"Elche, Bären, Eva Herman"
Rechtes Netzwerk lockt Gleichgesinnte nach Kanada
Elche, Bären, Eva Herman
Rechte Verschwörungsideologen, darunter die ehemalige "Tagesschau"-Sprecherin, locken Deutsche in die kanadische Provinz Nova Scotia. In einer Kolonie von Gleichgesinnten können "Neusiedler" Immobilien kaufen.
Von Martin Doerry
Auch im Paradies könne es "verdammt kalt" werden, sagt ein deutscher Geschäftsmann, der schon seit mehr als 20 Jahren in Nova Scotia lebt. Im Winter würden die Temperaturen immer wieder unter minus 25 Grad Celsius fallen. Das von Maklern gern bemühte Argument, dass die Provinz an der Ostküste Kanadas auf dem Breitengrad von Südfrankreich liege, ringe Ortskundigen wie ihm nur ein müdes Lächeln ab.
Ein Paradies ist Nova Scotia also vor allem für Menschen, die die Kälte nicht scheuen und das Leben unter freiem Himmel lieben, die Elche oder Bären jagen und große Mengen Fisch angeln wollen. Als besonders naturbelassen gilt dabei jener Teil der Provinz, der in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot deutscher Emigranten und Immobilienspekulanten geworden ist, die Insel Cape Breton ganz im Norden.
Seit einiger Zeit, so ein Geschäftsmann, siedelten sich in Cape Breton "deutsche Staatsbürger mit braunem Gedankengut" an.
Ein Damm mit einer Drehbrücke verbindet das Festland Nova Scotias mit der Insel, die viermal so groß wie das Saarland ist, aber nur etwa 130.000 Einwohner zählt. Die spärliche Besiedlung und der herbe Charme des felsigen und von großen Wäldern bestandenen Eilands machen offenbar die besondere Attraktivität Cape Bretons aus. "Wenn drei Autos an einer roten Ampel warten", sagt ein Kenner der Insel, "dann ist das hier schon Stau."
Hunderte Deutsche haben sich inzwischen auf Cape Breton niedergelassen. Viele Kanadier betrachten die Neuankömmlinge mit einem gewissen Argwohn. Nicht nur, weil die Deutschen mit dem Kauf von Grundstücken die Bodenpreise und damit die Grundsteuern nach oben treiben, sondern auch, weil nicht wenige der neuen Nachbarn fragwürdige politische Anschauungen vertreten.
Seit einiger Zeit, so berichtet der Geschäftsmann, siedelten sich in Cape Breton in erheblicher Zahl "deutsche Staatsbürger mit braunem Gedankengut" an. Rechtsradikale und Verschwörungsideologen etwa, die alles daransetzen, um auf Cape Breton eine Kolonie von Gleichgesinnten zu gründen - und die damit eine Menge Geld verdienen.
Beteiligt am Geschäft mit den Deutschen sind viele Makler und Grundstücksverkäufer. Zu den auffälligsten Figuren zählen dabei zwei Akteure, die seit Jahren mit rechtsradikalem Gedankengut hausieren gehen: der Verschwörungsideologe Frank Eckhardt und der Untergangsprophet Andreas Popp, Lebensgefährte von Eva Herman, Galionsfigur der neuen Rechten. Eckhardt und Popp waren früher Geschäftspartner, inzwischen konkurrieren sie um denselben Kundenkreis.
Eva Herman amtiert als "Medienbeirätin". Vor allem aber dürfte sie als Lockvogel für Kunden aus AfD-nahen Kreisen dienen.
Dem SPIEGEL liegen Gerichtsurteile, Kaufverträge und Bodengutachten sowie E-Mails der kanadischen Polizei aus Nova Scotia vor. Befragt wurden außerdem deutsche Auswanderer und Geldanleger, die auf Cape Breton Grundstücke zur finanziellen Absicherung erworben haben, Unternehmer und Kaufleute, Ärzte, Handwerker und Rentner. Sie alle sammelten einschlägige Erfahrungen mit Popp, Herman und Eckhardt, aber keiner will in dieser Geschichte mit Namen genannt werden, zu groß ist die Angst vor einer Revanche. "Das ist eben noch der Wilde Westen hier", sagt einer von ihnen.
Andreas Popp, 59, gründete vor etwa 15 Jahren die sogenannte Wissensmanufaktur, eine Organisation rechter Akademiker, die ihren Sitz offiziell im niedersächsischen Walsrode hat, de facto aber von Cape Breton aus deutsche Kapitalanleger missioniert.
Eva Herman, 61, stieß erst vor wenigen Jahren zur Wissensmanufaktur und amtiert dort als "Medienbeirätin", vor allem aber dürfte sie als prominenter Lockvogel für Kunden aus AfD-nahen Kreisen dienen. Der NDR hatte die frühere "Tagesschau"-Sprecherin 2007 vor die Tür gesetzt, nachdem sie Sympathien für die nationalsozialistische Familienpolitik bekundet hatte. Seither gilt sie im rechtskonservativen Milieu als Opfer eines linken Medienkartells.
Zuweilen tritt der Anführer eines indigenen Stammes mit bunter Federhaube auf.
Die Wissensmanufaktur firmiert als "Institut für Wirtschaftsforschung und Gesellschaftspolitik" und lädt etwa viermal im Jahr zu einwöchigen Seminaren nach Cape Breton ein, Kosten pro Person inklusive Flug und Hotel knapp 3000 Euro. Den bis zu 30 handverlesenen Teilnehmern - Popp nennt sie "Klardenker" - wird eine "Erarbeitung der Weltlage" in Vorträgen und Diskussionen geboten, unabhängig von den angeblich "tendenziösen Mainstream-Medien". Die Seminare finden an verschiedenen Orten statt, zuletzt im Dundee Resort & Golf Club, einem Hotel in der Nähe jenes Anwesens, auf dem Popp und Herman leben.
Zu den Referenten zählt neben den beiden eine ganze Schar von rechtslastigen Verschwörungstheoretikern und Eurokritikern wie etwa Michael Vogt und Karl-Albrecht Schachtschneider. Zuweilen tritt auch der Anführer eines indigenen Stammes mit bunter Federhaube auf.
Jeder Teilnehmer, so wirbt die Wissensmanufaktur, solle nach dem Besuch des Seminars "besser in der Lage sein, eine individuelle Krisenvorbereitung vorzunehmen". Die Krise ist tatsächlich das Lebensthema des Andreas Popp. Ursprünglich verdiente der Ökonom sein Geld im Handel mit Edelmetallen. Als Krisenwährung preist er sie den Besuchern der Wissensmanufaktur bis heute an.
Bereits 2006 veröffentlichte er im Selbstverlag sein Buch "Das Matrix-Syndrom", ein Kompendium all jener Verschwörungstheorien, die im rechten Lager gängig sind. Den Treibhauseffekt gibt es demnach ebenso wenig wie die Mondlandung; die Kondensstreifen der Flugzeuge, sogenannte Chemtrails, vergiften die Menschheit; die Bundesrepublik wird von einer "Parteien- und Justizdiktatur" regiert; eine "ultrakleine Gruppe von 'reichen Führern'" beherrscht die Welt.
Hinter der Verschwörung
Wer zu dieser Gruppe zählt, schreibt Popp nicht, aber das Ziel dieser Verschwörung ist für ihn eindeutig: Es gehe den "Mächtigen" darum, die "Menschheit komplett in die Abhängigkeit zu bekommen". Das Werkzeug dieser modernen Sklaverei ist angeblich die "Zins-Knechtschaft". Zusammen mit einem weiteren Referenten der Wissensmanufaktur, Rico Albrecht, hat Popp 2011 das Manifest "Plan B" geschrieben, in dem das "verzinste Geldsystem" zur Wurzel alles Bösen erklärt wird. Zins und Zinseszins würden die Massen verarmen und die Reichen immer reicher werden lassen.
Popp und Albrecht berufen sich dabei auf den Naziökonomen Gottfried Feder, der 1918 ein "Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft" verfasste, ein Werk, das sich vor allem durch antisemitische Hetze auszeichnet. Adolf Hitler zitierte in "Mein Kampf" mehrmals die Thesen Feders.
Antisemitische Denkmuster finden sich auch in Popps Aussagen. Der Glaube an eine angebliche geheime Weltverschwörung etwa zählt zu den Klassikern. Auch dass man die Juden oder den Staat Israel als Deutscher leider nicht mehr kritisieren dürfe, behauptet Popp gern. Wie jeder ordentliche Antisemit verweist er jedoch stets darauf, dass er viele jüdische Freunde habe. Popp leugnet zwar nicht explizit den Holocaust, den Begriff vermeidet er aber. Lieber spricht er verharmlosend von den "ethnischen Grausamkeiten gegen die jüdische Bevölkerung" in der NS-Zeit.
In "Plan B" heißt es auf die Frage, warum die Wissensmanufaktur noch keine Partei gegründet habe: "Wir wollen diesem System nicht als Partei dienen, sondern das System an sich verändern." Falls das nicht gelinge, falls also die "Politikdarsteller" in den Parlamenten seine Ideen nicht aufnehmen würden, steuere Deutschland auf eine "Revolution" zu.
Popp ist geradezu besessen von einem apokalyptischen Weltbild. In einem Video zu wirtschaftspolitischen Fragen, das mehr als 600.000-mal bei YouTube abgerufen wurde, prophezeit er innerhalb weniger Minuten die Implosion des Bankensystems, den Kollaps der Aktienmärkte, den Zusammenbruch der Altersvorsorge und das Platzen der Immobilienblase in Deutschland.
In persönlichen Gesprächen wird den Gästen der Kauf von Grundstücken nahegelegt. Spätestens jetzt entpuppt sich die Reise als transatlantische Kaffeefahrt.
Auch seine Partnerin Eva Herman verbreitet mit Vorliebe Schreckensnachrichten. Die Journalistin nutzt dazu einen eigenen Telegram-Kanal mit derzeit 135.000 Abonnenten, den sie täglich mit immer neuen Verschwörungstheorien füttert. In ihren Audio- und Videobotschaften schimpft sie über die angebliche Corona-Hysterie und die "globale Impf-Allianz von Bill Gates und Angela Merkel". Und regelmäßig warnt sie vor der vermeintlichen "Invasion" Europas durch Migranten aus dem "arabisch-afrikanisch-asiatischen" Raum.
Besucher der Wissensmanufaktur-Seminare berichten, dass die Ausführungen von Popp und Herman bei einigen Gästen schon am ersten Abend Panikreaktionen auslösten, Angstgefühle und sogar Weinkrämpfe. Popp sagt, dass manche Teilnehmer sogar schon vor Seminarbeginn "in Tränen" ausbrächen, vor allem wenn sie von ihren "Ängsten und Sorgen" berichteten, "hervorgerufen durch den dramatischen Werteverfall in der Gesellschaft".
Bereits nach wenigen Stunden, so erzählen Teilnehmer, beginnt das Paar mit der Akquise. In persönlichen Gesprächen wird den Gästen der Kauf von Grundstücken im angeblich krisensicheren Nova Scotia nahegelegt. Spätestens jetzt entpuppt sich die Reise nach Kanada als transatlantische Kaffeefahrt.
Überrascht dürfte keiner der Seminarteilnehmer darüber sein. Auf der Internetseite der Wissensmanufaktur wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Informationen über die Modalitäten einer "Auswanderung nach Kanada" ebenso zum Seminarprogramm zählen wie Besichtigungen "einiger Grundstücke und Häuser europäischer Landsleute", die sich "den Traum von einem Haus in Kanada schon erfüllt" hätten. Ein Team des "renommierten Landerschließungsunternehmens Cape Breton Real Solutions" berate die Gäste bei ihrem Aufenthalt.
Tatsächlich fällt den Seminarteilnehmern vor Ort schnell auf, dass Mitarbeiter der Cape Breton Real Solutions die Logistik der Seminaraktivitäten übernehmen. Sie fahren die Pick-ups und Motorboote der Wissensmanufaktur bei den Ausflügen zu den Grundstücken, sie filmen und unterhalten die Gäste beim Barbecue.
Popp behauptet, dass die Wissensmanufaktur mit dem Immobilienunternehmen "nichts zu tun" habe. Wer aber die Homepage der Cape Breton Real Solutions aufruft, findet dort gleich ein Video von Popp und Herman. Die beiden unterhalten sich fast eine Stunde lang über die Vorzüge des Grundstückskaufs in Nova Scotia, dem angeblich "sichersten Platz der Erde", wo weder Naturkatastrophen noch politische Gefahren drohen.
Seminarteilnehmer berichten, dass sie in der ganzen Woche praktisch keine Minute Zeit zur freien Verfügung gehabt hätten, Zeit etwa, um sich auf eigene Faust auf der Insel umzuschauen. Immer seien die Betreuer von Cape Breton Real Solutions sofort zur Stelle gewesen - womöglich um sicherzustellen, wie die Gäste vermuten, dass man keine Konkurrenzunternehmen kontaktiere. Popp und die Cape Breton Real Solutions bestreiten dagegen jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Besuchern der Wissensmanufaktur, jeder könne jederzeit die Seminare verlassen.
Laut Handelsregister amtiert Jürgen Gindner aus Rheinstetten bei Karlsruhe als "Direktor" der Immobilienfirma. Popp bezeichnet ihn im Videogespräch mit Eva Herman als "guten Freund", Eva Herman fügt noch hinzu: "Ihr habt da ein wirklich gutes System aufgebaut." Kenner des Immobiliengeschäfts in Nova Scotia halten Gindner für eine Art Strohmann von Popp und Co.
Wie eng die Verbindung der Wissensmanufaktur mit der Cape Breton Real Solutions wirklich sein dürfte, zeigt die Tatsache, dass Edith Betschart im Handelsregister als offizielle Vertreterin ("recognized agent") der Immobilienfirma eingetragen ist. Edith Betschart schreibt allerdings auch Mails im Namen der Wissensmanufaktur und erklärt darin, dass sie "die kanadischen Aktivitäten der Wissensmanufaktur vor Ort koordiniere". Ihre Position bei der Immobilienfirma verschweigt sie dabei. Frau Betschart, so räumt Popp auf Nachfrage ein, sei für die Wissensmanufaktur "unterstützend tätig". Offenbar ist die Schnittmenge zwischen beiden Unternehmen groß.
Die Kunden aus Deutschland wurden in den ersten Jahren von einem anderen Unternehmen betreut, die Cape Breton Real Solutions existiert laut Handelsregister erst seit 2018. Ihr Geschäftsmodell ist denkbar einfach: Man kauft große unbebaute und zumeist noch nicht erschlossene Flächen und verkauft sie in einzelnen Parzellen weiter.
Eines der letzten Objekte war ein etwa 770.000 Quadratmeter großes Areal, die Golden View Estates, das im Oktober 2018 zum Preis von 130.000 kanadischen Dollar (etwa 87.000 Euro) den Eigentümer wechselte. Der Makler pries die Immobilie damals als wahren "money maker" an, man könne sofort mit dem Verkauf einzelner Grundstücke beginnen.
Was auch geschah. Wenige Monate später verkaufte die Cape Breton Real Solutions eine etwa 11.000 Quadratmeter große Parzelle der Golden View Estates zum Preis von mehr als 150.000 Dollar an einen Seminarteilnehmer der Wissensmanufaktur. Das nachträglich angefertigte Gutachten eines professionellen Schätzers ergab einen Wert von gerade mal 25.000 Dollar - eine Summe, die laut Cape Breton Real Solutions jeder Realität entbehre. Der Preis für Grund und Boden mache nur einen Bruchteil der tatsächlichen Erschließungskosten aus, zudem sei in ihrem Preis auch ein After-Sale-Service enthalten, der diverse Dienstleistungen enthalte.
In mindestens einem Fall sah sich die Cape Breton Real Solutions veranlasst, einen Kaufvertrag rückabzuwickeln.
Natürlich sprechen sich solche Fälle unter den Gästen der Wissensmanufaktur herum, zumal einer der Kunden schon vergebens versuchte, ein teuer erworbenes Grundstück weiterzuverkaufen. Inzwischen haben mehrere Käufer, die sich übervorteilt fühlen, eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet. In mindestens einem Fall sah sich die Cape Breton Real Solutions zudem veranlasst, einen Kaufvertrag rückabzuwickeln. Der Kunde, so sagt das Unternehmen, sei von einem dubiosen Makler verunsichert worden und vom Vertrag zurückgetreten. Ein Nachteil sei dem Grundstückskäufer dabei nicht entstanden, das Verhältnis zu ihm sei weiterhin gut.
Popps früherer Mitarbeiter Frank Eckhardt, 55, musste sich wegen eines ähnlichen Falls schon vor Gericht verantworten. Ein deutsches Ehepaar hatte 2016 für 177.000 Euro ein etwa 60.000 Quadratmeter großes Grundstück auf Cape Breton von ihm erworben und erst danach einen Schätzer mit der Prüfung des Kaufpreises beauftragt. Ergebnis: Die Parzelle war nur 30.000 kanadische Dollar wert, umgerechnet rund 20.000 Euro. Im September 2017 stimmte Eckhardt vor dem Supreme Court of Nova Scotia einem Vergleich zu. Der Vertrag wurde für "null und nichtig" erklärt und die Kaufsumme erstattet.
Beschwerden über Eckhardts Geschäftspraktiken beschäftigen inzwischen auch das lokale Fernsehen. Der TV-Sender CBC berichtete im vergangenen Jahr über das Schicksal einer österreichischen Familie, die 2015 ein, wie sie meinte, überteuertes Grundstück auf Cape Breton von Eckhardt erworben hatte. Die Familie hatte den Preis angeblich auch deswegen akzeptiert, weil Eckhardt zugesagt habe, sie bei den Formalitäten für die Einwanderung zu beraten. Das Projekt scheiterte jedoch. Die Familie musste Kanada wieder verlassen.
Auf der Website seiner Firma F. E. Property Sales wird den Käufern mehrmals die "Beratung zum Auswandern" angeboten.
Die Seite verrät zudem einiges über die politischen Ansichten Eckhardts. Nicht nur, dass sich Eckhardt über den "Behördenwahnsinn" in Deutschland echauffiert und Europa als "EUdSSR" verunglimpft. Er verspricht seinen Kunden auch "gesunde Selbstversorgung" und ein "autarkes Leben" - Autarkie zählt zu den Schlüsselworten der rechtsradikalen Szene.
Eckhardt selbst lebt auf einer großen Farm auf Cape Breton, mit genug Wald, um ihn und seine Familie mit Brennholz zu versorgen. Das Trinkwasser kommt aus dem eigenen Brunnen. Wenn das westliche Finanzsystem zusammengebrochen sei, so erzählte er bereits 2013 dem "manager magazin", könne er ohne fremde Hilfe überleben.
Eckhardt hat früher in der Nähe von Göttingen gewohnt und Lebensversicherungen verkauft, heute verkauft er den Traum von materieller Sicherheit an deutsche Krisenflüchtlinge, die ihr Geld, wie er sagt, vor dem "diktatorischen Grünsozialismus mit Planwirtschaft" in Europa retten wollen. Auch Eckhardt erwirbt im großen Stil Grund und Boden auf Cape Breton, um das Land zu parzellieren und weiterzuverkaufen. Anders als Popp veranstaltet er jedoch keine verschwörungstheoretischen Seminare, um die Kunden anzulocken.
Die neu ausgewiesenen Grundstücke auf Cape Breton sind häufig nicht erschlossen, Wasser- und Stromanschlüsse fehlen in der Regel, Zufahrten und Sickergruben müssen erst noch angelegt werden. Dafür sind die Flächen für deutsche Verhältnisse extrem groß, unter 10.000 Quadratmetern wird kaum etwas verkauft. Viele Grundstücke haben zudem einen Zugang zum Seeufer. Wer den Preis einer solchen Parzelle mit dem eines Wassergrundstücks am Starnberger See vergleicht, könnte tatsächlich glauben, ein Schnäppchen gemacht zu machen.
Eckhardt hat mit dem Immobiliengeschäft in den vergangenen Jahren ein ganzes Netzwerk von Gleichgesinnten aufgebaut, wie er auf seiner Website schreibt. Worin diese Gesinnung besteht, wird klar, wenn man Kontakt zu ihm aufnimmt und ein Grundstück kaufen will - wie etwa jene deutschen Kunden, denen er in den Jahren von 2012 bis 2016 unaufgefordert diverse E-Mails mit rechtsradikalen Inhalten schickte. Darunter befanden sich Dokumente, in denen der Holocaust geleugnet wird, etwa ein angeblicher Bericht des Roten Kreuzes, der die Existenz von Giftgas in den Konzentrationslagern bestreitet.
Zitate des notorischen Holocaust-Leugners Gerard Menuhin - ein Sohn des Geigers Yehudi Menuhin - verschickte Eckhardt ebenfalls. "Der Holocaust ist die größte Lüge der Geschichte", behauptet Menuhin beispielsweise, oder: "Adolf Hitler war der einzige Staatsmann der Welt, der die Welt vor der plutokratisch-jüdischen Gefahr hätte retten können."
Ein Kunde erhielt gleich eine ganze Festplatte mit Nazimaterial.
Eckhardt macht gegenüber seinen Kunden auch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die sogenannten Reichsbürger, also für jene Zeitgenossen, die der Bundesrepublik jede Legitimität absprechen. Reichsbürger folgen der wirren Idee, dass die Bundesrepublik nicht existent sei, weil das Deutsche Reich nie zu existieren aufgehört habe und immer noch bestehe - eine Auffassung, die Reichsbürger in den vergangenen Jahren auch mit tätlichen Angriffen auf Beamte in Deutschland bekräftigt haben.
Solange Eckhardt seine rechtsradikalen Überzeugungen nur im privaten Raum verbreitet, bleibt er juristisch unbehelligt. Einem Kunden schickte er allerdings gleich eine ganze Festplatte mit Nazimaterial. Auf dem Datenträger fanden sich Texte über den "deutschen Bevölkerungsaustausch", die "Holocaust-Industrie" und den "Nachkriegskrieg gegen Deutsche", über die "phantastischen Erfindungen im Dritten Reich" und die Pläne von Bill Gates zur "Bevölkerungsreduktion" sowie ein Brevier mit dem Titel "Die BRD-GmbH", eine Bekennerschrift für Reichsbürger.
Eckhardts Kunde wollte das Nazizeug keinesfalls behalten und brachte die Festplatte Ende vorigen Jahres zur Polizeistation in Baddeck auf Cape Breton. Die Beamten fertigten eine Kopie an und konstatierten, dass der Datenträger Texte enthielt, in denen der Holocaust geleugnet wird.
Die Polizisten meldeten den Vorgang an ihre Zentrale in Ottawa und an die Einwanderungsbehörde. Interpol Ottawa wiederum informierte die Kollegen von Interpol Wiesbaden über die Umtriebe des deutschen Grundstücksverkäufers. Doch solange Eckhardt nur seine Kunden in Nova Scotia indoktriniert, sind den deutschen Behörden die Hände gebunden. Eckhardt will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Derzeit liegt das Immobiliengeschäft mit den deutschen Geldanlegern weitgehend brach. Die Unterbrechung des transatlantischen Flugverkehrs im Zuge der Corona-Pandemie bremst auch den Zustrom neuer Kunden nach Nova Scotia.
Frank Eckhardt versucht, "Neusiedler" seit April damit zu locken, dass sie von Deutschland aus ein Konto in Kanada eröffnen könnten. Eine Anfrage bei der von Eckhardt genannten Bank, der East Coast Credit Union, wurde jedoch negativ beschieden. Ein Neukunde müsse grundsätzlich persönlich erscheinen.
Andreas Popp musste die beiden für August und September geplanten Veranstaltungen auf Cape Breton absagen. Er hofft aber, dass die für den Herbst angekündigten Seminare der Wissensmanufaktur doch noch stattfinden können. Anmeldungen für 2021 sollen demnächst möglich sein. Die Cape Breton Real Solutions hat bereits große Flächen für weitere Landverkäufe an Kunden aus Deutschland erworben.