Autor Thema: Presseschnipsel  (Gelesen 1504433 mal)

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7560 am: 11. Juni 2020, 18:38:03 »
Man ist ja Rechtsextremist, weil man nicht zu den hellsten Kerzen auf der Torte gehört ...    :facepalm:



Zitat
Stand: 11.06.2020 15:26 Uhr  - NDR 1 Niedersachsen
Einbeck: Rechtsextremisten nach Anschlag gefasst
Spoiler
Nach einem Sprengstoffanschlag auf das Haus einer 41-jährigen Frau in Einbeck (Landkreis Northeim) sind zwei tatverdächtige Rechtsextremisten festgenommen worden. Gegen einen 26-Jährigen und einen 23-Jährigen werde nun wegen des Verdachts der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion ermittelt, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen. Bei dem Opfer handelt es sich laut Innenministerium um "eine in der Region für ihr Engagement gegen rechts bekannte Frau".

Blutspur führte zur Wohnung der Tatverdächtigen
Die beiden Tatverdächtigen sollen am frühen Mittwochmorgen den Briefkasten am Haus der Frau gesprengt haben. Der 26-Jährige verletzte sich dabei an der Hand, weil der Sprengsatz offenbar vorzeitig detonierte. Polizisten hätten eine Blutspur bis zur gemeinsamen Wohnung der beiden Männer verfolgen können, so die Staatsanwaltschaft. Nach der vorläufigen Festnahme der Tatverdächtigen wurde die gemeinsame Wohnung der beiden durchsucht. Es seien diverse Beweismittel, darunter auch Waffen, beschlagnahmt worden.

Ein Zeuge hatte nach einem lauten Knall die beiden Männer vom Tatort weglaufen sehen und die Polizei alarmiert.

Verdächtiger wegen Volksverhetzung angeklagt
Wie die Staatsanwaltschaft Göttingen mitteilte, ist einer beiden der mutmaßlichen Täter szenebekannt: Gegen den 26-Jährigen läuft derzeit eine Anklage wegen Volksverhetzung. Der Mann hatte vergangenen November mit zwei weiteren Rechtsextremen die KZ-Gedenkstätte Moringen besucht. Sie verharmlosten gegenüber Mitarbeitenden die KZ-Haft und posierten anschließend mit rechtsextremen T-Shirts vor den Toren des ehemaligen Konzentrationslagers.

Trümmer mehrere Meter in Wohnung geschleudert
Die Sprengwirkung sei so stark gewesen, dass Trümmer des Briefkastens mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert wurden, sagte der Göttinger Rechtsanwalt der 41-Jährigen. Das Ausmaß der Zerstörung zeige, wie gefährlich der Sprengsatz offensichtlich gewesen sei "Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn sich ein Mensch hinter der Tür befunden hätte."

Opfer mehrfach aus rechten Kreisen bedroht
Die 41-Jährige sei "bereits in der Vergangenheit Adressatin von Bedrohungen durch Mitglieder der Einbecker Neonaziszene" gewesen, so der Anwalt. Der Anschlag habe eine neue, gefährlichere Dimension. Seit einiger Zeit gebe es eine "länger anhaltende Serie von Übergriffen durch Neonazis gegen engagierte AntifaschistInnen in Südniedersachsen".

Pistorius informiert Innenausschuss
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat den Anschlag scharf verurteilt. Er kündigte genaue Untersuchungen durch die Polizei an und informierte den Innenausschuss des Landtags über den Fall. "Wir dulden in Niedersachsen keinen Extremismus, egal wo er herkommt", sagte Pistorius.
[close]
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Einbeck-Rechtsextremisten-nach-Anschlag-gefasst,anschlag282.html
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7561 am: 11. Juni 2020, 18:42:23 »
Das Doppeldenk ist doch weit verbreitet, links wie rechts, aber bei den Rechten freut mich das Gejammer deutlich mehr, wenn sie mal nicht mit zweierlei Maß gemessen werden...

Die Frage für mich ist: Warum wurde der Anlage die Betriebserlaubnis entzogen und warum hat der Besitzer sich nicht um eine neue gekümmert? Normalerweise sind solche Anlagen schweine(sic)teuer, so ein Investment will man normalerweise ausreizen... (Gabs da nicht mal ne ähnliche Konstellation in Zingst auf dem Darß?).

Was diese Prepper-Burschen angeht: Beim Lesen der Chats weiss ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Die Ausschnitte im Taz-Artikel sind extrem peinlich, wenn man bedenkt, dass man es mit Reservisten zu tun hat... wirkliche Planung? Fehlanzeige. Absicherung? Was ist das? Wirkliche Investition an Zeit und Geld in die Sache? Wird massiv überbewertet (Billigmacheten aus Polen, Mitgliedschaft in Schützenverein+legale Waffe zu teuer/braucht zu viel Zeit). Und immer wieder: Lass mal bei nem Bier/Kneipenabend reden^^. Irgendwie alle Stereotype, die ich von Burschenschaftlern gewohnt bin. Große Klappe, Rumgepose (Flecktarn, Bierkrug und Farbenband... würg!) und am Ende nur heiße Luft und hoffentlich Strafverfahren plus Diszi mit Aberkennung DG vor Rauswurf aus BW.

 
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7562 am: 11. Juni 2020, 20:32:46 »
35 Demos soll es dieses Wochenende in Berlin geben. Da haben es die Staatendoofen auch mal wieder geschafft erwähnt zu werden.

1000 Vollbekloppte will das Präsidentenobererpelchen also zusammenbringen.... ::)

Zitat
Für Samstag sind zwei Kundgebungen zwischen 11:30 und 22 Uhr mit je 1.000 Teilnehmern angemeldet worden - am Platz des 18. März unter dem Motto "Frieden, Freiheit und Wahrheit" und vor dem Reichstagsgebäude von einem Verein namens "staatenlos.info Comedian". Der "Verlag Friede, Freiheit und Wahrheit" wird der Szene der Anhänger von Verschwörungsmythen zugerechnet, staatenlos.info von Reichsbürgern. Außerdem werden voraussichtlich mehr als 20 kleinere Demonstrationen stattfinden, mit jeweils unter 300 Teilnehmern.
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2020/06/demo-unteilbar-menschenkette-brandenburger-tor-neukoelln.html
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7563 am: 11. Juni 2020, 20:55:34 »
Der Verlag Friede, Freiheit und Wahrheit ist vom Silberjungen Thorsten Schulte. Da werden wieder die ganzen Friedensbewegten und Hygieniker zusammen kommen. An der Siegessäule sidn wieder die Corona-Rebellen, aber die werden wohl viele Teilnehmer an den Schulte verlieren. Berlin Berlin hat schon einen Livestream vom Brandenburger Tor angekündigt.
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7564 am: 12. Juni 2020, 06:58:39 »
Nochmal Einbeck: Die beiden sind nicht die schärfsten Messer in der Schublade.
„Zugelöteter Lauf“ bedeutet wohl „deaktiviert und zu Deko-Waffe umgebaut nach früheren gesetzlichen Vorgaben“. Man war also (Gott sei Dank!) zu dämlich, sich scharfe Waffen zu organisieren. Und dann hinterläßt man noch eine Blutspur zu seiner eigenen Wohnung ...


Zitat
Nach Sprengstoffanschlag in Einbeck: Polizei findet Waffen bei Tatverdächtigen

Nach dem Sprengstoffanschlag in Einbeck (Kreis Northeim) geht die Staatsanwaltschaft Göttingen inzwischen von zwei Tatverdächtigen aus. Sie stammen aus der rechtsextremen Szene. Bei einer Hausdurchsuchung hat die Polizei Waffen beschlagnahmt. Sie will künftig ihre Präsenz verstärken. Innenminister Pistorius, Polizei und Grüne verurteilen den Anschlag auf eine Antifaschistin.
Spoiler
Nach dem Sprengstoffanschlag in Einbeck durch Rechtsextremisten auf die Wohnung einer Frau, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert, will die Polizeiinspektion Northeim die „sichtbare und spürbare Präsenz“ in der Stadt erhöhen. Polizisten aus der Verfügungseinheit und anderen Dienstbereichen der Polizeiinspektion sollen zum Einsatz kommen. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Göttingen geht inzwischen von zwei Tatverdächtigen aus. Gegen einen 26-Jährigen und einen 23 Jahre alten Mann ermittelt sie wegen des Verdachts der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion. Bei der Explosion wurden die Tür und der Briefkasten der angegriffenen Wohnung beschädigt. Die Sprengwirkung war so stark, dass Trümmer des Briefkastens mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert wurden. Bewohner des Hauses blieben unverletzt. Ein Zeuge hatte nach einem lauten Knall in der Nacht zum Mittwoch den 26-Jährigen und den 23-Jährigen vom Tatort weglaufen sehen und die Polizei alarmiert. Bei dem Anschlag am frühen Morgen verletzte sich der 26-jährige Täter selbst schwer an der Hand. Eine Blutspur, die er hinterlassen hatte, führte vom Tatort zu seinem unweit gelegenen Wohnort. Seine Hand war bei Ankunft der Polizei verbunden gewesen, der Mann habe im Krankenhaus behandelt werden müssen. Beide Männer seien zunächst vorläufig festgenommen worden. Weil aber im konkreten Fall nur eine Sachbeschädigung vorliege, so Andreas Buick, Sprecher der Göttinger Staatsanwaltschaft, und es zum Zeitpunkt der Explosion „objektiv keine Gefährdung“ der Bewohner gegeben habe, seien die beiden Tatverdächtigen inzwischen auf freiem Fuß.

Waffenfunde bei Neonazis
Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung durch die Polizei sei zwar kein weiterer Sprengstoff gefunden worden, wohl aber Waffen, sagte Buick. Dazu gehören ein zugelöteter und damit derzeit unbrauchbarer Karabiner, 15 Patronen, zwei Schreckschusspistolen und eine Mörsergranate, die als Dekowaffe zähle. Das Landeskriminalamt untersucht die Waffen derzeit. Unklar sei, so Buick, wem die Waffen gehören – den beiden Tatverdächtigen oder einem dritten Mann, dem die Wohnung gehört und der ebenfalls zur Einbecker Neonazi-Szene gehören soll. Auch, um welchen Sprengstoff es sich handelte, werde noch untersucht. Der 26-jährige Tatverdächtige ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft wiederholt durch rechte Aktivitäten in Erscheinung getreten.

So laufe gegen den Mann eine Anklage unter anderem wegen Volksverhetzung, weil er im vergangenen Herbst vor der KZ-Gedenkstätte Moringen (Kreis Northeim) in rechtsextremer Kleidung und mit nach oben gerichteten Daumen posiert und sich antijüdisch geäußert haben soll. Die für das Foto geöffneten Jacken gaben den Blick auf T-Shirts mit dem in Frakturschrift geschriebenen Schriftzug „Zensiert!“ sowie mit der Aufschrift „Fuck you Israel“ und einem durchgestrichenen Davidstern frei. Zuvor hatten die Einbecker Rechtsextremisten bei einer Führung durch die Gedenkstätte das Personal provoziert.

Bedrohungen durch Rechtsextremisten
Ein zweites Verfahren, so Buick, laufe gegen den Mann wegen Beleidigung gegenüber einer Frau. Bereits im vergangenen Jahr sei der Rechtsextremist vom Amtsgericht Duderstadt wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Dagegen, so Buick, habe er Berufung eingelegt. Das Verfahren sei noch nicht terminiert. Nach Angaben des Göttinger Rechtsanwalts Rasmus Kahlen engagiert sich die betroffene Frau sowohl bei der Initiative „Seebrücke“ als auch gegen die Einbecker Neonazi-Szene. Sie sei bereits in der Vergangenheit Adressatin von Bedrohungen durch Rechtsextremisten gewesen. Frühere Drohungen gegen die Betroffene bestätigte auch Silke Doepner von der Beratungsstelle Rechtsextremismus-Prävention in Northeim. „Die Frau war deswegen vor zwei Monaten bei mir“, sagte Doepner. Unterdessen verurteilte Uwe Lührig, Präsident der Polizeidirektion Göttingen, „derartige Handlungen“ aus dem rechtsextremistischen Spektrum scharf. „Hier werden Grenzen überschritten und nicht nur die Gefährdung von Sachwerten in Kauf genommen. Das lässt sich der Rechtsstaat nicht gefallen. Ich bin sehr froh, dass die Polizei Einbeck sehr schnell reagiert hat und schon in der Nacht Tatverdächtige stellen konnte.“

„Wir dulden in Niedersachsen keinen Extremismus – egal wo er herkommt.“

Auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) verurteilte die Tat: „Nach den vorliegenden Informationen wollten diese beiden Rechtsextremisten eine in der Region für ihr Engagement gegen rechts bekannte Frau damit einschüchtern und bedrohen. Sie wollten offensichtlich Angst und Schrecken verbreiten. Die Polizei wird die Umstände dieser Tat sehr genau untersuchen und prüfen, welche Tatbestände dadurch erfüllt worden sind. Wir dulden in Niedersachsen keinen Extremismus – egal, wo er herkommt.“

Solidarität von Trittin
Der Göttinger Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin (Grüne) sagte nach dem Anschlag: „Der perfide Versuch, eine Antifaschistin mit einem Sprengstoffanschlag zu verletzen, reiht sich in eine Serie rechtsextremer Aktivitäten in Südniedersachsen ein. Ich solidarisiere mich ausdrücklich mit der Betroffenen.“ Dass der mutmaßliche Täter keinen Erfolg hatte, dass er sich stattdessen selbst verletzt hat, sei kein Grund zur Beruhigung. Es bereite ihm große Sorge, so Trittin, „dass Menschen massiv bedroht werden, die sich für eine demokratische, offene und vielfältige Gesellschaft einsetzen“. Die Dreistigkeit des Vorgehens zeige, „dass Nazi-Gewalttäter sich offensichtlich sehr sicher fühlen“. Der Anschlag von Einbeck mahne: Rechtsextreme Aktivitäten müssten von den Behörden ernst genommen werden. Vorbereitungen für Sprengstoffanschläge dürften den Sicherheitsbehörden nicht entgehen. Die Strafverfolgungsbehörden müssten rasch und konsequent aufklären und solche Taten dann auch zur Anklage bringen. „Der Schutz der Zivilbevölkerung muss höchste Priorität haben“, sagte Trittin.

Wenzel fordert „vollständige und umgehende Aufklärung“
Auch Stefan Wenzel äußerte sich: „Der gestrige Anschlag auf ein Wohnhaus in Einbeck hat eine neue Qualität“, sagte der Göttinger Landtagsabgeordnete. Die Tat erfolge im zeitlichen Kontext mit verschiedenen Drohschreiben und kurz nach dem Jahrestag des Mordes an dem Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Ich erwarte von Polizei und Justiz eine vollständige und umgehende Aufklärung. Dabei müssten auch die Netzwerke des Täters in den Blick genommen werden“, fordert Wenzel. Von Bedeutung sei auch, dass Rechtsextremisten im Northeimer Raum laut Presseberichten offenbar zeitweise mit einheitlichen oder uniformen Kleidungsstücken aufträten. In der vergangenen Woche hatten mehrere Politiker von SPD, CDU und Grünen und Linken im südlichen Niedersachsen rechtsextreme Drohbriefe erhalten. Innenminister Pistorius sprach von einem Versuch, Mandatsträger mit rechtsextremistischer Propaganda einzuschüchtern.

„Überdurchschnittlich aktive Neonaziszene“
Im Zuständigkeitsbereich der Inspektion Northeim hat sich die Zahl politisch motivierter Kriminalität von rechts von 2018 auf 2019 fast verdoppelt. Die Polizei erklärt das mit dem verstärkten Auftreten von linken und rechten Gruppen in Einbeck. Mit Gründung der sogenannten „Kameradschaft Einbeck“ im März 2018 sei eine Zunahme an öffentlichen Auftritten von Kameradschaftsmitgliedern in Einbeck sowie von Aktionen der ebenfalls seit 2018 auftretenden linken Personen und Gruppen in Einbeck erfolgt. Ein großer Anteil der Delikte stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit Veranstaltungen beziehungsweise der generellen politischen Auseinandersetzung, heißt es. Der niedersächsische Verfassungsschutz sieht in der „Kameradschaft Einbeck“ einen „Bestandteil der überdurchschnittlich aktiven Neonaziszene in Südniedersachsen“, heißt im Verfassungsschutzbericht 2019. Anders als der informelle Personenzusammenschluss der Neonaziszene Göttingen weise die „Kameradschaft Einbeck“ auch formale Strukturen auf. Sie unterhalte Internetpräsenzen, und es würden einheitliche T-Shirts getragen. Das öffentliche Auftreten der Kameradschaftsangehörigen auf örtlicher Ebene untermauere dies, heißt es weiter. Im Fokus der Agitation stehe der „Kampf gegen eine vermeintliche Überfremdung“ sowie die damit einhergehende Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner.

„Konstant hohe Bedrohungslage“ in Einbeck
„Insbesondere in Einbeck ist eine konstant hohe Bedrohungslage für politisch Andersdenkende zu verzeichnen“, urteilt der Verein „Antifaschistisches Bildungszentrum und Archiv Göttingen“ für 2019. Dort hätten Neonazis im April Menschen mit dem Auto verfolgt oder sie nach Demonstrationen durch die Stadt gejagt. Das Denkmal der Alten Synagoge sei mit antisemitischen Parolen beschmiert worden, neonazistische Propaganda sei in den Straßen zu finden. 2020 hatte die Polizei im April mehrere Häuser von Rechtsextremisten in Einbeck durchsucht und dabei auch Waffen beschlagnahmt. Das Offene Antifaschistische Treffen Einbeck (OATE) schrieb am Mittwoch zur Bedrohungslage in Einbeck: „Wir haben schon lange vor der eskalierenden rechten Gewalt gewarnt, niemand hat uns ernst genommen in dieser Stadt.“ Weder Polizei, Stadtverwaltung noch viele Bürger, heißt es auf Facebook. „Sie stellen es als ein Aufschaukeln von rechts und links dar“, klagt das OATE. Außer Drohungen und Verfolgungen habe die Gewalt nun ein neues Level erreicht. „Ein Sprengstoffattentat auf ein Wohnhaus einer Antifaschistin mit zwei Kindern im Haus. Was muss noch passieren?“, fragt die Gruppe.

Demo am Freitag
Das OATE und die Seebrücke Einbeck haben für Freitag, 12. Juni, ab 17 Uhr auf der Marktstraße eine Demonstation unter dem Motto „Menschenrechte statt rechte Menschen“ organisiert. Trittin und der DGB-Kreisverband Northeim rufen wie die „Basisdemokratische Linke Göttingen“ zur Teilnahme auf. „Die rechten Umtriebe in unserer Region und insbesondere Einbeck sind uns längst unerträglich. Wo bislang politisch gezündelt wurde, ist jetzt ein Anschlag auf Leib und Leben kein Tabu mehr. Als Gewerkschaften des DGB stehen wir zusammen mit allen Menschen in Einbeck und zeigen Solidarität mit den Betroffenen, über alle demokratischen Lager hinweg. Wir werden rechten Terror nicht dulden“, so der DGB-Kreisverbandsvorsitzende Northeim, Frank Marquard. Der IG-Metall-Sekretär Südniedersachsen-Harz, André Sander, unterstützt den Aufruf: „Dieser menschenfeindliche Anschlag ist in keiner Weise hinnehmbar und auf das Schärfste zu verurteilen. Hier geht es nicht mehr um eine sogenannte Meinungsfreiheit. Hier geht es um Angriffe auf Menschen und das Ziel, ihnen körperlichen Schaden zuzufügen. Es ist die Aufgabe aller, sich jedweder Form von Menschenfeindlichkeit durch Ausgrenzung, Abwertung, verbale oder körperliche Gewalt entgegenzustellen.“ Lesen Sie auch: Rechte Straftaten in Göttingen auf höchstem Stand seit fünf Jahren Politisch motivierte Gewalt Täglich mehr als ein rechtsextremer Vorfall in Südniedersachsen Neonazis verharmlosen KZ-Haft und posieren mit antisemitsichen T-Shirts vor Gedenkstätte Moringen Demo gegen Rechts in Einbeck Mahnmal mit Hakenkreuzen beschmiert Schlägerei mit Mitgliedern der rechten Kameradschaft Einbeck
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https://www.goettinger-tageblatt.de/Die-Region/Northeim/Nach-Sprengstoffanschlag-in-Einbeck-Polizei-findet-Waffen-bei-Tatverdaechtigen


„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine)

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7565 am: 12. Juni 2020, 08:30:37 »
Ein wirklich lesenswertes Interview mit einem Polizeiausbilder darüber, was so alles schief läuft während und auch nach der Ausbildung in Bezug auf Rassismus und/oder Rechtsextremismus.

Spoiler
INTERVIEWExperte über Rassismus bei Polizisten 
"Das ist eine katastrophale Botschaft"

Die Debatte um die Diskriminierung von Afroamerikanern durch die US-Polizei wirft auch ein Schlaglicht auf die deutschen Polizisten. Rassismus werde es bei deutschen Sicherheitskräften immer geben, sagt der Polizeiausbilder Rafael Behr.

Polizisten, die hemmungslos auf Demonstranten einprügeln. Polizisten, die sich in Chatgruppen über ihre rechtsextreme Gesinnung austauschen. Polizisten, die instinktiv den Radfahrer mit der dunklen Hautfarbe kontrollieren statt den Weißen. Das ist Alltag, und zwar nicht nur in den Vereinigten Staaten. Stereotype und rassistische Vorurteile grassieren auch bei der deutschen Polizei.

"Das Vertrauen in die deutsche Polizei ist in Gefahr", sagt einer, der es wissen muss. Rafael Behr ist selbst Polizist und Professor an der Hamburger Polizeihochschule. Er sagt: In der Polizei wird zu wenig reflektiert. "In der Polizei wird es immer Rassisten geben." Es gelte, die Polizisten zu stärken, die sich dagegen stellten.

t-online.de: Herr Behr, kann man der demokratischen Grundordnung verpflichtet sein und gleichzeitig rassistische Gedanken haben?

Rafael Behr: Rassistische Gedanken zu haben, ist das eine. Rassistisch motivierte Dinge zu tun, ist das andere. Das geht also. Bei der Polizei ist die Frage nicht so sehr: Wie denken die Beamten? Sondern: Wie handeln sie?

Bei rechtsextrem motivierten Gewalttaten der Vergangenheit, also beim NSU, aber auch in Halle hat man gesehen, dass dem Handeln eine rassistische Grundhaltung immer vorausging. Die rassistischen Gedanken sollte man demnach nicht unterschätzen.

Ein Beispiel, wie es auch anders laufen kann: Der frühere stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main, Michel Friedman, hatte zwei Personenschützer vom Frankfurter Polizeipräsidium. Im Arbeitsschrank des einen wurden Nazi-Devotionalien gefunden. Michel Friedman hat nie etwas davon gespürt, dass der Mann rechtes Gedankengut hegte oder etwas gegen Juden hatte. Als das aufgeflogen ist, war Friedman baff.

Das dürfte ein Ausnahmefall gewesen sein.

Möglich. Tatsächlich ist es so: Manche Polizisten kontrollieren bestimmte Personen öfter als andere. Dafür müssen sie kein rassistisches Gedankengut haben. Wenn jemand davon überzeugt ist, dass alle Dealer in seinem Gebiet Schwarze sind, wird er, wenn er Schwarze kontrolliert, oft Erfolg haben. Er sagt sich: Das sind die, die dealen. Und solange das verboten ist, werde ich das verfolgen. Das heißt: Diskriminierung geht auch ohne rassistische Haltung – aber nicht ohne Opfer! Und das ist der Punkt, wenn wir von Racial Profiling sprechen.

Sie meinen die Herangehensweise vieler Polizisten auf Grundlage von Hautfarbe oder anderen äußerlichen Merkmalen verstärkt Menschen zu kontrollieren und zu verdächtigen.

Racial Profiling produziert Opfer – nämlich die Menschen, die sich ohne Verschulden einer Kontrolle unterziehen müssen. Die Kernfrage ist: Wie ist Racial Profiling motiviert? Meine Erfahrung ist: Es ist nicht immer Rassismus, sondern eine sich selbst bestätigende Verdachtsfindung.

Das heißt, die Leute, die davon betroffen sind, sind selbst schuld?

Nein. Die Wahrnehmung der Polizisten ist etwas eingleisig und beruht auf der Annahme, dass mit der Hautfarbe ein bestimmtes Verhalten verbunden ist. Das ist nicht professionell. Das muss aber noch nicht heißen, dass alle, die das machen, Rassisten sind. Vielleicht sind sie einfach auf einer Erfolgsspur, von der sie glauben, sie sei richtig. Sie ist es aber nicht.

Das ist doch eine Vorstufe von rassistischem Denken.

Sagen wir, von Stereotypenbildung. Rassismus im Alltag passiert uns allen, in verschiedenen Ausprägungen. Nur üben Institutionen wie die Polizei Macht und Gewalt aus. Stellen Sie sich vor, ein Polizeibeamter kontrolliert einen schwarzen Autofahrer. Der Fahrer fragt: Warum kontrollieren Sie mich jetzt? Und der Polizist sagt: Weil Sie schwarz sind. Dann wird es problematisch.

Werden Polizeianwärter Ihrer Meinung nach ausreichend dafür sensibilisiert?

Der Schwerpunkt in der deutschen Polizeiausbildung liegt auf Recht, Einsatzlehre, Staats-, Verwaltungs- und Strafrecht. Dort wird sehr juristisch und strikt vermittelt: 'Das steht im Grundgesetz, das dürft ihr nicht – also machen wir es auch nicht.' Wer Glück hat, hat Dozenten, die sich des Themas Racial Profiling annehmen und es nicht nur nach Lehrbuch durchgehen, sondern auch Übungen dazu durchführen: Wie fühlt es sich an, wenn ich den Eindruck habe, nur wegen meiner Hautfarbe unangenehme Fragen beantworten zu müssen? So viel Engagement bei den Dozenten ist aber nicht der Standard.

Was fehlt dann in der Ausbildung?

In der Polizeiausbildung gibt es nur wenige echte Reflexionsmöglichkeiten. Das ist in Ausbildungsgängen für Sozialarbeit anders. Die haben von vornherein Supervision und müssen über ihre inneren Befindlichkeiten sprechen. Das ist bei der Polizei unüblich. Da gibt es wenig Gelegenheit, eigene Gefühle nach außen zu bringen.

Wünschen Sie sich, dass sich das ändert?

Ich fordere das sogar vehement ein! Man sollte frühzeitig nicht nur lernen, wie man die Dinge tut, sondern auch warum und mit welchen Folgen. Wenn sie die Hochschule verlassen, dauert es ein paar Jahre, ehe die jungen Polizisten erstmals wieder eine Fortbildung in Ethik bekommen. Das ist zu lange! Wir lassen die Leute nach der Ausbildung los und begleiten sie nicht mehr in ihrem Alltag. Deshalb können wir auch nicht mehr beobachten, wie sie sich entwickeln. Die Polizeigewerkschaft beschwert sich immer, der Alltag für Polizisten sei so schwierig. Sie würden bespuckt und beschimpft. Aber wir geben den Leuten nichts an die Hand, mit diesen Situationen zurechtzukommen!

SPD-Chefin Saskia Esken wirft den deutschen Sicherheitskräften einen "latenten Rassismus" vor. Was antworten Sie ihr?

Das ist ein mutiges Statement, aber zugleich etwas vollmundig. Esken gerät jetzt in die Defensive, denn "latent" ist nicht sichtbar, schwer zu belegen. Sie äußert damit vor allem eine Vermutung.

Ist an ihrem Vorwurf trotzdem etwas dran?

Es ist ähnlich wie mit dem strukturellen Rassismus: Wenn ich glaube, dass eine Struktur dann anfängt, wenn mehr als einer daran beteiligt ist, dann haben wir natürlich Strukturen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass Strukturen Entscheidungen von mehreren Personen ermöglichen sollen, dass sie Regeln aufstellen, die irgendwo niedergeschrieben sein müssen, dass über mehrere Organisationsteile hinweg Dinge geregelt werden – dann gibt es in der Polizei keinen strukturellen Rassismus. Es ist aber mutig, dass Saskia Esken diese Ebene angesprochen hat, weil sich jetzt diejenigen outen müssen, die sonst immer alles verhindern.

Wen meinen Sie?

Zum Beispiel manche Innenminister und Gewerkschaftsvorsitzende. Die blockieren regelmäßig jede Reform und jede Kritik, indem sie sie als Generalverdacht abstempeln. Immer wenn die Polizei kritisiert wird, wird der Kritiker polemisch diffamiert und in die linke Ecke gestellt. "Du stehst nicht hinter deiner Polizei", heißt es dann. Natürlich wird das, was Frau Esken gesagt hat, die SPD Wählerstimmen kosten. Irgendwann wird Frau Esken sagen, sie habe sich da falsch ausgedrückt. Das finde ich bezeichnend für die heutige Situation.

Das müssen Sie erklären.

Immer sind es die konservativen Kreise, die sofort rufen, das brauchen wir nicht, das ist ein Misstrauensvotum gegen die Polizei. Das war schon bei der Debatte um die Kennzeichnungspflicht für Polizisten im Einsatz so. Das ist schade, weil wir nicht in der Lage sind, nüchtern zu analysieren. Es werden sofort dogmatische Positionen ausgetauscht.

Vielleicht meint Frau Esken mit "latentem Rassismus" auch die Menschen, die von der Arbeit bei der Polizei angesprochen sind und vom Charakter her gern einem Job für "Recht und Ordnung" nachgehen.

Das würde ich unterschreiben. Die meisten Menschen in der Polizei haben in der Tat wertkonservative politische Einstellungen. Es gibt in der Polizei keinen Linksextremismus. Die allermeisten wollen Sicherheit für sich und sie auch gewährleisten. Das kann man aber nicht mit Rassismus gleichsetzen.

Bis dahin ist es aber offenbar nicht mehr weit. Die jahrelangen falschen Verdächtigungen um die Morde des NSU, das im vergangenen Jahr aufgedeckte rechtsextreme Netzwerk in Polizei und Bundeswehr – das sind nur zwei Beispiele dafür, wie Polizisten mit einem möglicherweise rassistischen Menschenbild an die Arbeit gehen. Im Fall des in seiner Zelle verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh haben die angeklagten Polizisten massiv gemauert, statt die Ermittlungen zu unterstützen. Nur Zufälle?

Bei Oury Jalloh haben die Beamten sich gegenseitig zu schützen versucht. Das hat den Fall so schwer gemacht. Das heißt aber nicht unbedingt, dass die alle mit dem einverstanden sind, was da passiert ist. Sondern in erster Linie, dass keiner den Mut hatte, die Wahrheit zu sagen, weil er so unter Druck gesetzt wurde. Eine Beamtin hat den Mund aufgemacht. Die wurde dann aber versetzt, wo sie kein Mensch mehr sieht.

Wie bewerten Sie das?

Das ist die Dominanzkultur des polizeilichen Alltags. Sie bindet auch diejenigen, die keine rassistischen Vorurteile hegen, an ein fatales Schweigegelübde. Und das verhindert die Aufklärung. Das hat auch was mit Chauvinismus zu tun und geht damit noch über rassistische Grundannahmen hinaus. 

Im Fall des "Nationalsozialistischen Untergrunds" stocherten die Ermittler jahrelang im Nebel und verdächtigten sogar die Angehörigen. Ein rechtsextremer Hintergrund wurde überhaupt nicht erwogen.

Ich sehe diese Fälle, die Sie beschreiben, auch. Ich sehe auch, dass es in der Polizei Rassisten und Leute mit einer rechtsextremen Haltung gibt. Eine gewisse Zahl derer wird es immer geben. Wir müssen aber diejenigen, die sich dagegen stellen, stärken. Alle diese Typen haben Kollegen um sich herum, die wissen, was da läuft. Aber die sagen nichts, weil sie sich nicht trauen. Die Zivilcourage in der Polizei wird nicht mehr gefördert.

Man muss also hinnehmen, dass es in der Polizei immer einen kleinen Kreis von Rassisten geben wird?

Man wird es nie schaffen, alle Rassisten aus der Polizei zu entfernen. Das ist illusorisch. Aber nein, dulden muss man das nicht.

Und wenn rassistisch motiviertes Fehlverhalten aufgedeckt wird, wird es dann angemessen geahndet?

Wenn jemand ein Hakenkreuz am Gürtel trägt, kann man ihn nicht sofort aus der Polizei entfernen. Das lässt das Beamtenrecht nicht zu. Insofern ist es naiv zu sagen, wir könnten uns von allen trennen, die irgendein Gedankengut haben, das uns nicht passt. Das fängt schon mit dummen Sprüchen über ethnische Minderheiten und kruden Witzchen an. Da merkt man schon: Der kommt aus der rechten Ecke – aber er hat noch nichts Krasses getan. Solche Leute vergiften das Klima in der Polizei.

Sollte das Beamtenrecht nicht so geändert werden, dass man sich leichter von solchen Polizisten trennen kann?

Das ist ein ganz dickes Brett. Das Berufsbeamtentum zu ändern, das hat bisher noch keiner geschafft.

Würden Sie es sich denn wünschen?

Man könnte es wie in der Schweiz machen. Dort gibt es das Berufsbeamtentum nicht. Die gehen Verträge ein, und wenn man dagegen verstößt, muss man gehen. Natürlich hat das Berufsbeamtentum auch Vorteile, weil es die Polizei unabhängig macht von kommunalpolitischen Strömungen. Die aktuellen amerikanischen Überlegungen, eine ganze Polizei einfach aufzulösen, das ist für Deutschland undenkbar. Die Vorgaben schützen eher die betroffenen Personen als dass sie der Bevölkerung dienen. Das liegt an der Alimentationspflicht, die der Staat gegenüber seinen Beamten hat. Das wird sehr ernst genommen.

Was ist denn die formale Voraussetzung, damit jemand den Dienstausweis abgeben muss?

Bis man jemanden aus dem Dienst entfernen kann, braucht es einen Straftatbestand, der eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nach sich zieht. In Gerichtsverhandlungen gegen Polizisten sehen Sie oft, dass sogar Richter sich scheuen, dieses Strafmaß zu verhängen. Oft bleiben sie bei elf Monaten auf Bewährung. Damit gibt es dann keinen zwingenden Grund der Entlassung mehr.

Das ist ein großes Problem: Fehlverhalten bei Polizisten, auch Rassismus, wird derzeit rein danach bewertet, was juristisch möglich ist. Der Spielraum ist klein. Es muss eine Öffentlichkeit geben, es muss Opfer geben. Ansonsten: Was die Polizisten in der Kantine sagen oder in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe schreiben, das ist weitgehend unangreifbar. Der Tatbestand der Volksverhetzung greift nur, wenn diese Chatgruppe von jedermann einsehbar war. Waren nur 16 Leute in der Gruppe, ist es schon keine Volksverhetzung mehr. Dann steht der Dienstherr ziemlich blöd da. Deswegen sage ich: Man muss an der Kultur arbeiten. Diese Leute dürfen nicht zu viel Raum kriegen.

Wird es in Zukunft unabhängige Stellen in Bund und Ländern zur Untersuchung von rassistisch motivierter Polizeigewalt geben?

Ich bin gespannt auf die Entwicklung in Berlin, wo eine entsprechende Gesetzesinitiative vorgesehen ist. Im Moment könnte es schon sein, dass die Rufe nach solchen Ombudsstellen lauter werden. Das liegt an der derzeitigen Stimmung. Ich finde solche Einrichtungen sehr wichtig, auch unter dem Gesichtspunkt, die stillen Kollegen zu stärken. Die bisher existierenden Beschwerdestellen in den Ländern sind allesamt Dienststellen der Polizei oder des Innenministeriums. Das heißt, sie sind alle in der Hierarchie. Deshalb braucht es eine starke Organisation, die außerhalb der Polizei steht, aber auch für Polizisten ansprechbar ist und wo sie ihr Gewissen erleichtern können. Wo die sozialen Aspekte der Arbeit eine Rolle spielen und nicht nur die strafrechtlichen.

In der Debatte um den Tod George Floyds geht es viel um die Gewaltanwendung durch die Polizei. Welche Formen des Zwangs dürfen deutsche Polizisten im Alltag anwenden?

Es gibt eine Reihe von Techniken: Armhebel, Kopfgriffe. Das funktioniert im Überraschungsmoment und wenn die Situation gut kontrollierbar ist. Ansonsten gibt es ein abgestuftes System der Distanzmöglichkeit: erst das Pfefferspray, dann der Schlagstock und als letztes die Schusswaffe. Ich fürchte, die Gewerkschaften werden demnächst außerdem den Einsatz von Elektroschockern durchsetzen. Trotzdem zielen die Techniken in Deutschland nicht so sehr auf Verletzungen ab wie das in den USA der Fall ist.

In den USA herrscht unter Polizisten ein viel höheres Level an Aggression als in Deutschland.

Das stimmt. Wenn man es gutmütig betrachtet, ist es auch ein anderes Angstlevel um die eigene Sicherheit. Aber tatsächlich ist die Machtposition des Polizisten sehr viel weniger hinterfragt als in Deutschland. Die hohe Wertschätzung in der deutschen Bevölkerung für die Polizei kommt ja nicht daher, weil die martialisch ausgerüstet sind, sondern weil man sich darauf verlassen kann: Die sind wenig korrupt, die agieren verhältnismäßig und nicht brutal. Das weiß man von der amerikanischen oder auch von der französischen Polizei nicht so genau. Die deutsche Polizei hat sich ein Vertrauen erarbeitet, das ich momentan gefährdet sehe.

Denken Sie dabei auch an den G20-Gipfel in Hamburg?

31.000 Polizisten waren dort über mehrere Tage in konfliktreichen Einsätzen. Dann höre ich: Kein einziger soll etwas gemacht haben, was strafrechtlich relevant ist. Lediglich zwei Polizisten sind wegen Lappalien verurteilt worden. Polizisten, die sichtbar zu heftig gegen Demonstranten vorgegangen sind, hat die Staatsanwaltschaft dafür nicht belangt. Formal juristisch war das bestimmt nicht zu beanstanden – aber was ist das für ein Signal?

Das rüstet die Leute in der Polizei mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein aus, "wir sind die 'untouchables', es ist doch alles legitim, was wir machen". Das ist eine katastrophale Botschaft. Allen, die sich über einen angeblichen Generalverdacht beschweren, möchte ich sagen: Umgekehrt erwartet ihr also eine vorauseilende Zustimmung für jedes Handeln der Polizei? In einem demokratischen Land muss jede Institution, die Macht ausübt, sich immer mit dem Verdacht befassen, dass diese Macht missbraucht werden könnte. Dieses Ansinnen, man dürfe keinen Verdacht haben, ist für sich schon eine Machtdemonstration.   

Herr Behr, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zitat
Rafael Behr, Jahrgang 1958, ist Professor für Polizeiwissenschaften. Er lehrt Kriminologie und Soziologie am Fachhochschulbereich der Akademie der Polizei in Hamburg. Außerdem leitet er die Forschungsstelle Kultur und Sicherheit. Von 1975 bis 1990 arbeitete Behr als Polizeibeamter bei der hessischen Bereitschaftspolizei sowie im Polizeipräsidium in Frankfurt am Main.
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https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88026060/rassismus-bei-der-polizei-experte-das-ist-eine-katastrophale-botschaft-.html
__________________

Extremisten, "Reichsbürger", Rassisten und andere Menschenfeinde werden uns aber im Bereich Verwaltung, Polizei, Behörden oder Gerichte erhalten bleiben.

https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextreme-rechtsradikale-oeffentlicher-dienst-1.4933441

Spoiler
11. Juni 2020, 18:00 Uhr
Rechtsextremismus:Verfassungsschutz hat Probleme bei Extremismus-Check im öffentlichen Dienst

Der Geheimdienst will wissen, wie viele Rechtsextremisten im Staatsdienst arbeiten. Doch einige Landes-Verfassungsschützer wehren sich gegen das Vorgehen.

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke, Berlin

Rechtsextreme in den eigenen Reihen, bei diesem Problem hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) versprochen, schonungslos ehrlich zu sein. Ein neues Lagebild "Rechtsextreme im öffentlichen Dienst" solle einen bundesweiten Überblick ermöglichen, alle Fälle sollten zentral erfasst werden, kündigte er gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, im vergangenen Dezember an.

Aber nach der großen Ankündigung stößt das Vorhaben auf unerwartete Schwierigkeiten. Eigentlich sollte ein erster Bericht im Frühjahr vorgelegt werden, inzwischen ist vom Sommer die Rede. Haldenwangs Bundesamt wollte sich mithilfe der 16 Landesämter für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) einen Überblick verschaffen. Aber nur ein paar Dutzend Fälle von Rechtsextremismus innerhalb staatlicher Stellen sind ihm nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR gemeldet worden. Zuletzt hatte Haldenwang im April die Länder noch einmal um Zulieferung gebeten, die bisherigen Zahlen seien weder dem Bundestag noch der Öffentlichkeit zu vermitteln. Sie seien viel zu niedrig.

Selbst aus dem bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen sind es nur zwölf Fälle gewesen, die ans Bundesamt gemeldet wurden, vor allem sogenannte Reichsbürger, wie der Düsseldorfer Innenausschuss unlängst erfuhr. Im öffentlichen Dienst in Deutschland arbeiten mehr als drei Millionen Menschen. Unter ihnen sind 250 000 Polizisten und 170 000 Soldaten, von einer umfassenden Übersicht kann also keine Rede sein.

Hintergrund sind Vorfälle, die der Verfassungsschutzchef Haldenwang beim Start des Projekts vor Journalisten aufgezählt hatte, wie in der Polizei in Hessen, in Mecklenburg-Vorpommern oder beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr. Dies seien vielleicht Einzelfälle, sagte Haldenwang. "Aber aus meiner Wahrnehmung zu viele Einzelfälle, als dass man sie nicht noch einmal in ihrer Gesamtheit betrachten muss, und schauen muss: Gibt es da Netzwerke?"

Ein Extremismus-Check bei allen Staatsdienern sei gar nicht möglich, wenden die Landesämter zur Erklärung ein. Für einen Abgleich aller Personallisten des öffentlichen Diensts, etwa mit den Neonazi- oder Reichsbürgerkarteien des Verfassungsschutzes, gebe es "keine rechtliche Grundlage", sagt Bayerns Verfassungsschutzchef Burkhard Körner. "Auch gibt es keine Rechtsgrundlage für eine Regelabfrage aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst." Die Zeiten des sogenannten Radikalenerlasses von 1972 sind vorbei, in Bayern zum Beispiel wurde die Praxis der Durchleuchtung aller neu eingestellten Beamten im Dezember 1991 beendet.

"Niemand hat irgendwelche soliden Zahlen", meint deshalb der Verfassungsschutzchef in Thüringen, Stephan Kramer. Ohne Anlass dürfe der Verfassungsschutz Beamte nur dann überprüfen, wenn sie sich um eine höhere Sicherheitsstufe bewerben oder als Privatleute eine Waffenerlaubnis beantragen. Das komme aber selten vor, und so sei man vielfach auf Zufälle angewiesen. Etwa auf couragierte Kollegen, die Vorfälle melden, damit man einen Anlass hat, einen einzelnen Polizisten oder Soldaten zu überprüfen. Nur so könne man entdecken, ob ein Name - theoretisch - vielleicht schon seit Jahren in einer Datei über Neonazis beim Verfassungsschutz stehe.

Jetzt werden dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz meist nur solche Vorfälle bekannt, in denen sowieso schon Disziplinarverfahren gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst laufen. Doch auch hier gibt es Unterschiede. Manche Behörden zählen nur die abgeschlossenen Verfahren, nicht alle anfänglichen Verdachtsmomente. "Man kann nur abgeschlossene zählen. Alles andere wäre rechtsstaatlich unfair", sagt der niedersächsische Verfassungsschutzchef Bernhard Witthaut. So kommt Niedersachen auf niedrigere Zahlen als andere Bundesländer. Solche Unterschiede verzerren die Statistik. "Ich bin natürlich interessiert, ein vernünftiges Lagebild zu bekommen", sagt Witthaut. "Aber das sind ungelöste Fragen."
In vielen Ländern gab es juristische Bedenken

Der BfV-Chef Haldenwang hat die Länder darum gebeten, auch Verdachtsfälle und frühere Fälle zu erfassen. In vielen Ländern gab es dagegen Irritation, auch juristische Bedenken. "Das ganze wurde falsch angefangen", sagt ein Amtschef, man hätte früh klären müssen, was überhaupt in ein solches Lagebild gehört und was die Gesetzeslage hergebe. Dem soll jetzt ein Gespräch aller Verfassungsschutzchefs dienen, die am 24. Juni zusammenkommen.

Nordrhein-Westfalen beschreitet seit März einen neuen Weg, "um ein realistisches Bild zu zeichnen", wie der dortige Verfassungsschutzchef Burkhard Freier sagt. Überall bei Polizeibehörden sind behördeninterne Extremismusbeauftragte eingesetzt worden, sie sollen ihr Ohr an der Basis haben, ansprechbar sein, Informationen sammeln. Ihre Arbeit hat aber gerade erst begonnen. Sie sollen jene Beamten registrieren, die mal mit rassistischen Sprüchen auffallen, aber noch nicht fest in der extremistischen Szene verankert sind. Um einen bundesweiten Vergleich zu ermöglichen, müssten andere Länder mitziehen. "Es macht nur Sinn, wenn es einheitlich ist", sagt Amtschef Freier.

Bei der Bundeswehr werden Bewerber seit drei Jahren systematisch vom Militärischen Abschirmdienst auf möglichen Extremismus hin überprüft - auch rechte Tätowierungen können dabei ein Einstellungshindernis sein. Das Bundeskriminalamt dokumentiert ebenfalls sämtliche Tätowierungen bei den Einstellungstests auf "verfassungswidrige oder diskriminierende Aussagen", wie eine Sprecherin mitteilte. Grundsätzlich aber gilt auch für Ärzte bei Militär und Polizei die Schweigepflicht weiterhin als höheres Gut: Sie dürfen auffällige Tattoos von bereits eingestellten Mitarbeitern nicht melden.

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7566 am: 12. Juni 2020, 09:00:08 »
Besonders zitierfähige Sätze aus o.g. Interviev, die man mehrfach lesen sollte:

Zitat von: Rafael Behr
(...)
Formal juristisch war das bestimmt nicht zu beanstanden – aber was ist das für ein Signal?

Das rüstet die Leute in der Polizei mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein aus, "wir sind die 'untouchables', es ist doch alles legitim, was wir machen".

Das ist eine katastrophale Botschaft.


Allen, die sich über einen angeblichen Generalverdacht beschweren, möchte ich sagen:

Umgekehrt erwartet ihr also eine vorauseilende Zustimmung für jedes Handeln der Polizei? In einem demokratischen Land muss jede Institution, die Macht ausübt, sich immer mit dem Verdacht befassen, dass diese Macht missbraucht werden könnte.

Dieses Ansinnen, man dürfe keinen Verdacht haben, ist für sich schon eine Machtdemonstration.
D adaistische I lluminatinnen für die E rleuchtung D es A bendlandes

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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7567 am: 12. Juni 2020, 16:09:33 »
Teil 1
https://forum.sonnenstaatland.com/index.php?topic=27.msg293649#msg293649

Die "geschmackvolle" Flagge landet jetzt wohl da wo sie hingehört: Im Müll.  ;D


Spoiler
Schweinfurt
Zeug gibt's: Keiner will die braune Flagge
Stefan Sauer
Stefan Sauer

12. Juni 2020
15:35 Uhr
An Pfingsten ist ja eine schwarz-weiß-rote Reichkriegsflagge  an einem Hesselbacher Gartentor gebaumelt, die niemand bestellt hatte. Ihr droht ein trauriges Schicksal.



An unserem Bericht über die Reichskriegsflagge, die Unbekannte - mutmaßlich Völkisch-Deutschnationale - an ein Gartentor im beschaulichen Hesselbach gehängt hatten, hinter dem kurzfristig zu Freud' und Ehren der Mutter eines Deutschen mit türkischen Wurzeln eine türkische Flagge gehisst worden war, hat sich Online ein unterhaltsamer Diskurs entwickelt. "Diese Flage ist nicht verboten. Alle die sie hochhalden meinen respekt", lautete der erste Kommentar. Eine der ersten Antworten hieß: "Noch mehr Respekt hat, wer ,Flagge' und ,hochhalten' richtig schreiben kann." Ein dritter Diskutant wunderte sich, "dass so etwas überhaupt in die Zeitung kommt" und wieder ein anderer, "warum wird das nicht entschieden strafrechtlich verfolgt".
Eine Reise durch Behörden

Letzterer hat recht, strafrechtlich verfolgt wird das wenig heldenhafte, eher feige anonyme nächtliche Aufhängen der Reichskriegsflagge am fremden Gartentor nicht, wie Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen. Die Lieblingsfahne der so genannten Reichsbürger enthält zwar Farben und Symbolik, mit denen die Zwangsbeglückten in Hesselbach rein gar nichts am Hut haben, aber halt keine verbotenen Nazi-Zeichen. Der deutsche Staatsbürger Orhan Altan hat die aufgedrängte Fahne bei der Polizei abgegeben – und damit auf eine erstaunliche Reise durch Behörden und Paragrafen geschickt.
Beweismittel oder Fundsache?

Die Polizeiinspektion reichte das mögliche Corpus Delikti an die Kripo weiter, zum Staatsschutz, Abteilung K5. Der wiederum behält die Fahne auch nicht, sondern sendet sie zur zuständigen Staatsanwaltschaft, die entscheiden muss: Ist das ein Beweismittel in einer Strafsache? Falls nicht, ist es  zurückzugebendes Eigentum oder eine Fundsache? Als Eigentum sieht Orhan Altan die braune deutsche "Heimat"-"Reichs"-Flagge nicht an, nur weil sie ihm jemand ans Tor gehängt hat. "Wir behandeln sie als Fundsache", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht.
Versteigern? Nicht nötig!

Damit ist die Fahne grundsätzlich als Asservat der Fundsachenbehandlung nach Paragraf 983 BGB zuzuführen. Nachdem der Eigentümer der Behörde aber, die im Besitz der Sache ist, unbekannt ist, könnte das Asservat versteigert werden. Eine deutschtümelnde Reichskriegsfahne versteigern? Das würde die Staatsanwaltschaft eher vermeiden wollen - und sie kann es auch. Denn hier kommt ihr der recht geringe Sachwert der "Fundsache" vom Hesselbacher Gartentor entgegen.   
Ab in die Müllverbrennung

Die wenig aufwendige Recherche dieser Redaktion hatte letzte Woche bereits ergeben, dass genau diese Fahne im Internetshop für 8,90 zum Verkauf steht, Mehrwertsteuer schon drin. Für Fundsachen unter einem Wert von 10 Euro bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch nun aber an anderer Stelle, dass sie nicht erst in der Asservatenkammer verstauben müssen, sondern gleich vernichtet werden können. Das sagt nicht irgendwer oder die "Lügenpresse", sondern der Oberstaatsanwalt. Für die wahren Eigentümer dieser Reichkriegsflagge dürfte das schwer erträglich sein: Ihr droht der Flammentod in der Müllverbrennungsanlage.   
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https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/zeug-gibts-keiner-will-die-braune-flagge;art742,10457268
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7568 am: 12. Juni 2020, 16:52:49 »
Was genau gehört zum Unbrauchbarmachen? Eine Waffe kann gefährlich sein, wenn z. B. das Patronenlager nicht zu ist. Der Lauf ist zu, aber es kann eine Patrone eingesetzt werden und der Abzug betätigt. Das kann umstehende Personen verletzen und im Extremfall töten. Einen unbrauchbar gemachten Lauf kann man mit viel Schwierigkeit übersehen, aber dass das Patronenlager zu ist, muss man doch erkennen.
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7569 am: 12. Juni 2020, 18:05:59 »
Was genau gehört zum Unbrauchbarmachen?


Das ist aktuell ziemlich kompliziert und hat sich 2018 aufgrund einer EU-Richtlinie geändert, was zu großem Weh und Ach geführt hat (angeblich sind Altdekos praktisch unverkäuflich, also großer Wertverlust und Blah und Blubb).

Das war aber in der Vergangenheit nicht immer so und wurde teils sehr nachlässig gehandhabt.

Dazu kommt, das das in anderen Ländern nicht so streng war und ist und diese Waffen dennoch in den Geltungsbereich der EU-Bestimmungen kommen .

Trotz Unbrauchbarmachung bleibt natürlich das Drohpotential.

Hier die wichtigsten Bestimmungen (etwas besseres habe ich auf die Schnelle nicht gefunden):
http://www.legalwaffen.de/thema/dekowaffen
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7570 am: 12. Juni 2020, 21:14:57 »
Die dort beschriebenen Veränderungen muss man erkennen, außer man hat von Waffen so wenig Ahnung wie von Meinungsfreiheit.
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7571 am: 13. Juni 2020, 08:10:44 »
Ein jetzt doch noch erwachter Ex-Kunde?

Zitat
Hennigsdorf Verschwörungstheoretiker: Er glaubte an Echsenmenschen, Aliens und Chemtrails

Der Hennigsdorfer Marcel Heldt (35) war lange Jahre in der Verschwörungstheoretiker-Szene aktiv und fischte sich die abstrusesten Theorien aus dem Netz. Heute will er aufrütteln und fordert mehr Bildung und Aufklärung.
Rest hinter paywall
https://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Hennigsdorf/Hennigsdorfer-Verschwoerungstheoretiker-Er-glaubte-an-Echsenmenschen-Aliens-und-Chemtrails
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7572 am: 13. Juni 2020, 08:58:15 »
Die dort beschriebenen Veränderungen muss man erkennen


Jaein.
Ein PVB hat erstmal von Waffen keine Expertise.
Ein PVB darf nur einen Anfangsverdacht haben und alles einsammeln.
Erkennen, ob das was war und was es war oder ist, darf nur der Gutachter des LKA.
Es ist durchaus möglich, das etwas, das illegal aussieht, bei näherer Untersuchung sich als völlig legal herausstellt, oder das etwas anderes, das für den PVB legal aussieht, eigentlich illegal ist.
Also wird erst einmal alles eingepackt und mitgenommen.
Das Gutachten dauert dann etwa ein Jahr.

Das Einsammlen dient auch dem Schutz des Verdächtigten, denn man kann ihm später nur dasjenige vorwerfen, was auch auf dem Protokoll zu sehen ist.

Extrembeispiel: Deaktivierung eines Panzers.
Klar, die Bordkanone muß deaktiviert sein und unten im Boden muß eine dünne Platte statt der gepanzerten einbaut werden (damit Spezialkräfte im Falle eins Durchdrehen des Panzerfahrers noch ins Fahrzeug reinkommen).

Es gibt da in Kiel eine Oberstaatsanwältin, die offenbar Haare auf den Zähnen hat und es etwas übertreibt.
Der Herr Flick (ja, aus der Familie) hat sich schon vor Jahrzehnten das letzte Exemplar eines Panthers zugelegt, ist damit auch in der Gegend rumgefahren, hat der Gemeinde damit Schnee geschoben und geholfen Kfz zu bergen.
Plötzlich kommt Frau OStAin darauf, das Ding müsse dringend zugunsten der Staatskasse konfisziert werden und man hat es „gefunden“.

http://www.welt.de/regionales/hamburg/article143408616/Weltkriegs-Panzer-in-Wohnhauskeller-gefunden.html
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/panzer-in-keller-polizei-durchsucht-villa-in-heikendorf-a-1041633.html

Obwohl schon 5 Jahre her, ist im Januar noch nicht klar gewesen. Ob das was wird:
https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/der-millionaer-und-sein-panzer-im-keller-kommt-es-in-kuerze-zum-prozess-oder-gibt-es-einen-deal-id27118312.html

Immerhin scheint es die Kieler Staatsanwaltschaft gelegentlich zu übertreiben, wie der Fall der angeklagten StAin zeigt:
https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Kieler-Staatsanwaeltin-wegen-Rechtsbeugung-vor-Gericht,staatsanwaeltin102.html

Da haben sich ja schon die Staatsanwaltschaften Hannover (Wulff, Edathy) oder Augsburg (Gurlitt, „Feuerwehrmann“) nicht mit Ruhm bekleckert, kann also durchaus sein, daß da eine Staatsanwaltschaft völlig übertriebene Härte zeigt.
Die Bw hat zwar bei der Deaktivierung/Demilitarisierung geholfen, aber die Frage ist, ob sie das überhaupt darf. Denn schließlich ist die Bw nach 55 WaffG dem WaffG gar nicht unterworfen. Auch wenn die Arbeiten für die HInst sicher interessant war.
Kann also sein, daß die Arbeiten korrekt ausgeführt wurden, aber eben nicht von Berechtigten (erwirbt ein Sportschütze, ein Sammler oder ein Jäger eine militärische Waffe, so gilt der militärische Beschuß gar nichts, das Ding muß neu zivil beschossen werden, obwohl die Anforderungen genau die gleichen sind).
Fazit: Es ist schwierig und es kommt drauf an.

Man muß Panzer ja nicht mögen, aber „die objektivste Behörde der Welt“ sollte es auch nicht übertreiben, wenn sich ein Bürger an gesetzliche Auflagen hält.



Da war die Kundschaft vor dem Wochenende offenbar wieder fleißig:


Zitat
Staatsschutz ermittelt
"Reichsbürger"-Aufkleber in Biebertal und Wettenberg entdeckt

von Armin Pfannmüller

In Biebertal und Wettenberg sind antidemokratische Plakate und Aufkleber aufgetaucht. Die Polizei hat den Staatsschutz eingeschaltet.
Spoiler
Eine Anwohnerin hat am Wochenende antidemokratische Aufkleber auf Mülleimern in Vetzberg entdeckt, Bürgermeisterin Patricia Ortmann hat ein Plakat der "Reichsbürger" in Rodheim auf dem Weg ins Büro gesehen. Und in Bieber sind einem Mitarbeiter der Ordnungsbehörde ebenfalls verfassungsfeindliche Aufkleber aufgefallen. Sie wurden auf Anweisung der Bürgermeisterin sofort entfernt, zudem wurde die Polizei eingeschaltet. Auch in Wettenberg hat eine Streife nach Hinweisen aus der Bevölkerung Plakate mit verfassungsfeindlichem Inhalt entdeckt. "Der Staatsschutz ermittelt in dieser Sache", berichtet die Pressestelle der Polizei auf Anfrage.

Die Biebertaler Bürgermeisterin Patricia Ortmann lässt im Gespräch mit dieser Zeitung keinen Zweifel daran, dass man derlei antidemokratische Pamphlete sogenannter "Reichsbürger" nicht dulden werde. "Sobald wir entsprechende Plakate oder Aufkleber entdecken, werden sie entfernt und als Beweis gesichert", sagt die Rathauschefin. Leider lasse sich die Haltung dieser "Kaisertreuen" nicht so einfach entfernen. Man wolle "Reichsbürgern" und ihrer verqueren Ideologie keine Plattform bieten. Als Bürgermeisterin und als Privatperson distanziere sie sich von derartigen demokratiefeindlichen Umtrieben. "Solche Aufkleber gehören nicht auf, sondern in den Mülleimer", bekräftigt die Bürgermeisterin und verweist auf die nächste Sitzung des Ältestenrates am kommenden Mittwoch. In diesem Gremium seien alle Fraktionen des Gemeindeparlaments vertreten. "Es wäre gut, hier gemeinsam Gesicht zu zeigen", unterstreicht Ortmann.

"Nationalistisch und verfassungsfeindlich"
Dass die Gemeindevertretung Flagge zeigt gegen Reichsbürger, das wünscht sich auch die Anwohnerin, die die Aufkleber in Vetzberg entdeckt hat.

Die auf den ersten Blick harmlos erscheinende Aussage, wonach die Deutschen "bis zum heutigen Tag einen rechtmäßigen Kaiser haben", entpuppe sich bei einem Blick auf die empfohlene Website als nationalistisch und verfassungsfeindlich, schreibt die Biebertalerin. So werde die Existenz der Bundesrepublik geleugnet und "man wähnt sich noch im Kaiserreich". Es werde ein "Deutschland den Deutschen" propagiert, die Verfassung werde nicht anerkannt, warnt die Vetzbergerin.

In der Tat berufen sich viele "Reichsbürger" darauf, dass das Deutsche Reich fortbesteht. Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an und weigern sich, Steuern oder Bußgelder zu zahlen. Zu ihrer Ideologie gehört oft die Ablehnung der Demokratie, dafür werden rechtsextremistische Elemente (Antisemitismus, Leugnung des Holocaust) propagiert.
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https://www.giessener-allgemeine.de/kreis-giessen/biebertal-ort848760/reichsbuerger-aufkleber-biebertal-wettenberg-entdeckt-13794607.html
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7573 am: 13. Juni 2020, 11:11:22 »
Der Landtag kann gemäß § 7 Abs. 1 LVerfGG M-V tatsächlich die Feststellung des Ausscheidens eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes beantragen.


Macht er jetzt aber wohl nicht:


Zitat
MV-VERFASSUNGSGERICHT
Wem schadet die Personalie Borchardt am meisten?

Wochenlang hat die Personalie Barbara Borchardt die Landes- und Bundespolitik beschäftigt. Nun ist das Thema – vorerst – vom Tisch. Wer geht als Sieger und Verlierer in die politische Sommerpause?

Andreas Becker
13.06.202008:00 Uhr
Spoiler
Schwerin.
Am Ende waren sich die Etablierten doch einig: Mit den Stimmen von SPD, CDU und Linken schmetterte der Landtag am Freitagmittag nach mehrstündiger Debatte einen Dringlichkeitsantrag der AfD, mit dem die Entlassung der umstrittenen Verfassungsrichterin Barbara Borchardt eingeleitet werden sollte, ab.

Doch bevor sich die große Mehrheit gefunden hatte, mussten sich vor allem die CDU und die Linken sowie Barbara Borchardt selbst vier Wochen durch ein schweres politisches Gewitter kämpfen. Dieses Unwetter hat Wunden gerissen – ob diese Wunden dauerhaft bleiben werden, entscheidet der Wähler im Spätsommer des nächsten Jahres, wenn die Bürger bei der Landtagswahl 2021 in Mecklenburg-Vorpommern ihr Kreuz machen. Und damit gegebenenfalls die eine oder andere Partei für ihr Postengeschachere bei der Aufstellung des Verfassungsgerichts abstrafen.

Dies droht besonders der CDU. Da mögen die aktuellen Umfragen für die Christdemokraten in MV noch so positiv sein – es war zweifellos kein politisches Glanzstück, das die Truppe um Fraktionschef Torsten Renz in den vergangenen Wochen aufs politische Parkett gezaubert hat. Angefangen vom Rumgeeiere bei den zwei Borchardt-Wahlgängen Mitte Mai – als die CDU nicht recht wusste, ob sie jetzt für oder gegen eine ehemalige SED-Funktionärin als Verfassungsrichterin sein sollte.

Kritik wegen „Geschichtsfälschung“
Als es dann Druck aus Berlin von der CDU-Bundesspitze gab und die Aufregung in Deutschland über die politischen Vorgänge im hohen Norden immer höhere Wellen schlug, griff die CDU-Truppe zu einem politischen Kunstgriff: Am Morgen des gestrigen Tages verurteilte man per Resolution und mit hehren Worten nochmals all jene – und dazu gehört auch Barbara Borchardt –, die Mauerbau und Mauertote relativieren. Doch zur Mittagsstunde des gleichen Tages folgten den Worten keine Taten – Renz, Ehlers, Reinhard und Co. stimmten gegen den Abwahl-Antrag der AfD und manifestierten genau jene Verfassungsrichterin, die sie Stunden zuvor noch wegen „Geschichtsfälschung“ (Torsten Renz) aufs Schärfste kritisiert hatten.

Mehr lesen: SPD und CDU wurden vor Borchardt-Wahl von Ex-Kollegen gewarnt

Offizielle Begründung der CDU, warum man Borchardt doch im Amt lassen möchte: Die 64-Jährige stehe mit den Füßen auf dem Boden des Grundgesetzes und die Wahl Borchardts sei eine Paketlösung gewesen. Letzteres könnte man auch anders formulieren: Eine Hand wäscht die andere und eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Polit-Klüngel in Reinkultur.

Und die Linksfraktion? Eines muss der politische Beobachter der Riege um Fraktionschefin Simone Oldenburg lassen: Sie stand – zumindest in der Öffentlichkeit – knallhart an der Seite von Barbara Borchardt. Kein Zweifel wurde an der Person der umstrittenen Verfassungsrichterin geäußert – das Ding wurde eisern durchgezogen. Da konnte Borchardt zwischen ihrer Wahl im Mai und der Debatte gestern noch so zweifelhafte Interviews geben und die Linksfraktion immer weiter in die Ecke drängen – geschlossen stand man zur der Mitgründerin der vom Verfassungsschutz beobachteten Antikapitalistischen Linken.

Doch so eng die Linke Seite an Seite auch aufgetreten ist – ob sie mit dieser Haltung nicht eher Wähler abgeschreckt hat, dürfte noch spannend werden.

Die AfD in ihrer Lieblingsrolle als Opfer
Apropos Wähler: Auf die schaute auch die AfD, die es in der Corona-Krise als Opposition naturgemäß schwer hat und laut Umfragen bei den Bürgern ein wenig in Vergessenheit zu geraten droht. Mit der Borchardt-Personalie aber hatte die Partei einen Monat lang ein dankbares Thema. Motto: Wir gegen alle! Wir sind die Opfer – die Etablierten die Täter! DieLieblingsrolle der AfD. Und CDU und Linkspartei warfen der AfD auch noch genügend Futter zu, damit sie sich auch richtig nähren konnte.

Pech für die AfD nur, dass die Partei bei der Wahl von Borchardt zum stellvertretenden Mitglied des Verfassungsgerichtes im Jahr 2017 im Rechtsausschuss nicht schon lautstark gegen die Personalie Borchardt aufgetreten war.

Was bleibt nun von den vergangenen vier Wochen? SPD, CDU und Linke werden kräftig durchatmen, dass sich das schwere politische Gewitter zunächst verzogen hat. Die AfD freut sich über wärmende politische Aufmerksamkeit. Und der große Sieger, der die Sonne genießen darf? Ist der Wähler. Er bekam ein Lehrstück präsentiert, wie die Politik bei der Besetzung eines hohen Gerichtes, das über unsere Verfassung wacht, massiv Einfluss nimmt.
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https://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/wem-schadet-die-personalie-borchardt-am-meisten-1339679206.html
„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine)

„Wenn die verdorbenen Leute sich zusammentun und dadurch eine Macht werden, dann müssen die anständigen Leute nur das gleiche tun. So einfach ist das. (Leo Tolstoi, Krieg und Frieden)
 
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Re: Presseschnipsel
« Antwort #7574 am: 13. Juni 2020, 13:07:53 »
Gestern gab es ein wirklich gutes Interview mit einem Polizeiausbilder der offensichtlich die Lage durchaus erkannt und analysiert hat.

https://forum.sonnenstaatland.com/index.php?topic=27.msg294812#msg294812

Dafür gibt es heute eines mit einem "Kriminalpolizisten", der der Meinung ist: Alles ganz normal, alles gar nicht schlimm, alles im grünen Bereich. Wenn überhaupt, dann gibt es höchstens ein paar "Einzelfälle".

Spoiler
Polizei in Deutschland„Unser scharfes Schwert ist das Wort“

Im Zusammenhang mit der Rassismusdebatte bei der amerikanischen Polizei hat Kriminalpolizist Frank Schniedermeier auf die großen Unterschiede bei der Ausbildung im Vergleich zu Deutschland hingewiesen. Deutsche Polizistinnen und Polizisten seien viel besser auf kritische Situationen vorbereitet, sagte Schniedermeier im Dlf.

Frank Schniedermeier im Gespräch mit Jürgen Zurheide

In den USA reiche in der Regel eine 19-wöchige Ausbildung, um Polizist zu werden. In Deutschland gebe es dagegen ganz unterschiedliche Voraussetzungen für die Polizei-Laufbahn, so Schniedermeier.

„Es gibt Bundesländer, da reicht die mittlere Reife. Bei uns in Nordrhein-Westfalen haben wir als Gewerkschaft der Polizei eine zweigeteilte Laufbahn erkämpft, das heißt, wir stellen in den gehobenen und höheren Dienst ein. Zwingende Voraussetzung dafür ist ein Abitur oder ein Staatsexamen“, sagte Schniedermeier, der seit 42 Jahren für die Polizei arbeitet, derzeit als Kriminalpolizist in Dortmund, und auch Mitglied im Voirstand der Gewerkschaft der Polizei ist.
„Mit Kommunikation die Lage lösen“

Ein dreijähriges Studium mit Abschluss des Bachelor sei vorgesehen. Die Ausbildung höre nach drei Jahren aber nicht auf. „Wir haben verpflichtende Fortbildungen, in den Polizeibeamte auf kritische Situationen vorbereitet werden“, sagte der Polizist weiter.

„Unser scharfes Schwert ist das Wort. Wir versuchen, mit Kommunikation die Lage zu lösen“, so Schniedermeier. Als äußerstes Mittel könne, solle und müsse man aber Zwang anwenden, um polizeiliche Maßnahmen durchzusetzen.

Einen strukturellen Rassismus bei der Polizei wie in den USA schließt Frank Schniedermeier für Deutschland aus. Sicherlich gebe es aber auch hier Polizisten mit rassistischen Tendenzen, das seien aber Einzelfälle, sagte Schniedermeier im Dlf.
„Sicher auch Reichsbürger in unseren Reihen“

„Wir haben nicht diesen strukturellen und systemischen Rassismus, wie es ihn wohl in den USA gibt. Sicherlich haben wir aber teilweise auch in unseren Reihen Menschen, die rassistische Tendenzen haben und sicher auch Reichsbürger in unseren Reihen. Auch die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft“, sagte Frank Schniedermeier, . Rassismus müsse man mit aller Macht und mit aller Konsequenz verfolgen. „Diese Leute haben in der Polizei nichts zu suchen. Dafür gibt es das Schwert des Strafprozessrechtes und dafür sind Staatsanwälte da“, so Schniedermeier. Es gebe genug Möglichkeiten Rassismus, wenn er denn im Einzelfall auftrete, zu begegnen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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https://www.deutschlandfunk.de/polizei-in-deutschland-unser-scharfes-schwert-ist-das-wort.694.de.html?dram:article_id=478565

Schneidermeier ist wohl Vorsitzender der GdP in Dortmund. Auf Facebook tummelt sich da das "Reichsbürger-AfD-Deutschlandretter"-Volk.

https://www.facebook.com/GdPDortmund/posts/d41d8cd9/1574515582630790/
"Der Pfarrer predigt nur einmal!"
 
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