Ist das "Co-Abhängigkeit" oder schlicht wirklich pure Gewalt durch die Tochter? Egal, die Mutter wird auch bestraft. Hoffentlich fällt die Strafe für die Tochter um ein vielfaches höher aus.
Spoiler
GEMÜNDEN Gutgläubige Mutter ließ sich von "Reichsbürgerin" einspannen
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. An diese allgemeine Weisheit hätte sich eine 76-Jährige aus dem Raum Marktheidenfeld besser gehalten. Dann wäre ihr ein Auftritt vor dem Amtsgericht Gemünden erspart geblieben. Durch ihre Unterschrift unter einem zehn Seiten langen Brief an den Direktor des Amtsgerichts hatte sie sich in den Dunstkreis der so genannten Reichsbürger begeben. Außerdem hatte sie sich geweigert ihre Radio- und Fernsehgebühren zu zahlen. Damit hatte auch alles angefangen: auf Forderungen des Bayerischen Rundfunks als zuständige Anstalt reagierte die Rentnerin nicht. Erfolglos war auch der Besuch des Gerichtsvollziehers und eine Vermögensauskunft verweigerte sie ebenfalls. Auf die Frage von Richter Dr. Jan Teubel nach dem Warum?, sagte die alte Dame nur, „weil es meine Tochter so wollte“. Von der Tochter drangsaliert Die 35-jährige Tochter soll sie verbal und auch durch körperliche Gewalt drangsaliert haben. Insgesamt sechs Mal wäre sie geschlagen worden. Einmal war sogar eine leichte Gehirnerschütterung die Folge der tätlichen Attacken. Darauf sei sie dann bei der Tochter aus- und in eine andere Wohnung eingezogen. Bezahlt hat sie die Gebühren nicht, weil es ihr die Tochter verboten hat. „Sie kann so lieb sein, ein richtiger Engel, aber dann sie auch wieder unmöglich“, beschrieb die Angeklagte, eine ehemalige Lehrerin, ihre Tochter. Ihre Tochter war es auch, die wegen der Vollstreckungsmaßnahmen einen sehr langen Brief an den „Geschäftsführer der Firma Amtsgericht Gemünden“, geschrieben hat. Darin erkennt sie das Gericht nicht als rechtmäßige Justizbehörde nicht an. Die Bundesrepublik Deutschland ist für sie kein souveräner Staat. Zuständig sind allein die Siegermächte, hier vorrangig die USA. Weder das Grundgesetz noch die Verfassung des Freistaates Bayern erkennt sie an. Eigene Gebührenordnung erlassen Die geforderten Rundfunkbeiträge des Bayerischen Rundfunks nannte sie in dem Schreiben als „einen Betrug am deutschen Volk“, die Schreiben des Gerichts in der Vollstreckungsangelegenheit als „Vortäuschung eine amtlichen Schreibens“. Dagegen reagiert sie mit der von ihr erlassenen persönlichen „Allgemeinen Handels- und Gebührenordnung“. Nach dieser fallen hohe Summen an, die „vornehmlich in Gold oder Silber“ an sie zu zahlen sind. Für Amtsanmaßung, wie die Unterschrift eines Richters unter einem Bescheid, wird der Gegenwert von 250 000 Euro fällig. Vollstreckt werden sollen ihre Forderungen durch Einrichtungen, die sich im Ausland befinden. So in den USA, England, auf Malta oder in der Schweiz. Ein Vorgehen, das „ernst zu nehmen ist“, wie Thomas Schepping, der Direktor des Amtsgerichts im Zeugenstand betonte. „Einträge in einem ausländischen Schuldnerverzeichnis können Ärger bereiten. Ich nehme die Sache ernst, weil man da nicht so schnell wieder heraus kommt“. An für sich bezeichnete er die Angelegenheit als „hanebüchenden Unsinn“, der dadurch allerdings einen ernsten Hintergrund erhält. Beklagte ist fassungslos, ihr tut es leid „Das ist ein Wahnsinn“, sagte die angeklagte Mutter, als sie Einzelheiten des Schreibens und der Gebührenordnung ihrer Tochter von Richter Teubel erfuhr und bedauerte zu tiefst, dass sie ihre Unterschrift unter den Brief gesetzt hat ohne ihn vorher gelesen zu haben. „Ich bin fassungslos, das tut mir leid“, sagte die Frau, die auch mit dem Begriff „Reichsbürger“ nichts anzufangen wusste. „Die ist nicht richtig im Kopf“, meinte sie über ihre Tochter und stellte sich selbst die Frage, was sie bei der Erziehung falsch gemacht haben könnte, da ihre beiden anderen Kinder „gut geraten“ sind. Da sich die Angeklagte in der Hauptverhandlung von dem Schreiben distanziert hat, beantragte der Staatsanwalt eine Geldstrafe wegen versuchter Nötigung von 900 Euro (30 Tagessätze zu 30 Euro). Der Verteidiger gab zu, dass es leichtsinnig von seiner Mandantin war, den Brief zu unterschreiben, ohne den Inhalt gelesen zu haben. Er wies aber auf den enormen Druck hin, der von der Tochter auf die Mutter ausgeübt worden ist. Auch sind die Schriftstücke immer aus Sicht der Tochter verfasst worden und am Ende nur der Hinweis erfolgt, dass diese auch im Namen der Mutter verfasst wurde. Darum beantragte er „Freispruch oder einen Schuldspruch mit einer Verwarnung“, jedoch keine Geld- oder Haftstrafe. Dem konnte sich Richter Jan Teubel in seinem Urteil nicht anschließen. Er verurteilte die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 600 Euro (20 Tagessätze zu je 30 Euro). Die Tochter muss sich einem eigenen Verfahren verantworten.