Wipperfürth -
Mit viel Personal und mehreren Einsatzwagen waren Polizei, städtisches Ordnungsamt und die Kreisverwaltung im Dezember 2016 ausgerückt, um den Schornsteinfeger bei seiner Arbeit in einem Einfamilienhaus abzusichern. Dessen Bewohner rechnet die oberbergische Polizei zur sogenannten „Reichsbürger“-Szene.
Während der zwangsweisen Durchsetzung der Kehr- und Inspektionsarbeiten eskalierte die Situation. Mit Händen und Füßen soll sich die Eigentümerin (51) gegen das Betreten ihres Hauses gewehrt haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft verletzte sie eine Polizistin am Kopf, als sie eine Dose Tierfutter nach ihr warf. Am Freitag begann der Strafprozess gegen das Ehepaar vor dem Wipperfürther Amtsgericht.
Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung
Dem 54-jährigen Mann legt die Anklage Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zur Last. Bei seiner Ehefrau kommt der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung hinzu. Die Angeklagten hätten nicht reagiert, obwohl die Kreisverwaltung die sogenannte Feuerstättenschau von Kaminofen und Öl-Heizung mehrfach angemahnt habe – zuletzt mit Ultimatum, das am 15. November 2016 ablief.
Auch an jenem Dezembermorgen habe man zunächst auf Gespräche gesetzt, sagten Mitarbeiter von Kreis und Polizei im Prozess aus. Die Frau sei aber auch nach einstündiger Diskussion stur geblieben. Später kam ihr Mann dazu. Beide erklärten, ein anderer Schornsteinfeger habe die Arbeiten bereits erledigt. Der Mann wurde sofort kontaktiert. Er bestätigte Besuche, allerdings in früheren Jahren.
An der Haustür rückte daraufhin der Schlüsseldienst vor. Begleitet von Polizisten, inspizierte der Schornsteinfeger Dachboden und Keller. Die Frau verbarrikadierte sich inzwischen im Wohnzimmer, wo der Kaminofen stand. Beim Versuch, über die Terrasse in den Raum zu gelangen, wurde die 23-jährige Polizistin verletzt. Die Beamten brachen die Wohnzimmertür auf, laut Anklage kam es dann zum Handgemenge.
Schornsteinfeger den Zutritt verwehrt
Nach Aussagen von Mitarbeitern der Kreisverwaltung kam es bereits im Winter 2015 zu einem ähnlichen Einsatz in dem Haus. Die Angeklagten wiederum bestreiten die Rechtmäßigkeit der Behörden-Aktion. Sie hatten Szenen des Einsatzes gefilmt. Beim Prozess am Freitag galt deshalb ein strenges Handyverbot.
Das Ehepaar bewertet den Polizeieinsatz als Retourkutsche für einen Vorfall im September 2016. Mit einem Luftgewehr habe der Mann damals auf seinem Grundstück geschossen. Die anrückende Polizei habe ihn unter Vorhalt einer Maschinenpistole zur Herausgabe der Waffe gezwungen – und sich nach Ansicht des Ehepaares damit lächerlich gemacht.
Ein Beamter des Kölner Staatsschutzes wiederum gab zu Protokoll, die Angeklagten zeigten das „bekannte klassische Selbstverwalter-Verhalten“. Der Prozess wird mit weiteren Zeugen fortgesetzt.
https://www.ksta.de/region/oberberg-ks/prozess--reichsbuerger--ehepaar-aus-wipperfuerth-soll-polizisten-angegriffen-haben-28868460