagte Ende Juni, er sehe eine „neue Dimension“ des Rechtsextremismus bei der Bundeswehr.
Seit Mitte Juni ermittelt der MAD gegen besagten KSK-Offizier, Oberstleutnant W. Er war demnach für die Ausbildung der Kommandosoldaten zuständig. W. soll bei einer Mission der Einheit in Afghanistan 2019 in einer Besprechung mit Kollegen gesagt haben, die Lage am Hindukusch sei „wie der Holocaust“. Als es um eine Erhöhung des Milchpreises in dem Land ging, soll W. gefragt haben, welche „Judensau“ dies organisiert habe, zitiert ihn der „Spiegel“.
Dem Bericht zufolge soll W. nach den Hinweisen umgehend in den Urlaub geschickt worden sein, disziplinarische Ermittlungen wurden aufgenommen. Das Verteidigungsministerium hat sich auf „Spiegel“-Anfrage nicht zu dem Fall geäußert.
Erstmals seit 13 Jahren: Studie zu Gesinnung von Bundeswehrsoldaten
Als im Mai Munition und Waffen auf dem Privatgrundstück eines Kommandosoldaten gefunden wurden, kündigte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an, das KSK grundlegend zu reformieren.
Jetzt will das Verteidigungsministerium zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder den Einfluss des politischen Extremismus in der Bundeswehr untersuchen lassen. Dem Bericht zufolge sollen dabei auch die parteipolitischen Präferenzen der Soldaten mithilfe der sogenannten „Sonntagsfrage“ abgefragt werden.
"Tichys Einblick" und Don Alphonso haben ja, zusammen mit der restlichen AfD-Stürmerpresse versucht den Fall des Oberstleutnant Bohnert zu relativieren. Auch Holger Kreymeier hat dabei mitgemischt.
Dabei hat man ja z.B. auch behauptet, dass die beteiligten Journalisten gefährliche "Linksextremisten" und/oder Mitglied bei der "Antifa" sind, anders ausgedrückt, man versucht über falsche Behauptungen zu diskreditieren.
Jetzt gibt es eine Stellungnahme der "Lügenpresse" zu den von den "Stürmermedien" verbreiteten Fake-News.
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Stand: 06.08.20 18:51 Uhr
#Bundeswehr/Bohnert: Stellungnahme der Redaktion
Die Panorama Redaktion nimmt zu den Vorwürfen gegen unsere Berichterstattung Stellung. Da sich die Kritikpunkte wiederholen, möchten wir hier auf die wichtigsten eingehen:
Zur Behauptung bzw. zum Vorwurf, wir hätten Oberstleutnant Bohnert nicht angefragt.
Dies trifft nicht zu. Wir hatten ihn am Anfang unserer Recherche im Februar zu Rechtsextremismus in der Bundeswehr und Sozialen Medien angefragt. Er teilte uns mit, dies sei nur über den Pressestab des Verteidigungsministeriums möglich. Wir haben ihn dann am Dienstag vor der Sendung, kurz vor dem Ende der Recherche, erneut angefragt, wie gewünscht über das Verteidigungsministerium, unter Aufführung der konkreten, inzwischen ihn selbst betreffenden, Rechercheergebnisse. Er hatte also Zeit, sich in welcher Form auch immer zu äußern. Doch wir haben von ihm keine Antworten erhalten. Er hat selbst in einem Interviewnach unserer Veröffentlichung gesagt, er sei bereits am Montag vor der Sendung von seinem Dienstherrn über die Vorwürfe in Kenntnis gesetzt worden.
Uns wird vorgeworfen, es gehe "nur" um ein paar Likes.
Diese Feststellung ist unzureichend. Denn es geht darum, dass über einen langen Zeitraum eine Bekanntschaft zwischen Oberstleutnant Bohnert und dem Anhänger der "Identitären" (Name bei Instagram: "incredible_bramborska") bestanden hat. Bohnert hat mehrmals, mindestens acht Mal seit 2017, Fotos bzw. Beiträge des "Identitären", auch sehr private, mit "Gefällt mir" kommentiert. Auch Beiträge, in denen "incredible_bramborska"eindeutig rechtsextreme Inhalte verbreitet hat, wie die Bewerbung von Büchern des rechtsextremen Verlages "Antaios". Unter einem dieser "Bücher-Beiträge" steht der Satz: "Es gibt Lektüren, die Impfungen gleichen" und außerdem gleich mehrere Hashtags, die für jeden leicht erkennbar eindeutig auf die "Identitäre Bewegung" verweisen.
Eines der Bücher, die mit "Gefällt mir" von Herrn Bohnert geliked wurden, zeigt eine "Antaios"-Ausgabe von Schriften Jean Raspails. Ein weiterer Beitrag - wie wir am Tag der Sendung in unserem Online-Artikel veröffentlicht haben - enthielt als Begleittext einen Hashtag zu einem Rapper, der rechte Verschwörungstheorien über die Corona-Pandemie verbreitet. Am Sendungstag bekamen wir zusätzliche Hinweise, die wir zunächst einer weiteren Überprüfung unterzogen und am 24.07. veröffentlicht haben. Dabei geht es um Vorträge und Auftritte von Oberstleutnant Bohnert vor der völkischen Burschenschaft "Cimbria München" und dem rechten Think-Tank "Studienzentrum Weikersheim".
Das Ministerium behauptet, Oberstleutnant Bohnert sei kein "Leiter Social Media", sondern lediglich ein Referent im Verteidigungsministerium.
Aus Sicht der Redaktion handelt es sich hierbei um Augenwischerei. Oberstleutnant Marcel Bohnert ist bis zuletzt öffentlich als "Head of/Leiter Social Media" aufgetreten (etwa in seinem LinkedIn-Profil und in einem Deutschlandfunk-Interview) und wurde so zitiert. In der erwähnten Email an Panorama im Februar 2020 nennt Oberstleutnant Marcel Bohnert sich "Leiter Social Media", und zwar in der Signatur seines offiziellen Bundeswehr-Dienstaccounts. Bekanntlich hat das Verteidigungsministerium seiner Darstellung in dieser Funktion nie öffentlich widersprochen oder sie korrigiert.
Uns wird vorgeworfen, wir hätten eine Existenz zerstört bzw. "Rufmord" begangen.
Oberstleutnant Marcel Bohnert ist ein hochrangiger Offizier im Generalstabsdienst, der zuständig ist für Social-Media-Aktivitäten in der Bundeswehr. Er soll Nachwuchs für die Truppe gewinnen und ist damit ein Multiplikator, der eine Vorbildfunktion für junge Soldaten einnimmt. Herr Bohnert hat darüber hinaus die "Social Media Guidelines" der Bundeswehr mitentworfen, in denen Soldaten ermahnt werden, sie sollten Vorbild für andere sein. Darin wird explizit auch für die Wirkung von "Likes" sensibilisiert. Es ist also auszuschließen, dass Oberstleutnant Marcel Bohnert nicht genau weiß, was "liken" bedeutet: nämlich die öffentliche Bekundung von Sympathie für einen Post.
In diesem Zusammenhang ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Social Media Verantwortlicher nicht prüft, wann und wo er ein "Gefällt mir" daruntersetzt. Dazu kommt auch, dass ein medienerfahrener Offizier wie er hätte wissen müssen, vor welchem Publikum er seine Vorträge hält. Der Hintergrund der Burschenschaft "Cimbria" etwa wäre für ihn leicht zu überprüfen gewesen. Die Bundeswehr hat nicht nur sofort ein dienstrechtliches Verfahren eingeleitet, sondern ihn – offenbar aufgrund erster eigener Erkenntnisse - vorläufig von seinen Aufgaben entbunden.
Wiederholt wird nahegelegt, die Autorinnen (wie Caroline Walter) seien "linksradikal oder linksextrem".
Dies ist nicht nur falsch, hier fehlt auch jeder Beleg. Wenn man jemandem auf Twitter folgt, ist das eben kein Like, sondern eine Art Abonnement. Es kann durchaus zur Informationsgewinnung dienen, gerade bei Journalisten. Die Journalisten bei Panorama informieren sich auf diesem Wege in allen politischen Bereichen, natürlich auch Linksaußen.
Um bei dem Beispiel von Caroline Walter zu bleiben: Weder hat sie "Gefällt mir" unter Werbung für Extremisten gesetzt noch hat sie persönliche Kontakte zu Radikalen. Oberstleutnant Marcel Bohnert hat in seinem Fall beides dagegen schon öffentlich eingeräumt. Caroline Walter wurde nie zu diesem Vorwurf von denjenigen Journalisten angefragt, die diese Behauptung am lautesten aufgestellt haben.
Es wird nahegelegt, Panorama und Anja Reschke hätten sich für eine Aktion Bohnerts bei der Messe "re:publica" rächen wollen, um als Partner der Messe, bei der Anja Reschke aufgetreten sei, dieser beizuspringen.
Hierzu ist festzustellen: Anja Reschke war nicht bei dieser Messe, damit ist auch der Rest der Verschwörungstheorie purer Unsinn.
Zur Kritik an der Expertin Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und eine anerkannte Expertin, die regelmäßig auch von anderen Medien interviewt wird, beispielsweise vom Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", dem Deutschlandfunk oder der Schweizer Zeitung "Tages-Anzeiger".
Frau Strobl verfolgt die Entwicklung des Rechtsextremismus in Europa schon seit einigen Jahren und ist Mitautorin eines Handbuchs über die "Identitäre Bewegung". Außerdem ist sie Expertin für Sprach- und Strategiemuster in den Neuen Medien. Natascha Strobl wurde von Panorama früh angefragt, um ihre Bewertung der Beleglage (und zwar mehr als nur zwei, drei Likes) einzuholen. Eine frühe Klärung der Einschätzung von Experten ist mitten in der Recherche unerlässlich, um zu überprüfen, ob ein berichtenswerter Sachverhalt besteht. Sie hatte keinerlei Einfluss auf Beitragsgestaltung oder Inhalt noch hat sie Herrn Bohnert als Rechtsextremisten bezeichnet oder seine Entlassung gefordert.
Ihr wird u.a. vorgehalten, sie sei bei der "Antifa Kiel" aufgetreten. Das ist falsch, dort ist sie nicht aufgetreten. Ebenso wie sie auch nicht, wie oft behauptet, im Panorama-Film, sondern im Online-Text auftauchte. Solche Fehler, wie sie beispielsweise in der "Welt" veröffentlicht wurden, resultieren wohl auch aus dem Missachten jeglicher journalistischer Standards wie beispielsweise die Anfrage der Gegenseite. Panorama wurde von dem fraglichen Autor zu keinem dieser Vorwürfe angefragt.
*aktualisiert und ergänzt am 6.8.2020